Ausländerrecht: Neue Gerichtsentscheidung zur Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts in Bezug auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 30.11.2011, Az.: 8 PA 186/11

§ 9 Abs. 2 regelt die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen der Niederlassungserlaubnis in Deutschland. Gem. § 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ist die Niederlassungserlaubnis einem Ausländer nur dann zu erteilen, wenn dessen Lebensunterhalt gesichert ist.

Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers dann gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.

Dabei bleiben insbesondere die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel außer Betracht. Somit bedarf es der positiven Prognose, dass der künftige Lebensunterhalt des Ausländers auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist.

Dies erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mitteln.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs und des zur Verfügung stehenden Einkommens seit der Änderung des Rechts der Sozial- und Arbeitslosenhilfe vom 1. Januar 2005 bei erwerbstätigen Ausländern im Grundsatz nach den entsprechenden Bestimmungen des SGB II (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 – 1 C 21.09 -, BVerwGE 138, 148, 153 f. m.w.N).

Erstrebt ein erwerbsfähiger Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zum Zusammenleben mit seinen Familienangehörigen in einer häuslichen Gemeinschaft oder lebt er bereits mit seiner Familie zusammen, so gelten für die Berechnung seines Anspruchs auf öffentliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich die Regeln über die Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 SGB II.

Aufenthaltstitel_nach_dem_AufenthaltsG

Eine isolierte Betrachtung des Hilfebedarfs für jedes einzelne Mitglied der familiären Gemeinschaft scheidet aus. Im Aufenthaltsrecht umfasst daher die Sicherung des Lebensunterhalts bei erwerbsfähigen Ausländern allgemein – und nicht nur für besondere Fallkonstellationen wie den Familiennachzug – den Lebensunterhalt des mit ihm in familiärer Gemeinschaft lebenden Ehepartners und der unverheirateten Kinder bis zum 25. Lebensjahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 – 1 C 21.09 -, a.a.O., S. 154; Urt. v. 16.11.2010 – 1 C 20.09 -, BVerwGE 138, 135, 141; Nrn. 2.3.2 f. und 9.2.1.2 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz – AVwV AufenthG – v. 26.10.2009, GMBl. 2009, 877).

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Der ausländische Kläger bezog zuletzt ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 546,28 EUR und war nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten zur Sicherung des Lebensunterhalts daneben auf monatliche öffentliche Leistungen in Höhe von circa 1.000,00 EUR angewiesen.

Kläger konnte wegen schwerbehinderter Tochter und Hüftschaden nicht genug Geld verdienen

Im Rahmen des Erteilungsverfahrens der Niederlassungserlaubnis machte der Kläger entsprechend der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geltend, dass er aufgrund der Pflege seiner schwerbehinderten Tochter nicht zur eigenständigen Lebensunterhaltssicherung in der Lage sei. Ausnahmsweise sei ihm somit die Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

Nach § 9 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Satz 3 AufenthG wird von der Erteilungsvoraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG dann abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann.

Darüber hinaus machte der Kläger geltend, aufgrund eines Hüftschadens an der Aufnahme einer Vollzeittätigkeit gehindert zu sein.

Urteil des OVG Lüneburg

OVG Lüneburg sieht Klage als unbegründet an

Das OVG Lüneburg bestätigte die Ansicht der Vorinstanz, dass die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen bei dem die Niederlassungserlaubnis beantragenden Ausländer selbst vorliegen müssen und die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 S. 6 i. V. m. S. 3 AufenthG auf den hier zur Entscheidung vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.

Auch eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Satz 3 AufenthG sei daher von vorneherein auf den vorliegenden Fall ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.2008 – 1 C 34.07 -, NVwZ 2009, 246, 247; OVG Saarland, Beschl. v. 29.1.2008 – 2 D 472/07 -, juris Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 19.10.2007 – 18 A 4032/06 -, juris Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.7.2007 – 13 S 1078/07 -, juris Rn. 24; GK-AufenthG, Stand: Oktober 2011, § 9 Rn. 220 f.).

Atteste würden nicht aussagekräftig die Hinderung an der Vollzeittätigkeit darstellen

Auch könne aus den durch den Kläger beigebrachten ärztlichen Attesten nicht gefolgert werden, dass der Ausländer an einer Vollzeittätigkeit permanent gehindert sei.

Aus den ärztlichen Attesten ergäben sich lediglich funktionsbezogene, nicht aber arbeitszeitbezogene Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers.

Die körperlichen Einschränkungen des Klägers hinderten diesen folglich nicht, eine Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen.

In den ärztlichen Attesten werde auch nicht festgestellt, dass die mit der Erkrankung verbundenen funktionsbezogenen Einschränkungen einen Schweregrad erreichen würden, welcher den Kläger an der Erfüllung seines Lebensunterhaltes hindern würden.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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