Erbrecht: Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten (Inhalt, Form, etc.)
Rechtsanwalt Tieben

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Erbrecht
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von: Helmer Tieben

Das Erbrecht sieht verschiedenste gesetzlich geregelte, aber auch durch Richterrecht anerkannte Auskunftsansprüche vor.

A.) Allgemeines zu erbrechtlichen Auskunftsansprüchen

I.) Gesetzlich geregelte Auskunftsansprüche

– Gem. § 2057 BGB besteht zum Beispiel ein Auskunftsanspruch des Miterben bezüglich
der von einzelnen Miterben erhaltenen Vorempfänge vor.

– Gem. §§ 1934b, 2314 BGB besteht ein Auskunftsanspruch des erbersatzberechtigten,
nichtehelichen Kindes gegen die Erben gem. §§ 1934b, 2314 BGB.

– Gem. § 2027 BGB besteht ein Auskunftsanspruch des Erben gegenüber dem
Erbschaftsbesitzer.

– Gem. § 2127 BGB besteht ein Auskunftsanspruch des Nacherben gegenüber
dem Vorerben.

– Gem. § 2314 BGB besteht ein Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben
über Bestand und Wert des Nachlasses.

II.) Durch Richterrecht anerkannte Auskunftsansprüche

– Auskunftsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen den Vater wegen der Bemessung
des Anspruchs auf vorzeitigen Erbausgleich (OLG Nürnberg NJW-RR 1986, 83).

– Auskunftsanspruch des Nacherben gegen den Vorerben bzw. den Beschenkten wegen Schenkungen des Vorerben an Dritte (BGH NJW 1972, 907 = BGHZ 58, 239).

– Auskunftsanspruch des ursprünglich aus einem Lebensversicherungsvertrag Bezugsberechtigten gegen den Erben des Versicherungsnehmers wegen etwaiger Änderung des Bezugsrechts.

– Auskunftsanspruch des Testamentsvollstreckers, der die Nachlassauseinandersetzung
hat, über ausgleichpflichtige Vorempfänge aus § 2057 BGB gegen sämtliche Miterben (siehe
Palandt/Edenhofer, § 2057, Rn. 1)

III.) Inhalt der Auskunftsansprüche

Auskunftsansprüche im Erbrecht können verschiedentlich ausgerichtet sein. Häufig ist er auf die Bezifferung einer Geldforderung oder die Bezeichnung herauszugebender Gegenstände gerichtet.

Im Rahmen des § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB besteht darüber ausnahmsweise ein Anspruch auf Wertermittlung.

Weitere Inhalte des Auskunftsanspruches sind:

– Der Leistungsort ist in aller Regel der Ort des Hauptanspruches.

– Der Erfüllungsort ist der Wohnsitz des Schuldners, § 269 Abs. 1 BGB

– Die Auskunft ist unverzüglich i. S. des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB, also ohne schuldhaftes Zögern, zu erteilen. Dies ohne Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeit der begehrten Auskunft.

– Im Rahmen des § 242 BGB bestimmt die unzulässige Rechtsausübung die Grenzen der verlangten Auskunft.
– Ebenfalls im Rahmen des § 242 BGB sind Verkehrssitte und Zumutbarkeit unter Berücksichtigung des Einzelfalles maßgebend.

IV.) Form der Auskunft

Grundsätzlich ist die Auskunft in schriftlicher Form zu erteilen (§§ 259-261 BGB), damit deren Richtigkeit nachgeprüft werden kann.

Darüber hinaus muss die Auskunft durch eine geordnete Zusammenstellung erfolgen, also
grundsätzlich durch die Vorlage eines geordneten Bestandsverzeichnisses, in dem die Aktiva und Passiva übersichtlich zusammengestellt sind.

V.) Einreden gegen den Auskunftsanspruch

1.) Verjährung

Gem. § 195 BGB verjährt der Auskunftsanspruch in 30 Jahren.

Wenn allerdings der Hauptanspruch bereits verjährt ist, so ist das Rechtsschutzbedürfnis für das Auskunftsbegehren zu verneinen.

Gem. § 209 Abs. 1 BGB unterbricht eine nach § 254 ZPO erhobene Stufenklage nicht nur die
Verjährung des Auskunftsanspruches, sondern auch die Verjährung des Hauptanspruches
selbst.

2.) Zurückbehaltungsrecht und Verwirkung

Ein Zurückbehaltungsrecht im Rahmen des Klageverfahrens besteht nicht, da sich die gegenseitigen Auskunftsansprüche ansonsten gegenüber stehen würden und keiner mehr durchsetzbar wäre.

Bei einer eventuellen Verwirkung ist nicht nur das Zeitmoment, sondern auch das Verhalten
des Auskunftsberechtigten zu berücksichtigen.

B.) Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten im Besonderen.

I.) Anspruchsvoraussetzungen

Voraussetzung des Auskunftsanspruches des Pflichtteilsberechtigten ist das Pflichtteilsrecht. Davon zu unterscheiden ist der Pflichtteilsanspruch, der ja erst durch die Auskunft festgestellt werden soll.

Steht allerdings bereits von vornherein fest, dass der Berechtigte seinen Anspruch nicht
geltend machen kann, ist auch kein Auskunftsanspruch gegeben.

II.) Auskunftsberechtigter und -verpflichteter

Auskunftsberechtigt ist jeder pflichtteilsberechtigte Nichterbe. Bei einer Abtretung zählt dazu auch der neue Gläubiger und auch der Sozialhilfeträger nach Überleitung des Pflichteilanspruches auf ihn (§ 93 SGB XII).

Auskunftsverpflichtet ist der Erbe oder ein Miterbe als Gesamtschuldner. Der vom Erblasser Beschenkte kann hinsichtlich des fiktiven Nachlasses dann auskunftspflichtig sein, wenn der Erbe dazu nicht in der Lage ist.

III.) Umfang des Auskunftsanspruches

Zweck des Auskunftsanspruches ist die Berechnung des Pflichtteilanspruches. Der Umfang des Auskunftsanspruches besteht somit im Rahmen der Offenlegung der Berechnungsfaktoren.
Die Pflicht zur Vorlage von Belegen besteht gesetzlich zumindest nicht.

Es ist aber h. M., dass Belege zur Überprüfung der Angaben des Erben verlangt werden dürfen.

Darüber hinaus kann der Pflichtteilsberechtigte die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über das Verzeichnis nach § 260 II BGB verlangen.

Neben dem Auskunftsanspruch besteht auch ein Wertermittlungsanspruch.

Ist zum Beispiel eine Eigentumswohnung Bestandteil des Erbes, müssen die Erben auf Kosten des Nachlasses Wertgutachten über diese Wohnung einholen.

IV.) Prozessuales

Der Pflichtteilsberechtigte kann den Auskunfts- und den Pflichtteilsanspruch in gesonderten Klagen geltend machen.

Grundsätzlich wird allerdings die Stufenklage gem. § 254 ZPO die richtige Form zur
Geltendmachung sein.

Die Stufenklage ist eine objektive Klagehäufung und erlaubt als Ausnahme zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in der letzten Stufe einen zunächst unbestimmten Antrag.

– 1. Stufe ist der Antrag auf Auskunftserteilung (eventuell kann erste Stufe
auch die Erbenfeststellung sein)

– 2. Stufe ist der Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung.

– 3. Stufe ist dann der Antrag auf Zahlung oder Herausgabe.

Folgender Formulierungsvorschlag bietet sich bei der Stufenklage im Rahmen des
Auskunftsverlangens des Pflichtteilsberechtigten an:

Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage und werde beantragen, folgendes
Urteil zu erlassen:

1. Der Beklagte wird im Wege der Stufenklage verurteilt,
a. Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am ….. verstorbenen
erteilen, und zwar

aa. hinsichtlich des Wertes des im Grundbuch von […] Band […], Blatt […] eingetragenen Grundstücks durch Vorlage eines Gutachtens und

bb. im Übrigen durch Vorlage eines Verzeichnisses der Nachlassgegenstände 2314 BGB);

b. für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt
worden sein sollte, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen
den Bestand des Nachlasses angegeben hat, als er dazu imstande ist.

c. einen nach Erteilung der Auskunft noch zu beziffernden Betrag nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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Ein Kommentar

  • Guten Tag sehr verehrte Rechtsanwälte,
    ist bei einem sog. Berliner Testament (mit Pflichtteilsstrafklausel), bei dem die Kinder den Letztversterbenden beerben sollen, die Forderung des Pflichtteils aus dem Nachlass des Erstversterbenden mittels einer Auskunftsklage/Stufenklage
    gem. § 2314 BGB (Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben über Bestand und Wert des Nachlasses)
    ODER
    gem. § 2127 BGB (Auskunftsanspruch des Nacherben gegenüber dem Vorerben) zu stellen?
    Hätte hier eine Abänderungsklausel zugunsten des Letztversterbenden eine Relevanz?
    Beste Grüße
    A. Franz

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