Mietrecht: Ausschluss der außerordentlichen Kündigung des Mieters bei Kenntnis dessen von einem Mietmangel
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Brandenburgisches OLG, 25.02.2014, Az.: 3 U 154/11

Der Vermieter ist verpflichtet, die Mietsache frei von Sach- und Rechtsmängel zum vertragsgemäßen Zustand zu überlassen. Wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel hat, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht ein solcher Mangel während der Mietzeit, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Errichtung der Miete befreit, § 536 Abs. 1 BGB. Der Mangel muss gemäß § 536 c Abs. 1 BGB dem Vermieter allerdings unverzüglich angezeigt werden.

Für das Vorliegen eines Mangels und für die Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Mietsache ist der Mieter nach der Überlassung darlegungs- und beweispflichtig.

Die Minderung ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn der Mieter den Mangel bereits bei Vertragsschluss kannte. Nimmt der Mieter eine mangelhafte Sache an, obwohl er den Mangel kennt, so kann er die Minderung nur dann geltend machen, wenn er sich seine Rechte bei der Annahme vorbehält. Dies gilt auch gemäß § 543 Abs. 4 BGB für das dem Mieter nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB zustehende Kündigungsrecht.

Verschiedene Schritte zu Mietminderung durch Mieter

In dem oben genannten Urteil setzte sich das Brandenburgische Oberlandesgericht unter Anderem mit der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Mieters, der trotz Kenntnis der Mängel den bestehenden Mietvertrag verlängert hatte, auseinander.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Parteien waren über einen Gewerbemietvertrag verbunden

Die Parteien hatten im Jahre 2000 einen Mietvertrag über Gewerberäumlichkeiten für eine Dauer von vier Jahren abgeschlossen. Drei Jahre später schlossen die Parteien einen Verlängerungsvertrag ab und vereinbarten, dass das Mietverhältnis am 28.02.2008 enden sollte.

Im Laufe der Mietzeit trat nach dem Vortrag der Beklagten eine Vielzahl von Mängeln auf. Unter anderem wurden im Jahre 2001 erhebliche Mauerwerksdurchfeuchtungen mit Schimmelbildung in der Lagerhalle und den Büros gerügt.

Nachdem der Vermieter Mängel nicht beseitigte, kündigte er das Mietverhältnis

Diese wurden trotz der Anzeige nicht behoben. Daher kündigte die Beklagte das Mietverhältnis durch Schreiben vom 22.8.2006 außerordentlich und fristlos. Am 31.10.2006 gab die Beklagte das Mietobjekt an die Klägerin zurück.

Die Klägerin verlangte die Zahlung von offenstehenden Mietzinsbeträgen bis einschließlich Februar 2008, die Beklagte widerklagend Schadensersatz i. H. v. 1.600 € und Freigabe der Mietkaution.

Das zunächst angerufene Landgericht wies die Klage ab. Auf die Widerklage hin wurde die Klägerin zur Zahlung von 455,89 € nebst anteiliger Zinsen und zur Freigabe der Mietkaution verurteilt. Gegen dieses Urteil wandte sich die Klägerin  mit der Berufung zum Brandenburgischen OLG.

Urteil des Brandenburgischen OLG

Im Berufungsverfahren wurde die Kündigung für unwirksam erklärt

Das Gericht folgte  der Auffassung der ersten Instanz nicht und sprach der Klägerin den Anspruch auf Mietzahlung zu, während es die Widerklage im Umfang der Berufungsanfechtung abwies.

Das Mietverhältnis sei nicht durch die mit Schreiben vom 22.8.2008 erklärte Kündigung beendet worden, sondern habe bis Ende Februar 2008 bestanden.

Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Nachweis des Kündigungsgrundes nach § 578 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 569 Abs. 1 S. 1 BGB aufgestellten Voraussetzungen seien von der insoweit nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen darlegungs- sowie beweisbelasteten Beklagten nicht hinreichend nachgewiesen worden.

Der Mieter habe die Mängel nicht ausreichend dargelegt und bewiesen

Ob eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit vorliege, sei nach dem jeweils aktuellen Erkenntnisstand allein anhand objektiver Maßstäbe zu beurteilen. Notwendig sei eine Einzelfallbetrachtung, soweit das Kündigungsbegehren auf Gesundheitsgefahren gestützt werde, die – wie hier in Gestalt eines weiträumigen Schimmelpilzbefalls – von Raum- und Umweltgiften ausgegangen seien.

Es müsse festgestellt werden, dass von dem den Mietgebrauch beeinträchtigenden Stoff konkrete Gesundheitsgefahren für alle Benutzer der Räumlichkeiten oder jedenfalls Gruppen von ihnen ausgingen.

Um dies nachweisen zu können, werde es regelmäßig der Vorlage entsprechender, die Belastung der Raumluft mit Umweltgiften bzw. Schimmelpilzporen analysierender sowie bewertender, Sachverständigengutachten bedürfen. Hingegen genüge es nicht, in diesem Zusammenhang lediglich auf die allgemeine, grundsätzliche Gefährlichkeit bzw. Schimmel für die menschliche Gesundheit hinzuweisen.

An dem danach erforderlichen Nachweis fehle es hier. Die Beklagte habe lediglich einen Prüfbericht und eine Gefahreneinschätzung des Umweltamtes vorgelegt, aus denen hervor ginge, dass es sich um Pilze gehandelt habe, die Pilzinfektionen verursachen könnten.

Derartige Erkrankungen hingen immer von der individuellen Abwehrlage des Körpers sowie Einwirkzeit und Sporenkonzentration in der Raumluft ab, die in diesem Fall kein gefährliches Ausmaß für die Mitarbeiter der Beklagten angenommen habe.

Der Umstand, dass die Klägerin das Mauerwerk im Jahr 2007 sanieren habe lassen, bewirke weder eine Beweislastumkehr noch eine sekundäre Darlegungslast des Vermieters.

Die Beklagte hätte in Erfahrung bringen müssen, welche Anforderungen die Rechtsprechung an die Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Gesundheitsgefährdung stelle und dementsprechend im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens von der Rechtsprechung vorgesehener Mittel hätte bedienen können, um den Zustand der Mietsache vor ihrem Auszug beweissicher dokumentieren zu können. Die rechtlichen Fehlvorstellungen diesbezüglich würden nicht in die Risikosphäre der Klägerin fallen.

Auch habe der Mieter den Mangel bereits bei Vertragsschluss gekannt

Die Beklagte sei auch nicht nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zu Kündigung berechtigt gewesen. Das Kündigungsrecht sei nach § 543 Abs. 4 i. V. m. § 536 b BGB ausgeschlossen, wenn der Mieter den Mangel der Mietsache bei Vertragsschluss kennt. § 536b BGB sei auch bei einem Veränderungsvertrag anzuwenden. Die Im Kündigungsschreiben angeführten Mängel seien bereits vor der im Oktober 2003 erfolgten Verlängerung bekannt gewesen.

Da das Mietverhältnis durch die von der Beklagten erklärte Kündigung nicht wirksam beendet worden sei, habe es bis zum nachträglich vereinbarten Vertragsende fortbestanden. Die Klägerin könne aufgrund dessen den von der beklagten geschuldeten Mietzins bis einschließlich Februar verlangen, denn die Rechtswirkung des § 536 b BGB erstrecke sich auch auf das Recht zur Mietminderung nach § 536 BGB.

Quelle: Brandenburgisches OLG

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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