Mietrecht: Die Erhöhung von Betriebskostenvorauszahlungen muss sich an der letzten Betriebskostenabrechnung orientieren
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Bundesgerichtshof, 28.09.2011, Az.: VIII ZR 294/10

§ 556 BGB regelt die Modalitäten der Betriebskostenabrechnung. Gem. § 556 Abs. 1 S. 1 BGB können Vermieter und Mieter vereinbaren, dass der Mieter die Betriebskosten trägt. Dabei ist gem. § 556 Abs. 3 BGB über die Vorauszahlungen für Betriebskosten jährlich abzurechnen und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten.

Über folgende Betriebskosten darf gemäß der Betriebskostenverordnung abgerechnet werden.

1. Grundsteuer
2. Wasserversorgung
3. Entwässerung
4. Aufzug
5. Straßenreinigung und Müllbeseitigung
6. Gebäudereinigung und Ungezieferbekämpfung
7. Gartenpflege
8. Beleuchtung
9. Schornsteinreinigung
10. Sach- und Haftpflichtversicherung
11. Hauswart
12. Gemeinschaftsantennenanlage
13. Einrichtungen für die Wäschepflege / maschinelle Wascheinrichtungen
14. Eis- und Schneebeseitigung / Winterdienst
15. Sonstige Betriebskosten
16. Neue Betriebskostenarten

Insbesondere die Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.

Gem. § 560 Abs. 4 BGB kann jede Vertragspartei dann, wenn Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart worden sind, nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung auf eine angemessene Höhe vornehmen.

Das oben genannte BGH Urteil hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der Mieter eine Erhöhung der Betriebskosten von etwa 20% zu akzeptieren hatte.

Sachverhalt: Die Kläger waren Mieter einer Wohnung der Beklagten. Im März 2009 rechnete die Beklagte über die Betriebs- und Heizkosten für das Kalenderjahr 2008 ab.

Die im Abrechnungszeitraum auf die Wohnung entfallenden Betriebskosten einschließlich der Heizkosten betrugen insgesamt 3.670,89 €.

Unter Berücksichtigung der von den Klägern geleisteten Vorauszahlungen errechnete sich eine Nachforderung der Beklagten in Höhe von 348,09 €.

Daraufhin erklärte die Beklagte mit der Abrechnung zugleich eine Erhöhung der monatlichen Vorauszahlungen von bisher 276,90 € auf 336,50 €, und zwar 251,48 € für „Betriebskosten“ und 85,02 € für „Heiz-/Hausnebenkosten“.

Daraufhin begehrten die Kläger die gerichtliche Feststellung, dass sie nicht verpflichtet seien, ab Mai 2009 monatliche Vorauszahlungen auf die kalten Betriebskosten von mehr als 228,62 € und auf die Heizkosten von mehr als 77,29 € zu leisten.

Der sich daraus errechnende Gesamtbetrag von 305,91 € entspreche einem Zwölftel der auf die Kläger entfallenden Betriebs- und Heizkosten des Jahres 2008.

Die Beklagte demgegenüber war der Auffassung, dass sie bei der Anpassung der Vorschüsse nicht an die letzte Betriebskostenabrechnung gebunden sei, sondern wegen zu erwartender Preissteigerungen, insbesondere wegen massiv gestiegener Energiekosten, einen „Sicherheitszuschlag“ von 10 % auf die zuletzt ermittelten Betriebskosten in Ansatz bringen könne.

Das Amtsgericht gab der Klage statt, das Landgericht wies die Berufung der Beklagten zurück.

Bundesgerichtshof: Der BGH folgte der Ansicht des Amts- und Landgerichts und wies die Revision zurück. Die Feststellungklage sei begründet und die Kläger seien entgegen der Aufforderung der Beklagten nicht verpflichtet, auf die Betriebs- und Heizkosten ab Mai 2009 höhere Vorauszahlungen als die von ihnen im Feststellungsantrag zugestandenen Beträge zu leisten.

Bei vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen könne jede Vertragspartei nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung der Vorauszahlungen auf eine angemessene Höhe vornehmen (§ 560 Abs. 4 BGB).

Damit sollen Änderungen der Betriebskosten, die im Laufe des Mietverhältnisses zum Beispiel hinsichtlich der Anzahl der Bewohner oder der Verbrauchsgewohnheiten eintreten, Rechnung getragen werden können.

Hinsichtlich des Begriffs der Angemessenheit korrespondiere § 560 Abs. 4 BGB mit der Regelung in § 556 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der Betriebskostenvorauszahlungen nur in angemessener Höhe vereinbart werden können.

In der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift werde auf die Vorläuferbestimmung in § 4 Abs. 1 MHG Bezug genommen.

Daraus ergebe sich, dass sich die Vorauszahlungen an der Höhe der zu erwartenden Betriebskosten ausrichten sollen.

Dementsprechend sei für die Angemessenheit von Vorauszahlungen auf die voraussichtlich tatsächlich entstehenden Kosten abzustellen.

Das Recht der Mietvertragsparteien, eine Anpassung vorzunehmen, besteht gemäß § 560 Abs. 4 BGB allerdings nur „nach einer Abrechnung“.

Ausgangspunkt für die Anpassung sei damit die letzte Betriebskostenabrechnung, die bereits vorliegt; nicht maßgebend sei eine „letztmögliche“ Abrechnung, die noch nicht erstellt ist.

Die Anpassung der Vorauszahlungen an die jeweils letzte Betriebskostenabrechnung stelle sicher, dass die Vorauszahlungen – im Interesse beider Vertragsparteien – den voraussichtlich tatsächlich entstehenden Kosten möglichst nahe kommen.

Nach Ansicht des BGH habe das Berufungsgericht aus der gesetzlichen Anknüpfung an die letzte Betriebskostenabrechnung mit Recht hergeleitet, dass diese Abrechnung die Grundlage der Anpassung bildet und damit – dies gilt jedenfalls in der Regel – ein Zwölftel des vom Mieter geschuldeten Jahresbetrags der letzten Betriebskostenabrechnung als monatlicher Vorauszahlungsbetrag für das Folgejahr angemessen sei.

Denn die Entwicklung der Betriebskosten im vorangegangenen Jahr rechtfertige eine Prognose über die zu erwartende Höhe der Betriebskosten im Folgejahr, wenn andere Anhaltspunkte fehlen. Das sei nicht umstritten.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könne es aufgrund besonderer Umstände aber auch Ausnahmen von dieser Berechnungsweise geben.
Das Berufungsgericht meine, eine Anpassung der Vorauszahlungen habe ausschließlich in der Weise zu erfolgen, dass das Ergebnis der letzten Betriebskostenabrechnung durch zwölf geteilt werde; andere Umstände seien in keinem Fall zu berücksichtigen. Das treffe nicht zu.

Sowohl der Mieter als auch der Vermieter seien nicht daran gehindert, eine Anpassung der Vorauszahlungen im Hinblick darauf vorzunehmen, dass die Betriebskosten des laufenden Jahres voraussichtlich höher oder niedriger sein werden als die abgerechneten Betriebskosten des Vorjahres.
Denn ausschlaggebend für die Angemessenheit einer Anpassung seien letztlich nicht die Betriebskosten des vergangenen Jahres, sondern, wie ausgeführt, die zu erwartenden Kosten des laufenden Jahres.

Diese könnten maßgeblich auch durch Umstände beeinflusst werden, die sich in der letzten Betriebskostenabrechnung noch nicht ausgewirkt haben können.

So könne etwa eine einschneidende Änderung der Anzahl der Bewohner, auf die in den Gesetzesmaterialien als Anpassungsgrund hingewiesen wird, sich im vergangenen Jahr noch nicht oder nur für einen kurzen Zeitraum ausgewirkt haben, im laufenden Jahr dagegen voll zu Buche schlagen und damit eine Anpassung der Vorauszahlungen rechtfertigen.

Die letzte Betriebskostenabrechnung sei damit zwar Ausgangspunkt und Orientierungshilfe für eine Anpassung der Vorauszahlungen, hindere aber nicht die Berücksichtigung anderer – bereits eingetretener oder noch eintretender – Umstände, von denen die im laufenden Jahr entstehenden Kosten voraussichtlich beeinflusst werden können.

Ließen solche Umstände Vorauszahlungen in anderer Höhe als angemessen erscheinen, als unter Zugrundelegung der Abrechnung des Vorjahres zu erwarten wäre, so könnten sowohl der Mieter als auch der Vermieter eine entsprechende Anpassung vornehmen.

Allerdings sei für einen „abstrakten“ Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % wegen möglicher Preissteigerungen kein Raum.

Die Zubilligung eines generellen Zuschlags von 10 % auf die gesamten Betriebskosten, der deutlich über der gegenwärtigen allgemeinen Teuerungsrate liege, ginge über das berechtigte Interesse des Vermieters, die vom Mieter zu tragenden Betriebskosten nicht vorfinanzieren zu müssen, hinaus.

Nur wenn hinsichtlich bestimmter Betriebskosten – etwa der Energiepreise – Preissteigerungen konkret zu erwarten sind, könne dies in die Berechnung der Vorauszahlungen einbezogen werden, allerdings nur unter Berücksichtigung des Verhältnisses der betreffenden Betriebskosten zu den Betriebskosten insgesamt.

Quelle: Bundesgerichtshof

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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