WEG-Recht: Zustimmungspflicht der Wohnungseigentümer zur Anbringung einer Mobilfunksendeanlage
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Bundesgerichtshof, 24.01.2014, Az.: V ZR 48/13

Gemäß § 22 Abs. 1 WEG können bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

Gem. § 22 Abs. 1 S. 2 WEG ist diese Zustimmung nur dann nicht erforderlich, soweit die Rechte eines Wohnungseigentümers nicht in der in Satz 1 bezeichneten Weise beeinträchtigt werden.

In dem oben genannten Fall hatte der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden ob der Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Anbringung von Mobilfunksendeanlagen rechtsgültig war, obwohl ein Mitglied der WEG gegen den Beschluss gestimmt hatte.

Sachverhalt: Die Parteien des Rechtsstreits bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus einem 22-stöckigen Hochhaus mit Flachdach. Auf diesem Flachdach befinden sich zwei Mobilfunksendeanlagen. Eine dieser Anlagen wurde von der F. GmbH betrieben.

Am 23.11.2010 wurde auf einer Wohnungseigentümerversammlung zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 2 mehrheitlich beschlossen, den Vertrag mit der F. GmbH zu „verlängern“ und dem Unternehmen zu gestatten, Antennen zu verlegen und hierzu auf dem Dach des bis dahin nicht mit Mobilfunksendeanlagen versehenen Aufzugshauses drei Antennenträger zu errichten.

Gegen diesen Beschluss wandte sich die Klägerin, der sowohl bei Beschlussfassung als auch im Zeitpunkt der von ihr erhobenen Anfechtungsklage eine Dachgeschosswohnung gehörte und die darüber hinaus nach wie vor Eigentümerin zumindest einer weiteren Eigentumswohnung war.

Das zunächst angerufene Amtsgericht folgte der Ansicht der Klägerin und gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zum Landgericht blieb erfolglos. Beide Instanzen begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Anbringung der Mobilfunkanlage eine bauliche Veränderung sei, die nach § 22 Abs. 1 i.V.m § 14 Nr. 1 WEG der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedurft hätte.

Mit der zugelassenen Revision zum Bundesgerichtshof möchten die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Bundesgerichtshof: Der Bundesgerichtshof hat die Revision nun ebenfalls zurückgewiesen und die Rechtsauffassung der Vorinstanzen mit der Erwägung bestätigt, dass auf der Grundlage des allgemeinkundigen wissenschaftlichen Streits um die von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Gefahren und der daraus resultierenden Befürchtungen zumindest die ernsthafte Möglichkeit einer Minderung des Miet- oder Verkaufswerts von Eigentumswohnungen bestünde.

Somit stelle dies eine Beeinträchtigung dar, die ein verständiger Wohnungseigentümer nicht zustimmungslos hinnehmen müsse (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG).

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei eine andere Beurteilung auch nicht mit Blick auf die Regelung des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB geboten. Danach bestünde zwar im Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer eine Vermutung dafür, dass bestimmte Einwirkungen, zu denen auch Strahlenimmisionen gehören, unwesentlich und daher hinzunehmen sind, wenn die einschlägigen Grenz- und Richtwerte eingehalten werden.

Die Norm regele aber nicht den Konflikt unter Wohnungseigentümern darüber, wie mit dem Gemeinschaftseigentum umgegangen werden soll und ob hierzu bauliche Veränderungen mit all ihren Vorzügen und Nachteilen vorgenommen werden sollen. Der Rückgriff von § 22 Abs. 1 WEG auf den Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG solle sicherstellen, dass das Recht jedes Wohnungseigentümers, auf Entscheidungen über bauliche Veränderungen durch das Zustimmungserfordernis maßgebend Einfluss zu nehmen (§ 903 BGB), grundsätzlich gewahrt bleibe.

In diese Befugnis dürfe nur eingegriffen werden, soweit Wohnungseigentümer von der Maßnahme gar nicht oder nur ganz geringfügig betroffen seien.

Für die Konkretisierung dieser spezifisch wohnungseigentumsrechtlichen Geringfügigkeit würden die in § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten immissionsrechtlichen Grenz- und Richtwerte keinen brauchbaren Maßstab liefern. Das gelte umso mehr, als das Zusammenleben in einer Wohnungseigentumsanlage – auch bei Entscheidungen über bauliche Veränderungen – ein stärkeres Maß an Rücksichtnahme verlange.

Quelle: Bundesgerichtshof

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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