Einbürgerung trotz Lüge Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Einbürgerung trotz Lüge

  1. Ausländerrecht: Arglistige Täuschung über den Einbürgerungswillen führt zur Rücknahme der Einbürgerung

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    Verwaltungsgericht Augsburg, 11.04.2017, Az.: Au 1 K 16.1553

    Die Einbürgerung, sowie das Einbürgerungsverfahren ist im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt. So ist nach § 10 Abs. 1 StAG ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 S. 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist,  auf Antrag einzubürgern, wenn er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16, 17, 17a, 20, 22, 23 Abs. 1, §§ 23a, 24 und 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt, den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert, weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt. Jedoch kann die Einbürgerung innerhalb von 5 Jahren nach § 35 Abs. 3 StAG wieder zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 StAG gegeben sind. Hiernach kann eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

    Welche Arten von Einbürgerung gibt es?

    Im nachstehenden Urteil geht es um die Frage, ob die Einbürgerung des Klägers ordnungsgemäß zurückgenommen wurde und ob dieser über seinen Einbürgerungswillen arglistig getäuscht hat.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Einbürgerungsbehörde will Antragsteller die Staatsangehörigkeit entziehen

    Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung durch die Beklagte.

    Der Kläger wurde 1981 in Deutschland geboren und besaß zunächst lediglich die türkische Staatsangehörigkeit. Am 15.12.2011 stellte er bei der damals zuständigen Behörde einen Antrag auf Einbürgerung und unterzeichnete gleichzeitig, dass er für den Fall, dass durch die Einbürgerung nicht automatisch der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit eintrete, er den Verlust herbeiführen würde.  Am 10.01.2012 erhielt der Kläger sodann eine Einbürgerungszusicherung, um das Verfahren zur Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit betreiben zu können. Mit Schreiben vom 25.06.2012 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass seiner Einbürgerung entsprochen werde, nachdem dieser bei der Behörde eine Genehmigung der türkischen Behörden zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorgelegt hatte. Mit gleichem Schreiben wurde ihm die Auflage erteilt, spätestens nach 6 Monaten die entsprechenden Nachweise über den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit vorzulegen.

    Einbürgerungsbehörde fordert vom Kläger Entlassungsurkunde der alten Staatsangehörigkeit

    Mit Schreiben vom 05.12.2012, 02.04.2012 und 05.02.2014 wurde der Kläger aufgefordert die Entlassungsurkunde vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach. Stattdessen forderte er die zuständige Sachbearbeiterin am 25.02.2014 auf, sich amtlich zu legitimieren und äußerte darüber hinaus Zweifel an der Kompetenz und Zuständigkeit der Behörde. Daraufhin wurde dem Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes am 18.03.2014 eine Frist zur Vorlage der türkischen Entlassungsurkunde bis zum 30.04.2014 gesetzt. Eine Vollstreckung scheitere.

    Am 14.09.2016 hörte die Beklagte, als nach dem Umzug des Klägers zuständige Behörde, diesen zu der beabsichtigten Rücknahme der Einbürgerung an. Mit Schreiben vom 20.09.2016 und 28.09.2016 stellte der Kläger Forderungen, machte nicht sachbezogene Äußerungen und unterließ eine konkrete Äußerung zur Rücknahme.

    Einbürgerungsbehörde nimmt Einbürgerung wegen arglistiger Täuschung zurück

    Mit Bescheid vom 13.10.2016 nahm die Beklagte daher die Einbürgerung des Klägers rückwirkend zum 03.07.2012 zurück. Die begründete sich damit, dass eine rechtwidrige Einbürgerung nach § 35 StAG zurückgenommen werden könne, wenn diese aufgrund arglistiger Täuschung erteilt worden sei. Die Einbürgerung des Klägers sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG lägen nicht vor. Der Kläger sei seiner Verpflichtung zur Herbeiführung des Verlusts der türkischen Staatsbürgerschaft nicht nachgekommen. Vielmehr habe er darüber getäuscht, dass er den Willen hätte den Verlust herbeizuführen und habe es bewusst unterlassen eine entsprechende türkische Entlassungsurkunde vorzulegen.

    Im Wege der Ermessensausübung sei berücksichtigt worden, dass er Kläger in der Bundesrepublik geboren und integriert sei. Jedoch müsse die Einbürgerung zur Vermeidung einer Mehrstaatlichkeit vermieden werden.

    Kläger reicht Klage gegen die Rücknahme beim VG Augsburg ein

    Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 07.11.2016 Klage ein. Zur Begründung führte er aus, dass der Bescheid ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, da die Deutsche Post AG als privates Unternehmen nicht berechtigt sei, amtliche Zustellungen vorzunehmen. Darüber hinaus sei der Bescheid nur mit „i.A.“ unterzeichnet und daher unwirksam. Der Bescheid sei nach §§ 125 ff. BGB unwirksam.

    Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg:

    Verwaltungsgericht Augsburg folgt der Ansicht der Einbürgerungsbehörde

    Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Der Rücknahmebescheid sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten.

    Der Bescheid wurde ordnungsgemäß mittels Postzustellungsurkunde durch die Deutsche Post AG gemäß Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Art. 3 BayVwZVG zugestellt. Auch die Unterschrift mit „i.A.“ sei zulässig. Nach Art. 37 Abs. 3 BayVwVfG müsse ein schriftlicher Verwaltungsakt lediglich die erlassene Behörde erkennen lassen, sowie die Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten erhalten. Diese Voraussetzung sei erfüllt.

    Nach § 35 Abs. 1 StAG könne eine rechtswidrige Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit (Abs. 4) nur dann zurückgenommen werden, wenn sich durch arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung, durch vorsätzliche unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Verleihung gewesen sei, erwirkt worden seien. Dies sei vorliegend der Fall.

    Da der Antragsteller bislang seine türkische Staatsangehörigkeit nicht aufgegeben habe, könne er nicht eingebürgert werden

    Die Einbürgerung verstoße gegen § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG, da der Kläger seine bisherige türkische Staatsbürgerschaft weder aufgegeben noch verloren habe.  Die vorübergehende Mehrstaatlichkeit sei zwar hinzunehmen, jedoch sei diese lediglich durch die zuständige Behörde als Übergangsmöglichkeit gedacht gewesen. Dies sei insbesondere daran festzumachen, dass der Kläger einen Nachweis zu erbringen hatte und ihm eine Auflage erteilt worden sei. Die damalige Behörde habe daher zum Ausdruck gebracht, dass eine dauerhafte Beibehaltung der doppelten Staatsangehörigkeit nicht möglich sei.

    Die Einbürgerung sei somit von vorneherein rechtswidrig gewesen sei. Die Behörde sei davon ausgegangen, dass der Kläger die türkische Staatsangehörige unverzüglich abgebe, was nunmehr seit 5 Jahren nicht geschehen sei. Der Fall sei auch vergleichbar mit der Situation, dass der Einbürgerungsbewerber zum Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde beabsichtige, umgehend nach seiner Einbürgerung beziehungsweise nach der darauf erfolgenden Entlassung aus seiner bisherigen Staatsangehörigkeit, diese wieder anzunehmen. Das VGH Baden-Württemberg ging hierbei davon aus, dass die Einbürgerung als von Anfang an rechtswidrig zu qualifizieren sei, weil es bei einem solchen inneren Vorbehalt an der Voraussetzung der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit fehle (VGH Baden-Württemberg, Urt. v.  23.09.2002 – 13 S 1984/01).

    Ebenso seien die Ausnahmetatbestände des § 12 Abs. 1 StAG i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 4 StAG abzulehnen.  Im Weiteren habe der Kläger nach Ansicht des Gerichts über seine Absicht, die türkische Staatsangehörigkeit abzulegen, arglistig getäuscht.

    Eine arglistige Täuschung liege vor, wenn der Begünstigte auf die Entscheidung der Behörde durch Herbeiführung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums eingewirkt habe, indem er wahre Tatsachen verschwiegen oder Angaben gemacht habe, deren Unrichtigkeit ihm bewusst gewesen seien oder deren Unrichtigkeit er für möglich gehalten habe, diese aber in Kauf genommen habe.

    Kläger habe die Einbürgerungsbehörde arglistig über seine Entlassungsabsichten getäuscht

    Der Kläger habe arglistig, demnach vorsätzlich falsche Angaben gegenüber der Behörde gemacht, indem er den Einbürgerungsantrags unterschrieben und die Entlassungsgenehmigung vorgelegt habe. Auch spreche die Gesamtsituation dafür, dass der Kläger von Anfang an den Willen gehabt habe, die türkische Staatsangehörigkeit beizubehalten. Insbesondere, da der Beklagtenvertreter glaubhaft vorgetragen habe, dass es üblich sei, dass dem türkischen Konsulat neben der Entlassungsgenehmigung zeitgleich bereits die Entlassungsurkunde zugesandt werden, sodass diese dem Betroffenen umgehend nach Vorlage der Einbürgerung ausgehändigt werden könne. Demnach sei es dem Kläger bei tatsächlichem Willen möglich gewesen, diese in kürzester Zeit bei der Behörde vorzulegen.

    Durch dieses Vorgehen habe der Kläger die Einbürgerung erwirkt. Erwirkend im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG sei die Einbürgerung nur dann, wenn die Täuschung entscheidungserheblich für die Entscheidung der Behörde gewesen sei, demnach die Einbürgerung nicht erfolgt wäre, wenn die Behörde nicht in ihrer Entscheidung beeinflusst worden wäre, sondern den wahren Sachverhalt gekannt hätte. Dies sei vorliegend der Fall. Ohne die Willenskundgabe des Klägers, er wolle die türkische Staatsangehörigkeit abgeben und dafür die deutsche erhalten, hätte keine Einbürgerung stattgefunden.

    Letztlich wurde die Frist aus § 35 Abs. 3 StAG eingehalten, sowie eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung getroffen. Insbesondere sei sich die Beklagte ihr Ermessen bewusst gewesen und habe keine sachfremden Erwägungen mit einbezogen.

    Die Einbürgerung habe daher nach § 35 StAG zurück genommen werden können, sodass die Klage unbegründet sei.

    Quelle: Verwaltungsgericht Augusburg

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Ein Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund einer Trunkenheitsfahrt steht der Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG nicht entgegen

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    Verwaltungsgericht Augsburg, 10.03.2015, Az.: AU 1 K 14.1697

    Nach § 8 Abs. 1 StAG kann ein Ausländer auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist; weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist; eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.

    Die vorgenannten Voraussetzungen müssen grundsätzlich kumulativ vorliegen. Hiervon kann nach § 8 Abs. 2 StAG nur aufgrund eines öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

    Welche Arten von Einbürgerung gibt es?

    Nach § 9 Abs. 1 StAG sollen Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 StAG eingebürgert werden, wenn sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit verlieren oder aufgeben oder ein Grund für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach Maßgabe von § 12 vorliegt und gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen, es sei denn, dass sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 4 StAG) und keinen Ausnahmegrund nach § 10 Abs. 6 StAG erfüllen.

    In dem nachstehenden Urteil begehrt der Kläger die Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG i.V.m. § 9 StAG, da er gemeinsam mit seiner deutschen Frau und dem gemeinsamen Sohn in der Bundesrepublik Deutschland lebt und arbeitet.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihn einzubürgern.

    Kläger war indischer Staatsangehöriger mit Niederlassungserlaubnis

    Der Kläger reiste als indischer Staatsangehöriger im Dezember 2007 zu seiner deutschen Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn in die Bundesrepublik Deutschland ein. Kurz darauf erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis und im Februar 2011 erhielt er seine Niederlassungserlaubnis.

    Mit Strafbefehl vom 21.09.2010 wurde gegen den Kläger eine Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verhängt und seine Fahrerlaubnis entzogen.

    Kläger war wegen Alkohol am Steuer zu 50 Tagessätzen verurteilt worden

    Am 30.12.2011 beantragte der Kläger unter Einreichung der erforderlichen Unterlagen die Einbürgerung. Ein medizinisch-psychologisches Gutachten vom August 2013 reichte er auf Nachfrage der Beklagten nach. Eine Entscheidung über die Einbürgerung erging dennoch nicht.

    Am 26.11.2014 erhob der Kläger Klage und beantragte, dass die Beklagte verpflichtet werden solle, ihn in den deutschen Staatsverbund einzubürgern. Dies begründete er damit, dass er einen Anspruch auf Einbürgerung habe, da kein Einbürgerungshindernis nach § 12a StAG wegen seiner Verurteilung vom 21.09.2010 bestünde. Darüber hinaus arbeite er seit April 2014 in Vollzeit, sodass sein Lebensunterhalt nachhaltig gesichert sei.

    Ausländerbehörde sah wegen häufigen Arbeitgeberwechseln den Lebensunterhalts als nicht gesichert an

    Die Beklagte erwiderte darauf, dass die für eine Ermessenseinbürgerung erforderliche Unterhaltsfähigkeit bei dem Kläger aufgrund häufiger Arbeitgeberwechsel nicht gesichert sei. Eine positive Beurteilung der Lebensunterhaltssicherung sei daher nicht möglich. Einer Einbürgerung stehe vor allem aber die im Zusammenhang mit der Verurteilung des Klägers verhängte Maßregel der Besserung und Sicherung in Form einer Sperre für die Fahrerlaubnis entgegen. Daher könne nur im Einzelfall entschieden werden, ob die Maßregel außer Betracht bleiben könne. Eine derartige Ermessensentscheidung sei bislang noch nicht getroffen worden, da das erforderliche Gutachten über die Fahreignung erst Ende März 2014 bei der Beklagten vorgelegen habe.

    Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg:

    Die Klage sei zulässig und begründet. Der Kläger habe einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG i.V.m. § 9 Abs. 1 StAG.

    Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG seien erfüllt. Der Kläger sei handlungsfähig nach Maßgabe von § 80 Abs. 1 AufenthG, verfüge über eine eigene Wohnung und sei im Stande, sich und seine Angehörigen zu ernähren. Letztgenannte Voraussetzung erfülle der Kläger nach Ansicht des Gerichts insbesondere da er weitere Einkommensnachweise erbringen konnte, die eine dauerhafte Anstellung belegen würden.

    Gericht sah Vorstrafe als unproblematisch und Lebensunterhalt als gesichert an

    Nach Ansicht des Gerichts stünde auch der Strafbefehl und die damit verbundene Maßregelung einer Einbürgerung nicht entgegen. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG setze bei der Einbürgerung voraus, dass der Ausländer weder wegen einer rechtwidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden sei. Ein hier genannter Fall läge bei dem Kläger gerade nicht vor, da er nicht „aufgrund seiner Schuldfähigkeit“ verurteilt worden sei, sondern wegen einer strafrechtlichen Verfehlung. Nach § 69 Abs. 1 StGB könne die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn jemand entweder wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen habe, verurteilt wurde oder nur deshalb nicht verurteilt wurde, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen sei.

    Letztgenannter Fall sei bei dem Kläger aufgrund der Geldbuße abzulehnen. Somit stünde die Maßregelung der Einbürgerung nicht entgegen. Eine andere Auslegung sei aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG und im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG nicht möglich. Auch die von der Beklagten angeführten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (NVWZ 2009, 1205) oder des Verwaltungsgerichts München (M 25 K 09.2082) ließen keine andere Bewertung zu, da sich diese auf den alten Gesetzestext beziehen würden. Durch die neu gewählte Formulierung des Gesetzgebers aus dem Jahr 2007 mit dem Wortlaut „aufgrund einer Schuldunfähigkeit“ ließe keinen Spielraum oder  Auslegungsbereich offen, der es ermöglichen würde, einem Einbürgerungsbewerber auch solche Maßregeln entgegen zu halten, die bei ihm in Folge einer schuldhaften Straftatverwirklichung angeordnet wurden.

    Auf die Maßregel der Besserung und Sicherung sei nur dann als Einbürgerungshindernis abzustellen, wenn wegen des zu Grunde liegenden Fehlverhaltens keine Strafe verhängt werden konnte. Dies sei dann anzunehmen, wenn der Ausländer schuldunfähig gewesen sei. In allen anderen Fällen stelle die verhängte Strafe das dann maßgebliche Kriterium für die Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen dar.

    Nach Ansicht des Gerichts habe der Kläger somit einen Anspruch auf Einbürgerung

    Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 StAG und § 9 StAG lägen somit vor. Folglich habe der Kläger einen Anspruch auf Einbürgerung.

    Nach dem Wortlaut des § 9 StAG „soll“ der Einbürgerungsbewerber eingebürgert werden, wenn, die in § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StAG genannten weiteren Voraussetzungen – wie beim Kläger – erfüllt seien.

    Die Ermächtigung räume dann einen grundsätzlichen Einbürgerungsanspruch ein. Dies bedeute, dass die Einbürgerung regelmäßig vorgenommen werden müsse und nur in atypischen Fällen verweigert werden dürfe (Marx in: Gemeinschaftskommentar zum Strafangehörigkeitsrecht, § 8 StAG Rn. 128). Ein atypischer Sachverhalt sei vorliegend jedoch nicht anzunehmen.

    Der Kläger habe somit einen Anspruch auf Einbürgerung. Der Klage sei daher stattzugeben gewesen.

    Quelle: Verwaltungsgericht Augsburg

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  3. Ausländerrecht: Bleibt die Ausländerbehörde untätig, muss der Ausländer auch bei Täuschung eingebürgert werden.

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    Bundesverwaltungsgericht, 01.06.2017, Az.: 1 C 16.16

    Der § 10 des Staatsangehörigkeitsrechts (Anspruchseinbürgerung) hat die folgenden Voraussetzungen:

    • Acht Jahre rechtmäßiger gewöhnlicher Inlandsaufenthalt, der grundsätzlich ununterbrochen bestehen muss.
    • Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlich demokratischen Grundordnung.
    • Besitz eines Aufenthaltsrechts des Einbürgerungsbewerbers (zum Beispiel Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis)
    • Der Einbürgerungsbewerber muss in der Lage sein, sich und seine Angehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu ernähren.
    • Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit
    • Straffreiheit des Einbürgerungsbewerbers.
    • Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse.
    • Kenntnisse der deutschen Gesellschaftsordnung.

    Anspruchseinbuergerung_Ermessenseinbuergerung

    Fraglich ist jedoch, ob ein Einbürgerungsbewerber, der seine Aufenthaltstitel unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen hat, seit acht Jahren seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Diese Frage wurde in dem hier besprochenen Fall zunächst vom Verwaltungsgericht, im Berufungsverfahren vom Verwaltungsgerichtshof und dann im Rahmen der Revision vom Bundesverwaltungsgericht behandelt.

    Sachverhalt: Bei dem Kläger handelte es sich um einen irakischen Staatsangehöriger, der in den deutschen Staatsverband eingebürgert werden wollte.

    Der Kläger war im Jahre 1997 unter falscher Identität in das Bundesgebiet eingereist und hatte seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Dabei hatte er angegeben, dass er aus dem Zentralirak stamme. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens wurde dem Kläger dann Flüchtlings- und Abschiebungsschutz gewährt. Das damals angerufene Verwaltungsgericht war dabei davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Rückkehr in den Irak politische Verfolgung und eine erniedrigende Behandlung im Sinne des § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 EMRK drohen würde, da er als kurdischer Volkszugehöriger nicht auf den Nordirak als inländische Fluchtalternative verwiesen werden könne. Seit März 2008 war der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Mit Schreiben vom 31.05.2010 hatte der Kläger bei der Ausländerbehörde eine irakische Staatsangehörigkeitsurkunde vorgelegt und um Berichtigung seiner Personalien gebeten, die dem Wunsch auch nachkam. Im Oktober 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Einbürgerung. Dabei gab er an, er habe bis zu seiner Ausreise aus dem Irak in seinem Geburtsort S. (Nordirak) gelebt und dort im Juni 2000 geheiratet. Auf Anfrage der Einbürgerungsbehörde teilte das Bundesamt im Juni 2013 mit, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der asylrechtlichen Begünstigung nicht vorlägen. Mit Bescheid vom 20.11.2013 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag ab. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG, da er wegen der Identitätstäuschung nicht seit acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe.

    Gegen diese Entscheidung klagte der Kläger zunächst beim zuständigen Verwaltungsgericht, welches die Klage mit Urteil vom 14.01.2015 abwies. Die hiergegen eingelegte Berufung wies der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 20.04.2016 zurück. Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass es an dem für die Einbürgerung nach § 10 StAG notwendigen achtjährigen gewöhnlichen Aufenthalt fehle. Der Kläger habe vor Offenlegung seiner wahren Identität im Juni 2010 keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründen können, weil die zutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Anknüpfungspunkte für eine Prognoseentscheidung nicht bekannt gewesen seien und er wegen der Täuschung mit seiner Ausweisung habe rechnen müssen. Gegen diese Entscheidung reichte der Kläger Revision zum Bundesverwaltungsgericht ein.

    Bundesverwaltungsgericht: Das Bundesverwaltungsgericht urteilte nun, dass die Revision des Klägers Erfolg habe. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG, insbesondere hat er seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe jedenfalls vor Offenlegung seiner wahren Identität im Juni 2010 keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet begründen können, verletze Bundesrecht.

    Maßgeblich für die Prüfung des mit der Verpflichtungsklage verfolgten Einbürgerungsanspruchs sei die gegenwärtige Rechtslage (BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 – 10 C 2.14 – BVerwGE 149, 387 Rn. 10) und damit das Staatsangehörigkeitsgesetz – StAG – in der aktuellen Fassung.

    Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG sei ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe auf Antrag einzubürgern, wenn er die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StAG aufgezählten Voraussetzungen erfüllen und kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegen würde. Zwischen den Beteiligten sei allein streitig, ob der Kläger seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe, obwohl er nach seiner Einreise zunächst über seine Identität getäuscht und aufgrund dieser Täuschung – möglicherweise zu Unrecht – Flüchtlings- und Abschiebungsschutz und darauf aufbauend einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten habe.

    Bei der Auslegung des im Staatsangehörigkeitsgesetz verwendeten Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts könne an die Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch I (SGB I) und die dazu ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden. Danach habe ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebe, so dass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss sei. Das sei der Fall, wenn er hier nach den tatsächlichen Verhältnissen seinen Lebensmittelpunkt habe. Hierfür bedürfe es mehr als der bloßen Anwesenheit des Betroffenen während einer bestimmten Zeit. Nicht erforderlich sei, dass der Aufenthalt mit Willen der Ausländerbehörde auf grundsätzlich unbeschränkte Zeit angelegt sei und sich zu einer voraussichtlich dauernden Niederlassung verfestigt habe; auch ein zeitlich befristeter Aufenthaltstitel und der bloße Verzicht auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen würden einen gewöhnlichen Aufenthalt nicht ausschließen. Da die Rechtmäßigkeit von der Dauerhaftigkeit des Aufenthalts zu unterscheiden sei, bedürfe es für Letztere auch keiner förmlichen Zustimmung der Ausländerbehörde, sondern es genüge, dass diese unbeschadet ihrer rechtlichen Möglichkeiten davon Abstand nehmen würde, den Aufenthalt zu beenden, etwa weil sie eine Aufenthaltsbeendigung für unzumutbar oder undurchführbar halten würde.

    Für die Feststellung, ob ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe, bedürfe es einer in die Zukunft gerichteten Prognose, bei der nicht nur die Vorstellungen, sondern auch die Möglichkeiten des Ausländers zu berücksichtigen seien. Denn es genüge nicht, dass er sich auf unabsehbare Zeit in Deutschland aufhalten wolle, er müsse dazu auch die Möglichkeit haben. Daran würde es fehlen, wenn er nach den gegebenen Umständen nicht im Bundesgebiet bleiben könne, weil sein Aufenthalt in absehbarer Zeit beendet werden würde. Dies zu entscheiden und durchzusetzen sei Sache der Ausländerbehörde. Wenn nach den ausländerrechtlichen Vorschriften und den auf ihrer Grundlage getroffenen Anordnungen der Ausländerbehörde ein Ende des Aufenthalts abzusehen sei, sei auch im Staatsangehörigkeitsrecht die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts ausgeschlossen. Nehme die Ausländerbehörde dagegen den Aufenthalt auf nicht absehbare Zeit hin, komme ein dauernder Aufenthalt in Betracht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1993 – 1 C 45.90 – BVerwGE 92, 116 <124 f.> und vom 26. April 2016 – 1 C 9.15 – BVerwGE 155, 47 Rn. 14).

    Beruhe der Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet auf einer Täuschung der Behörden, etwa über seine Identität, Herkunft oder sonstige für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet beachtliche Umstände, führe dies – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht automatisch zu einer Verneinung des gewöhnlichen Aufenthalts, bis der Ausländerbehörde alle entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt seien. Auch die bloße Angreifbarkeit eines durch Täuschung erlangten Aufenthaltstitels stünde der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht zwingend entgegen. Bei der Prognose, ob ein Ausländer vor Aufdeckung der Täuschung mit einer Beendigung seines Aufenthalts rechnen musste, sei vielmehr in den Blick zu nehmen, wie die Ausländerbehörde – bei Kenntnis des vollständigen Sachverhalts und in Ansehung der daraus resultierenden rechtlichen Möglichkeiten – voraussichtlich reagiert hätte (hypothetische ex ante-Prognose). Dies stelle sicher, dass der Ausländer aus der Täuschung keinen von der Rechtsordnung nicht gedeckten Vorteil erhalte, und gelte auch dann, wenn er sich mit der Täuschung strafbar gemacht habe und/oder einen Ausweisungsgrund verwirklicht bzw. ein Ausweisungsinteresse begründet habe. Denn selbst ein derartiges Verhalten führe nicht zwangsläufig zu einer Aufenthaltsbeendigung.

    § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG setze weiter voraus, dass der Ausländer seit acht Jahren „rechtmäßig“ seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts werde bei Drittstaatsangehörigen vor allem durch den Besitz eines Aufenthaltstitels vermittelt (§ 4 AufenthG). Die Rechtmäßigkeit müsse sich auf den gewöhnlichen Aufenthalt beziehen, diesen also „abdecken“. Für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts komme es allein auf den formalen Besitz eines Aufenthaltstitels und nicht auf dessen rechtmäßige Erteilung an. Dies gelte auch bei einem durch Täuschung erwirkten Aufenthaltstitel, der, solange er wirksam und nicht zurückgenommen sei, einen rechtmäßigen Aufenthalt vermitteln würde.

    In Anwendung dieser Grundsätze habe der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht durchgängig seit acht Jahren (April 2008 – April 2016) rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die ihm im März 2008 – unter falscher Identität – erteilte Niederlassungserlaubnis sei weder unwirksam noch sei sie nach Offenlegung der Täuschung (rückwirkend) aufgehoben worden. Die Ausländerbehörde habe mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bewusst gegenüber dem Kläger eine Regelung getroffen, auch wenn sie seinerzeit dessen wahre Identität nicht gekannt habe. Auch habe die Ausländerbehörde die dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis nach Offenlegung der Identitätstäuschung auch nicht (rückwirkend) aufgehoben.

    Das gefundene Ergebnis stünde auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung als Ausdruck der Selbstbehauptung des Rechts (Urteil vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 669/04 – BVerfGE 116, 24 <49 ff.>). Das Bundesverfassungsgericht verlange nicht, dass jede durch Täuschung erlangte Rechtsposition rückgängig gemacht werden müsse, sondern nur, dass eine Rechtsordnung die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit nicht untergraben dürfe. Dabei betone es, dass es grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung sei, auf welche Weise dies geschehen würden. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben würden die gesetzlichen Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf (begünstigender) Verwaltungsakte genügen.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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