Einbürgerung Hartz 4 Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Einbürgerung Hartz 4

  1. Sozialrecht: Ausländer aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben nicht grundsätzlich Anspruch auf Sozialleistungen (Hartz 4) in Deutschland

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    Europäischer Gerichtshof, 11.11.2014, Rechtssache C 333/13

    Wir haben an dieser Stelle bereits mehrfach über die gesetzlichen Regelungen berichtet, welche den Sozialleistungsbezug von Ausländern zum Gegenstand haben. Damit sind solche Ausländer gemeint, welche sich mit einem deutschen Aufenthaltstitel (z. B. Visum, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis) in Deutschland befinden.

    Noch kontroverser wird allerdings die Frage diskutiert, ob auch Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union das Recht haben, Sozialleistungen vom deutschen Staat zu beziehen.

    Gerade in Bezug auf Leistungen des SGB II (Hartz 4) gibt es dafür mit § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II eigentlich eine klare Regelung.

    Gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II sind nämlich

    – solche Ausländerinnen und Ausländer sowie ihre Familienangehörigen nicht leistungsberechtigt, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

    – sowie Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen nicht leistungsberechtigt, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.

    Ob diese Regelungen allerdings mit dem geltenden EU-Recht konform sind, war bislang noch nicht festgestellt worden. In der oben genannten Rechtssache war diese Frage daher dem Europäischen Gerichtshof in einem sogenannten Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt worden.

    Sachverhalt: Die Klägerin in diesem Rechtsstreit ist rumänische Staatsangehörige, welche seit mehreren Jahren mit ihrem in Deutschland geborenen minderjährigen Sohn bei ihrer Schwester in Leipzig leben.

    Sie und ihr Sohn beziehen bereits Kindergeld i. H. v. EUR 184 und Unterhaltsvorschuss i. H. v. EUR 133. Während ihrer Zeit in Deutschland arbeitete die Klägerin nicht und zeigte auch keine Bemühungen, eine Arbeit zu finden. Auch in Rumänien war die Klägerin nicht erwerbstätig gewesen.

    Um weitere Leistungen zu erhalten, stellte die Klägerin beim zuständigen Jobcenter in Leipzig Antrag auf Leistungen nach dem SGB II (Hartz 4). Das Jobcenter verweigerte die Leistungen allerdings unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II.

    Da sich die Klägerin mit dieser Entscheidung nicht zufrieden geben wollte, klagte sie vor dem Sozialgericht Leipzig. Das Sozialgericht Leipzig folgte zwar der Ansicht des Jobcenters, gab aber zu Bedenken, dass eventuell EU-rechtliche Bestimmungen der Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II entgegen stehen könnten und legte diese Frage Art. 234 EGV dem Europäischen Gerichtshof daher zur Vorabentscheidung vor.

    Vor der endgültigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes befasste sich der Generalanwalt Melchior Wathelet mit der Fragestellung. In seinen Schlussanträgen vom 20.05.2014 kam der Generalanwalt zu der Ansicht, dass Rechtsvorschriften, die Leistungen der Grundsicherung solchen Personen verweigern, die weit davon entfernt sind, sich in den Arbeitsmarkt integrieren zu wollen, und einzig und allein mit dem Ziel nach Deutschland kommen, Nutzen aus dem deutschen Sozialhilfesystem zu ziehen, im Einklang mit dem Willen des Unionsgesetzgebers stünden.

    Denn mit derartigen Rechtsvorschriften könne verhindert werden, dass Personen, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machen würden, ohne sich integrieren zu wollen, zu eine Belastung für das Sozialhilfesystem werden.

    Da die Schlussanträge des Generalanwalts für den Europäischen Gerichtshof allerdings nicht bindend sind, sondern nur einen Entscheidungsvorschlag darstellen, bildet die heutige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes die endgültige Vorabentscheidung.

    Europäischer Gerichtshof: Der Europäische Gerichtshof hat nun entschieden, dass Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu bestimmten Sozialleistungen (wie den deutschen Leistungen der Grundsicherung) nur verlangen könnten, wenn ihr Aufenthalt die Voraussetzungen der „Unionsbürgerrichtlinie“ erfülle.

    Insofern sei der Aufnahmemitgliedstaat nach der Richtlinie nicht verpflichtet, während der ersten drei Monate des Aufenthalts Sozialhilfe zu gewähren.

    Bei einer Aufenthaltsdauer von mehr als drei Monaten, aber weniger als fünf Jahren (wie im vorliegenden Fall), mache die Richtlinie das Aufenthaltsrecht u. a. davon abhängig, dass nicht erwerbstätige Personen über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen.

    Damit solle verhindert werden, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Anspruch nehmen würden.

    Somit müsse ein Mitgliedstaat die Möglichkeit haben, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern, die von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen würden, in den Genuss der Sozialhilfe eines Mitgliedstaats zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts verfügen würden, Sozialleistungen versagen zu können; insoweit sei jeder Einzelfall zu prüfen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen.

    Die Unionsbürgerrichtlinie und die Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit stünden somit einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug bestimmter „besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen“ ausschließe, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten, sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie zustünde.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Informationen über eingestellte Ermittlungsverfahren können der Einbürgerung entgegenstehen.

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    Bundesverwaltungsgericht, 20.03.2012, Az.: 5 C 1.11

    Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ist im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt.

    Gem. § 3 des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes kann die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt gem. § 4 StAG, durch Erklärung nach § 5 StAG, durch Annahme als Kind nach § 6 StAG, durch Ausstellung der Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes (§ 7), durch Überleitung als Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes (§ 40a) oder für einen Ausländer durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c). erworben werden.

    Hinsichtlich der Einbürgerung eines Ausländers unterscheidet man zwischen der Anspruchseinbürgerung und der Ermessenseinbürgerung.

    1.) Anspruchseinbürgerung
    Der Ausländer hat einen Anspruch auf Einbürgerung, wenn er
    1. seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
    2. sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt,
    3. zum Zeitpunkt der Einbürgerung ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
    4. seinen Lebensunterhalt und den seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
    5. seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
    6. nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist,
    7. über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt und
    8. Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland besitzt.

    2.) Ermessenseinbürgerung
    Auch wenn die oben genannten Voraussetzungen nicht sämtlich erfüllt sind, können die Behörden den Ausländer im Rahmen der Ermessenseinbürgerung einbürgern, wenn ein öffentliches Interesse an seiner Einbürgerung besteht und einige Mindestanforderungen erfüllt sind:
    • Der Ausländer oder sein Erziehungsberechtigter stellt einen Antrag.
    • Der Ausländer hat rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
    • Der Ausländer darf nicht wegen einer Straftat verurteilt worden sein.
    • Der Ausländer hat eine Wohnung oder andere Unterkunft.
    • Der Ausländer kann sich und seine Angehörigen grundsätzlich aus eigener Erwerbstätigkeit oder aus seinem Vermögen versorgen.

    Anspruchseinbuergerung_Ermessenseinbuergerung

    Gem. § 11 StAG ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.

    In dem oben genannten Urteil hatte das Bundesverwaltungsgericht nun darüber zu entscheiden, ob im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens das Verhalten eines Ausländers berücksichtigt werden durfte, welches Gegenstand eines eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens war.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Türkischer Kläger lebte seit 20 Jahren in Deutschland

    Der Kläger war türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und lebte seit über zwanzig Jahren in Deutschland.

    Im Frühjahr 1989 leitete die Generalbundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein.

    Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurde dem Kläger vorgeworfen, für die als terroristische Vereinigung eingestufte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) von 1988 bis Februar 1994 Pässe gefälscht zu haben.

    Nach Verdacht auf terroristische Aktivitäten stellt die Anwaltschaft das Verfahren ein

    Im August 1994 stellte die Generalbundesanwaltschaft das Verfahren allerdings wegen geringer Schuld ein.

    Den im Juli 1997 gestellten Einbürgerungsantrag lehnte die beklagte Stadt Köln gleichwohl mit der Begründung ab, der Kläger sei ein aktives hochrangiges Mitglied der PKK.

    Die gegen diese Entscheidung der Stadt Köln eingelegte Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.

    Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht weisen Klage gegen den ablehnenden Einbürgerungsbescheid ab

    Das angerufene Oberverwaltungsgericht führte aus, dass die Einbürgerung kraft Gesetzes (§ 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG) ausgeschlossen sei, weil der Kläger durch sein Verhalten extremistische Bestrebungen unterstützt habe.

    Des Weiteren habe er auch nicht glaubhaft gemacht, sich von der früheren Unterstützung der PKK abgewandt zu haben.

    Auch das Verwertungsverbot des Bundeszentralregistergesetzes (§ 51 Abs. 1 BZRG) stehe einer Berücksichtigung des früheren Verhaltens im Einbürgerungsverfahren nicht entgegen.

    Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts:

    Auch das BVerwG schloss sich der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts an und wies die Revision des Klägers zurück.

    Zwar sei das weit gefasste registerrechtliche Verwertungsverbot (des § 51 Abs. 1 BZRG) grundsätzlich auch bei der Entscheidung über einen Einbürgerungsantrag zu beachten und eine Ausnahme von diesem Verbot sei nur in den im Bundeszentralregistergesetz ausdrücklich geregelten Fällen zulässig (hier insbesondere des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG).

    Allerdings erstrecke sich das Verwertungsverbot von vornherein nur auf solche Taten, wegen deren der Ausländer – anders als hier – strafrechtlich verurteilt worden sei.

    Somit hindere die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens die Verwertung der zugrunde liegenden Tat im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens nicht.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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  3. Ausländerrecht: Ein Einbürgerungsanspruch kann trotz Sozialhilfebezug und mangelnder Deutschkenntnisse des Bewerbers bestehen

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    Verwaltungsgericht Stuttgart, 02.12.2011, Az.: 11 K 839/11

    Die deutsche Staatsangehörigkeit kann neben dem Erwerb durch die Geburt oder aufgrund eines gesetzlichen Erwerbstatbestandes durch Einbürgerung erworben werden.

    Die wesentlichen Rechtsgrundlagen über Erwerb und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit enthält das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) in der derzeit geltenden Fassung.

    Das Staatsangehörigkeitsgesetz unterscheidet grundsätzlich zwischen der Anspruchseinbürgerung (§ 10 StAG) und der Ermesseneinbürgerung (§§ 8, 9 StAG):

    Anspruchseinbuergerung_Ermessenseinbuergerung

    Im Rahmen der Anspruchseinbürgerung besteht ein Anspruch, wenn der Anspruchssteller seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,

        • 1. sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt,
        • 2. zum Zeitpunkt der Einbürgerung ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
        • 3. seinen Lebensunterhalt und den seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
        • 4. seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
        • 5. nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist,
        • 6. über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt und
        • 7. Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland besitzt.

    Die Voraussetzungen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG entsprechen weitgehend denen einer Anspruchseinbürgerung.

    Allerdings setzt die Ermessenseinbürgerung darüber hinaus die Feststellung eines öffentlichen Interesses an der Einbürgerung voraus.

    Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher sollen nach § 9 StAG unter den Voraussetzungen des § 8 eingebürgert werden, wenn sie einen rechtmäßigen und gewöhnlichen Inlandsaufenthalt von drei Jahren nachweisen und die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem deutschen Ehegatten oder Lebenspartner mindestens seit zwei Jahren im Inland besteht (keine Scheinehe).

    Ansonsten gelten auch hier die allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen.

    Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte nun in der oben genannten Entscheidung darüber zu richten, ob ein Einbürgerungsbewerber einen Anspruch auf Einbürgerung hat, auch wenn er über die von § 10 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 StAG geforderten ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache und der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Deutschland nicht verfügt.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Türkische Klägerin hatte wegen gesundheitlicher Probleme eine gesetzliche Betreuerin

    Die im Jahre 1949 geborene Klägerin war türkische Staatsangehörige und im Jahr 1991 in das Bundesgebiet eingereist.

    Nach Ankunft im Bundesgebiet beantragte sie Asyl und wurde mit Bescheid aus dem Jahre 1994 vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als Asylberechtigte i. S. d. § 51 Abs.1 AuslG anerkannt.

    Seit 1994 war die Klägerin dann ebenfalls im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

    Mit Bescheid vom aus dem Jahre 2006 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die mit Bescheid aus dem Jahre 1994 erfolgte Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte sowie die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und stellte gleichzeitig fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen.

    Ab dem Jahre 2010 wurde für die Klägerin eine ehrenamtliche gesetzliche Betreuerin bestellt, da das Betreuungsgericht im Rahmen einer Überprüfung festgestellt hatte, dass die Klägerin aufgrund einer psychischen Erkrankung und körperlichen Behinderung in Form eines apoplektischen Insult und zentraler Gehstörungen nicht in der Lage war, die dem Betreuer übertragenen Aufgabenkreise für sich selbst eigenverantwortlich zu besorgen.

    Zum Aufgabenkreis der Betreuerin gehörten unter Anderem auch die persönlichen Angelegenheiten, insbesondere auch die Vertretung bei und vor Gerichten, Behörden und sonstigen öffentlichen Einrichtungen.

    Das städtische Gesundheitsamt stellte bei der Klägerin ebenfalls einen Zustand nach apoplektischem Insult mit reflektierendem hirnorganischem Psychosyndrom, eine zentrale Gehstörung und primären Analphabetismus fest.

    Diese schwere geistige und körperliche Behinderung führe nach Ansicht des Gesundheitsamtes zur absoluten Geschäftsunfähigkeit im Sinne des BGB bei der Klägerin, da sich gravierende Einschränkungen hinsichtlich der Gedankenführung, der Urteils- und Kritikfähigkeit sowie des Einsichtsvermögens bei der Klägerin fänden.

    Klägerin beantragte durch die Betreuerin die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband

    Anfang 2010 beantragte die Klägerin dann die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Nach einer Auskunft aus dem Zentralregister gab es über die Klägerin keine Eintragung. Die Klägerin bezog gemeinsam mit ihrem Ehemann Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

    Mit Bescheid Anfang 2011 lehnte die Stadt Heilbronn den Antrag auf Einbürgerung ab und führte zur Begründung aus, dass aufgrund des Betreuungsverhältnisses davon auszugehen sei, dass die Klägerin handlungsunfähig i.S.d. § 80 AufenthG sei.

    Die Klägerin habe zwar die für die Einbürgerung notwendige Bekenntnis- und Loyalitätserklärung unterschrieben. Es werde jedoch bezweifelt, dass sie den Inhalt verstanden habe.

    Aufgrund der Handlungsunfähigkeit der Klägerin sei allerdings von den Voraussetzungen nach § 10 S. 1 Nr. 1 StAG (Bekenntnis- und Loyalitätserklärung) und § 10 S. 1 Nr. 7 StAG (Kenntnisse zur Rechts- und Gesellschaftsordnung) abzusehen.

    Einbürgerungsbehörde lehnt die Einbürgerung wegen fehlender Sprachkenntnisse ab

    Nicht abzusehen sei aber von der Voraussetzung des § 10 S. 1 Nr. 6 (ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache), welche bei der Klägerin ebenfalls nicht vorläge.

    So sei bereits in den Jahren 2003 und 2007 durch die Behörde festgestellt worden, dass die mündliche Verständigung mit der Klägerin sehr schwierig sei.

    Auch hätten die Klägerin und ihr Ehemann angegeben, in der Türkei keine Schule besucht zu haben.

    Im Jahre 2008 habe die Klägerin einen Schlaganfall erlitten und leide seitdem unter den Folgeerscheinungen.

    Bis zum Zeitpunkt des Schlaganfalls habe die Klägerin jedoch keine Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache gemacht.

    Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Atteste könne somit davon ausgegangen werden, dass die Klägerin wegen ihrer Erkrankung nicht an einem Deutschtest teilnehmen könne.

    Es sei jedoch auch nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin in den Jahren davor hinreichend bemüht hätte, die deutsche Sprache zu erlernen.

    Daher könne sich die Klägerin nicht auf § 10 Abs. 6 StAG berufen, so dass die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 StAG nicht erfüllt sei.

    Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin ebenfalls Anfang 2011 Widerspruch ein, nachdem Sie aufgrund der langen Fortdauer des Verfahrens bereits Untätigkeitsklage eingelegt hatte.

    Im Rahmen dieser Untätigkeitsklage beantragte die Klägerin dann, den Bescheid der Stadt Heilbronn aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie in den deutschen Staatsverband einzubürgern

    Hilfsweise beantragte die Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen.

    Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart:

    Das Verwaltungsgericht Stuttgart folgte der Ansicht der Klägerin und urteilte, dass der Bescheid der Stadt Heilbronn rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze.

    Dennoch habe die Klägerin nur einen Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung, ihrem Hilfsantrag folgend.

    Das VG Stuttgart führte aus, dass der geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beurteile.

    Einer Anspruchseinbürgerung der Klägerin in den deutschen Staatsverband stünde zunächst die Vorschrift des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG entgegen, wonach Voraussetzung der Einbürgerung sei, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert.

    Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall, da sie im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit sei und türkische Staatsangehörige mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ihre bisherige Staatsangehörigkeit nicht automatisch verlören.

    Die Klägerin habe ihre türkische Staatsangehörigkeit bislang auch nicht aufgegeben.

    Auch lägen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 1 StAG, wonach von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG abgesehen werde, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann, nicht vor.

    Das Gericht folgt dem Antrag der Klägerin auf Erteilung der Einbürgerungszusicherung

    Allerdings sei der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung zulässig und habe in der Sache Erfolg.

    Die Einbürgerungszusicherung sei eine dem allgemeinen Verfahrensrecht entlehntes Institut, welches in Einbürgerungsverfahren in ständiger Praxis auf Fälle drohender Mehrstaatigkeit angewandt werde.

    Zwar stünde die Erteilung einer Zusicherung grundsätzlich im Ermessen der Behörde.

    Dieses Ermessen reduziere sich aber auf eine Pflicht zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung, wenn die Durchsetzung eines Einbürgerungsanspruchs dadurch ermöglicht oder doch wesentlich erleichtert werde, dass der Einbürgerungsbewerber zum Zwecke der Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit eine solche Zusicherung erhalte.

    Auch die für die Einbürgerungszusicherung notwendigen sonstigen Voraussetzungen eines Einbürgerungsanspruchs würden vorliegen.

    Denn die Klägerin habe in der Sache – abgesehen vom Erfordernis der Aufgabe ihrer türkischen Staatsangehörigkeit – einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG.

    Die Inanspruchnahme von Hartz 4 habe die Klägerin nicht zu vertreten

    Entgegen der Ansicht der beklagten Behörde seien nämlich auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAG erfüllt.

    Zwar bezöge die Klägerin seit jeher Leistungen nach dem SGB II. Deren Inanspruchnahme habe sie indes nicht zu vertreten.

    Zu Beginn ihres Aufenthalts im Bundesgebiet sei der Klägerin eine Arbeitsaufnahme wegen der Betreuung ihrer sechs Kinder unzumutbar gewesen.

    Aber auch mit fortschreitendem Alter der Kinder und der damit verbundenen verringerten Betreuungsbedürftigkeit sei der weiter bestehende Leistungsbezug nicht zu vertreten gewesen, da die Klägerin keinerlei Qualifikation für den Arbeitsmarkt habe vorweisen können und bei ihr damit ein objektiv vermittlungshemmendes Merkmal vorgelegen habe, eine zumutbare Beschäftigung zu finden.

    Die Klägerin sei schließlich Analphabetin und spreche die deutsche Sprache nicht.

    Dass für die Klägerin vor ihrem Schlaganfall eine irgendwie geartete Vermittlungsmöglichkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt bestanden habe, habe die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung nicht aufzuzeigen vermocht.

    Auch die fehlenden Sprachkenntnisse seien laut Gericht wegen der Krankheit unschädlich

    Hinsichtlich der fehlenden Deutschkenntnisse (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 StAG) könne sich die Klägerin entgegen der Ansicht der Beklagten auf die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 6 StAG berufen, da die Klägerin wegen ihrer Krankheit nicht mehr in der Lage sei, die geforderten Kenntnisse zu erwerben.

    Denn entgegen der Ansicht der Beklagten würde § 10 Abs. 6 StAG nicht darauf abstellen, ob sich ein Einbürgerungsbewerber die entsprechenden Kenntnisse der deutschen Sprache (bzw. der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland) in der Vergangenheit aneignen habe können.

    Maßgebend sei allein, ob der Einbürgerungsbewerber zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 und 7 StAG nicht mehr erfüllen könne.

    Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart

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