Kann eine Verpflichtungserklärung angefochten werden? Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Kann eine Verpflichtungserklärung angefochten werden?

  1. Ausländerrecht: Folgen der fehlenden Belehrung über die Tatbestände der Verpflichtungserklärung

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    Verwaltungsgericht Köln, 25.09.2018, Az.: 5 K 2572/18

    Wenn visumspflichtige ausländische Staatsangehörige zu Besuch nach Deutschland einreisen wollen, muss bei der Beantragung des Visums nachgewiesen werden, dass für die Dauer ihres Besuches der Lebensunterhalt sichergestellt werden kann und für die Bundesrepublik Deutschland keine Kosten entstehen. Dieser Nachweis erfolgt in der Regel über eine Verpflichtungserklärung. Hierbei erklärt eine in Deutschland lebende Bezugsperson, für alle während des Aufenthalts in Deutschland entstehenden Kosten aufzukommen. Zum Lebensunterhalt gehören neben Ernährung, Wohnung, Bekleidung und anderen Grundbedürfnissen auch die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit. Zuständig für die Entgegennahme einer solchen Verpflichtungserklärung nach §§ 66 – 68 AufenthG sind regelmäßig die deutsche Ausländerbehörde am Wohnort des Einladers.

    Es ist nach der Rechtsordnung die Entscheidung des Verpflichtenden, ob und in welchem Umfang er für den Unterhalt eines Ausländers im Bundesgebiet aufkommen und damit die benötigten Voraussetzungen für dessen Aufenthalt schaffen mag. Demensprechend ist im Wege einer konkreten Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB jede einzelne Verpflichtungserklärung konkret zu bestimmen, für welchen Aufenthaltszweck und welche Aufenthaltsdauer sie gelten soll. Dabei ist es Aufgabe der Behörde den Antragsteller auf mögliche Fehlvorstellungen oder falsche Interpretation des Antrages aufmerksam zu machen. Sollte eine auffällige Fehlvorstellung beim Antragsteller vorliegen, so muss die Behörde diesen des Besseren belehren, da im Einzelfall ein atypischer Fall vorliegen kann.

    Sachverhalt: Der Kläger verpflichtete sich am 14. August 2014 schriftlich gegenüber der Ausländerbehörde nach § 68 AufenthG für den Lebensunterhalt des nicht mit ihm verwandten syrischen Staatsangehörigen Kind B. aufzukommen. Diese Verpflichtungserklärung gab der Kläger formgerecht ab. Zur Dauer der Verpflichtung heißt es darin: „vom Tag der voraussichtlichen Einreise am 14. August 2014 bis zur Beendigung des Aufenthalts des o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“. Außerdem unterschrieb der Kläger eine Erklärung des Verpflichtungsgebers worin es hieß: „Die aus der Verpflichtungserklärung resultierende Verpflichtung erstreckt sich unabhängigvon der Dauer des zugrunde liegenden Aufenthalts auf den gesamten sich der Einreiseanschließenden Aufenthalt, auch auf Zeiträume eines möglichen illegalen Aufenthalts. Im Regelfall endet die Verpflichtung mit dem Ende des vorgesehenen Gesamtaufenthaltsoder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt unddafür ein neuer Aufenthaltstitel erteilt wurde.“.

    Im Rahmen der Abgabe dieser Verpflichtungserklärung des Klägers wurde auch seine finanzielle Leistungsfähigkeit überprüft und positiv bestätigt. Woraufhin die Ausländerbehörde am 03. September 2014 die Vorabzustimmung zur Erteilung des Visums an den Kind B erklärte. Dieser reiste gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern mit einem Visum des deutschen Generalkonsulats in Istanbul am 24. Dezember 2014 gem. § 23 Absatz 1 AufenthG ein. Auf ihren Antrag vom 23. März 2015 hin erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid von 22. Juni 2015 dem syrischen Kind B. die Flüchtlingseigenschaft zu. Am 30. Juli 2015 erteilte die Ausländerbehörde ihr eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Absatz 2 AufenthG.

    Das beklagte Jobcenter teilte mit einem Schreiben vom 05. Oktober 2015 dem Kläger mit, es bestehe die Vermutung, dass er seiner Verpflichtung nach § 68 AufenthG nicht nachgekommen sei bzw. in Zukunft nicht mehr nachkommen wolle, da für das Kind B. Leistungen nach dem SGB II beantragt worden seien. Außerdem wies der Jobcenter in dem Schreiben den Kläger darauf hin, dass sich aus § 68 AufenthG eine Erstattungspflicht für die durch das Jobcenter gezahlten Hilfe ergebe. Auf der Rückseite befand sich eine Belehrung, dass die Bundesagentur für Arbeit die Auffassung vertrete, dass die Verpflichtungserklärung trotz des geänderten Aufenthaltstitels weiterhin gültig sei. Auf dieses Schreiben reagierte der Kläger jedoch nicht.

    Mit einem weiteren Schreiben vom 18. Januar 2018 erklärte das Jobcenter, dass es beabsichtige, aufgrund der abgegebenen Verpflichtungserklärung des Klägers 5.232,82 € an den für das Kind B gezahlten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zwischen 01. Juli 2015 bis zum 23. Dezember 2017 von dem Kläger zu fordern. Damit war der Kläger nicht einverstanden.

    Verwaltungsgericht Köln: Das Gericht entschied zu Gunsten des Klägers, dass der Bescheid des beklagten Jobcenters, der den Kläger zur Erstattung der an das Kind B im Zeitraum von 01. Juli 2015 bis zum 23. Dezember 2017 erbrachten Leistungen in Höhe von 5.232,82 € auffordert, rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verletzte, soweit der Kläger zur Erstattung von Leistungen aufgefordert wird, die das beklagte Jobcenter nach dem 31. Juli 2015 erbracht hat. Denn die Haftung aus der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung endet in diesem Einzelfall mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels an das Kind B. gem. § 25 Absatz 2 AufenthG am 30. Juli 2015.

    Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Erstattungsbescheid ist § 68 AufenthG i.V.m. § 68a AufenthG. Gem. § 68 Absatz 1 Satz 1,3 AufenthG hat derjenige, der sich einer Ausländerbehörde gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, für einen Zeitraum von fünf Jahren ab der Einreise des Ausländers sämtliche öffentliche Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum sowie Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Nach der hier anzuwendenden Übergangsregelung des § 68a AufenthG gilt die Erstattungspflicht für eine vor dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes am 06. August 2016 abgegebene Verpflichtungserklärung nur für einen Zeitraum von drei Jahren ab der Einreise des begünstigten Ausländers.

    Die Rechtsordnung überlässt es der Entscheidung des Einzelnen, ob und in welchem Umfang er für den Unterhalt eines Ausländers im Bundesgebiet aufkommen und damit die Voraussetzungen für dessen Aufenthalt schaffen will. Aus diesem Grund ist im Wege der Auslegung – entsprechend §§ 133, 157 BGB – der jeweiligen Verpflichtungserklärung konkret zu bestimmen, für welchen Aufenthaltszweck und welche (Gesamt-)Aufenthaltsdauer sie gelten soll. Nach umfassender Auslegung beschränkt sich die hier im vorliegenden Fall vom Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung hinsichtlich der Dauer der Haftung auf den Zeitraum bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Absatz 2 AufenthG, welche dem Kind B. bereits am 30. Juli 2015 erteilt worden ist. Nach diesen Umständen ist die Verpflichtungserklärung des Klägers dahin auszulegen, dass die vom ihm eingegangene Verpflichtung zur Erstattung von Leistungen bereits mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Flüchtlingsanerkennung an Kind B. endet.

    Die Begründung des konkreten Einzelfalls ist, dass der Kläger bereits gegenüber der Ausländerbehörde deutlich gemacht hat, dass seine Erklärung diesen Inhalt haben solle, ohne dass die Ausländerbehörde dem mit der gebotenen Belehrung über sein Fehlverständnis im Hinblick auf den objektiven Erklärungswert der Verpflichtungserklärung entgegentreten wäre. Trotz Nachfrage des Klägers wurde dieser von der Ausländerbehörde nicht belehrt. Weiterhin konnte der Kläger zusätzlich geltend machen, dass er die Verpflichtungserklärung unter anderen Umständen nicht unterschrieben hätte, da es sich für ihn um eine unzumutbare Belastung handeln würde, denn er selbst habe eine Familie zu ernähren. Dies wurde von dem Gericht bestätigt und ein Vorliegen eines atypischen Falles bejaht. Aus diesem Grund hat die erstattungsberechtigte Stelle zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und Gerechtigkeit im Einzelfall im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten im gegebenen falle eingeräumt werden können.

    Quelle: Verwaltungsgericht Köln

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Die Rechtsfolgen der Verpflichtungserklärung hinsichtlich der Erstattung von Sozialleistungen.

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    Bundesverwaltungsgericht, 13.02.2014, Az.: BVerwG 1 C 4.13

    Die Rechtsfolgen der Erteilung einer Verpflichtungserklärung sind in § 68 AufenthG normiert. Gemäß § 68 Abs. 1 AufenthG hat derjenige, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden.

    Dies gilt auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen.

    Wie sich schon aus diesem Wortlaut des Gesetzes ergibt, ist die Haftung des Erklärenden somit sehr weit gehend und man sollte sich grundsätzlich sehr genau überlegen, ob man eine so weitgehende Verpflichtung eingehen sollte.

    Eine nachträgliche Anfechtung einer Verpflichtungserklärung wegen Willensmängeln ist zwar in entsprechender Anwendung der §§ 119 ff BGB grundsätzlich möglich, wird in den meisten Fällen allerdings problematisch sein.

    Verpflichtungserklärung

    In dem oben genannten Fall des Bundesverwaltungsgerichts hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die Verpflichtung des Erklärenden zur Erstattung von Sozialleistungen deswegen entfallen war, weil die betroffene Ausländerin später als Flüchtling anerkannt worden war.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Klägerin hatte für marokkanische Staatsangehörige eine Verpflichtungserklärung abgegeben

    Der Kläger hatte sich im Juni 2008 gegenüber der Beklagten gemäß § 68 AufenthG schriftlich verpflichtet, für den Fall der Erteilung eines Besuchsvisums alle Kosten des Lebensunterhalts seiner Schwägerin Frau B., einer marokkanischen Staatsangehörigen, bis zu deren Ausreise oder der Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels zu tragen.

    Frau B. erhielt daraufhin ein Besuchsvisum und reiste im Juli 2008 in das Bundesgebiet ein. Sie stellte im Oktober 2008 einen Asylantrag und bezog zwischen März und August 2010 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

    Diese reiste mit Schengenvisum ein und wurde als Flüchtling anerkannt

    Im Januar 2011 wurde ihr die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Die Beklagte forderte den Kläger durch Leistungsbescheid zur Erstattung der an Frau B. vor ihrer Flüchtlingsanerkennung gewährten Leistungen i. H. v. knapp EUR 1 300 auf.

    Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht gab der Klage gegen den Leistungsbescheid zunächst statt, das nachfolgend angerufene Oberverwaltungsgericht wies sie ab.

    Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

    BVerwG sah die Verpflichtungserklärung weiterhin als wirksam an

    Das Bundesverwaltungsgericht folgte der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts und bestätigte, dass der Erstattungsanspruch durch die spätere Flüchtlingsanerkennung nicht rückwirkend erloschen sei.

    Auch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts würde die Haftung aus der Verpflichtungserklärung erst mit der Ausreise des Ausländers oder der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck enden.

    Demzufolge sei die Erstattung von Sozialleistungen, die der Ausländer während eines Asylverfahrens bezogen habe, auch bei Erfolg des Asylantrages, erfasst.

    Zwar werde zugunsten eines anerkannten Flüchtlings der Zeitraum seines Asylverfahrens gemäß § 55 Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes als Zeit eines berechtigten Aufenthalts für den Erwerb von Rechten (z.B. bei der Einbürgerung) angerechnet.

    Diese Regelung zur Erleichterung der Integration des anerkannten Flüchtlings führe aber nicht zu einer rückwirkenden Erteilung eines Aufenthaltstitels und wirke sich auch nicht zugunsten eines Dritten aus, der mit der Abgabe einer Verpflichtungserklärung die Haftung für die Lebensunterhaltskosten des Ausländers übernommen habe.

    Unionsrecht stünde dem Erstattungsanspruch nicht entgegen. Denn Art. 13 der Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern räume den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die Gewährung sozialer Leistungen an Asylbewerber von deren Bedürftigkeit abhängig zu machen und ggf. Erstattung von ihnen zu verlangen.

    Die Richtlinie ziele allein auf die soziale Sicherung von Asylbewerbern; sie stünde daher der Inanspruchnahme eines Dritten aus einer von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärung nicht entgegen.

    Auch die nach der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie) deklaratorische Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wirke aufenthaltsrechtlich nicht zurück und ließe zudem die Haftung des Garantiegebers unberührt.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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