Kann ich mit einem Schengenvisum heiraten? Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Kann ich mit einem Schengenvisum heiraten?

  1. Ausländerrecht: Verbleib in Deutschland mit einem Schengenvisum

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    Das Schengen-Visum ermöglicht Nicht-EU Ausländern einen Aufenthalt in Deutschland von bis zu 90 Tagen innerhalb eines 6-monatigen Zeitraums. Nach Ablauf dieser Zeit ist es in der Regel nicht möglich, den Aufenthalt fortzusetzen und eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Diese muss bereits bei Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bestehen. Nur in Ausnahmefällen ist es möglich, während eines laufenden Aufenthalts in Deutschland mit einem Schengen-Visum eine unmittelbar anschließende Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Im Folgenden werden die Ausnahmeregelungen und ihre Voraussetzungen dargestellt.

    Wer sich mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhält, muss diese vor Einreise in die Bundesrepublik erteilt bekommen haben, das ergibt sich aus § 6 Abs.3 AufenthG. Eine Kombination einer längeren Aufenthaltserlaubnis mit einem Schengen-Visum ist zwar möglich, beispielsweise können Personen, die bereits ein Visum für einen längeren Aufenthalt in Deutschland erhalten haben, schon 90 Tage vor Beginn dieses Visums mit einem Schengen-Visum einreisen, in diesen Fällen wurde die Aufenthaltserlaubnis dann aber bereits vor Einreise erteilt.

    Ebenso ist es unter den Voraussetzungen des § 6 Abs.2 i. V. m Art.33 EU-Visakodex möglich, das Schengen-Visum zu verlängern. Dies ist jedoch nur unter strengen Voraussetzungen in Ausnahmefällen möglich, beispielsweise wenn die Ausreise aus gesundheitlichen oder sonstigen humanitären Gründen nicht sicher wäre oder eine nicht zumutbare Härte für den Antragsteller bedeuten würde. Die Verlängerung kann nur für weitere 90 Tage erfolgen und berechtigt lediglich zum Aufenthalt in Deutschland, nicht im gesamten Schengenraum. Für längerfristig geplante Aufenthalte eignet sich diese Verlängerung daher nicht.

    Auf Grundlage des § 39 S.1 Nr.3 AufenthV ist es aber ausnahmsweise zulässig, eine längerfristige Aufenthaltserlaubnis auch nach Einreise mit einem Schengen-Visum zu beantragen. Der Zweck der Vorschrift ist, das Verfahren zu vereinfachen, wenn sowieso alle Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen.

    Dies ist an folgende Voraussetzungen geknüpft, die kumulativ vorliegen müssen:

    • Der Antragsteller hat einen rechtlichen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz.
    • Dieser Anspruch ist erst nach Einreise in die Bundesrepublik Deutschland entstanden. Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen dürfen nicht bereits vor der Einreise vorliegen. Wichtig ist, dass damit die Einreise nach Deutschland gemeint ist. Obwohl es sich um ein Visum für den Schengenraum handelt, ist es nicht ausreichend, dass der Anspruch nach Einreise in ein anderes Schengenland, aber vor der ersten Einreise nach Deutschland entstanden ist. Das entschied beispielsweise der hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 22.09.2008 (1 B 1628/08). Die Antragstellerin mit ausländischer Staatsangehörigkeit reiste mit einem Schengen-Visum zunächst nach Frankreich ein und schloss daraufhin in Dänemark eine Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen. Nach der Eheschließung erfolgte die Einreise nach Deutschland. Der daraufhin von ihr gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Ehe bereits vor Einreise in die Bundesrepublik bestanden habe. Daran ändert sich nach Ansicht des Gerichts auch nichts dadurch, dass die Antragstellerin den, ebenfalls zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis notwendigen, Sprachtest erst nach der Einreise nach Deutschland absolvierte. Nach Sinn und Zweck der Regelung und ihres Charakters als Ausnahmetatbestand sei es zur Vermeidung von Missbrauch grundsätzlich notwendig, dass alle Voraussetzungen erst nach Einreise in die Bundesrepublik entstanden sind, nicht lediglich ein letztes Tatbestandsmerkmal. § 39 S.1 Nr.3 AufenthV solle gerade nicht dazu dienen, Personen einen bereits zuvor erstrebten, längerfristigen Aufenthalt in Deutschland unter Umgehung der Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu ermöglichen.
    • Die allgemeinen Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs.1 S.1 AufenthG liegen vor. Das bedeutet, dass der Lebensunterhalt des Antragstellers gesichert ist, seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt ist. Zudem darf kein Ausweisungsinteresse bestehen und der Aufenthalt des Antragstellers darf die Interessen der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen oder gefährden. Die Voraussetzungen des § 5 Abs.2 AufenthG müssen im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 39 S.1 Nr.3 AufenthV schon ihrem Sinn und Zweck nach nicht erfüllt sein.
    • Das Schengen-Visum, mit dem der Antragsteller nach Deutschland eingereist ist, muss bei Beantragung des Aufenthaltstitels noch gültig sein.

    Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Rahmen des § 39 S.1 Nr.3 AufenthV kann beispielsweise bestehen, wenn nach der Einreise ein Kind des Antragstellers in Deutschland geboren wird, das die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Ein Anspruch besteht hingegen beispielsweise nicht, wenn der Antragsteller von vornherein plant, aus wirtschaftlichen oder beruflichen Gründen in der Bundesrepublik zu bleiben, weil das nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht.

    Wenn nicht unmittelbar im Anschluss an ein Schengen-Visum eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, ist eine vorübergehende Ausreise aus der Bundesrepublik bis zur Erteilung des Aufenthaltstitels notwendig.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Erteilung einer ausländerrechtlichen Fiktionsbescheinigung für Inhaber eines Schengen-Visums.

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    Verwaltungsgericht Stuttgart, 19.10.2017, Az.: 9 K 6090/15

    Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG wird ein Aufenthaltstitel als Visum  im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3, Aufenthaltserlaubnis, Blaue Karte EU, ICT-Karte, Mobiler-ICT-Karte, Niederlassungserlaubnis oder als Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt.

    Ein Aufenthaltstitel wird gemäß § 81  Absatz 1 AufenthG einem Ausländer nur auf Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 81 AufenthG regelt dabei sowohl die Wirkung der Antragsstellung durch einen bereits im Besitz eines Aufenthaltstitels befindlichen Ausländers, als auch die eines Ausländers ohne Aufenthaltstitel im Zeitpunkt der Antragsstellung. Gemäß § 81 Absatz 3 AufenthG gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, bei Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Hingegen gilt gemäß Absatz 4 des § 81 AufenthG der bisherige Aufenthaltstitel, eines Ausländers, der vor Ablauf des Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels begehrt, vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nach Satz 2 des Absatzes 4 jedoch nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Gemäß dem § 6 Absatz 1 kann einem Ausländer nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum) oder ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen erteilt werden. Diese Visa berechtigen jedoch nur zum zeitweisen Aufenthalt.

    Nach Antragsstellung ist dem Ausländer gemäß § 81 Absatz 5 AufenthG eine Bescheinigung über die Wirkung dieser (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

    Das nachstehende Urteil beschäftigt sich mit der Frage, ob bei Innehaben eines Schengen-Visums eine Fiktionsbescheinigung erteilt werden kann.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Kläger war afghanischer Staatsangehöriger und war mit Schengenvisum eingereist

    Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, der seit 17.02.2015 mit einer afghanischen Staatsangehörigen verheiratet ist. Ihr ist im Bundesgebiet die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuerkannt. Sie lebt hier mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Das Paar hat zwei gemeinsame Kinder, die am 06.02.2014 und 10.10.2015 im Bundesgebiet geboren sind.

    Der Lebensmittelpunkt des Klägers lag zunächst in Afghanistan. Er war mit Besucher-Visa mehrfach nach Deutschland gekommen und reiste zuletzt am 23.11.2015 mit einem von der spanischen Botschaft ausgestellten, vom 23.11.2015 bis zum 17.12.2015 gültigen Schengen-Visum direkt aus Kabul in das Bundesgebiet nach Frankfurt am Main ein.

    Am 26.11.2015 beantragte der Kläger durch seinen Verfahrensbevollmächtigten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 i.V.m. § 29 Abs. 2 S. 1 AufenthG, hilfsweise nach § 36 AufenthG (Bl. 58, 60 der Behördenakte), wobei er auch die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 AufenthG begehrte. Der Aufenthalt im Bundesgebiet sei auf Grund der Einreise am 21.11.2015 mit einem spanischen Schenken-Visum rechtmäßig.

    Die Beklagte traf keine Entscheidung bezüglich des Antrages, teilte dem Kläger jedoch mit Schreiben vom 11.12.2015 mit, dass sie beabsichtige, das durch die spanische Botschaft erteilte Schengen – Visum zu annullieren. Zudem wies sie darauf hin, dass die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung und die Zulassung der Ausübung einer Beschäftigung abzulehnen gedenke und den Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auffordern wolle. Ferner trug die Beklagte vor, dass einem Familiennachzug schon früher nicht zugestimmt worden sei, weil die Ehefrau und das Kind Leistungen des Jobcenters erhielten. Es wurde zudem ausgeführt, dass das Visum der spanischen Botschaft gemäß § 34 Abs. 1 S.1 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 zu annullieren sei, weil der Kläger gewusst habe, dass er kein Visum zum Familiennachzug erhalten könne und er dieses durch arglistige Täuschung erlangt habe, indem er am 23.11.2015 über Frankfurt am Main mit dem Visum der spanischen Botschaft auf direktem Wege von Kabul nach Deutschland eingereist sei. Erst dann habe er die auf einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland gerichteten Anträge gestellt. Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe er daher nicht.

    Dagegen führte der Kläger am 15.12.2015 aus, dass das spanische Visum beachtlich sei, da es nicht widerrufen wurde. Auch seien dem Kläger mehrfach aus geschäftlichen Gründen Visa unterschiedlicher europäischer Staaten ausgestellt worden, unter anderem auch durch die deutsche Botschaft. Er habe daher „schon oft“ neben seiner geschäftlichen Tätigkeit die Möglichkeit genutzt, seine Frau zu besuchen. Der Kläger meint, die Beklagte entziehe der Ehefrau den Ehemann, der gesamten Familie die Familieneinheit und den Unterhalt durch den Vater.

    Kläger klagte auf rückwirkende Erteilung einer Fiktionsbescheinigung

    Gegen dieses Vorgehen erhob der Kläger am 23.12.2015 Klage zum Verwaltungsgericht und beantragte die Beklagte zu verpflichten, ihm rückwirkend auf den 27.11.2015 eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 S. 1 AufenthG dahingehend zu erteilen, dass sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt.  Zur Begründung trug er vor, dass § 81 Abs. 4 AufenthG  für Schengen-Visa anderer Mitgliedstaaten nicht anwendbar sei. Da das spanische Visum zu geschäftlichen Zwecken notwendig gewesen sei, komme eine Annullierung nicht in Betracht. Trotz Fristsetzung zur Erteilung der Fiktionsbescheinigung durch Anwaltsschreiben vom 09.12.2015  habe weder die Beklagte noch die Deutsche Botschaft bislang in verfassungswidriger Weise die Familienzusammenführung nicht zugelassen.

    Ausländerbehörde argumentierte, dass die Fortgeltungsfiktion für Schengenvisa nicht gelte

    Die Beklagte beantragte die Klageabweisung und erklärte, dass die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nicht möglich sei, da der Kläger mit einem spanischen Schengen-Visum eingereist sei. Denn die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 S.1 AufenthG gelte gemäß § 81 Abs.4 S.2 AufenthG insbesondere nicht für ein Schengen- Visum nach § 6 Abs. 1 AufenthG. Über den vom Kläger gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei noch nicht entschieden.

    Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart

    Die zulässige Klage sei unbegründet.

    Da über den Antrag auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung vom 26.11.2015 bisher nicht entschieden wurde sei die Klage als Untätigkeitsklage nach § 75 S. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

    Gericht sah keinen Anspruch des Klägers auf Fiktionsbescheinigung

    Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung zu, wodurch die Unterlassung der Erteilung rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze.

    Nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 S. 1 AufenthG erhielte ein Ausländer eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung), wenn er sich im Zeitpunkt seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne (bereits) einen Aufenthaltstitel zu besitzen.

    Dabei seien nach der Systematik der Norm des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG nur solche Ausländer gemeint, bei denen im Zeitpunkt der Einreise –von Rechts wegen – auf eine vorgeschaltete Prüfung der Tatbestände des Kapitels 2 Abschnitt 2 der AufenthV verzichtet werden konnte und unter dieser Voraussetzung einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellen.

    Unstreitig sei, dass Fälle in denen eine vorgeschaltete Prüfung notwendig sei, also bei Einreise mit Visum alleine dem Abs. 4 der Norm unterfiele, zusammengefasst mit denjenigen Fällen, in denen bereits in der Vergangenheit durch Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels eine Sachprüfung stattgefunden hatte. Ein Antrag auf Aufenthaltstitel führte bei diesem Personenkreis  zur Fortgeltungswirkung des bisherigen Titels, vorausgesetzt ein solcher war im Zeitpunkt der Antragsstellung vorhanden.

    Eine andere Betrachtung folge auch nicht aus der Einführung des neuen Satz 2 in § 81 Abs. 4 AufenthG, welcher durch den Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern v. 29.08.2013 (BGBl. I S. 3484) mit Wirkung zum 06.09.2013 eingefügt wurde. Dadurch seien Schengen- und Flughafentransitvisa entsprechend § 6 Abs. 1 AufenthG von der Möglichkeit der Fortgeltungswirkung nun gerade ausgeschlossen und können erst recht nicht unter Berücksichtigung der Systematik des Gesetzes in Abs. 3 einbezogen werden.

    Fiktionswirkung sei schon nicht notwendig, da Schengenvisum als Aufenthaltstitel gilt

    Darüber hinaus unterfiele der Kläger der Regelung des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG ohnehin nicht, da er im Zeitpunkt der Antragstellung einen Aufenthaltstitel (vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG) in Form eines Schengen-Visums der spanischen Botschaft nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, besitze.

    Denn auch das durch einen anderen Mitgliedstaat erteilte Schengen-Visum stelle einen Aufenthaltstitel im Sinne des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG dar. Demnach sei der Beurteilung über die Fiktionswirkung  § 81 Abs. 4 und nicht § 81 Abs. 3 AufenthG zu Grunde zu legen, da sich die Regelungen ausschließlich alternativ verstünden.

    Die Rechtsprechung habe die, durch einen anderen Mitgliedstaat erteilte Schengen-Visa, weitgehend dem Begriff des Aufenthaltstitels in § 81 Abs. 4 AufenthG alter Fassung zugeordnet, was sich auch durch die Einführung des § 81 Abs. 4 S. 2 AufenthG nicht geändert habe. Durch die Gesetzesänderung könne dem Begriff des Aufenthaltstitels in § 81 Abs. 3 S. 1 keine andere Bedeutung als bislang beigemessen werden.

    Es könne sachlich nicht gerechtfertigt werden warum die Regelung des § 81 Abs.4 S.2 AufenthG nur auf die durch deutsche Behörden erteilte Schengen-Visa keinerlei Fiktionswirkung auslösen können sollen, während Schengen-Visa, die durch die Behörden anderer Mitgliedstaaten erteilt würden, zumindest die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG auslösen könnten. Dies entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, der sich gegen eine Fiktionswirkung von Schengen-Visa ausgesprochen habe.

    Unter europarechtlichen Gesichtspunkten ergebe sich keine andere Beurteilung, den Schengen-Visa anderer Mitgliedstaaten nach ihrem Ablauf eine weitergehende Rechtswirkung zuzubilligen. Zudem stehe bereits der durch die Vorläufigkeit und die eingeschränkte Zweckrichtung geprägte Status eines Schengen-Visums einer fiktiven Fortwirkung entgegen, da das Schengen-Visum kein allgemeines Aufenthaltsrecht erlaube. Es diene prinzipiell nur einem Aufenthalt zu vorübergehenden Zwecken.

    Eine analoge Anwendung des § 81 Abs. 3 AufenthG kommt wegen des klaren Wortlaut des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG, „ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen“ nicht in Frage.

    Da von deutschen Behörden ausgestellte  Schengen-Visa unstreitig Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG darstellen und  mit § 81 Abs. 4 S. 2 AufenthG n.F. gesichert sein soll, dass die Fiktionswirkung von Visa nach § 6 Abs. 1 AufenthG ausgeschlossen würden, würde eine ersatzweise Anwendung des Abs. 3 diese klare gesetzgeberische Intention unterlaufen. Der Gesetzgeber wolle absichern, dass die „ einzig sachlich richtige“ Beschränkung der Fortgeltungsfunktion auf nationale Visa nach § 6 Abs. 3 AufenthG durchsetzbar bleibe.

    § 81 abs. 3 Aufenthg sei nicht, auch nicht rückwirkend, anwendbar

    Somit sei § 81 Abs. 3 AufenthG dann anwendbar, wenn Ausländer bei Antragsstellung zunächst vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit seien, (vgl. § 4 Abs. 1 AufenthG) und die Aufenthaltserlaubnis gem. §§ 39, 40 AufenthV nach der Einreise beantragen können.

    Das Gericht führt aus, dass der Verweis des § 81 Abs. 4 S. 2 AufenthG auf Visa nach § 6 Abs. 1 AufenthG ausschließlich als Verweis auf die in § 6 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AufenthG aufgeführten Visaarten auszulegen seien und nicht als Komplettverweis auf § 6 Abs. 1 AufenthG verstanden werden dürfe. Dieser könne der Natur der Sache nach nur die Erteilung der genannten Visa durch deutsche Behörden regeln, was darauf folgt, dass § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG nicht die Erteilung eines Visums, sondern die Wirkungen bereits erteilter Visa regele. Dafür spräche auch der Wortlaut des § 81 Abs. 4 S. 2 AufenthG, denn „Visum“ nach § 6 Abs. 1 AufenthG verweise gerade auf die in § 6 Abs. 1 aufgeführten Visa und nicht auf den gesamten § 6 Abs. 1 AufenthG.

    Etwas anderes ergebe sich auch nicht  aus § 4 Abs. S. 2 AufenthG. Gerade der Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit spreche dafür Schengen-Visa anderer Staaten als von dem Begriff des Aufenthaltstitels des § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG umfasst zu sehen. Denn die in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG unter Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aufgeführten Schengen-Visa würden ausweislich § 6 Abs. 1 AufenthG nach Maßgabe der VO (EG) Nr. 810/2009 ausgestellt, welcher in allen Schengen- Staaten gleich angewendet würde.

    Per Definition nach Art. 2 Nr. 2 lit. a der VO (EG) 810/2009  sei ein „“Visum“ die von einem (egal welchem) Mitgliedstaat erteilte Genehmigung im Hinblick auf die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder einen geplanten Aufenthalt in diesem Gebiet von höchstens 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen und schließt daher eine „Aufenthaltsgenehmigung“ für diesen Zeitraum mit ein. Dies Entspräche damit auch dem Wortlaut des § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG („Aufenthaltstitel“).

    Daher habe der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Funktionsbescheinigung und die Klage sei als unbegründet abzuweisen.

    Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart

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  3. Ausländerrecht: Zur Rechtmäßigkeit der Nachholung des Visumsverfahrens beim Ehegattennachzug

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    Bundesverwaltungsgericht, 10.12.2014, Az.: BVerwG 1 C 15.14

    Beim Ehegattennachzug zu Deutschen muss der Antragsteller nicht nur die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 30 AufenthG, sondern zugleich die für jeden Aufenthaltstitel erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG erfüllen.

    Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthG muss insofern der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert und dessen Identität geklärt sein. Darüber hinaus darf kein Ausweisungsinteresse bestehen und durch den Aufenthalt des Ausländers dürfen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigt oder gefährdet sein. Auch muss dieser die Passpflicht erfüllen.

    Gemäß § 5 Abs. 2 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU darüber hinaus voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.

    Gerade die erste Voraussetzung des § 5 Abs. 2 AufenthG führt in vielen Fällen zu Unverständnis. Wenn zum Beispiel ein Ehegatte mit einem Schengenvisum nach Deutschland eingereist ist und dieser von der Ausländerbehörde aufgefordert wird, wieder auszureisen, um das Visumsverfahren in seinem Heimatstaat nachzuholen.

    In dem hier besprochenen Fall des Bundesverwaltungsgericht wurde durch sämtliche Instanzen die Frage behandelt, ob ein türkischer Staatsangehöriger, welcher bereits zu einem früheren Zeitpunkt illegal in Deutschland aufgegriffen worden und erneut ohne Visum nach Deutschland eingereist war, dennoch einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis ohne Wiederausreise zur Nachholung des ordnungsgemäßen Visumsverfahrens hatte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Türkischer Staatsangehöriger war illegal in Deutschland und wurde ausgewiesen

    Der Kläger in diesem Verfahren war Staatsangehöriger der Türkei. Im Dezember 2002 wurde er in Hamburg ohne Aufenthaltserlaubnis aufgegriffen, vorläufig festgenommen und im Februar 2003 wegen illegalen Aufenthalts ausgewiesen. Daraufhin reiste der Kläger nach eigenen Angaben in die Türkei aus.

    Im April 2011 sprach der Kläger dann erneut bei der Ausländerbehörde der Stadt Hamburg vor und beantragte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, um seine Verlobte, eine deutsche Staatsangehörige, heiraten zu können. Bei der Vorsprache gab er an, im März 2010 mit Hilfe eines Schleppers auf dem Landweg in die Bundesrepublik eingereist zu sein und hier Arbeit gesucht zu haben.

    Nach erneuter illegaler Einreise erteilt die Ausländerbehörde dem Kläger eine Duldung

    Daraufhin erteilte die Ausländerbehörde als Beklagte in diesem Verfahren dem Kläger im April 2011 eine Duldung, die fortwährend verlängert wurde. Im August 2011 heiratete er seine Verlobte. Gegen die Ausweisung aus dem Jahr 2003 erhob der Kläger Widerspruch. Daraufhin teilte ihm die Beklagte mit, sie betrachte die Ausweisungsverfügung aus dem Jahr 2003 als nicht erlassen, da eine ordnungsgemäße Zustellung bis heute nicht erfolgt und auch nicht mehr beabsichtigt sei.

    Durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 11.08.2011 wurde der Kläger wegen illegaler Einreise in Tateinheit mit illegalem Aufenthalt von März 2010 bis April 2011 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Mit Bescheid vom 01.09.2011 lehnte die Beklagte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und nach § 25 Abs. 5 AufenthG ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie zurück.

    Gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis klagte der Kläger

    Gegen die Ablehnung klagte der Kläger zunächst beim Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte daraufhin, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Gegen dieses Urteil wiederum wendete sich die Beklagte mit der Berufung zum Oberverwaltungsgericht.

    Mit Urteil vom 10.04.2014 änderte das Oberverwaltungsgericht die verwaltungsgerichtliche Entscheidung und verpflichtete die Beklagte, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

    Dies begründete das Oberverwaltungsgericht wie folgt: Der Kläger erfülle nicht nur die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 30 AufenthG, sondern zugleich die für jeden Aufenthaltstitel erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG.

    Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht geben Kläger Recht

    Dies gelte auch für die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, dass kein Ausweisungsgrund vorliegen dürfe. Ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege dann vor, wenn einer der Tatbestände der §§ 53 bis 55 AufenthG erfüllt sei.

    Das sei hier zwar der Fall. Der Kläger habe durch seine illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt bis April 2011 einen nicht geringfügigen Rechtsverstoß im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG begangen. Allerdings liege hier eine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Die besonderen, einen atypischen Sachverhalt begründenden Umstände beruhten darauf, dass der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebe und der Ausweisungsgrund allein in der Einreise ohne das erforderliche Visum und dem anschließenden Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bestünde. In diesem Fall sei es nicht erforderlich, zur Abwehr von Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit die Aufenthaltserlaubnis zu versagen, weil derartige Beeinträchtigungen nicht mehr zu erwarten seien. Dem Ausweisungsgrund der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthalts komme hier seine typisierte Gefahrenabwehrfunktion nicht mehr zu. Eine zukünftige Wiederholung der Verstöße gegen die Einreisevorschriften sei bei einem deutschverheirateten Ausländer grundsätzlich ausgeschlossen.

    Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitere auch nicht daran, dass der Kläger ohne das erforderliche Visum eingereist sei. Zwar erfülle er die weitere Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht. Doch lägen die Voraussetzungen vor, nach denen hiervon gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden könne. Denn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis seien erfüllt. Dies sei auch dann der Fall, wenn zwar eine regelhaft zu erfüllende Anspruchsvoraussetzung – hier nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG – nicht vorliege, dies jedoch unschädlich sei, weil ein Ausnahmefall gegeben sei.

    Die Entscheidung der Beklagten, von der Einhaltung des Visumverfahrens nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abzusehen, sei fehlerhaft. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden das ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG eröffnete Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt. Da eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten des Klägers nicht vorliege, sei die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erneut zu entscheiden und dabei das ihr zustehende Ermessen (erneut) auszuüben.

    Ausländerbehörde legt Revision zum Bundesverwaltungsgericht ein

    Gegen diese Entscheidung wandte sich die Beklagte mit der Revision zum Bundesverwaltungsgericht.

    Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts:

    Das Bundesverwaltungsgericht folgte der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts nicht und gab die folgende Begründung an: Das Berufungsgericht sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Einreise des Klägers und sein angestrebter Aufenthalt der Visumpflicht unterliegen würden. Es habe aber unter Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG erfüllt seien, wenn sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lediglich aus dem Vorliegen einer Ausnahme von einer Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 AufenthG ergebe und deshalb von dem Visumerfordernis abgesehen werden könne.

    Da es an einer Voraussetzung für den klageweise geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG fehlen würde, seien die vorinstanzlichen Urteile zu ändern und die Klage abzuweisen.

    Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei bei der Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen seien allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht – entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts – sie zu berücksichtigen hätte.

    Das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung deshalb zutreffend die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und anderer registerrechtlicher Vorschriften zum Zweck der Zulassung der elektronischen Antragstellung bei Erteilung einer Registerauskunft vom 6. September 2013 (BGBl I S. 3556), zu Grunde gelegt. Seitdem habe sich die Rechtslage nicht geändert.

    Kläger sei ohne das erforderliche Visum eingereist und erfülle somit die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nicht

    Der Kläger erfülle nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis als Ehegatte einer Deutschen nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Es fehle jedoch an der allgemeinen Voraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

    Der Kläger sei im Jahr 2010 ohne Visum nach Deutschland eingereist. Er unterliege als türkischer Staatsangehöriger aber der Visumpflicht für die Einreise und den Aufenthalt sowohl zum Zweck der Arbeitsaufnahme als auch zum Zweck der Familienzusammenführung nach §§ 4, 6 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABI EG Nr. L 81 S. 1) und deren Anhang I. Welches Visum im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als das erforderliche Visum anzusehen sei, bestimme sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt werde.

    Vom Visumerfordernis könne – entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts – im vorliegenden Fall auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden.

    Das Berufungsgericht sei zunächst zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass es für den Kläger nicht im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG unzumutbar sei, das Visumverfahren nachzuholen. Eine Unzumutbarkeit ergebe sich nicht aus der verfahrensbedingten Trennung des Klägers von seiner Ehefrau. Zwar sei es möglich, dass es infolge der Nachholung des Visumverfahrens zu einer Trennung der Eheleute von 15 Monaten komme, wenn der Kläger das Verfahren von der Türkei und nicht von einem Drittland zu betreiben habe und dann in der Türkei seiner Verpflichtung zur Wehrdienstleistung nachkommen müsse.

    Zwar stellt Trennung von der deutschen Ehefrau einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte dar

    Der Senat würde dabei nicht verkennen, dass eine mögliche Trennungszeit von dieser Dauer einen nicht unerheblichen Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK geschützte eheliche Lebensgemeinschaft darstellen würde. Das Oberverwaltungsgericht würde diesen Eingriff aber mit Recht als nicht unverhältnismäßig ansehen.

    Denn der Kläger komme mit der Wehrdienstleistung einer staatsbürgerlichen Pflicht nach, die auch bei Eheführung im Heimatland zu einer entsprechenden Trennung der Eheleute führen könne. Zudem sei den Eheleuten bei Eingehung der Ehe bekannt gewesen, dass es wegen des noch nicht geleisteten Wehrdienstes in der Türkei zu einer hierdurch bedingten, zeitlich begrenzten Trennung kommen könnte – worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen habe. Der Kläger habe keine Gegenrügen gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erhoben, aus denen es das Fehlen von Gründen für eine Unzumutbarkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG abgeleitet habe.

    Das Berufungsgericht habe jedoch verkannt, dass ein Absehen vom Erfordernis der Durchführung des vorgeschriebenen Visumverfahrens auch deshalb nicht in Betracht komme, weil hier kein Anspruch auf Erteilung der erstrebten Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG vorliegen würde.

    Von der Nachholung des Visumsverfahrens kann nur dann abgesehen werden, wenn der Ausländer einen strikten Rechtsanspruch auf den Aufenthaltstitel hat

    Unter einem „Anspruch“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sei ebenso wie bei vergleichbaren Formulierungen im Aufenthaltsrecht – etwa in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG oder in § 39 Nr. 3 AufenthV – grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen. Ein solcher Rechtsanspruch liege nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben habe. Von dieser Rechtsprechung des Senats würde das Berufungsurteil abweichen, indem es auch im Fall einer Ausnahme von einer regelhaft zu erfüllenden Tatbestandsvoraussetzung einen Anspruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bejahen würde.

    Das in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorgeschriebene Visumverfahren diene dem Zweck, die Zuwanderung nach Deutschland wirksam steuern und begrenzen zu können. Ausgehend von diesem Zweck seien Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG prinzipiell eng auszulegen. Dies würde für die Auslegung des Ausnahmetatbestands des Vorliegens eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis bedeuten, dass sich ein solcher aus der typisierten gesetzlichen Regelung ergeben müsse und Ausnahmetatbestände insoweit unberücksichtigt bleiben müssten.

    § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG würde auf diese Weise generalpräventiv dem Anreiz entgegen wirken, nach illegaler Einreise Bleibegründe zu schaffen mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom Ausland durchzuführende Visumverfahren zu honorieren. Die bewusste Umgehung des Visumverfahrens dürfe nicht folgenlos bleiben, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten.

    Für den vorliegenden Fall könne daher offenbleiben, ob die vom Berufungsgericht als bedeutsam gewerteten Umstände der ehelichen Lebensgemeinschaft des Klägers mit einer Deutschen und die dadurch verminderte oder ganz entfallene Gefahr, dass der Kläger erneut Verstöße gegen Einreisevorschriften begehen werde, eine Ausnahme vom Regelerfordernis des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründen würden. Denn es würde jedenfalls an der Regelvoraussetzung dieser Vorschrift fehlen, dass kein Ausweisungsgrund vorliegen dürfe, da der Kläger durch seine illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt habe. Deswegen sei er im Übrigen auch strafgerichtlich verurteilt worden und diese Verurteilung sei auch noch nicht im Bundeszentralregister getilgt worden.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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