Krankenkasse verklagen Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Krankenkasse verklagen

  1. Arbeitsrecht: Zahlung von Krankengeld bei einer unbefristeten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

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    Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 16.04.2015, Az.: L 5 KR 254/14

    Die Regelung, ab wann Krankengeld gemäß § 44 SGB V gewährt wird, ist in § 46 SGB V vorhanden.

    Gemäß § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V besteht der Anspruch bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, und gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

    Im Falle von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ist nicht der Tag, an welchem die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, sondern der Tag der Feststellung durch einen Arzt maßgebend, und zwar auch dann, wenn der Versicherte den Arzt erst aufsuchen konnte, nachdem er bereits arbeitsunfähig war.

    Die Dauer des Krankengeldes wiederum ist in § 48 SGB V geregelt. Der hier besprochene Fall des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz hatte die Frage zum Gegenstand, ob die Krankenkasse bei einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, welche eine Arbeitsunfähigkeit „bis auf Weiteres“ bescheinigte, nur bis zum ärztlichen Wiedervorstellungstermin verpflichtet war, Krankengeld zu zahlen oder darüber hinaus.

    Sachverhalt des Gerichtsverfahrens

    Die 1963 geborene Klägerin, welche bei der Beklagten krankenversichert war, erkrankte am 05.04.2013 arbeitsunfähig. Die sie behandelnde Gemeinschaftspraxis nannte als Diagnose M47.22G nach ICD 10 (Sonstige Spondylose mit Radikulopathie: Zervikalbereich).

    Klägerin wurde auf unbestimmte Dauer arbeitsunfähig krank

    Die Klägerin, die Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezog, erhielt zunächst Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit. Ab dem 23.05.2013 gewährte die Beklagte ihr dann Krankengeld. Auf Anfrage der Beklagten teilten die behandelnden Ärzte am 10.06.2013 mit, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit unbestimmt sei.

    Am 11.07.2013 vermerkte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), die Klägerin habe am 23.07.2013 einen Termin bei einem Neurochirurgen, bis dahin sei die Arbeitsunfähigkeit vorerst begründet. Im Auszahlschein der Gemeinschaftspraxis vom 24.07.2013 war angegeben worden, dass die Klägerin bis auf Weiteres arbeitsunfähig sei und dass sie zum 08.08.2013 erneut bestellt sei.

    Am 29.07.2013 vermerkte der Medizinaldirektor des MDK, dass die Klägerin zuletzt bei einer Vorstellung letzte Woche über Schmerzen geklagt habe. Sie habe einen Termin bei einem Facharzt für Neurochirurgie. Weitere Arbeitsunfähigkeit sei nur zu akzeptieren, wenn sie vom Facharzt für Neurochirurgie begründet werden würde, ansonsten bestünde ein positives Leistungsbild.

    Beklagte Krankenkasse sieht Klägerin als arbeitsfähig an

    Mit Bescheid vom 29.07.2013 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dass die Klägerin ab dem 03.08.2013 in der Lage sei, sich dem allgemeinen Arbeitsmarkt gemäß ihrem Leistungsbild zur Verfügung zu stellen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und legte einen weiteren Auszahlschein der Praxis Dr. M /Dr. S vom 15.08.2013 vor, in dem bescheinigt wurde, dass die Klägerin bis auf Weiteres arbeitsunfähig sei und der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar sei. In einem Auszahlschein vom 23.08.2013 wurden die gleichen Angaben gemacht. Ferner reichte die Klägerin ein Attest der Praxis Dr. M und Dr. S vom 29.08.2013 zu den Akten, in dem ausgeführt wurde, dass die Klägerin an einem chronischen Schmerzsyndrom mit Exacerbation der rechten Schulter im Sinne einer PHS (Periarthritis humeroscapularis) sowie Lumboischialgie bei multiplen Bandscheibenvorfällen leiden würde und weiterhin arbeitsunfähig sei.

    In einer Stellungnahme vom 02.09.2013 bat der MDK-Arzt H dann um Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den MDK. Der MDK teilte der Beklagten dann am 23.09.2013 mit, dass die Klägerin den Untersuchungstermin nicht wahrgenommen habe. Am 01.10.2013 bat die Beklagte den MDK dann um die erneute Vergabe eines Untersuchungstermins. Die Klägerin reichte einen Bericht des Chefarztes der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgiedes Krankenhauses W vom 20.09.2013 über eine ambulante Behandlung am 16.09.2013 zu den Akten. Darin wurden folgende Diagnosen genannt: Epicondylitis humeri radialis rechts, erhebliche Osteochondrosis und Spondylosis deformans cervicalis punctum maximum HWK III/IV mit multiplen Protrusionen und Vorfällen der Halswirbelsäule (HWS), Zustand nach Kniegelenks-Arthroskopie links, 2011, Nikotin-Abusus. Die HWS habe sich in der Beweglichkeit deutlich schmerzhaft gezeigt. Am 23.10.2013 wurde die Klägerin von einem Arzt des MDK Dr. S begutachtet. Er führte aus, bei der Untersuchung habe sich eine endgradige Bewegungseinschränkung in beiden Schultern sowie in der HWS mit Angaben von Sensibilitätsstörungen im rechten Arm gezeigt. Unter Berücksichtigung dieser Funktions- und Fähigkeitsstörungen könne die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Videothek derzeit nicht ausüben. Sie sei jedoch in der Lage, unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen eine zumindest leichte körperliche Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung auszuüben. Dieses Leistungsbild dürfte auch schon seit August 2013 vorgelegen haben.

    Den von der Klägerin eingreichten Widerspruch weist die Beklagte zurück

    Durch Widerspruchsbescheid vom 09.12.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin habe nach den Feststellungen des MDK am 02.08.2013 geendet.

    Klägerin reicht zunächst Klage beim Sozialgericht Koblenz ein

    Hiergegen reichte die Klägerin am 09.01.2014 Klage beim Sozialgericht Koblenz ein. Dazu legte sie weitere ärztliche Unterlagen vor. Die Beklagte wiederum legte ein Gutachten des Dr. S vom 10.02.2014 vor, der darin mitteilte, dass aus den vorgelegten Unterlagen sich auch weiterhin keine Begründungen für ein „aufgehobenes Leistungsbild“ ergeben würden. Der Arzt des MDK hatte in seinem Gutachten vom 14.02.2014 ausgeführt, im Jahr 2013 seien bei der Klägerin meist nur geringfügige, zeitweise – im September bis Oktober – auch erhebliche bzw. mittelgradige funktionelle Einschränkungen des Bewegungsapparats festgestellt worden, die aber jeweils nur bestimmte Tätigkeiten verhinderten, niemals aber eine zum Beispiel vollschichtige leichte Tätigkeit zu ebener Erde ohne Zwangshaltungen und bis Tischhöhe verhindern würden.

    Auf Anfrage hatte die Klägerin mitgeteilt, dass sie ab dem 24.11.2013 aufgrund einer anderen Erkrankung Krankengeld beziehen würde. Das Sozialgericht holte ein Gutachten bei einem Facharzt für Orthopädie ein. Dieser stellte die folgenden Diagnosen: myostatisches und teils fortgeschrittenes degeneratives Halswirbelsäulensyndrom mit Cervicobrachialgie rechts bei mehrsegmentalen Protrusionen, Prolaps; femoropatellares Schmerzsyndrom Kniegelenk rechts bei initialen Verschleißerscheinungen, Patella bipatita, myostatisches Lendenwirbelsäulensyndrom ohne wesentliche Verschleißerscheinungen. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bis 23.10.2013 nicht mehr in der Lage gewesen sei, vollschichtig irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Dies würde aus der körperlichen Untersuchung im Krankenhaus W vom 16.09.2013 hervorgehen. Erst durch die Untersuchung des MDK am 23.10.2013 sei dokumentiert worden, dass nur noch eine endgradige Einschränkung der HWS und der Schultern beidseits vorgelegen habe. Die Beklagte legte ein Gutachten des Arztes im MDK vom 05.08.2014 vor, in dem ausgeführt wurde, dass vom Krankenhaus W am 16.09.2013 keine Bewegungseinschränkung, sondern nur eine Schmerzäußerung der Klägerin dokumentiert worden sei. Aus den erhobenen Befunden könne keine „so erhebliche Funktionseinschränkung – streng genommen eigentlich gar keine Funktionseinschränkung – gefolgert werden“.

    Sozialgericht Koblenz verpflichtet die Beklagte, der Klägerin weiterhin Krankengeld zu zahlen

    Durch Urteil vom 14.10.2014 verpflichtete das Sozialgericht Koblenz die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides, der Klägerin über den 02.08.2013 hinaus bis zum 23.10.2013 Krankengeld zu gewähren.

    Zur Begründung hatte es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum arbeitsunfähig im Sinne des § 44 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gewesen. Dies habe sich zunächst aus den von den behandelnden Ärzten Dr. M und Dr. S ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergeben. Diese hätten ihre Einschätzung in ihrer Stellungnahme vom 29.08.2013 nochmals bekräftigt. Diese ärztlichen Feststellungen seien durch die Ausführungen des MDK auch nicht widerlegt worden. In seiner Stellungnahme vom 29.07.2013 habe der MDK lediglich mitgeteilt, dass eine weitere Arbeitsunfähigkeit nur dann zu akzeptieren sei, wenn der Facharzt diese begründen würde. Eigene Erhebungen zum Leistungsbild der Klägerin durch den MDK hätten gefehlt. Der Bescheid vom 02.08.2013 würde daher nicht auf Feststellungen des MDK beruhen. Auch der Sachverständige Dr. H sei von einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum 23.10.2013 ausgegangen.

    Die beklagte Krankenkasse reicht schließlich Berufung zum Landessozialgericht Rheinland Pfalz ein

    Gegen dieses Urteil reichte die Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ein. Ihre Berufung stützte die Beklagte insbesondere darauf, dass die notwendigen ärztlichen Feststellungen bis zum 23.10.2013 nicht vorgelegen hätten. Ausweislich des Auszahlscheins vom 24.07.2013 sei die Klägerin zum 08.08.2013 wieder bestellt worden. Der nächste Auszahlschein sei jedoch erst am 15.08.2013 ausgestellt worden. Bereits aus diesem Grund sei ein Krankengeldanspruch über den 02.08.2013 hinaus bis zum 23.10.2013 zu verneinen.

    Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz

    Landessozialgericht bestätigt Urteil der Vorinstanz

    Das LAG Rheinland-Pfalz folgte der Ansicht des Sozialgerichts und urteilte, dass das Sozialgericht der Klage zu Recht stattgegeben habe.

    Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 02.08.2013 hinaus bis zum 23.10.2014: Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten stünde zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht in der Lage gewesen sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Diese Einschätzung stützte der Senat im Wesentlichen auf die Feststellungen der behandelnden Ärzte Dr. M und Dr. S sowie das Gutachten des Sachverständigen Dr. H vom 05.06.2014. Wie schon das Sozialgericht dargelegt habe, bestünden keine Zweifel an der Beurteilung der behandelnden Ärzte. Die Ausführungen des MDK, der die Klägerin erstmals am 23.10.2014 persönlich untersucht habe, würdem die Beurteilung des Dr. M und des Dr. S nicht widerlegen. Schließlich habe Dr. H in seinem überzeugenden Gutachten nach Auswertung sämtlicher Unterlagen bestätigt, dass die Klägerin aufgrund ihrer Einschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule und der Schulter arbeitsunfähig gewesen sei.

    Soweit die Beklagte nunmehr erstmals im Berufungsverfahren geltend gemacht habe, die notwendige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit hätte nicht vorgelegen, würde dies nicht zutreffen. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) entstünde der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgen würde.

    Klägerin habe rechtzeitig die weitere Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen

    Der Versicherte sei verpflichtet, rechtzeitig vor dem Ende der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erneut einen Arzt aufzusuchen, um die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen. Vorliegend sei der Klägerin im Auszahlschein vom 24.07.2013 Arbeitsunfähigkeit bis auf Weiteres bescheinigt worden. Zwar sei angegeben worden, dass die Klägerin zum 08.08.2013 wieder bestellt sei, dieser Angabe könne vorliegend indessen nicht entnommen werden, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Zeitpunkt beschränkt werden sollte. Im Übrigen könne auch dem Aktenvermerk des MDK vom 29.07.2013 entnommen werden, dass sowohl Dr. S als auch der MDK von einer weiteren Arbeitsunfähigkeit, zumindest bis zur Untersuchung der Klägerin durch einen Neurochirurgen, ausgegangen seien. Die behandelnden Ärzte hätten sodann in Auszahlscheinen vom 15.08.2013 und 23.08.2013 erneut Arbeitsunfähigkeit bis auf Weiteres festgestellt und angegeben, dass der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar sei.

    Quelle: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz

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  2. Sozialrecht: Gesetzliche Krankenkasse kann im Wege der Amtshaftung für falsche Auskünfte Ihres Mitarbeiters zahlungspflichtig sein.

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    Oberlandesgericht Karlsruhe, 18.12.2012, Az.: 12 U 105/12

    Die Verantwortlichkeit eines Amtswalters (z. B. eines Beamten oder eines Beschäftigten des öffentlichen Dienstes) für Schäden, die dieser während der Ausübung ihres Amtes Dritten gegenüber verursacht, wird landläufig als „Amtshaftung“ bezeichnet. Unter Amtshaftung versteht man also die Haftung des Staates und seiner Beamten.

    Normiert ist die Amtshaftung in § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG. Der Rechtsweg für die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen ist grundsätzlich nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Zivilrechtsweg, Art. 34 S. 3 GG i. V. m. § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO. Unabhängig vom Streitwert sind dafür immer die Landgerichte zuständig, § 1 ZPO i. V. m. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG.

    Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen, damit ein Amtshaftungsanspruch gegeben ist:

     

        • Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes
        • Amtspflichtverletzung
        • Drittbezogenheit
        • Verschulden

    Liegen diese Voraussetzungen vor, trifft die die Verantwortlichkeit grundsätzlich nicht den Beamten selber (also die natürliche Person), sondern den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.

    Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Handlungsweise des handelnden Beamten kann es allerdings zu Regressansprüchen des Staates gegenüber dem Beamten kommen.

    In dem oben genannten Urteil des OLG Karlsruhe hatte dieses darüber zu entscheiden, ob einer Frau, welche nach der Zusage einer Kostenübernahme zu einer Krankenkasse wechselte, einen Amtshaftungsanspruch gegen diese Krankenkasse hatte, als sich heraus stellte, dass die Krankenkasse die Kosten dennoch nicht übernehmen wollte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Die bereits krankenversicherte Klägerin wechselte nach einem Beratungsgespräch mit dem Mitarbeiter der Beklagten zur Beklagten als gesetzlichem Krankenversicherer.

    Klägerin wechselte auf Anraten des Mitarbeiters zu der Krankenversicherung des Mitarbeiters

    Die der Klägerin entstandenen Kosten ihrer medizinischen Versorgung, insbesondere aus einer Krebsbehandlung auf naturheilkundlicher Basis, Kosten für Nahrungsergänzungsmittel, Zahnreinigung, Praxisgebühren sowie Zuzahlungen für Massagen und Medikamente, reichte sie jeweils über den Mitarbeiter bei der Beklagten ein, der die Rechnungen aus seinem Privatvermögen beglich, da die geltend gemachten Kosten nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst waren.

    Mitarbeiter beglich die nicht von der Beklagten übernommen Kosten aus dem Privatvermögen

    Nachdem im Jahr 2008 nicht unerhebliche Zahlungsrückstände aufgetreten waren, blieb die Kostenerstattung im Jahr 2010 endgültig aus, woraufhin sich die Klägerin an die Beklagte wandte, die damit erstmals von dem Sachverhalt Kenntnis erlangte und eine Kostenübernahme ablehnte.

    Das zunächst angerufene Landgericht verurteilte die Krankenkasse zur Zahlung

    Das daraufhin durch die Klägerin angerufene Landgericht verurteilte die beklagte Krankenkasse auf Zahlung der ausstehenden Behandlungskosten sowie anteiliger Rechtsanwaltskosten aufgrund bestehender Amtshaftungsansprüche der Klägerin gegen die beklagte Krankenkasse.

    Gegen dieses Urteil reichte die Beklagte Berufung zum Oberlandesgericht Karlsruhe ein.

    Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe:

    Das OLG Karlsruhe sah ebenfalls einen Schadensersatzanspruch der Beklagten

    Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte das Urteil des Landgerichts und urteilte ebenfalls, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG in Höhe von 2.533,18 EUR zustünde:

    Die Beklagte sei als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruchsverpflichtete aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG.

    Gemäß § 4 Abs. 1 SGB V handele es sich bei der Beklagten um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Tätigkeit als öffentliche Sozialversicherung hoheitlicher Leistungsverwaltung zuzuordnen sei.

    Damit würden auch für die Erteilung von Auskünften und die Bescheidung von Anträgen und Anfragen auf diesem Gebiet die allgemeinen Grundsätze über die Erteilung von Auskünften im hoheitlichen Bereich (Staudinger/Wöstmann (2012), BGB, § 839 Rdnr. 785) gelten.

    Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes darstelle, bestimme sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig werde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen sei und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang bestünde, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden müsse.

    Dabei sei nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit diene, abzustellen (BGH VersR 2006, 1684 ; OLG Hamm, Urt. v. 5.6.2009 – 11 U 193/08 – RdL 2010, 128 – juris Tz. 23).

    Bei Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung obliege der Beklagten bzw. ihren zuständigen Amtsträgern – unabhängig davon, ob diese Beamtenstatus haben oder in einem sonstigen Anstellungsverhältnis stünden und daher (lediglich) als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen seien (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., 2012, § 839 Rdnr. 15) – die Verpflichtung zu gesetzeskonformen Verwaltungshandeln.

    Krankenkasse muss für die falsche Beratung des Mitarbeiters gerade stehen

    Nach § 14 SGB I seien die Sozialleistungsträger zu einer zutreffenden Beratung der Versicherten über die Rechte und Pflichte in der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet. Auskünfte und Belehrungen seien grundsätzlich richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig zu erteilen (BGH NJW 1994, 2087 – juris Tz. 43).

    Die damit im Vorfeld des Wechsels der Klägerin zur Beklagten sowie die danach entfaltete Beratungstätigkeit des Zeugen K im Rahmen von § 14 SGB I sei als hoheitliches Handeln anzusehen.

    Die Pflicht zu zutreffender Beratung bestünde auch im Interesse der Klägerin als geschützte „Dritte“ i. S. von § 839 BGB.

    Grundsätzlich dürfe der Bürger von der „Rechtmäßigkeit der Verwaltung“ ausgehen (BGH NJW 1994, 2087 – juris Tz. 30; BSGE 44, 114 (121); BGH NJW 2003, 3049 – juris Tz. 8).

    Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe

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  3. Krankenversicherungsrecht: Verweigerung der Pflichtversicherung durch die gesetzliche Krankenkasse wegen Vorrangs des SGB XII

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    Sozialgericht Oldenburg, 05.09.2011, Az.: S 61 KR 151/11

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    Diejenigen Tatbestände, welche die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auslösen, sind in § 5 SGB V aufgezählt. Zu dem Kreis der pflichtversicherten Personen gehören unter Anderem Arbeiter, Angestellte oder Studenten sowie Bezieher bestimmter Sozialleistungen.

    Ebenfalls pflichtversichert sind gem. § 5 SGB V solche Menschen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Sicherung im Krankheitsfall haben.

    Bei Versicherungspflichtigen beginnt die Mitgliedschaft mit dem Tage, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht erfüllt sind, § 186 SGB V.

    Bei Arbeitern, Angestellten oder Auszubildenden ist dies also Tag des Eintritts in die versicherungspflichtige Beschäftigung.

    Im Fall des freiwilligen Beitritts zur gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 9 SGB V beginnt die Mitgliedschaft gem. § 188 Abs. 1, 3 SGB V grundsätzlich mit dem Tage des Beitritts, also der schriftlichen Anmeldung bei der Krankenkasse.

    Wenn der bisher Pflichtversicherte sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung weiter versichern möchte, weil die Versicherungspflicht aus irgendeinem Grund entfallen ist, (sogenannte Weiterversicherung) schließt sich die freiwillige Mitgliedschaft gem. § 188 Abs. 2 SGB V unmittelbar an das Ende der vorherigen Pflichtversicherung an.

    Das bedeutet, dass auch die Beitragspflicht (§§ 223 Abs. 1, 240 SGB V unmittelbar einsetzt. Es wird damit verhindert, dass Versicherungsberechtigte die dreimonatige Erklärungsfrist des § 9 Abs. 2 SGB V alleine deshalb bis zum Ende ausnutzen, um Beiträge zu sparen.

    Oftmals kommt es auch vor, dass sich gesetzliche Krankenversicherungen weigern, bestimmte Personen zu versichern.

    Sollten Sie ein sozialrechtliches Problem haben oder von Ihrer Krankenkasse benachteiligt worden sein, unterstützen wir Sie gerne bei der Durchsetzung Ihrer Interessen. Für ein Angebot senden Sie uns gerne eine Email an info@mth-partner.de oder rufen uns an unter 0221 – 80187670

    In dem oben genannten Fall des Sozialgerichts Oldenburg hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die Klägerin pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung war oder ob die Klägerin Hilfe zur Gesundheit im Rahmen Ihres Bezuges von SGB XII hätte erhalten müssen.

    Sachverhalt: Die 1959 geborene Klägerin erhielt Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

    Da die Klägerin ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr selber regeln konnte, wurde für sie ein gesetzlicher Betreuer bestellt, der unter anderem die Aufgabenkreise Gesundheitssorge sowie Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten inne hatte.

    Im Zusammenhang mit der Grundsicherung der Stadt erhielt die Klägerin bisher ebenfalls Hilfe zur Gesundheit. Dahingehend übernahm die Stadt E die Behandlungskosten und nahm in der Folge die Eltern der Klägerin gem. 94 Abs. 1 SGB XII aus übergegangenem Recht in Anspruch.

    Nachdem die Eltern der Klägerin sich gegenüber der Stadt E. schließlich bereit erklärt hatten, für den Lebensunterhalt der Klägerin ab dem 01.11.2010 aufzukommen, stellte die Stadt E. die Sozialhilfeleistungen mit Bescheid vom 07.10.2010 ab dem 01.11.2010 ein.

    Daraufhin beantragte die Klägerin daraufhin am 18.10.2010 bei der Beklagten die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung.

    Am 10.11.2010 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung nach dem SGB XII bei dem Sozialhilfeträger.

    Dazu führten die Eltern der Klägerin zur Begründung aus, dass sich die finanzielle Situation der Familie durch die erhöhte Pflegebedürftigkeit des Vaters unerwartet verschlechtert habe und die Tochter daher nicht mehr unterstützt werden könne.

    Dementsprechend erhielt die Klägerin seit dem 01.12.2010 wieder Grundsicherungsleistungen.

    Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung mit Bescheid vom 16.02.2011 ab.

    Sie vertrat die Ansicht, dass die Klägerin durch die Unterbrechung des Bezuges von Grundsicherungsleistungen nicht pflichtversichert in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung geworden sei.

    Es liege gem. § 5 Abs. 8a Satz 2 und 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) eine unverhältnismäßig kurze Unterbrechung des Bezugs der Grundsicherungsleistungen vor.

    Diese Norm diene dem Erhalt des Vorrangs der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers für die Erbringung von Hilfen zur Gesundheit und dieser Vorrang solle nicht unterlaufen werden.

    Am 16.03.2011 legte die Klägerin gegen die Weigerung der Krankenkasse Widerspruch ein.

    Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit der Begründung zurück, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum die Eltern der Klägerin bei unveränderten Einkommensverhältnissen, die Klägerin für genau einen Monat hätten unterhalten können.

    Nach Ansicht der Beklagten erwecke dieser Sachverhalt insofern den Anschein, gesteuert zu sein, um durch eine kurzzeitige Leistungsunterbrechung krankenversicherungspflichtig zu werden und fortan den Vorrang der Krankenhilfe durch den Sozialhilfeträger zu unterlaufen. Dies entspreche nicht dem Sinn und Zweck der Versicherungspflicht.

    Am 10.06.2011 erhob die Klägerin, vertreten durch ihren Betreuer, Klage beim Sozialgericht Oldenburg.

    Sozialgericht Oldenburg: Das SG Oldenburg folgte der Ansicht der Klägerin und urteilte, dass die Beklagte verpflichtet sei, zu Gunsten der Klägerin die Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V durchzuführen.

    Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V seien Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren.

    Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin vor. Sie habe bis zum November 2010 im Falle einer Krankheit Schutz durch die Hilfe zur Gesundheit im Zusammenhang mit den Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung des Sozialamtes nach §§ 41 ff. SGB XII gehabt. Dieser Schutz sei mit Aufhebung der Grundsicherungsleistungen zum 01.11.2010 weggefallen.

    Da die Klägerin fortan ohne Krankenversicherungsschutz gewesen sei, greife die Pflichtversicherung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung.

    Für die Pflegeversicherung gelte dies entsprechend. Denn Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung seien nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung.

    Dazu gehörten gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI ausdrücklich auch die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtigen.

    Auch der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V greife hier nicht. Danach sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht versicherungspflichtig, (…) wer Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches sei. Die Klägerin sei aber im November 2010 nicht mehr Empfängerin von Sozialhilfeleistungen gewesen.

    Auch der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 8a S. 3 SGB V führe zu keinem anderen Ergebnis. Danach sei eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausgeschlossen, wenn der Anspruch auf diese Leistungen nach dem SGB XII für weniger als einen Monat unterbrochen werde.

    Dieser Ausschlussgrund, bei dem die Versicherungspflicht der Klägerin entfallen würde, sei hier nicht erfüllt. Denn der Bezug von Grundsicherungsleistungen sei vorliegend für einen vollen Monat (den Monat November 2010) unterbrochen worden, nicht für „weniger als einen Monat“, wie in der Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 8a S. 3 SGB V ausdrücklich gefordert sei.

    Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes trete im Falle einer Unterbrechung von mindestens einem Monat die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ein.

    Auch für eine erweiternde Auslegung des § 5 Abs. 8a SGB V bestünde hier kein Anlass.

    Quelle: Sozialgericht Oldenburg

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