Rechtsanwalt in Köln für Einbürgerung Archive - Seite 2 von 4 - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Rechtsanwalt in Köln für Einbürgerung

  1. Ausländerrecht: Öffentliches Interesse an familieneinheitlicher Staatsangehörigkeit bei der Einbürgerung

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    Verwaltungsgericht Augsburg, 08.10.2012, Az.: 11 K 1376/12

    Nach § 8 Abs. 1 StAG kann ein Ausländer auf seinen Antrag eingebürgert werden,  soweit er rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, wenn er handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 S. 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist, weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.

    Von diesen Voraussetzungen kann gemäß § 8 Abs. 2 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Demnach ist der Behörde in Fällen, bei denen zwar die Handlungsfähigkeit nach § 27 Abs. 1 S. 1 StAG oder eine gesetzliche Vertretung gegeben ist, aber eine der anderen Voraussetzungen nicht vorliegt, ein pflichtgemäßes Ermessen eröffnet, dennoch die Einbürgerung zu genehmigen.

    Das Gericht überprüft bei einer Klage gegen einen ergangenen Bescheid nunmehr, ob die jeweilige Entscheidung der Behörde ermessensfehlerfrei ist oder ob Ermessensfehler gegeben sind und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wurde (§ 113 Abs. 5, 114 VwGO). Bei den Ermessensfehlern wird zwischen verschiedenen Arten unterschieden: Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch und Ermessensreduzierung auf Null. So geht die Behörde zum Beispiel beim Ermessensnichtgebrauch davon aus, dass ihr überhaupt kein Ermessen durch den Gesetzgeber eingeräumt wurde, obwohl dies geschehen ist. Und bei Ermessensfehlgebrauch übt die Behörde ihr pflichtgemäßes Ermessen zwar aus, jedoch fehlerhaft.

    Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger eine Neuentscheidung über seinen Antrag auf Einbürgerung, nachdem die Behörde diesen unter Hinweis auf seine strafgerichtliche Verurteilung ablehnte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Der Kläger begehrt eine erneute Entscheidung über seinen Einbürgerungsantrag.

    Der Kläger reiste als Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina im Jahr 1993 in die Bundesrepublik Deutschland ein und heiratete dort 1994 eine Landsmännin, die später eingebürgert wurde. Die beiden im Bundesgebiet geborenen Kinder besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.

    Der Kläger erhielt am 10.12.2003 eine befristete Aufenthaltserlaubnis gefolgt von einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG am 05.11.2009. Die Niederlassungserlaubnis erhielt er am 20.11.2011.

    Der Kläger wurde am 21.06.2000 wegen Diebstahls in drei Fällen in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung, Diebstahl, Beihilfe zum Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, auf Bewährung ausgesetzt für die Dauer von 3 Jahren, verurteilt. Diese Strafe wurde am 31.07.2003 erlassen.

    Nachdem der Kläger straffällig wurde beantragte er die Einbürgerung

    Der Kläger beantragte im Jahr 2006 erstmals seine Einbürgerung. Ihm wurde mit Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung und die Dauer der Tilgungsfrist des Bundeszentralregisters bis 2015 die Ablehnung in Aussicht gestellt, woraufhin er seinen Antrag zurücknahm. Ein erneuter Antrag zur Einbürgerung wurde mit Bescheid vom 29.07.2011 mit derselben Begründung vom Beklagten abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 ebenfalls aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung und der Tilgungsfrist zurückgewiesen.

    Der Kläger hat am 24.04.2012 Klage erhoben, mit der Begründung, dass die erfolgte Versagung der Einbürgerung ermessensfehlerhaft sei. Es sei ermessensrelevant, dass sich der Kläger seit annähernd 20 Jahren legal im Bundesgebiet aufhalte, er sich bis auf die einzige Verurteilung im Jahr 2000 vorbildlich verhalten habe und ihm die Strafe im Jahr 2003 auch erlassen worden sei. Der Beklagte hätte keine Verkürzung der Tilgungsfrist wegen einer erstmaligen Verurteilung ohne Gefahr künftiger Straftaten erwogen. Die Erteilung der Niederlassungserlaubnis und das Versagen der Einbürgerung seien außerdem widersprüchlich. Der Antrag des Klägers zielt auf die Aufhebung des Widerspruchsbescheids und die Neuentscheidung des Einbürgerungsantrags ab.

    Einbürgerungsbehörde lehnt die Einbürgerung wegen der Straftaten ab

    Der Beklagte bringt ergänzend zur Begründung vor, dass bei einer Entscheidung über die Verkürzung der Vorwerfbarkeit der Straffälligkeit in Abweichung von den Tilgungsfristen die Schwere und Häufigkeit der Straftaten, der zeitliche Abstand, die Beseitigung früherer negativer Umstände, der Tilgungszeitpunkt und eine evtl. vorliegende Staatenlosigkeit eine Rolle spielten. Im Ergebnis stelle der Beklagte fest, dass der Kläger die Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland nicht in ausreichendem Maße respektiere, sodass noch kein ausreichender Integrationsgrad bestehe, der einen Ausnahmetatbestand rechtfertigen könne. Die Erteilung der Niederlassungserlaubnis stehe in keinem Widerspruch zum Versagen der Einbürgerung, da hierfür andere Voraussetzungen gelten würden und diese von einer anderen Behörde erteilt werde.

    Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart:

    Verwaltungsgericht folgt der Ansicht des Klägers

    Die Klage sei zulässig und begründet. Die Bescheide seien rechtsfehlerhaft und verletzten den Kläger in seinem Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung über seine Einbürgerung (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).

    Aufgrund der erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung am 21.06.2000 habe der Kläger keinen Anspruch auf Einbürgerung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG. Auch könne die Straftat wegen der Dauer der Freiheitsstrafe nach § 12a Abs. 1 S. 1 StAG nicht außer Betracht bleiben. Das mögliche Ermessen ist auch aufgrund der Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze nach §12a Abs. 1 S. 1 und 3 StAG nicht eröffnet.

    Auch liegen weder die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 StAG vor, noch kann von einem atypischen Sachverhalt ausgegangen werden. Demnach ist das Ermessen der Behörde oder der Anspruch auf Einbürgerung nach § 9 Abs. 1 StAG nicht gegeben.

    Vorliegend sei statt einer Anspruchseinbürgerung eine Ermessenseinbürgerung möglich

    § 8 Abs. 2 StAG ermögliche jedoch eine behördliche Ermessensentscheidung, aus Gründen des öffentlichen Interesses von den Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 2 abzusehen. Diese Ermessensermächtigung setze voraus, dass die Ermessensermächtigung nach § 12a Abs. 1 S. 2 und 3 StAG nicht greift, was vorliegend der Fall ist.

    Im vorliegenden Einzelfall sei eine Ermessensentscheidung aus Gründen einer besonderen Härte zwar abzulehnen, jedoch aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die Kernfamilie des Klägers ausschließlich aus deutschen Staatsangehörigen bestehe. § 9 Abs. 1 StAG gebiete es, als Ausfluss des Art. 6 Abs. 1 GG, dass die Einbürgerung zur Herstellung einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit in der Familie erfolgen solle, insbesondere um ihren Zusammenhalt zu stärken. Von diesem Grundsatz müsse sich die Behörde daher im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG leiten lassen. Im vorliegenden Fall würde diesem Grundsatz der einheitlichen Staatsangehörigkeit der Familie durch die Einbürgerung des Klägers Rechnung getragen werden.

    Die Tatsache, dass alle anderen Familienangehörigen Deutsche sind, verpflichtet die Behörde zur fehlerfreien Ermessensentscheidung

    Infolgedessen kann der Kläger verlangen, dass eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über seine Einbürgerung getroffen werde, soweit die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 StAG auch weiterhin vorlägen. Ob andere von der Einbürgerung berührte staatliche Interessen gewahrt werden, müsse Gegenstand der Abwägung im Rahmen der Ermessensbetätigung sein.

    Da der Beklagte in seinen ergangenen Bescheiden davon ausgegangen sei, dass kein Ermessen gegeben sei, liege ein Ermessensfehler vor. Die Bescheide seien daher rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Der Neubescheidungsklage sei somit stattzugeben gewesen.

    Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Ein straffällig gewordener Ausländer kann trotz Vaterschaft eines deutschen Kindes ausgewiesen werden.

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    Verwaltungsgericht Osnabrück, 13.02.2013, Az.: 5 B 8/13

    Die Ausweisung von Ausländern aus Deutschland ist in den §§ 53, 54, 55 und 56 AufenthG geregelt.

    Das deutsche Ausländerrecht sieht folgende Formen der Ausweisung vor:

    • Regelausweisung
    • Ermessensausweisung
    • Zwingende Ausweisung

    Die zwingende Ausweisung eines Ausländers aus Deutschland ist in § 53 AufenthG geregelt. Danach wird ein Ausländer zwingend aus Deutschland ausgewiesen, wenn dieser die in § 53 AufenthG normierten Straftatbestände begangen hat (Fälle besonders schwerer Kriminalität, z. B. Mord, Totschlag, Raub, etc.).

    Die Regelausweisung eines Ausländers aus Deutschland ist in § 54 AufenthG normiert. Danach wird ein Ausländer bei erheblicher Kriminalität oder bei Drogenkriminalität ausgewiesen (z. B. Handel oder Besitz von Betäubungsmitteln).

    Die Ermessensausweisung wiederum ist in § 55 AufenthG festgelegt. Danach kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.

    Übersicht über die Ausweisung:

    Ausweisung

    Bei der Ausweisung muss grundsätzlich der ebenfalls im Aufenthaltsgesetz festgelegte Ausweisungsschutz beachtet werden.

    Gem. § 56 AufenthG genießt ein Ausländer besonderen Ausweisungsschutz, wenn er

    – eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,

    – eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,

    – eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,

    – eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,

    – mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt oder

    – als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt

    In dem oben genannten Fall des Verwaltungsgerichts Osnabrück hatte dieses darüber zu entscheiden, ob ein zu über 5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilter Ausländer aus Deutschland ausgewiesen werden durfte, obwohl er Vater einer deutschen Tochter war.

    Sachverhalt: Der im Jahre 1987 geborene Antragsteller reiste 1988 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er war Vater einer minderjährigen Tochter, die die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Bis zum Februar 2011 beging er nach zuvor abgeurteilten zahlreichen Straftaten als Haupttäter einer Bande über einhundert, z.T. schwere Delikte, insbesondere eine Vielzahl bandenmäßiger Einbruchsdiebstähle in Firmen- und Bürogebäude, zum großen Teil im Emsland.

    Am 10.08.2011 verurteilte das Landgericht Osnabrück den Antragsteller wegen dieser Taten zu Freiheitsstrafen von insgesamt 5 Jahren und 2 Monaten; die Strafe wird von dem Antragsteller zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Lingen abgesessen.

    Im Hinblick auf die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe wies der Landkreis Emsland den Antragsteller aus dem Bundesgebiet aus, ordnete seine Abschiebung aus der Haft heraus an und untersagte ihm, in den folgenden vier Jahren in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen.

    Verwaltungsgericht Osnabrück: Die gegen diese Maßnahmen eingelegte Klage des Ausländers wies das VG Osnabrück ab. Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass die ausländerrechtlichen Maßnahmen nicht zu beanstanden seien.

    Die Ausweisung sei eine vom Gesetz vorgesehene zwingende Folge der verhängten Freiheitsstrafe. Schutz vor der Ausweisung vermittele dem Antragsteller auch nicht seine Vaterschaft zu seiner deutschen Tochter, denn zu ihr habe er keine schützenswerte familiäre Beziehung.

    Sein gesamtes Verhalten, insbesondere die Vielzahl der in sehr kurzer Zeit begangenen Straftaten, zeige, dass er kein echtes Interesse an seiner Tochter habe.

    Die Abschiebung des Antragstellers aus der Haft sei zur Durchsetzung der Ausweisung gerechtfertigt. Auch das auf vier Jahre bemessene Verbot, wieder in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, verletzte unter Würdigung aller Umstände die Rechte des Antragstellers nicht.

    Quelle: Verwaltungsgericht Osnabrück

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  3. Ausländerrecht: Vorlagebeschluss zur Frage des Elterngeldes für geduldete Ausländer abgewiesen

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    Bundesverfassungsgericht, 04.12.2012, Az.: 1 BvL 4/12

    Im deutschen Recht gibt es drei Arten von Verfahren, durch welche die Gültigkeit einer Rechtsnorm (z. B. Gesetze oder Rechtsverordnungen) überprüft werden kann.

    1. Abstrakte Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht

    2. Konkrete Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht (sogenannte Richtervorlage)

    3. Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht

    Die konkrete Normenkontrolle (also die Richtervorlage) wird in bestimmten Fällen im Rahmen eines Rechtsstreites notwendig, wenn die Gültigkeit einer bestimmten Rechtsnorm für den Ausgang des Rechtsstreits von Bedeutung ist.

    Jedes angerufene Gericht hat nämlich grundsätzlich nicht nur die Anwendbarkeit sondern auch die Gültigkeit derjenigen Rechtsnorm zu prüfen, die es in dem konkreten Rechtsstreit anwenden muss.

    Kommt das Gericht im Rahmen dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass die anzuwendende Norm mit höherrangigem Recht (Verfassungsrecht) nicht vereinbar ist, kann es diese Norm zur Überprüfung einem übergeordneten Gericht  vorlegen.

    An die Vorlage einer solchen Norm sind in der Praxis allerdings sehr hohe Anforderungen gestellt. Insbesondere das Begründungserfordernis der §§ 23 I 2 1. HS, 80 II 1 BVerfGG muss dabei eingehalten werden.

    Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss insofern nur, wenn die Ausführungen des vorlegenden Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat.

    In der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte dieses über eine Vorlage des Bundessozialgerichts zu entscheiden, welche die Frage zum Gegenstand hatte, ob § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), der Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ausnahmslos von der Gewährung von Elterngeld ausschließt, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

    Sachverhalt: Die Klägerin in dem Ausgangsverfahren war 1992 im Alter von vier Jahren mit ihren Eltern aus Jugoslawien nach Deutschland eingereist und lebte seitdem ununterbrochen hier.

    Im Juli 2008 erhielt sie erstmals eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt wurde.

    Die Aufenthaltserlaubnis war bis zum 31. Dezember 2009 befristet (§ 104a Abs. 5 AufenthG) und berechtigte zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (§ 104a Abs. 4 Satz 2 AufenthG).

    Seit Januar 2010 besaß die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG. Im November 2008 brachte die ledige Klägerin ihre Tochter zur Welt.

    Für diese Tochter hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens erfolglos Elterngeld für das erste Lebensjahr ihrer Tochter beantragt.

    Die zuständige Behörde wies den Elterngeldantrag ab, weil die Antragstellerin als Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG vom Elterngeldbezug ausgeschlossen sei.

    Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, Klage und Berufung blieben ebenfalls erfolglos. Das Berufungsgericht ließ jedoch die Revision zu.

    Mit ihrer Revision zum Bundessozialgericht machte die Klägerin geltend, es sei verfassungsrechtlich zweifelhaft, langjährig in Deutschland lebende ausländische Staatsangehörige, bei denen absehbar sei, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht mehr ergriffen werden könnten, von Leistungen der Familienhilfe auszuschließen.

    Spätestens mit Einführung des Aufenthaltsgesetzes sei, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, absehbar gewesen, dass sie nicht mehr verpflichtet werden könne, die Bundesrepublik zu verlassen.

    Mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 setzte das angerufene Bundessozialgericht das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe d BEEG zur Entscheidung vor.

    Das Gericht sei von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift, auf die es für die Entscheidung ankomme, überzeugt.

    Bundesverfassungsgericht: Das Bundesverfassungsgericht erkannte die Vorlage als unzulässig an, da das Bundessozialgericht die Vorlage nicht gem. §§ 23 I 2 1. HS, 80 II 1 BVerfGG ordnungsgemäß begründet hatte.

    Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bejahe das Bundessozialgericht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ohne sich hinreichend mit der nach seinen eigenen Prämissen maßgeblichen fachrechtlichen Ausgangslage auseinanderzusetzen.

    Das Bundessozialgericht halte die vorgelegte Regelung für verfassungswidrig, weil eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG keinen Rückschluss auf eine negative Bleibeprognose erlaube, sondern weil diese Art der Aufenthaltserlaubnis vielmehr so angelegt sei, dass den ausländischen Staatsangehörigen, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Bestimmung erteilt werde, durchaus die Möglichkeit eines dauernden Aufenthalts in Deutschland eröffne.

    Allerdings lege das Bundessozialgericht nicht hinreichend dar, woraus es diese Interpretation von § 104a AufenthG ableite. Auch lege es nicht dar, dass die Betroffenen aus tatsächlichen Gründen voraussichtlich dauerhaft in Deutschland bleiben werden.

    Zur tatsächlichen Aufenthaltsperspektive der von der vorgelegten Norm Betroffenen habe sich das Bundessozialgericht nicht geäußert.

    Zwar habe es die „praktische Handhabung“ des § 104a AufenthG angesprochen, es habe jedoch im Dunkeln gelassen, was es damit meine und welche Schlüsse sich daraus seiner Ansicht nach für die Aufenthaltsperspektive der Betroffenen ziehen ließen.

    Auch habe es nicht ausgeführt, dass den Betreffenden in tatsächlicher Hinsicht eine aus anderen Gründen dauerhafte Bleibeperspektive erwachse.

    Vielmehr habe es die Annahme einer dauerhaften Bleibeperspektive allein mit der rechtlichen Ausgestaltung des Aufenthaltsstatus begründet. Daran sei die Vorlage zu messen.

    Quelle: Bundesverfassungsgericht

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  4. Ausländerrecht: Örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde für Entscheidungen zur Befristung einer Abschiebung.

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    Bundesverwaltungsgericht, 22.03.2012, Az.: 1 C 5.11

    Abschiebungen von Ausländern haben gem. § 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG zur Folge, dass der Ausländer, zunächst nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf.

    Gem. § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG darf dem Ausländer auch kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
    Allerdings können die Wirkungen der Abschiebung gem. § 11 Abs. 1 S. 3 AufenthG auf Antrag befristet werden. Da der Antrag auf Befristung ordnungsgemäß begründet werden sollte, sollte ein Rechtsanwalt mit der Befristung beauftragt werden. Dies insbesondere deshalb weil die Entscheidung über die Frist und die Länge der Frist im Ermessen der Behörde liegt.

    Gem. § 11 Abs. 1 S. 4 ist die Frist durch die zuständige Ausländerbehörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.

    Ermessenskriterien der Behörde sind zum Beispiel die Länge einer Freiheitsstrafe, die zu einer Ausweisung geführt hat, die Bezahlung von Abschiebekosten oder ob der Antragsteller Ehefrau oder Kinder in Deutschland hat.

    Problematisch ist es jedoch, die zuständige Ausländerbehörde für die Befristung der Abschiebung festzustellen, da das Aufenthaltsgesetz in § 71 AufenthG nur die sachliche, nicht aber die örtliche Zuständigkeit regelt.

    Genau diese Problematik hatte die oben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenstand.

    Sachverhalt: Die 1934 geborene Klägerin war türkische Staatsangehörige. Sie reiste im Oktober 1984 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Im Rahmen des Asylverfahrens wurde sie im Januar 1985 der Stadt S. im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen) zugewiesen und nahm dort ihren Wohnsitz.

    Nach Ablehnung ihres Asylantrags wurde sie zur Ausreise aufgefordert, befolgte die Aufforderung jedoch nicht, wurde dann aber nach mehreren Duldungen 1988 auf Veranlassung des Landrats des beigeladenen Hochsauerlandkreises abgeschoben.

    Nach einer kurzen Wiedereinreise, während dessen die Klägerin einen Asylfolgeantrag gestellt hatte, wurde sie auf Betreiben des Landrats des Hochsauerlandkreises im Jahre 2005 erneut in die Türkei abgeschoben.

    Im Februar 2006 beantragte die Klägerin dann beim Landrat des Hochsauerlandkreises, die Wirkung ihrer Abschiebungen von 1988 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen.

    Als Begründung führte sie aus, dass sie an altersbedingten Krankheiten leide und darauf vertraue, die notwendige Lebenshilfe bei ihrem in Berlin lebenden Sohn erlangen zu können.

    Mit der Aufhebung der Sperrwirkung solle eine der Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass ein Visum zum Familiennachzug erwirkt werden könne.

    Der Landrat des Hochsauerlandkreises befristete die Wirkung der Abschiebungen mit Bescheid vom 3. April 2006 auf den 30. April 2010. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhobene Klage wurde im April 2008 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Landrat des Hochsauerlandkreises sei im Hinblick auf die begehrte Befristungsentscheidung nicht passiv legitimiert sei.

    Die Klägerin beantragte daraufhin im Dezember 2009 bei der Ausländerbehörde des beklagten Landes Berlin, die Wirkungen der Abschiebungen von 1998 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen.

    Dabei gab sie an, dass sie beabsichtige, nach der Befristungsentscheidung ein Visum für den Nachzug zu ihrem in Berlin lebenden Sohn zu beantragen.

    Die Ausländerbehörde des Beklagten teilte der Klägerin mit, dass sie sich für die Bescheidung des Befristungsbegehrens als nicht zuständig ansehe und den Antrag daher an die zuständige Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises abgegeben habe.

    Der Landrat des Hochsauerlandkreises wiederum setzte die Ausländerbehörde des Beklagten im Februar 2010 darüber in Kenntnis, dass nach seiner Auffassung nicht er, sondern der Beklagte für die Befristungsentscheidung zuständig sei, und erteilte zugleich sein Einvernehmen mit einer Entscheidung des Beklagten.

    Im März 2010 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben, mit der sie die Verpflichtung des beklagten Landes Berlin zur sofortigen Befristung der Wirkungen der Abschiebungen von 1988 und 2005 begehrte.

    Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2011 mit der Begründung ab, dass das beklagte Land Berlin nicht sachentscheidungsbefugt sei, weil die Annexkompetenz für die Befristungsentscheidung bei der Behörde liege, die die Abschiebung veranlasst habe.

    Gegen diese Entscheidung richtete sich die Klägerin mit der Revision zum Bundesverwaltungsgericht.

    Bundesverwaltungsgericht: Das Bundesverwaltungsgericht folgte der Ansicht des Verwaltungsgerichts zumindest im Ergebnis, dass das beklagte Land für die Befristungsentscheidungen nicht zuständig sei.

    Das Aufenthaltsgesetz treffe in § 71 AufenthG nur eine Regelung über die sachliche Zuständigkeit und nicht zur örtlichen Zuständigkeit. Damit bestünde für die nachträgliche Befristung der Wirkungen einer Ausweisung oder Abschiebung sowie deren nachträgliche Änderung auch nicht mehr die noch in § 15 Abs. 1 Satz 3 AuslG 1965 geregelte Annexkompetenz der Behörde, die den Ausländer ausgewiesen oder abgeschoben habe.

    Vielmehr berücksichtige das Aufenthaltsgesetz – wie zuvor schon das Ausländergesetz 1990 – mit Rücksicht auf die Kompetenz der Länder zur eigenverantwortlichen Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83 GG den Grundsatz, dass die Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden grundsätzlich Sache der Länder sei.

    Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ergäbe sich eine Annexkompetenz der den Bescheid erlassenden Ausgangsbehörde für nachträgliche Befristungsentscheidungen auch nicht aus einem angeblich dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu entnehmenden Grundsatz, demzufolge für nachträgliche Beschränkungen eines Verwaltungsaktes – wie etwa Rücknahme und Widerruf – grundsätzlich die Ausgangsbehörde zuständig bleibe.

    Dass im vorliegenden Fall die Ausländerbehörde der Beklagten für die begehrte Befristungsentscheidung nicht zuständig sei, ergäbe sich vielmehr aus folgenden Erwägungen.

    Die für das Befristungsbegehren zuständige Behörde sei in zwei Schritten zu bestimmen.

    In einem ersten Schritt sei festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitze. Diese Frage sei – wenn keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen – durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten.

    In einem zweiten Schritt sei auf der Grundlage des Landesrechts des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes zu ermitteln, welche Behörde innerhalb des Landes örtlich zuständig sei.

    Aus der entsprechenden Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG des Bundes übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder ergäbe sich hier, dass die Ausländerbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens der Klägerin zuständig seien.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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