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Tag Archive: Rechtsanwalt Köln Kündigung

  1. Arbeitsrecht: Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und der Kündigungsschutz in Kleinbetrieben

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    Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist in § 1 KSchG geregelt. Eine Kündigung ist nach § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt und dementsprechend unwirksam, wenn die Kündigung des Arbeitnehmers nicht durch Gründe gerechtfertigt ist, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, bedingt ist.

    Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

    Damit der Kündigungsschutz des § 1 KSchG seine Wirkung entfalten kann, muss das Kündigungsschutzgesetz allerdings zunächst anwendbar sein.

    Der Geltungs- und Anwendungsbereich des KSchG folgt aus den §§ 1, 14 und 23 bis 25 KSchG.

    Danach wird ein Arbeitnehmer vor einer sozialwidrigen Kündigung geschützt, wenn

    –          das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hat und

    –          im Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt werden.

    –          besteht das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers bereits seit dem 31.12.2003, ist das Kündigungsschutzgesetz auch dann anwendbar, wenn im Betrieb ausschließlich der Auszubildenden mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt sind, die ebenfalls seit dem 31.12.2003 dem Betrieb angehören.

    Diese Regelung scheint auf den ersten Blick klar und deutlich die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes aufzuzeigen.

    welche Kündigungsgründe gibt es

    Feststellung der Mitarbeiteranzahl ist ordnungsgemäß vorzunehmen

    Problematisch ist allerdings schon die Feststellung, wie viele Mitarbeiter im Betrieb zur Zeit der Kündigung beschäftigt sind. Arbeitnehmer zählen insofern nämlich nicht nach dem Kopfprinzip, sondern nach ihrer wöchentlichen Stundenzahl.

    Das heisst, Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Stundenzahl bis

    –          einschließlich 20 Stunden werden mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt,

    –          bis einschließlich 20, aber nicht mehr als 30 Stunden, werden mit dem Faktor 0,75 berücksichtigt und

    –          mehr als 30 Stunden werden mit dem Faktor 1 berücksichtigt.

    Das folgende Schaubild soll dies noch einmal verdeutlichen:

    Mitarbeiterzahl_KSchG (2)

    Weitere Probleme hinsichtlich der Berechnung der Mitarbeiterzahl zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes können sich daraus ergeben, dass manche Beschäftigte des Betriebs bei der Berechnung gar nicht mitgezählt werden dürfen.

    So werden Auszubildende, Geschäftsführer oder etwa der Betriebsinhaber bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl nicht mitgezählt.

    Die Beweislast, ob die erforderliche Mitarbeiteranzahl erreicht ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abgestuft (siehe Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.06.2008, Az.: 2 AZR 264/07).

    Danach liegt die Darlegungs- und Beweislast zunächst beim Arbeitnehmer, der alle ihm bekannten Anhaltspunkte dafür vortragen müsse, dass kein Kleinbetrieb vorliegt. Danach muss sich der Arbeitgeber vollständig zur Anzahl der Beschäftigten erklären.

    Wenn auch nach der Beweiserhebung weiterhin unklar ist, ob die für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes erforderliche Anzahl der Beschäftigten erreicht ist, geht dieser Zweifel zu Lasten des Arbeitnehmers.

    Arbeitnehmer ist aber auch bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes geschützt

    Auch wenn das Kündigungsschutz nicht anwendbar ist, heisst das allerdings nicht, dass der Arbeitnehmer dem Verhalten des Arbeitgebers schutzlos ausgeliefert ist.

    Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (§ 242 BGB) vor einer sitten- oder treuwidrigen Kündigung geschützt.

    Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Im Rahmen einer solchen, einerseits die Grundrechte der Vertragsfreiheit (Kündigungsfreiheit) und andererseits die Rechte auf Achtung der Menschenwürde sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit konkretisierenden Generalklausel sind diese Rechte gegeneinander abzuwägen.

    Bei einer dahingehenden Prüfung ist allerdings zu beachten, dass Kleinbetriebe durch den Gesetzgeber bewusst von der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ausgenommen wurden.

    Auch eine mittelbare Ausdehnung des Schutzes vor sozialwidrigen Kündigungen über die Generalklauseln ist daher nicht möglich. Auch eine generelle Bindung des Kündigungsrechts an einen Sachgrund geht daher zu weit, da dies de facto die Anwendbarkeit des KSchG bedeuten würde.

    Der Schutz des Arbeitnehmers über die zivilrechtlichen Generalklauseln greift somit nur in Ausnahmefällen:

    –          Kündigung wegen strafbarer Handlung des Arbeitnehmers, obwohl der Arbeitgeber nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.1995, Az.: 2 AZR 587/94).

    –          Kündigung des Arbeitnehmers wegen dessen Homosexualität in der Probezeit (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.06.1994, Az.: 2 AZR 617/93)

    –          Kündigung eines Arbeitnehmers, der bereits 18 Jahre im Kleinbetrieb beschäftigt ist und Familie hat, obwohl 2 Kollegen wesentlich jünger und kürzer im Betrieb sind (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.02.2001, Az.: 2 AZR 15/00).

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Arbeitsrecht: Insbesondere die Formulierung des Arbeitsvertrages ist maßgeblich für den Arbeitgeberbegriff

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    Bundesarbeitsgericht, 27.09.2012, Az.: 2 AZR 838/11

    Das Arbeitsrecht ist die Summe der Rechtsregeln, die sich auf die in abhängiger Tätigkeit geleistete Arbeit beziehen.

    Das Arbeitsrecht betrachtet nur diejenigen Tätigen (Arbeitnehmer), die in einem abhängigen Rechtsverhältnis stehen und nach der Disposition der anderen Partei (Arbeitgeber) ihre Leistungen erbringen.

    Da es kein einheitliches Arbeitsgesetz gibt, bestimmen sich die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach vielen verschiedenen Gesetzen bzw. Rechtsnormen.

    Zu den von den staatlichen Gesetzgebungsorganen geschaffenen Normen kommen noch die Normen hinzu, die zwischen Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberverband und Gewerkschaft (sogenannte Tarifverträge) oder von den Unternehmern und den bei ihnen eingerichteten Betriebsräten (sogenannte Betriebsvereinbarungen) geschaffen worden sind.

    Auch betriebliche Übungen in den einzelnen Unternehmen können Auswirkungen auf die Beurteilung des Arbeitsverhältnisses haben.

    Der wichtigste Anhaltspunkt für die Rechtsverhältnisse des Arbeitsverhältnisses ist jedoch der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag.

    Folgende Grafik soll die Rechtsgrundlagen des Arbeitsrechts verdeutlichen:

    Rechtsquellen_Arbeitsrecht

    In dem oben genannten Urteil des Bundesarbeitsgerichts hatte sich dieses im Rahmen einer Kündigungsschutzklage eines Hausmeisters mit dem Arbeitgeberbegriff auseinanderzusetzen.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Parteien des Rechtsstreits waren der klagende Hausmeister sowie die Wohnungseigentümergemeinschaft als Beklagte zu 1.) und die Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums als Beklagte zu 2.)

    Vertreten durch eine Vorgängerin der Beklagten zu 2) schloss die Beklagte zu 1) mit dem Kläger im September 1993 einen Arbeitsvertrag als Hausmeister. Unter anderem war der Arbeitsvertrag wie folgt formuliert:

    ARBEITSVERTRAG

    zwischen

    der Wohnungseigentümergemeinschaft …, vertreten durch … als Verwalterin,

     – im folgenden Dienstberechtigte genannt

    und

    XXX

    – im folgenden Hausmeister genannt,

    wird folgender Arbeitsvertrag abgeschlossen:

    § 1 Vertragsdauer

    Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.09.1993. Es kann von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. …

    § 2 Aufgaben des Hausmeisters

    1. Der Hausmeister hat das gemeinschaftliche Eigentum der Dienstberechtigten zu betreuen, …

    § 7 Weisungsbefugnis

    1. Weisungsberechtigt gegenüber dem Hausmeister ist die Verwalterin.

    Die Weisungsbefugnis wird nach allgemeiner Zielsetzung der Aufgaben des Arbeitsvertrages und auf der Grundlage von Anweisungen der Verwalterin an den leitenden Hausmeister delegiert. Eigentümer und von der Dienstberechtigten gewählte Ausschüsse sind nicht weisungsberechtigt.

    2. Die Verwalterin ist berechtigt, den in § 2 dieses Vertrages festgelegten Aufgabenbereich zu ändern.

    § 8 Ergänzende Vorschriften

    Für das Verhältnis zwischen der Dienstberechtigten und dem Hausmeister gelten ergänzend die Vorschriften der §§ 611 bis 630 BGB, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist.“

    Am 30.04.2010 kündigte die Beklagte zu 2) das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger namens und im Auftrag der Beklagten zu 1) zum 31.10.2010.

    Kläger sieht nicht die WEG, sondern die Verwalterin als Arbeitgeberin

    Der Kläger war der Auffassung, dass entgegen der äußeren Vertragsform nicht die Beklagte zu 1), sondern die Beklagte zu 2) seine Arbeitgeberin gewesen sei.

    Somit sei nur diese berechtigt gewesen, die Arbeitsleistung zu verlangen.

    Sämtliche Weisungsbefugnisse seien bei ihr angesiedelt gewesen. Damit sei ihr die Ausübung der Arbeitgeberfunktion vollständig übertragen worden.

    Seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit habe der Beklagten zu 2) dazu gedient, eigene, durch den Verwaltervertrag begründete Pflichten gegenüber der Beklagten zu 1) zu erfüllen.

    Die Abspaltung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts dürfe zur Vermeidung eines Rechtsmissbrauchs nicht ohne Auswirkung auf die kündigungsschutzrechtliche Stellung bleiben.

    Die Kündigung der WEG habe das Arbeitsverhältnis somit nicht beendigt

    Sonst könnten Großunternehmen ohne Aufgabe der Arbeitgeberstellung eine Vielzahl kleiner, aus dem Anwendungsbereich des § 23 KSchG herausfallender Unternehmen gründen und sich – aufgrund rein formaler Anstellung der Arbeitnehmer bei den Kleinunternehmen – der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes entziehen.

    Insofern hatte der Kläger beantragt,
    1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) durch die schriftliche Kündigung vom 30. April 2010 nicht aufgelöst worden ist;

    2. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Oktober 2010 hinaus fortbesteht;

    3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihm ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.

    Das zunächst angerufene Arbeitsgericht und darauffolgend das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgte der Kläger die gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Anträge vor dem Bundesarbeitsgericht weiter.

    Urteil des Bundesarbeitsgerichts:

    Bundesarbeitsgericht folgt den Vorinstanzen und sieht Beklagte als nicht passivlegitimiert an

    Das BAG folgte ebenfalls der Ansicht der vorher angerufenen Gerichte und urteilte, dass die Klage unbegründet war.

    Die Beklagte zu 2.) sei weder für das Feststellungsbegehren noch für den Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses passivlegitimiert, da zwischen ihr und dem Kläger kein Arbeitsverhältnis bestanden habe.

    Ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) sei nicht durch vertragliche Vereinbarung begründet worden.

    Ein Arbeitsverhältnis sei die durch Arbeitsvertrag begründete zweiseitige Pflicht zum Austausch von Arbeit gegen Entgelt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber

    Arbeitnehmer sei, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sei.

    Arbeitgeber sei der andere Teil des Arbeitsverhältnisses, also derjenige, der die Dienstleistungen vom Arbeitnehmer kraft des Arbeitsvertrags fordern könne und damit die wirtschaftliche und organisatorische Dispositionsbefugnis über die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und den Nutzen aus ihr habe.

    Insoweit komme es auf den im Einzelfall erkennbaren Parteiwillen an.

    Das Unionsrecht gebiete bei dieser Beurteilung kein abweichendes Verständnis. Zwar sei für den durch die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) gewährten Schutz nicht unter allen Umständen eine vertragliche Beziehung der Arbeitnehmer zum Veräußerer erforderlich.

    Auch ein sog. nichtvertraglicher Arbeitgeber, an den die Arbeitnehmer ständig überstellt sind, könne als „Veräußerer“ im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG anzusehen sein.

    Vom Begriff des Veräußerers im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie zu unterscheiden sei aber der des Arbeitgebers, mit dem ein Arbeitsverhältnis begründet werde.

    Ob ein solches bestünde, sei nach nationalem Recht zu beurteilen.

    Arbeitgeberin sei die WEG und nicht die Verwalterin gewesen

    Unter Anwendung dieser Grundsätze sei zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) bzw. deren Vorgängerin kein Arbeitsverhältnis begründet worden. Arbeitgeberinnen waren nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem erkennbaren Parteiwillen nicht diese, sondern die Beklagte zu 1).

    Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. September 1993 sei zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) – vertreten durch die Vorgängerin der Beklagten zu 2) als Verwalterin – geschlossen worden.

    Die Beklagte zu 1) werde darin ausdrücklich als „Dienstberechtigte“ bezeichnet. Zwischen dieser und dem Kläger bestünde nach § 8 das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis. Die Verwalterin habe diesen „für die Dienstberechtigte“ unterzeichnet.

    Der Verwalterin sei die Ausübung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Arbeitgeberbefugnisse nicht aus eigenem Recht, sondern abgeleitet aus der Rechtsposition der Beklagten zu 1) eingeräumt worden.

    Soweit die Verwalterin nach § 7 Ziff. 1 und 2 des Arbeitsvertrags vom 1. September 1993 gegenüber dem Kläger weisungsbefugt und berechtigt gewesen sei, den in § 2 des Vertrags festgelegten Aufgabenbereich des Klägers zu ändern, stünden ihr diese Befugnisse nach der nicht zu beanstandenden Auslegung des Landesarbeitsgerichts lediglich als Vertreterin der Beklagten zu 1) zu.

    Insofern könne es kann dahinstehen, ob es sich bei den Regelungen im Arbeitsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, deren Auslegung durch das Landesarbeitsgericht im Revisionsverfahren einer umfassenden Überprüfung unterliege, oder ob atypische Willenserklärungen vorliegen, deren Auslegung revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletze, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoße oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen habe.

    Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht hielte auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.

    Zwar sei der Wortlaut der Bestimmungen in § 7 des Arbeitsvertrags im Hinblick darauf, aus welchem Recht die Verwalterin gegenüber dem Kläger weisungsberechtigt sein solle, nicht eindeutig.

    Aus der Systematik des Vertrags ergebe sich aber, dass diese das Direktionsrecht stellvertretend für die Wohnungseigentümergemeinschaft ausüben solle.

    So sei die Verwalterin sowohl zu Beginn als auch in der Unterschriftenzeile des Vertragstextes als Vertreterin der Beklagten zu 1) bezeichnet.

    Nach § 7 Ziff. 1 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags könne die Weisungsbefugnis zudem auf den leitenden Hausmeister weiter delegiert werden.

    Dies mache deutlich, dass der Vertrag nur die Weisungsberechtigung der Verwalterin regele, nicht aber vorsehe, dass diese oder ggf. der bevollmächtigte leitende Hausmeister die damit verbundenen Befugnisse kraft eigenen Rechts wahrnehmen sollen.

    Auch der Zweck des Arbeitsvertrags, wie er sowohl für die Parteien als auch für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Beklagten zu 1) erkennbar gewesen waren, spreche gegen eine Weisungsbefugnis der Verwalterin oder des leitenden Hausmeisters aus eigenem Recht.

    Der Arbeitsvertrag diene gem. seinem § 2 Nr. 1 der Betreuung des Gemeinschaftseigentums der Beklagten zu 1) durch den Kläger. Dazu bediene sich die Beklagte zu 1) sowohl bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses als auch bei seiner Durchführung der jeweiligen Verwalterin als ihrer Vertreterin.

    Der bestellte Verwalter sei das ausführende Organ einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

    Ihm obliege gem. § 20 Abs. 1 WEG die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 26 bis 28 des Gesetzes.

    Er könne zwar im Außenverhältnis sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft Verträge abschließen.

    Verwalterin habe den Arbeitsvertrag ausdrücklich im Namen und im Auftrag der WEG abgeschlossen

    Im Streitfall habe die frühere Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums der Beklagten zu 1) den Arbeitsvertrag mit dem Kläger aber ausdrücklich im Namen und damit als Vertreterin der Beklagten zu 1) geschlossen; ihre Vertretungsmacht als solche stünde zwischen den Parteien außer Streit.

    Auch seien Weisungsbefugnisse der Beklagten zu 1) gegenüber dem Kläger im Arbeitsvertrag nicht etwa ausgeschlossen gewesen.

    Die Beklagte zu 1) ließe sich vielmehr durch die bestellte Verwalterin vertreten. Nach § 7 Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags seien zwar die einzelnen „Eigentümer“ und die „von der Wohnungseigentümergemeinschaft gewählten Ausschüsse“ nicht weisungsberechtigt.

    Dieser Ausschluss betreffe aber nicht sie – die Beklagte zu 1) – selbst als Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

    Berechtigt, den Arbeitsvertrag zu kündigen, seien gem. § 1 Satz 2 des Vertrags nur die Vertragsparteien, also der Kläger und die Beklagte zu 1) gewesen.

    Dementsprechend habe die Beklagte zu 2) die Kündigung vom 30. April 2010 ausdrücklich namens und im Auftrag der Beklagten zu 1) erklärt.

    Die Beklagte zu 1) sei als Inhaberin des gemeinschaftlichen Eigentums selbst Nutznießerin des Anspruchs auf die Arbeitsleistung des Klägers gewesen.

    Weder ergebe sich aus dem Wohnungseigentumsgesetz noch seien sonst Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 2) als Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums der Beklagten zu 1) die Hausmeisteraufgaben mit eigenen Mitarbeitern hätte durchführen lassen müssen.

    Die Vertragsgestaltung führe entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einer rechtsmissbräuchlichen Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes.

    Die Beklagte zu 2) habe sich deshalb nicht aus diesem Grund als Arbeitgeberin behandeln lassen müssen.

    Der Arbeitsvertrag sei nicht nur formal mit der Beklagten zu 1) geschlossen worden. Die Wohnungseigentümergemeinschaft bliebe vielmehr Inhaberin der Arbeitgeberrechte, die die Verwalterin lediglich in ihrem Namen auszuüben hatte, und war wirtschaftliche Nutznießerin der Arbeitsleistung des Klägers.

    Die Zwischenschaltung einer Verwalterin zur Ausübung der Arbeitgeberrechte in ihrer Vertretung verfolge erkennbar den Zweck, die Handlungsfähigkeit der Beklagten zu 1) als Arbeitgeberin sicherzustellen bzw. zu erleichtern.

    Der Ausschluss der einzelnen Eigentümer und der Ausschüsse von der Wahrnehmung der Weisungsbefugnisse diene der Vermeidung von Interessenkonflikten.

    Würden auf Arbeitgeberseite theoretisch mehrere Personen als Vertragspartner in Betracht kommen, erfordere auch nicht etwa eine verfassungskonforme Auslegung von §§ 1, 23 Abs. 1 KSchG oder allgemeine Rechtsgrundsätze, das Arbeitsverhältnis als mit demjenigen begründet anzusehen sei, der die größere Anzahl von Arbeitnehmern beschäftige.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

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  3. Arbeitsrecht: Für verhaltensbedingte Kündigungen kann unter bestimmten Bedingungen eine vorhergehende Abmahnung erforderlich sein

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    Landesarbeitsgericht Mainz, 18.08.2011, Az.: 2 Sa 232/11

    Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist im Vorfeld einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber notwendig.

    Dies gilt sowohl für Kündigungen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist als auch für fristlose Kündigungen.

    Sinn solcher Abmahnungen ist es, dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu geben, sein Verhalten zu erkennen und zu ändern.

    Dieser soll sich somit in Zukunft entsprechend seines Arbeitsvertrages vertragstreu verhalten und verstehen, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, falls noch einmal eine Pflichtverletzung durch ihn begangen wird.

    Eine Abmahnung kann somit insbesondere in folgenden Fällen notwendig sein:

        • alkoholbedingtes Fehlverhalten
        • keine oder verspätete Krankmeldung
        • eigenmächtiger Urlaubsantritt bzw. unentschuldigtes Fernbleiben
        • allgemeine Schlechtleistung des Arbeitnehmers

    Eine Abmahnung vor einer fristlosen Kündigung muss in den folgenden Fällen meistens nicht vorliegen:

        • Diebstahl oder Betrug durch den Arbeitnehmer
        • Tätlichkeiten
        • sexuelle Belästigung

    welche Kündigungsgründe gibt es

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    In dem oben genannten Fall griff der Arbeitnehmer erfolgreich eine gegen ihn erfolgte fristlose Kündigung wegen fehlender Abmahnung an. Die fristlose Kündigung war erfolgt, weil der Arbeitnehmer den Marktleiter des Arbeitgebers mehrfach beleidigt hatte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Arbeitnehmer schreit seinen Vorgesetzten an und beleidigt diesen

    Der im Jahre 1975 geborene ledige Kläger war bei der Beklagten seit dem Jahre 1992 als Einzelhandelskaufmann beschäftigt.

    Am Freitag, den 27.08.2010 begab sich der Kläger gegen 10:30 Uhr zu einem Arzt und kehrte gegen 11:50 Uhr in den Betrieb zurück. Er suchte den Marktleiter auf, dieser war gerade mit einer Warenannahme beschäftigt.

    Er berichtete diesem, dass er krankgeschrieben sei und am Donnerstag einen neuen Arzttermin habe. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte er im Warenannahmebüro ab.

    Kurz darauf kam der Marktleiter in dieses Büro, fand die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor und ließ den Kläger über die Lautsprecheranlage ausrufen. Der Kläger, der sich noch im Betrieb befand, meldete sich von einem internen Apparat in der Nähe des Aufenthaltsraumes.

    Bei dem Telefonat fragte der Marktleiter den Kläger nach dessen Krankmeldung und wie es nun weiterginge, wobei der weitere genaue Inhalt des Telefonats streitig ist.

    Zuletzt schrie der Kläger den Marktleiter mit den Worten an: „Wenn Sie schlechte Laune haben, dann wichsen Sie mich nicht von der Seite an.“

    Er legte den Hörer auf und sagte anschließend im Beisein von Mitarbeiterinnen der Beklagten sowie einer Servicekraft der Firma T. einen Satz, der wiederum mit dem Begriff „Wichser“ begann.

    Im Anschluss verließ der Kläger den Markt.

    Der Vorgesetzte nimmt Kontakt zum Betriebsrat wegen der beabsichtigten Kündigung auf

    Drei Tage später übergab der Marktleiter dem Betriebsrat wegen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung den Anhörungsbogen betreffend die außerordentliche Kündigung des Klägers unter Angabe von dessen Sozialdaten, Art und Termin der Kündigung nebst Anlage mit schriftlicher Sachverhaltsschilderung.

    Auf dem Anhörungsbogen wurde von der Betriebsratsvorsitzenden Frau W. mit Datum vom 31.08.2010 erklärt, der Betriebsrat stimme der geplanten Kündigung zu.

    Mit Schreiben vom 01.09.2010, welches dem Kläger am 06.09.2010 zugegangen war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich.

    Der Kläger war der Ansicht, dass ein wichtiger Kündigungsgrund trotz seiner Äußerungen nicht vorliege. Er habe den Marktleiter in der Warenannahme die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehrfach hingehalten, sei von diesem jedoch völlig ignoriert worden, worauf er ihm mitgeteilt habe, dass er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Büro abgeben werde.

    Bei dem anschließenden Telefonat habe er sich durch eine Äußerung des Marktleiters, er solle sich schon einmal mit dem Betriebsrat bzw. dessen Vorsitzender auseinandersetzen und da komme noch etwas, mit einer Kündigungsdrohung konfrontiert gesehen.

    Arbeitnehmer entschuldigt seine Beleidigung durch eine Kündigungsandrohung seines Vorgesetzten

    Hierüber sei er so aufgeregt und erbost gewesen, dass er diese Äußerung gemacht habe. Nach dem Auflegen des Hörers sei er immer noch in hohem Maße erregt gewesen und habe nicht zu Dritten, sondern laut vor sich hingesagt, dass „dieser Wichser ihn wegen dem „Gelben“ kündigen wolle.“

    Insofern vertrat der Kläger die Auffassung, es handele sich um ein Augenblicksversagen, verursacht durch Provokation und Androhung der Kündigung.

    Das Vorliegen der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung bestritt der Kläger mit Nichtwissen.

    Die Beklagte wiederum war der Ansicht, dass der Marktleiter den Kläger in der Warenannahme nicht ignoriert, sondern keine Zeit gehabt habe, mit ihm ein Gespräch über seine Arbeitsunfähigkeit zu führen.

    In dem anschließenden Telefonat habe der Marktleiter in ruhigem, sachlichen Ton gefragt, wie es denn nun mit der Erkrankung weitergehe. Er habe dem Kläger angeboten, sich noch mal bei dem Betriebsrat über die korrekte Vorgehensweise bei einer Krankschreibung beraten und helfen zu lassen.

    Der Kläger habe ihn kaum zu Wort kommen lassen und mit den bereits dargestellten Worten angeschrien. Nach Auflegen des Hörers habe er zwei Pizzen, die er aus dem Markt genommen habe, auf den Boden geworfen und aus voller Brust gebrüllt: „Der Wichser, er hat sie doch nicht mehr alle“ und „Dann sollen die Arschlöcher mich doch rauswerfen.“

    Das zunächst angerufene Arbeitsgericht sah keinen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung

    Das Arbeitsgericht entsprach der Kündigungsschutzklage mit der Argumentation, dass ein wichtiger Grund hier nicht vorgelegen habe.

    Zwar handele es sich bei dem Verhalten des Klägers um eine grobe Pflichtverletzung, die außerordentliche Kündigung sei jedoch aufgrund der konkreten Umstände nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gerechtfertigt.

    Denn auch bei verhaltensbedingter Kündigung gelte das sog. Prognoseprinzip. Die Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setze somit regelmäßig eine Abmahnung voraus.

    Gegen die Entscheidung legte die Beklagte Berufung beim LAG Mainz ein.

    Urteil des Landesarbeitsgerichts Mainz:

    Auch das Landesarbeitsgericht sah keinen ausreichenden Grund für die Kündigung

    Das LAG Mainz folgte ebenfalls der Ansicht des Klägers und des Arbeitsgerichts.

    Das Arbeitsgericht habe die Unwirksamkeit der Kündigung auf zwei tragende Erwägungen gestützt, nämlich einmal die Erforderlichkeit einer vorherigen vergeblichen Abmahnung und zum zweiten, selbst wenn eine Abmahnung nicht notwendig gewesen wäre, auf eine Interessenabwägung, die nicht das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend erscheinen lasse.

    Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne eine Abmahnung im Einzelfall auch als milderes Mittel zur Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Vertrages notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ausreichen.

    Dies sei unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bewerten.

    Hierzu habe das Arbeitsgericht zutreffend auf die Ausnahmesituation hingewiesen.

    Vielmehr sei hier eine Abmahnung das Mittel der Wahl gewesen

    Der Kläger konnte und durfte insofern zu Recht die Äußerung des Marktleiters, er solle sich einmal vom Betriebsrat bei der Vorgehensweise einer Krankschreibung beraten lassen, als Kritik an seinem Verhalten ansehen.

    Dies gelte umso mehr, als für die Kammer absolut nicht nachvollziehbar sei, welches Fehlverhalten hier dem Kläger zu Last gelegt werden sollte.

    Der Kläger habe, nachdem er eine ärztliche Untersuchung vorgenommen hatte, sich sofort in den Betrieb begeben, seine Arbeitsunfähigkeit angezeigt (also berichtet, dass er arbeitsunfähig ist) und seine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen (in dem er eine Krankmeldung im Betrieb hinterlegte).

    Die vom Marktleiter in der mündlichen Verhandlung angesprochene Verpflichtung des Klägers zu einem Gespräch mit dem Marktleiter über den Stand der Krankheit sei nicht nachvollziehbar.

    Sie könne sich insbesondere auch nicht aus einem Aushang, welcher mit dem Betriebsrat verfasst sein sollte, ergeben.

    Die Pflichten eines Arbeitnehmers im Krankheitsfalle seien im Entgeltfortzahlungsgesetz abschließend geregelt.

    Auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Prüfung, ob eine etwa umzudeutende ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses möglich gewesen wäre, sei in ihrem Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

    Die ordentliche Kündigung sei schon deswegen rechtsunwirksam, weil sie gem. § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ausgesprochen werden konnte.

    Im Übrigen habe sich die Beklagte auch nicht hilfsweise auf eine ordentliche Kündigung berufen.

    Quelle: Landesarbeitsgericht Mainz

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  4. Arbeitsrecht: Arbeitnehmerhaftung bei fahrlässiger Zerstörung von Betriebsmitteln

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    Bundesarbeitsgericht, 28.10.2010, 8 AZR 418/09

    Auch im Arbeitsrecht sind die Grundsätze der Haftungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden. Da allerdings selbst dem sorgfältigsten Arbeitnehmer haftungsrelevante Fehler in der Ausübung seiner Arbeit unterlaufen können, hat die Rechtsprechung die Haftungsfolgen für Arbeitnehmer abgemildert.

    Dies ist auch aus deswegen notwendig, weil grundsätzlich der Arbeitgeber über die Arbeitsumgebung und die Arbeitsmittel des Arbeitnehmers bestimmt. Insofern kann der Arbeitnehmer nicht für sämtliche Fehler zur Haftung herangezogen werden.

    Um dieser Arbeitswirklichkeit gerecht zu werden, hat die Rechtsprechung daher ein dreistufiges Haftungsmodell entwickelt. Dieses Haftungsmodell legt die Haftungsfolgen für die leichte Fahrlässigkeit, die mittlere Fahrlässigkeit, die schwere Fahrlässigkeit und den Vorsatz des Arbeitnehmers fest.

    Leichte Fahrlässigkeit

    liegt vor, wenn der Arbeitnehmer geringfügig oder leicht entschuldbar pflichtwidrig handelt. Umfasst sind also solche Unachtsamkeiten, die jedem Arbeitnehmer unterlaufen können, wie zum Beispiel das Fallenlassen eines Diensthandys. Im Fall der leichten Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht.

    Mittlere Fahrlässigkeit

    ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Pflichtverletzung die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen hat, er also bei genügender Anstrengung damit rechnen mußte, dass sein pflichtwidriges Verhalten oder Unterlassen zu einem Schaden führen kann. Im Falle der mittleren Fahrlässigkeit wird die Haftung quotal zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber geteilt.

    Dabei sind verschiedene Faktoren einzubeziehen, wie z. B. das Vorhandensein von Verhaltens- und Sicherheitsvorschriften und die Beachtung dieser durch den Arbeitnehmer, eine lange unbescholtene Dienstzugehörigkeit des Arbeitnehmers oder die Höhe des eingetretenen Schadens im Verhältnis zum Verdienst des Arbeitnehmers.

    Grobe Fahrlässigkeit

    ist nach der Rechtsprechung immer dann gegeben, wenn eine besonders schwerwiegende und nicht entschuldbare Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer vorliegt, wenn der Arbeitnehmer also diejenigen Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen hat, die klar auf der Hand lagen. Als Beispiel kann hier das dienstliche Fahren oder Bedienen von Maschinen unter Alkoholeinfluss genannt werden. Bei der groben Fahrlässigkeit haftet grundsätzlich der Arbeitnehmer, allerdings werden auch hier wiederum die äußeren Umstände herangezogen.

    Vorsatz

    ist die Handlung des Arbeitnehmers mit Wissen und Wollen (dolus directus oder dolus eventualis). In diesen Fällen haftet der Arbeitnehmer voll.

    Arbeitnehmerhaftung

    In der oben genannten Entscheidung hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit der Haftung einer Reinigungskraft zu beschäftigen, die in einer Gemeinschaftspraxis für radiologische Diagnostik und Nuklearmedizin unerlaubt einen Schalter an einen Magnetresonanztomographen (MRT) betätigte und dabei einen hohen Schaden verursachte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Die Kläger betrieben als Fachärzte eine Gemeinschaftspraxis für radiologische Diagnostik und Nuklearmedizin. Ungefähr zwei Drittel des durchschnittlichen Umsatzes der Praxis wurden mit einem Magnetresonanztomographen (MRT) erwirtschaftet.

    Reinigungskraft betätigt Schalter am Tomographen und verusacht Schaden von knapp EUR 30.000

    Die Beklagte war als langjährige Reinigungskraft in der Praxis beschäftigt und bekam ein monatliches Bruttoentgelt i. H. v. 320,00 Euro. Die Beklagte besuchte ihre über den Praxisräumen der Kläger wohnende und mit ihr befreundete Arbeitskollegin. Nach dem Besuch nahm die Beklagte auf dem Weg zur Haustür in der Praxis der Kläger einen Alarmton wahr, welcher von dem Tomographen ausging.

    Die fest an der Wand montierte Steuereinheit des Tomographen besaß fünf Schaltknöpfe. Vier dieser Schaltknöpfe waren in blauer Farbe gehalten und mit „host standby“, „alarm silence“, „system off“ und „system on“ überschrieben. Oberhalb dieser im Quadrat angeordneten blauen Schaltknöpfe befand sich ein deutlich größerer roter Schaltknopf, der mit der weißen Aufschrift „magnet stop“ versehen war.

    Dieser rote Schalter war hinter einer durchsichtigen Plexiglasklappe, die vor der Betätigung des Schalters angehoben werden musste, angebracht. Um den Alarm auszuschalten, drückte die Beklagte statt des hierfür vorgesehenen blauen Knopfes „alarm silence“ den roten Schaltknopf „magnet stop“ und löste dadurch einen so genannten MRT-Quench aus.

    Das in dem Gerät als Kühlmittel eingesetzte Helium wurde somit in wenigen Sekunden ins Freie abgeleitet, was das elektromagnetische Feld des Gerätes zusammenbrechen lies.

    Die nach dieser Notabschaltung fällige Reparatur dauerte mehrere Tage und kostete netto 30.843,01 Euro.

    Pro Ausfalltag zahlt die Versicherung EUR 10.289,34 an die Praxis

    Unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts zahlte die Betriebsunterbrechungs-Schadensversicherung der Kläger für einen Ausfalltag Schadensersatz iHv. 10.289,34 Euro.

    Die Kläger vertraten die Auffassung, dass das Handeln der Beklagten, die nicht einmal im Rahmen ihrer Aufgaben mit der Reinigung des MRT beauftragt gewesen sei, grob fahrlässig gewesen sei. Obgleich das Handeln betrieblich veranlasst gewesen sei, scheide daher eine Haftungsprivilegierung aus.

    Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht geben nur geringen Schadensersatz statt

    Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht sahen entgegen der Ansicht der Kläger eine Haftungsprivilegierung als gegeben an und gaben der Klage nur in Höhe von sechs Bruttomonatsbezügen der Beklagten statt.

    Urteil des Bundesarbeitsgerichts:

    Die Revisionsinstanz erkennt ebenfalls eine Haftungsprivilegierung der Reinigungskraft an

    Das BAG bestätigte die Ansicht der Vorinstanzen. Das Handeln der Beklagten sei durch den Betrieb der Kläger veranlasst gewesen und geschah aufgrund des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien.

    Die besondere persönliche Bindung der Vertragspartner im Arbeitsverhältnis bewirke für beide Parteien des arbeitsvertraglichen Schuldverhältnisses, dass ihre Verpflichtung zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB) zu einer Vielzahl von Nebenleistungspflichten wie Unterlassungs- und Handlungspflichten führe.

    Allgemeine Sorgfalts-, Obhuts-, Fürsorge-, Aufklärungs- und Anzeigepflichten dienen dazu, die Erbringung der Hauptleistung vorzubereiten und zu fördern, die Leistungsmöglichkeit zu erhalten und den Leistungserfolg zu sichern.

    Reinigungskraft hat ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht verletzt

    Die Beklagte habe, als sie statt des Schaltknopfes „alarm silence“ fehlerhaft den Schaltknopf „magnet stop“ drückte, ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen, verletzt (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB).

    Dadurch, dass der bestimmungsgemäße Gebrauch des Diagnosegeräts für die Dauer der Reparatur aufgehoben wurde, seien die Kläger auch in ihrem absolut geschützten Rechtsgut des Eigentums durch die Handlung der Beklagten verletzt worden.

    Da die Beklagte schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig gehandelt habe und die fehlerhafte Bedienung unstreitig kausal für den entstandenen Schaden gewesen sei, seien die Kläger grundsätzlich als Mitgläubiger (neben der Versicherung) berechtigt, von der Beklagten Schadensersatz zu verlangen (§ 432 Abs. 1 Satz 1 BGB).

    Aufgrund der betrieblichen Veranlassung ihres Handelns kann die Reinigungskraft aber nicht für den gesamten Schaden haftbar gemacht werden

    Allerdings habe das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtsfehlerfrei erkannt, dass das Handeln der Beklagten betrieblich veranlasst gewesen war.

    Daher sei das betrieblich veranlasste Handeln der Beklagten nach den Grundsätzen über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung zu beurteilen, so dass die Beklagte nicht in voller Höhe des Schadens haftbar zu machen sei.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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