Rechtsanwalt Köln Pflegeversicherungsrecht Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Rechtsanwalt Köln Pflegeversicherungsrecht

  1. Sozialrecht: Die Hinweispflicht des Pflegeheimes in Bezug auf den Sozialhilfeantrag für ungedeckte Heimpflegekosten

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    Oberlandesgericht Düsseldorf, 29.10.2013, Az.: I-21 U 23/13, 21 U 23/13

    Der Tagespflegesatz in den meisten Alters- bzw. Pflegeheimen richtet sich nach dem notwendigen Pflegeaufwand, welcher für die zu pflegende Person durch das Pflegepersonal aufgewendet werden muss.

    Da in den meisten Fällen monatliche Kosten i. H. v. mehreren Tausend Euro anfallen können, sind die allermeisten Personen gezwungen, ihr gesamtes Vermögen und Einkommen einzusetzen, um die Pflegeheimkosten zu decken.

    Einen weiteren Teil übernimmt die Pflegeversicherung. Der Anteil der Pflegeversicherung richtet sich nach der Pflegestufe, welche der zu pflegenden Person zuerkannt wurde.

    Für die Pflegeheimkosten, welche nicht durch das Einkommen und/oder das Vermögen sowie die Pflegeversicherung gedeckt sind (ungedeckte Heimpflegekosten), kann die Gewährung von Sozialhilfe bei dem zuständigen Sozialhilfeträger beantragt werden.

    Um diese Leistungen zu erhalten, muss die Heimnotwendigkeit festgestellt worden sein. Zu beachten ist, dass der mögliche Sozialhilfebedarf sofort bei dem zuständigen Sozialhilfeträger gemeldet werden muss, da eine rückwirkende Bewilligung nicht möglich ist.

    Für die fristwahrende Antragstellung reicht in den allermeisten Fällen ein formloser Antrag. Anschließend sollte so schnell wie möglich der offizielle Antrag nachgereicht werden.

    Bei dem offiziellen Antrag müssen sämtliche Informationen zum Einkommen und zum Vermögen der zu pflegenden Person vollständig angegeben werden.

    Geschieht dies nicht, kann es zu Problemen mit der Sozialhilfegewährung kommen. In dem oben genannten Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf hatte dieses über einen Anspruch eines Pflegeheimes auf rückständige Heimpflegekosten zu entscheiden, welche mittelbar wegen ungenügender Angaben bei der Antragstellung aufgelaufen waren.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Die Parteien streiten um die Bezahlung von Wohn- und Pflegekosten

    Am 16.01.2009 hatten die Parteien einen Wohn- und Betreuungsvertrag abgeschlossen, welcher durch einen weiteren Vertrag vom 26.07.2010 ergänzt worden war. Gegenstand des Vertrages war die Anmietung eines Zimmers sowie die Betreuung der am 08.09.1977 geborenen Beklagten.

    Das durch die Beklagte zu entrichtende Entgelt betrug zunächst 78,03 € pro Tag, später 82,86 € pro Tag. Gemäß § 5 der Verträge war es jeweils am dritten Werktag eines Monats im Voraus zur Zahlung fällig.

    Betreuerin und Leiterin hatten gemeinsam einen Antrag auf Sozialhilfe fehlerhaft ausgefüllt

    Am 06.01.2009 – also noch vor Aufnahme der Beklagten – hatte die Betreuerin der Beklagten gemeinsam mit der Leiterin der Pflegeeinrichtung, einen Antrag auf Sozialhilfe ausgefüllt.

    Bei Angabe des Vermögens gaben die beiden als Bank-/Sparbuchguthaben einen Betrag in Höhe von 2.400,00 € an. Tatsächlich verfügte die Beklagte allerdings über ein Vermögen von rund 6.000,00 €.

    Sozialversicherung hatte Kostenübernahme wegen Vermögen der Beklagten abgelehnt

    Mit Bescheid vom 17.03.2010 wurde die Kostenübernahme durch den Sozialversicherungsträger abgelehnt, da die Beklagte aktuell vorhandenes Vermögen oberhalb der Schonvermögensgrenze besitze; dieses stünde nach Argumentation des Kostenträgers der für jeden Monat neu zu prüfenden sozialrechtlichen Bedürftigkeit auch dann entgegen, wenn es zur Deckung der für den in Rede stehenden gesamten Zeitraum nicht ausgereicht hätte, da ein fiktiver Verbrauch nicht in Betracht kommen würde.

    Die Beklagte leistete zunächst keine Zahlungen. Mit Schreiben vom 18.03.2010 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Wohn- und Pflegekosten in Höhe von insgesamt 33.586,28 € auf und kündigte an, künftig jeweils zum Monatsende eine Rechnung auszustellen. Daraufhin leistete die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 6.482,44 €.

    Bei Kündigung des Betreuungsvertrages war ein Zahlungsrückstand von EUR 89.152,21 aufgelaufen

    Unter dem 03.11.2011 erklärte die Klägerin die Kündigung des Betreuungsvertrages. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte mit einem Betrag in Höhe von 89.152,21 € im Zahlungsrückstand.

    Zwischen der Beklagten und dem Sozialversicherungsträger wurden zwei Rechtsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht geführt. Der erste Rechtsstreit betraf die Kostentragungspflicht des Sozialversicherungsträgers für die Heimunterbringung der Beklagten

    Gegenstand des zweiten Rechtsstreits war die Rechtsstellung der Beklagten als Mitglied einer Erbengemeinschaft, aufgrund welcher sie über 1/8 Miteigentumsanteil an einer Wohnimmobilie verfügt. Im April 2012 schloss der Sozialversicherungsträger mit der Beklagten zur Erledigung beider Rechtsstreite einen Vergleich, wonach der Sozialversicherungsträger darlehensweise die Heimkosten der Beklagten rückwirkend ab dem 01.04.2010 übernahm, wobei die Höhe des Darlehens auf den Verkehrswert des Erbteils der Beklagten an der Immobilie begrenzt wurde.

    Die Klägerin macht nunmehr die Zahlung der bis zum 31.03.2010 aufgelaufenen Rückstände in Höhe von 29.726,65 € geltend.

    Sie hat behauptet, die Versagung der Leistungsgewährung durch Sozialversicherungsträger sei auf die fehlende Mitwirkung der Betreuerin der Beklagten zurückzuführen. Die von dieser behauptete falsche Beratung bei der Ausfüllung des Antrags auf Sozialhilfe sei nicht erfolgt.

    Beklagte erklärte Aufrechnung wegen falscher Beratung durch das Heim

    Die Beklagte hat die Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch wegen falscher Beratung bei der Ausfüllung des Antrags auf Sozialhilfe erklärt. Dazu hat sie vorgetragen, die Heimleiterin habe ihr geraten, an dem Vermögen in Höhe von 6.482,44 € festzuhalten und die Forderungen der Klägerin erst zu bezahlen, wenn sie eine Rechnung erhalte.

    Das zunächst angerufene Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 29.726,65 € nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch erloschen sei, da eine vorvertragliche Pflichtverletzung nicht gegeben sei.

    Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten zum Oberlandesgericht Düsseldorf.

    Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf

    Das Oberlandesgericht Düsseldorf folgte der Ansicht der Beklagten nicht und urteilte, dass das Landgericht zu Recht festgestellt habe, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein restlicher Zahlungsanspruch in Höhe von 29.726,65 € zustünde, welcher nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch wegen Falschberatung erloschen sei.

    Gericht urteilt, dass das Pflegeheim seiner Beratungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei

    Bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag handele es sich um einen Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB. Im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Vertrages sei die Klägerin zwar verpflichtet gewesen, die Beklagte auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Kostenübernahme beim Sozialversicherungsträger zu beantragen.

    Diese Verpflichtung habe sie aber erfüllt und dabei – wie das Landgericht zu Recht festgestellt habe – zutreffend auf die Grenze des Schonvermögens und darauf hingewiesen, dass bei übersteigendem Vermögen eine Kostenübernahme nicht bewilligt werden würde.

    Das Heim habe keine unzureichenden Informationen gegeben

    Zu einer weitergehenden Beratung sei die Klägerin demgegenüber nicht verpflichtet gewesen. Eine haftungsbegründende Pflichtverletzung käme nur in Betracht, wenn sie der Beklagten bzw. ihrer Betreuerin unzutreffende Informationen erteilt hätte.

    Quelle: Oberlandesgericht Düsseldorf

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    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Sozialrecht: Zivilrechtliche und strafrechtliche Folgen des Abrechnungsbetruges eines Pflegedienstes

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    Amtsgericht Bensheim, 17.11.2004, 22 Js 13439/99 – 5 Ls VII

    Aufgrund der alternden Gesellschaft und der steigenden Arbeitsbelastung der jüngeren Gesellschaft haben ambulante Pflegedienste in unserer Gesellschaft eine wichtige Funktion übernommen.

    Demente, psychisch kranke oder behinderte Hilfebedürftige werden von den Pflegediensten in Ihren Wohnungen versorgt und unterstützt und es wird somit dafür Sorge getragen, dass die Hilfebedürftigen möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.

    Obwohl der Großteil der ambulanten Pflegdienste sehr gute Arbeit leistet, kann es vorkommen, dass sich einzelne Pflegedienste Vergütungen für nicht erbrachte Dienstleistungen bezahlen lassen oder einzelne Leistungen des Pflegedienstes durch nicht examiniertes Personal erbracht werden.

    Wenn derartiges Fehlverhalten des Pflegedienstes gegeben ist, können strafrechtliche und zivilrechtliche Folgen drohen. Zivilrechtlich kann ein Pflegedienst zur Rückerstattung der Vergütung und eventuell zur Zahlung von Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld verurteilt werden.

    Strafrechtlich stellt die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen bzw. die Erbringung dieser Leistungen durch nicht examiniertes Personal einen Betrug gem. § 263 StGB (Abrechnungsbetrug) dar.

    In dem oben genannten Fall des Amtsgericht Bensheim wurden vertragswidrig Leistungen der Behandlungspflege durch nicht examiniertes Personal des Pflegedienstes erbracht.

    Sachverhalt: Die Angeklagte war Eigentümerin eines ambulanten Pflegedienstes. In dem Pflegevertrag hatte sie sich dazu verpflichtet, die vertraglich zu erbringenden Leistungen der Behandlungspflege nur durch examiniertes Personal zu leisten.

    Dennoch rechnete die Angeklagte in 87 Fällen Leistungen ab, obwohl diese Leistungen durch nicht examiniertes Personal erbracht worden waren.

    Amtsgericht Bensheim: In dem Verhalten der Angeklagten sah das Amtsgericht Bensheim den Straftatbestand des gewerbsmäßigen Betruges gemäß der §§ 263 Abs. 1 und 3, 53 StGB als gegeben an.

    In der Vergütung des Pflegepersonals seien die höheren Lohnkosten für examiniertes Personal angegeben worden, außerdem seien die durch nicht examiniertes Personal erbrachten Leistungen sowieso nicht abrechnungsfähig gewesen.

    Aufgrund der Vielzahl der Fälle und wegen des eingetretenen Schadens erkannte das Amtsgericht Bensheim auf eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten. Strafmildernd berücksichtigte das Gericht, dass die Angeklagte umfassend geständig war.

    Quelle: Amtsgericht Bensheim

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  3. Sozialrecht: Zum Vergütungsanspruch eines ambulanten Pflegedienstes für vor dem Tode des Hilfebedürftigen erbrachte Leistungen

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    Sozialgericht Berlin, 24.09.2012, Az.: S 90 SO 1227/12

    In den meisten Fällen sind am Pflegesozialrechtsverhältnis mindestens drei Partner im Rahmen eines sogenannten Dreiecksverhältnisses beteiligt.

    Die Beteiligten sind die pflegeleistungsberechtigte Person, der Pflegesozialleistungsträger sowie das Pflegeheim bzw. der Pflegedienst.

    Aus diesem Dreiecksverhältnis können sich zum Teil sehr komplexe Rechtsprobleme gerade im Rahmen der Abrechnung der erbrachten Leistungen ergeben.

    In dem oben genannten Fall des Sozialgerichts Berlin hatte dieses darüber zu entscheiden, ob der beklagte Sozialhilfeträger dem klagenden ambulanten Pflegedienst Rechnungen für die ambulante Pflege einer hilfebedürftigen Person zu bezahlen hatte, nachdem die Hilfebedürftige verstorben war.

    Sachverhalt: Die Klägerin, ein ambulanter Pflegedienst, hatte mit einer hilfebedürftigen Frau einen Vertrag über die Erbringung häuslicher Pflegeleistungen abgeschlossen.

    Zur Finanzierung hatte die hilfebedürftige Frau bei dem beklagten Sozialhilfeträger Leistungen der Hilfe zur Pflege beantragt.

    Mit Schreiben vom 04.10.2007 hatte der beklagte Sozialhilfeträger daraufhin gegenüber der Klägerin eine „Kostengarantie“ ab dem 05.06.2007 erklärt.

    In diesem Schreiben führte der Beklagte konkret aus, in welchem Umfang die Hilfebedürftige gegen sie Anspruch auf Kostenübernahme für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft nach § 65 SGB XII habe.

    Die Klägerin könne die erbrachten Leistungen direkt ihr gegenüber abrechnen, soweit die Leistungserbringung dem Kostenübernahmeanspruch der Hilfeempfängerin entspreche und die Hilfeempfängerin einen Rechtsanspruch darauf habe.

    Mit Bescheid vom 04.10.2007 an die Hilfeempfängerin erklärte die Klägerin die Übernahme der angemessenen Kosten für die Inanspruchnahme besonderer Pflegekräfte gem. § 65 SGB XII im Umfang der der Klägerin erteilten Kostengarantie ab 05.06.2007 bis 31.10.2007.

    Gegen diesen Bescheid legte der Sohn der Hilfeempfängerin mit Schreiben vom 16.10.2007 Widerspruch ein.

    Noch vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens starb die Hilfeempfängerin.

    Nach dem Tode übersandte die Klägerin Rechnungen für die seit Juni 2007 erbrachten Leistungen an den Beklagten, welche nach dem Tod der Hilfebedürftigen ausgestellt waren.

    Die Begleichung dieser Rechnungen lehnte der Beklagte ab, da der Anspruch der Hilfeempfängerin hinsichtlich dieser nach dem Tode ausgestellten Rechnungen nicht auf die Klägerin übergegangen sei.

    Im Jahre 2011 reichte die Klägerin daraufhin Klage beim Sozialgericht ein.

    Sozialgericht Berlin: Das Sozialgericht Berlin wies die Klage ab. Ein Anspruch der Klägerin habe zwar bestanden, dieser sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung allerdings verjährt gewesen.

    Durch den Kostenübernahmebescheid gegenüber der Hilfeempfängerin vom 04.10.2007 sei der Beklagte dem zwischen der Klägerin und der Hilfeempfängerin geschlossenen Pflegevertrag auf Schuldnerseite beigetreten (Schuldbeitritt).

    Bei diesem Bescheid handele es sich entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine Rahmenbedingung, sondern bereits um einen Verwaltungsakt, der durch Abrechnung und Zahlung nur noch vollzogen werden müsse.

    Der damit bestehende Zahlungsanspruch der Klägerin sei allerdings bereits seit Ende 2010 verjährt gewesen.

    Die Verjährungsfrist von drei Jahren richte sich dabei nach § 195 BGB, da der Zahlungsanspruch eine zivilrechtliche Forderung sei.

    Quelle: Sozialgericht Berlin

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  4. Pflegeversicherungsrecht: Verklagte Pflegekasse muss der Versicherten einen Zuschuss für einen Treppenlift leisten.

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    Sozialgericht Berlin, 16.11.2012, Az.: S 209 P 713/12

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    Gem. § 40 Abs. 4 SGB XI können Pflegekassen den Versicherten finanzielle Zuschüsse gewähren, um Maßnahmen zu finanzieren, die bei einem Pflegebedürftigen das individuelle Wohnumfeld verbessern.

    Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist, dass durch die Maßnahme entweder die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert wird oder für den Pflegebedürftigen eine möglichst selbstständige Lebensführung wiederhergestellt werden kann.

    Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen können dabei entweder Umbaumaßnahmen oder technische Hilfen im Haushalt des pflegebedürftigen Versicherten sein.

    Gem. § 40 SGB XI sind die Zuschüsse durch die Pflegekasse allerdings derzeit bis zu einem Betrag von EUR 2.557 gedeckelt.

    In dem oben genannten Urteil des Sozialgerichts Berlin hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die beklagte Pflegekasse dazu verpflichtet war, der klagenden Versicherten einen Zuschuss für die Anschaffung und Installation eines Treppenlifters zu leisten.

    Sachverhalt: Die 1947 geborene Klägerin war bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Sie litt bei bestehendem Alkoholabusus unter den Folgen eines Hirninfarkts mit verbliebener kompletter Hemiparese links.

    Laut Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) war die Klägerin gehunfähig und damit für alle Transfers auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen.

    Aufgrund einer weiterhin bestehenden kompletten Harninkontinenz und einer inkompletten Stuhlinkontinenz erhielt die Klägerin seit Februar 2011 Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II.

    Nach dem Hirninfarkt im Dezember 2010 und einem anschließenden stationären Aufenthalt bezog die Klägerin am 24.02.2011 ein 16 qm großes Zimmer in einer betreuten Wohngemeinschaft in einem Mehrfamilienhaus. Dort bewohnte die Klägerin ein eigenes Zimmer im Hochparterre.

    Einen Fahrstuhl, Lift oder Aufzug gab es nicht.

    Am 26.05.2011 beantragte die Klägerin daher bei der Beklagten einen Zuschuss für den Einbau eines Treppenlifts für die 6 Treppenstufen, die sie auf dem Weg zu ihrer Wohnung zurücklegen musste.

    Mit Bescheid vom 31.10.2011 lehnte die Beklagte den beantragten Zuschuss ab und führte in den Gründen aus, dass Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in der Wohnung eines Pflegebedürftigen oder im Haushalt, in den er aufgenommen wurde, zwar generell möglich seien.

    Maßgeblich sei dabei jedoch immer, dass es sich um den auf Dauer angelegten unmittelbaren Lebensmittelpunkt handele. Bei Wohneinrichtungen, die vom Vermieter gewerbsmäßig nur an Pflegebedürftige vermietet werden, läge eine Wohnung bzw. ein Haushalt in diesem Sinne jedoch nicht vor, so dass ein Zuschuss nicht zu leisten sei.

    Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin zunächst Widerspruch und am 28.03.2012 schließlich Klage beim Sozialgericht Berlin ein.

    Sozialgericht Berlin: Das Sozialgericht Berlin sah die Klage zumindest insoweit als begründet an, als der angefochtene und streitgegenständliche Bescheid mit der Entscheidung, die von der Klägerin beantragte Übernahme von Kosten der Anschaffung und Installation eines Treppenlifters für die zum Hochparterre führende Treppe abzulehnen, aufzuheben war.

    Darüber hinaus sei die Klägerin nach Ansicht des Gerichts verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der Anschaffung und Installation des Treppenlifters unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

    Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin nach § 40 Absatz 4 Satz 1 SGB XI erfüllt.

    Insbesondere gehöre die Klägerin als Bewohnerin einer betreuten Wohngemeinschaft entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides und Widerspruchsbescheides auch zum berechtigten Personenkreis des § 40 Absatz 4 SGB XI.

    Darüber hinaus handele es sich bei der begehrten Maßnahme auch um eine das individuelle Wohnumfeld im Sinne von § 40 Absatz 4 SGB XI verbessernde Maßnahme, die nicht vorrangig durch andere Leistungsträger zu gewähren sei.

    Quelle: Sozialgericht Oldenburg

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