Rechtsanwalt Köln Sozialversicherungsrecht Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Rechtsanwalt Köln Sozialversicherungsrecht

  1. Sozialrecht: Zum Anspruch eines Lehrers auf Gleichstellung mit behinderten Menschen nach dem SGB IX

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    Hessisches Landessozialgericht, 16.07.2013, Az.: L 6 AL 116/12

    Menschen, die einen Behinderungsgrad von weniger als 50% aber von mindestens 30% haben, können gem. § 2 Abs. 3 SGB IX schwerbehinderten Menschen durch die Agentur für Arbeit gleichgestellt werden.

    Sinn und Zweck dieser Gleichstellung ist es, die behinderungsbedingten Nachteile dieser Menschen auszugleichen, welche diese bei der Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz haben.

    Gem. § 68 Abs. 2 S. 2 SGB IX hat der Bescheid der Agentur für Arbeit dabei konstitutive Wirkung, so dass der Status der Schwerbehinderung erst durch den Erlass des Bescheides begründet wird.

    Die behördliche Gleichstellung wirkt auf den Tag des Antragseingangs zurück kann befristet werden.

    In dem oben genannten Urteil des Hessischen Landessozialgerichts hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet ist, einen Lehrer mit einem Behinderungsgrad von 30% schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist, damit dieser den Status Beamter auf Lebenszeit bekommen kann.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Ein an Multipler Sklerose erkrankter Lehrer beantragte die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten

    Der 1976 geborene Kläger war an Multipler Sklerose erkrankt. Seit 2007 war er als Studienrat im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Probe bei einer Beruflichen Schule tätig.

    Durch Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales vom 04.02.2011 wurde bei dem Kläger ein Grad der Behinderung von 30 bei Berücksichtigung einer Multiplen Sklerose festgestellt.

    Seit dem Ende der bis zum Maximalzeitraum verlängerten Probezeit am 21. Oktober 2012 war er als Berufsschullehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt.

    In ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit wurde er nicht übernommen, weil eine vorzeitige Dienstunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden konnte.

    Am 14.02.2011 beantragte der Kläger daher die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen, da im Falle der Gleichstellung bereits bei einer prognostizierten Dienstfähigkeit von lediglich fünf Jahren der Status Beamter auf Lebenszeit erteilt werden kann.

    Bundesagentur für Arbeit lehnt den Gleichstellungsantrag ab

    Die für die Gleichstellung zuständige Bundesagentur für Arbeit lehnte den Antrag jedoch mit der Begründung ab, dass aufgrund des unbefristeten Angestelltenvertrages sein Arbeitsplatz nicht gefährdet sei.

    Gegen diese Entscheidung der Agentur für Arbeit richtete der Kläger zunächst das Widerspruchsverfahren und nach dem ergangenen negativen Widerspruchsbescheid eine Klage zum Sozialgericht Kassel.

    Das Sozialgericht Kassel folgte der Ansicht des Klägers, hob den Bescheid der Agentur für Arbeit auf und verpflichtet diese, den Kläger schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.

    Gegen diese Entscheidung legte die Agentur für Arbeit Berufung zum Landessozialgericht ein.

    Berufungsurteil des Hessischen Landessozialgerichts:

    Auch das Hessische Landessozialgericht folgte der Ansicht des Lehrers

    Nach Ansicht der Richter sei hinsichtlich des geeigneten Arbeitsplatzes auf die Tätigkeit als Lehrer im Beamtenverhältnis abzustellen.

    Ein diskriminierungsfreier Zustand sei nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch eine Tätigkeit – die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt werde – in irgendeiner Weise (nämlich im Angestelltenverhältnis) ausüben könne.

    Zudem verwiesen die Richter auf die hessischen Integrationsrichtlinien, nach denen bei der Einstellung behinderter Menschen großzügig zu verfahren sei.

    Insbesondere sei die körperliche Eignung anzunehmen, wenn von einer mindestens 5-jährigen Dienstfähigkeit ausgegangen werden könne.

    Quelle: Hessisches Landessozialgericht

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    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Sozialrecht: Zum Vergütungsanspruch eines ambulanten Pflegedienstes für vor dem Tode des Hilfebedürftigen erbrachte Leistungen

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    Sozialgericht Berlin, 24.09.2012, Az.: S 90 SO 1227/12

    In den meisten Fällen sind am Pflegesozialrechtsverhältnis mindestens drei Partner im Rahmen eines sogenannten Dreiecksverhältnisses beteiligt.

    Die Beteiligten sind die pflegeleistungsberechtigte Person, der Pflegesozialleistungsträger sowie das Pflegeheim bzw. der Pflegedienst.

    Aus diesem Dreiecksverhältnis können sich zum Teil sehr komplexe Rechtsprobleme gerade im Rahmen der Abrechnung der erbrachten Leistungen ergeben.

    In dem oben genannten Fall des Sozialgerichts Berlin hatte dieses darüber zu entscheiden, ob der beklagte Sozialhilfeträger dem klagenden ambulanten Pflegedienst Rechnungen für die ambulante Pflege einer hilfebedürftigen Person zu bezahlen hatte, nachdem die Hilfebedürftige verstorben war.

    Sachverhalt: Die Klägerin, ein ambulanter Pflegedienst, hatte mit einer hilfebedürftigen Frau einen Vertrag über die Erbringung häuslicher Pflegeleistungen abgeschlossen.

    Zur Finanzierung hatte die hilfebedürftige Frau bei dem beklagten Sozialhilfeträger Leistungen der Hilfe zur Pflege beantragt.

    Mit Schreiben vom 04.10.2007 hatte der beklagte Sozialhilfeträger daraufhin gegenüber der Klägerin eine „Kostengarantie“ ab dem 05.06.2007 erklärt.

    In diesem Schreiben führte der Beklagte konkret aus, in welchem Umfang die Hilfebedürftige gegen sie Anspruch auf Kostenübernahme für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft nach § 65 SGB XII habe.

    Die Klägerin könne die erbrachten Leistungen direkt ihr gegenüber abrechnen, soweit die Leistungserbringung dem Kostenübernahmeanspruch der Hilfeempfängerin entspreche und die Hilfeempfängerin einen Rechtsanspruch darauf habe.

    Mit Bescheid vom 04.10.2007 an die Hilfeempfängerin erklärte die Klägerin die Übernahme der angemessenen Kosten für die Inanspruchnahme besonderer Pflegekräfte gem. § 65 SGB XII im Umfang der der Klägerin erteilten Kostengarantie ab 05.06.2007 bis 31.10.2007.

    Gegen diesen Bescheid legte der Sohn der Hilfeempfängerin mit Schreiben vom 16.10.2007 Widerspruch ein.

    Noch vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens starb die Hilfeempfängerin.

    Nach dem Tode übersandte die Klägerin Rechnungen für die seit Juni 2007 erbrachten Leistungen an den Beklagten, welche nach dem Tod der Hilfebedürftigen ausgestellt waren.

    Die Begleichung dieser Rechnungen lehnte der Beklagte ab, da der Anspruch der Hilfeempfängerin hinsichtlich dieser nach dem Tode ausgestellten Rechnungen nicht auf die Klägerin übergegangen sei.

    Im Jahre 2011 reichte die Klägerin daraufhin Klage beim Sozialgericht ein.

    Sozialgericht Berlin: Das Sozialgericht Berlin wies die Klage ab. Ein Anspruch der Klägerin habe zwar bestanden, dieser sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung allerdings verjährt gewesen.

    Durch den Kostenübernahmebescheid gegenüber der Hilfeempfängerin vom 04.10.2007 sei der Beklagte dem zwischen der Klägerin und der Hilfeempfängerin geschlossenen Pflegevertrag auf Schuldnerseite beigetreten (Schuldbeitritt).

    Bei diesem Bescheid handele es sich entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine Rahmenbedingung, sondern bereits um einen Verwaltungsakt, der durch Abrechnung und Zahlung nur noch vollzogen werden müsse.

    Der damit bestehende Zahlungsanspruch der Klägerin sei allerdings bereits seit Ende 2010 verjährt gewesen.

    Die Verjährungsfrist von drei Jahren richte sich dabei nach § 195 BGB, da der Zahlungsanspruch eine zivilrechtliche Forderung sei.

    Quelle: Sozialgericht Berlin

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  3. Pflegeversicherungsrecht: Verklagte Pflegekasse muss der Versicherten einen Zuschuss für einen Treppenlift leisten.

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    Sozialgericht Berlin, 16.11.2012, Az.: S 209 P 713/12

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    Gem. § 40 Abs. 4 SGB XI können Pflegekassen den Versicherten finanzielle Zuschüsse gewähren, um Maßnahmen zu finanzieren, die bei einem Pflegebedürftigen das individuelle Wohnumfeld verbessern.

    Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist, dass durch die Maßnahme entweder die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert wird oder für den Pflegebedürftigen eine möglichst selbstständige Lebensführung wiederhergestellt werden kann.

    Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen können dabei entweder Umbaumaßnahmen oder technische Hilfen im Haushalt des pflegebedürftigen Versicherten sein.

    Gem. § 40 SGB XI sind die Zuschüsse durch die Pflegekasse allerdings derzeit bis zu einem Betrag von EUR 2.557 gedeckelt.

    In dem oben genannten Urteil des Sozialgerichts Berlin hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die beklagte Pflegekasse dazu verpflichtet war, der klagenden Versicherten einen Zuschuss für die Anschaffung und Installation eines Treppenlifters zu leisten.

    Sachverhalt: Die 1947 geborene Klägerin war bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Sie litt bei bestehendem Alkoholabusus unter den Folgen eines Hirninfarkts mit verbliebener kompletter Hemiparese links.

    Laut Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) war die Klägerin gehunfähig und damit für alle Transfers auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen.

    Aufgrund einer weiterhin bestehenden kompletten Harninkontinenz und einer inkompletten Stuhlinkontinenz erhielt die Klägerin seit Februar 2011 Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II.

    Nach dem Hirninfarkt im Dezember 2010 und einem anschließenden stationären Aufenthalt bezog die Klägerin am 24.02.2011 ein 16 qm großes Zimmer in einer betreuten Wohngemeinschaft in einem Mehrfamilienhaus. Dort bewohnte die Klägerin ein eigenes Zimmer im Hochparterre.

    Einen Fahrstuhl, Lift oder Aufzug gab es nicht.

    Am 26.05.2011 beantragte die Klägerin daher bei der Beklagten einen Zuschuss für den Einbau eines Treppenlifts für die 6 Treppenstufen, die sie auf dem Weg zu ihrer Wohnung zurücklegen musste.

    Mit Bescheid vom 31.10.2011 lehnte die Beklagte den beantragten Zuschuss ab und führte in den Gründen aus, dass Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in der Wohnung eines Pflegebedürftigen oder im Haushalt, in den er aufgenommen wurde, zwar generell möglich seien.

    Maßgeblich sei dabei jedoch immer, dass es sich um den auf Dauer angelegten unmittelbaren Lebensmittelpunkt handele. Bei Wohneinrichtungen, die vom Vermieter gewerbsmäßig nur an Pflegebedürftige vermietet werden, läge eine Wohnung bzw. ein Haushalt in diesem Sinne jedoch nicht vor, so dass ein Zuschuss nicht zu leisten sei.

    Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin zunächst Widerspruch und am 28.03.2012 schließlich Klage beim Sozialgericht Berlin ein.

    Sozialgericht Berlin: Das Sozialgericht Berlin sah die Klage zumindest insoweit als begründet an, als der angefochtene und streitgegenständliche Bescheid mit der Entscheidung, die von der Klägerin beantragte Übernahme von Kosten der Anschaffung und Installation eines Treppenlifters für die zum Hochparterre führende Treppe abzulehnen, aufzuheben war.

    Darüber hinaus sei die Klägerin nach Ansicht des Gerichts verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der Anschaffung und Installation des Treppenlifters unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

    Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin nach § 40 Absatz 4 Satz 1 SGB XI erfüllt.

    Insbesondere gehöre die Klägerin als Bewohnerin einer betreuten Wohngemeinschaft entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides und Widerspruchsbescheides auch zum berechtigten Personenkreis des § 40 Absatz 4 SGB XI.

    Darüber hinaus handele es sich bei der begehrten Maßnahme auch um eine das individuelle Wohnumfeld im Sinne von § 40 Absatz 4 SGB XI verbessernde Maßnahme, die nicht vorrangig durch andere Leistungsträger zu gewähren sei.

    Quelle: Sozialgericht Oldenburg

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  4. Krankenversicherungsrecht: Zur Übernahmeverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung hinsichtlich des Eigenanteils

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    Sozialgericht Oldenburg, 01.06.2011, Az.: S 61 KR 354/09

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    Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung müssen bei Inanspruchnahme von ärztlich verordneten Heilbehandlungen oftmals Zuzahlungen leisten, § 61 SGB V.

    Pro Familie beträgt die jährlich zugemutete Belastungsgrenze derzeit zwei Prozent des Familienbruttoeinkommens. Bei Versicherten, die wegen einer schwerwiegenden chronischen Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt die zugemutete Belastungsgrenze nur ein Prozent.

    Von den Zuzahlungen zu unterscheiden ist die Zahlung des Eigenanteils durch den Versicherten. Hintergrund dieses Eigenanteils ist die Tatsache, dass manche ärztlich verordnete Hilfsmittel Gebrauchsgegenstände sind, die auch gesunde Menschen benutzen. Für diesen Anteil des Hilfsmittels ist dann der Eigenanteil durch den Versicherten zu zahlen. Bei orthopädischen Schuhen sind beispielsweise die Schuhe ein Gebrauchsgegenstand, die orthopädische „Zurichtung“ jedoch das Hilfsmittel.

    In der oben genannten Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die beklagte Krankenkasse zur Übernahme des Eigenanteils des Klägers für sogenannte Orthesenschuhe verpflichtet war.

    Sachverhalt: Der am 28.08 2006 geborene und über seine Eltern bei der Beklagten versicherte Kläger war wegen einer Behinderung im Bereich der unteren Gliedmaßen auf Orthesenschuhe angewiesen.

    Aufgrund ärztlicher Verordnungen bewilligte die Beklagte die Übernahme der Kosten für jeweils ein Paar Orthesenschuhe nebst Zurüstung um 0,5 cm abzüglich eines dem Kläger obliegenden Eigenanteils in Höhe von jeweils 45,- EUR (insgesamt 90 EUR).

    Daraufhin wandte sich die Mutter des Klägers an die Beklagte und bat um Überprüfung, ob der Eigenanteil von jeweils 45,- EUR tatsächlich vom Versicherten zu zahlen sei. Sie verwies darauf, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung häufig Schuhe benötige.

    Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 17.06.2009 mit, dass auch nach erneuter Prüfung eine vollständige Kostenübernahme für die Versorgung mit Orthesenschuhen durch die Krankenkasse nicht in Betracht komme.

    Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 zurück. Zur Begründung verwies sie darauf, dass bei Hilfsmitteln, die in Verbindung mit einem Gebrauchsgegenstand verwendet werden, sich die Leistungspflicht der Krankenkasse auf das eigentliche Hilfsmittel beschränke.

    Den auf den Gebrauchsgegenstand entfallenen Kostenanteil habe der Versicherte selbst zu tragen. Nach der gemeinsamen Empfehlung der Spitzenverbände zu den Eigenanteils- bzw. Zuschussregelungen bei der Versorgung mit Hilfsmitteln sei bei orthopädischen Straßenschuhen für Kinder ein Eigenanteil von 45,- EUR in Abzug zu bringen.

    Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Klage beim Sozialgericht Oldenburg mit der Begründung ein, dass es sich bei seinem Fall um einen Rehabilitationsfall gemäß den Bestimmungen des SGB IX handele und die Beklagte somit zu Unrecht seinen Fall nur nach den Vorschriften des SGB V geprüft habe.

    Gegebenenfalls hätte die Beklagte den Vorgang gemäß § 14 SGB IX an den zuständigen Sozialhilfeträger weiterleiten müssen. Da sie dies nicht getan habe, müsse sie seinem Begehren im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf der Grundlage der Eingliederungshilfevorschriften entsprechen.

    Sozialgericht Oldenburg: Das Sozialgericht Oldenburg folgte der Ansicht der beklagten Krankenkasse und urteilte, dass die mit der Klage angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien.

    Als Anspruchsgrundlage für die Übernahme des Eigenanteils habe hier allein § 13 Abs. 3, 2. Alt. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Betracht kommen können.

    Nach dieser Vorschrift habe die Krankenkasse, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dadurch dem Versicherten Kosten für eine selbst beschaffte Leistung entstanden seien, die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig gewesen sei.

    Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, da die Ablehnung der Leistung in Höhe des Eigenanteils zu Recht erfolgt sei.

    Der Kläger habe zwar einen Primäranspruch auf Versorgung mit den Orthesenschuhen als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung auf Grundlage des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V, er müsse sich aber den allgemeinen Gebrauchsvorteil anrechnen lassen, da Schuhe auch von Gesunden erworben werden würden.

    Sobald ein Hilfsmittel einen Gebrauchsgegenstand darstelle, sei eine wirtschaftliche Trennung vorzunehmen und dem Versicherten ein entsprechender Eigenanteil an den Kosten der Versorgung aufzuerlegen (BSG, Urteil vom 28. September 1976, 3 RK 9/76).

    Dem doppelten Nutzungszweck – als Hilfsmittel einerseits und als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens andererseits – sei dadurch Rechnung zu tragen, dass der wirtschaftliche Wert als allgemeiner Gebrauchsgegenstand nicht von der Versichertengemeinschaft, sondern vom Versicherten selbst getragen werde.

    Der Versicherte solle nicht aufgrund seiner Behinderung von solchen Aufwendungen entlastet werden, die jedermann zur Bestreitung seines Lebensbedarfs aufbringen müsse.

    Er habe deshalb einen angemessenen Eigenanteil zu tragen, der dem Wert des durch das Hilfsmittel ersetzten allgemeinen Gebrauchsgegenstandes entspreche (SG Dresden, Urt. v. 28.07.2005 – S 18 KR 398/02).

    Dieser Leistungsausschluss trage dem Gedanken der Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Kausalität zwischen Funktionsverlust und Hilfsmittel Rechnung.

    Die Verbindung von Kleidungsstück und Hilfsmittel sei hier nur aus technischen Gründen notwendig.

    Die fehlende reale Trennbarkeit sei kein Hindernis, Orthesenschuhe als Hilfsmittel und als Bekleidungsstück wirtschaftlich zu unterscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 1976, 3 RK 9/76).

    Daher müsse der Kläger für die Kosten von Normalschuhen selber aufkommen. Dies gelte auch, wenn der Kläger infolge seines Gehfehlers häufiger Schuhe benötige, als ein Gesunder.

    Denn zu dem durch die Krankenversicherung nicht erfassten Lebensbereich gehörten auch etwaige Mehrausgaben für allgemeine Gebrauchsgüter, die infolge Krankheit oder Behinderung erforderlich würden. Solche Mehrausgaben seien, wenn sie nicht der Eigenverantwortung überlassen sind, allenfalls von anderen Leistungsträgern zu übernehmen. (BSG, Urteil vom 28. September 1976, 3 RK 9/76).

    Die Höhe des Eigenanteils hat sich dabei am üblichen Preis für Gebrauchsgegenstände in nicht speziell auf die Bedürfnisse Behinderter zugeschnittener Ausführung zu bemessen (SG Dresden, Urt. v. 28.07.2005 – S 18 KR 398/02).

    Wenn die Beklagte entsprechend der gemeinsamen Empfehlung der Spitzenverbände zu den Eigenanteils- bzw. Zuschussregelungen bei der Versorgung mit Hilfsmittel bei orthopädischen Straßenschuhen für Kinder einen Eigenanteil von 45,- EUR in Abzug bringe, dann sei dies nach Auffassung des Gerichtes angemessen und nicht zu beanstanden. Die Höhe entspreche – wie gerichtsbekannt sei – den Kosten von Kinderschuhen, sie liege eher am unteren Rand der üblichen Kosten.

    Ein Anspruch des Klägers auf vollständige Übernahme der ihm zur Verfügung gestellten orthopädischen Schuhe gegen die Beklagte ergäbe sich auch nicht aus § 14 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i. V. m. den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) oder des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II).

    Die Beklagte habe in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass sie der für die beantragte Leistung, nämlich die Versorgung mit orthopädischen Schuhen zuständige Rehabilitationsträger sei und deswegen auch keine Veranlassung bestanden habe, den Leistungsantrag an den Sozialhilfeträger weiterzuleiten.

    Bei einer teilweisen Ablehnung (hier durch Abzug des Eigenanteils) sei der Antrag auch nicht im Übrigen weiterzuleiten, wenn der Leistungsträger grundsätzlich zuständig sei. Vielmehr wäre es Sache des Klägers gewesen, sich wegen der Übernahme der Eigenanteilkosten an den zuständigen Sozialhilfeträger oder SGB II-Träger zu wenden.

    Quelle: Sozialgericht Oldenburg

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