Rechtsanwalt in Köln für Niederlassungserlaubnis Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Rechtsanwalt in Köln für Niederlassungserlaubnis

  1. Ausländerrecht: Beratungspflicht der Ausländerbehörde hinsichtlich Beantragung der Niederlassungserlaubnis

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    Verwaltungsgericht Stuttgart, 29.03.2012, Az.: 11 K 4541/11

    Während der Antragsstellungen von Aufenthaltserlaubnissen o.ä. steht man in ständigem Kontakt mit seiner zuständigen Ausländerbehörde. An diese werden Unterlagen und Dokumente geschickt, die diese letztlich verarbeitet. So verhält es sich auch mit Anträgen für eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Familienzusammenführung. Denn wer ein minderjähriges deutsches Kind in Deutschland hat, kann eine solche beanspruchen.

    Welche Arten von Aufenthaltstitel gibt es?

    Im vorliegenden Fall erstrebte der Antragsteller die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, da er (nach bereits rechtmäßigem Aufenthalt) nunmehr ein deutsches minderjähriges Kind besaß. Da der Ast. aber nicht die zeitlichen Voraussetzungen erfüllte, nach welcher er drei Jahre eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug besitzen musste, wurde der Antrag abgelehnt. Daraufhin beantragte der Ast. die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung. Nach erhobener Klage stimmte das Verwaltungsgericht Stuttgart diesem Antrag zu und verpflichtete sodann die Ausländerbehörde zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis, da diese eine solche Verweigerung nunmehr nicht mehr rechtfertigen konnte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Der 1971 geborene Kläger war bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger. Anfang 2006 gelangte er letztmals als Werkvertragsarbeitnehmer nach Deutschland. Die Beklagte erteilte ihm hierfür eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG, die verschiedentlich verlängert wurde.

    Ausländischer Arbeitnehmer bekommt deutsches Kind und Erhält Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG

    Am 12.04.2006 heiratete er eine in Stuttgart lebende kroatische Staatsangehörige und beantragte am 15.05.2006 die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug. Diese erhielt er auch am 21.06.2006 auf der Grundlage des § 30 AufenthG. Am 11.06.2007 wurde sie bis zum 10.06.2009 verlängert.

    Am 18.09.2008 brachte die Ehefrau des Klägers in Stuttgart ein gemeinsames Kind zur Welt, das gemäß § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Hierüber wurde die Beklagte im Rahmen eines Aufenthaltserlaubnisverlängerungsverfahrens im Mai 2009 unterrichtet. Am 19.05.2009 erhielt der Kläger eine bis zum 19.05.2011 gültige Aufenthaltserlaubnis, nunmehr nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG.

    Kläger beantragt nachfolgend die Niederlassungserlaubnis

    Am 12.07.2010 beantragte der Kläger die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Mit Schreiben vom 22.07.2010 teilte die Beklagte dem Kläger hierzu mit, die zeitlichen Voraussetzungen seien erst ab 14.02.2011 erfüllt. Es wurde geraten, den Antrag zurückzunehmen. Am 23.09.2010 meldete sich daraufhin der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers. Dieser verwies darauf, dass der Kläger mit seinem Kind deutscher Staatsangehörigkeit in familiärer Lebensgemeinschaft zusammenlebte und sich sein Begehren daher nach § 28 Abs. 2 AufenthG richtete. Die Voraussetzungen hierfür waren erfüllt.

    Mit Verfügung vom 17.03.2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab. Grund dafür war, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG nicht vollständig nachgewiesen wurden. Die „erleichterte“ Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG setzte voraus, dass der betreffende Ausländer zuvor drei Jahre lang ununterbrochen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG besessen hatte. Der Kläger aber besaß eine solche erst seit dem 19.05.2009. Die gesetzliche Frist war daher erst am 19.05.2012 erreicht. Auch konnte der gesicherte Lebensunterhalt des Klägers, der selbständig war und einen Gewerbebetrieb führte, nicht ausreichend belegt werden.

    Gegen die Ablehnung der Niederlassungserlaubnis argumentiert der Kläger, dass die Ausländerbehörde ihn nicht ausreichend aufgeklärt habe

    Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und begründete diese damit, dass seine Tochter bereits am 18.09.2008 geboren sei. Dass der Kläger seine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG erst am 19.05.2009 erhalten hatte, war nicht seine Schuld. Der entsprechende Rechtsanspruch hatte mit Geburt des Kindes bestanden. Auch eine ausreichende Lebensunterhaltssicherung konnte bald dargelegt werden.

    Im Widerspruchsverfahren fragte das Regierungspräsidium Stuttgart beim Kläger an, ob mit dem eingelegten Widerspruch auch ein Antrag auf rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 AufenthG ab dem Zeitpunkt der Geburt des deutschen Kindes gestellt wurde. Dies wäre dann durch die untere Ausländerbehörde zuständigkeitshalber zu prüfen.

    Kläger beantragt die rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S.1 Nr. 3 AufenthG

    Auf Grund dieses Hinweises des Regierungspräsidiums Stuttgart beantragte der Kläger am 11.04.2011, die ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Geburt des deutschen Kindes (18.09.2008) zu erteilen. Am 19.04.2011 informierte die Beklagte den Kläger, dass sie beabsichtigte, diesen Antrag abzulehnen, da er selbst nach der Geburt seiner Tochter nicht bei der Ausländerbehörde vorgesprochen und auch keine entsprechende Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG beantragt hatte. Erst später wurde die Ausländerbehörde darüber informiert, dass er in der Zwischenzeit Vater geworden war. Die rückwirkende Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels war nicht zulässig, da es an einem schutzwürdigen Interesse fehlte. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ein solches schutzwürdiges Interesse nur insoweit anerkannt, als ein Ausländer überhaupt keinen Titel besaß, der zu einer Aufenthaltsverfestigung hätte führen können. Der Kläger aber hatte im maßgeblichen Zeitpunkt einen Aufenthaltstitel gemäß § 30 AufenthG besessen. Eine rückwirkende Erteilung eines anderen, als des ursprünglichen Aufenthaltstitels, war daher weder notwendig noch gerechtfertigt. Um außerdem zu verhindern, dass in einem solchen Fall zwei unterschiedliche Aufenthaltstitel gleichzeitig in der Vergangenheit vorliegen, muss der ursprünglich erteilte Titel für den entsprechenden Zeitraum aufgehoben werden. Hierfür aber fehlte es einer Rechtsgrundlage. Daher kam in einer solchen Lebenssituation nur ein Zweckwechsel in Betracht, welcher nur für die Zukunft (und nicht die Vergangenheit) galt und voraussetzte, dass der ursprünglich erteilte Aufenthaltstitel ausgelaufen, auf ihn verzichtet wurde, oder anderweitig erledigt war. Außerdem fehlte es weiterhin an Nachweisen für einen gesicherten Lebensunterhalt.

    Daraufhin erhielt der Kläger die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG bis zum 18.05.2014 von der Beklagten verlängert.

    Während des Widerspruchsverfahrens legte der Kläger keine weiteren Unterlagen zu seiner Lebensunterhaltssicherung vor. Daraufhin wies das Regierungspräsidium Stuttgart am 22.11.2011 den Widerspruch des Klägers gegen die Verfügung der Beklagten zurück, da er u.a. die Voraussetzungen eines gesicherten Lebensunterhalts nicht nachweisen konnte. Darauf, ob die Dreijahresfrist nach § 28 Abs. 2 AufenthG erfüllt war, kam es deshalb nicht weiter an.

    Gegen die Ablehnung der Niederlassungserlaubnis reicht der Kläger Klage ein

    Am 22.12.2011 hatte der Kläger das Verwaltungsgericht angerufen und führte aus, dass er die zeitliche Voraussetzung des § 28 Abs. 2 AufenthG für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erfüllte. Demnach wurde nämlich gerade nicht verlangt, dass der Ausländer zuvor für drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sein musste. Die vorher besessene Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG stellte ebenfalls einen Aufenthaltstitel zum Familiennachzug dar und musste insoweit genügen. Im Übrigen werde insoweit auf das anhängige Verfahren auf rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG verwiesen. Der Kläger legte im laufenden gerichtlichen Verfahren den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2009 und betriebswirtschaftliche Auswertungen des Steuerberaters für die Jahre 2010 und 2011 vor.

    In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung teilte die Beklagte mit, dass die zeitlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG noch nicht erfüllt waren und der gesicherte Lebensunterhalt weiter überprüft werden musste.

    In der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2012 hatte der Kläger sein Klagebegehren um den Anspruch auf rückwirkende Erteilung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG erweitert, dieses Begehren nun aber auf einen Termin drei Jahre vor dem Tag der mündlichen Verhandlung fixiert.

    Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart:

    Kläger steht ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu

    Die Klage war insgesamt zulässig. Des Weiteren war das Begehren, das abgeschlossene Verfahren des Klägers auf erstmalige Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG wieder aufzugreifen und dem Kläger diese Aufenthaltserlaubnis nunmehr rückwirkend ab dem 28.03.2009 zu erteilen, auch begründet. Denn der Kläger hatte einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. §§ 48 und 49 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).

    Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Behörde – auch wenn die in § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG normierten Voraussetzungen nicht vorliegen – ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wiederaufgreifen und eine neue – der gerichtlichen Überprüfung zugängliche – Sachentscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Diese Möglichkeit des Wiederaufgreifens findet ihre Rechtsgrundlage in § 51 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. §§ 48 und 49 LVwVfG (BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 – 1 C 15/08 -, zit. n. <juris>; Urt. v. 7.09.1999 – 1 C 6.99 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 20 S. 16; Urt. v. 21.03.2000 – 9 C 41.99 -, BVerwGE 111, 77 <82>).

    Eine Durchbrechung der Rechtskraft erfordert hierbei zunächst eine Positiventscheidung der Behörde zum Wiederaufgreifen (Stufe 1), also etwa weil die Behörde sich im Wege ihres Wiederaufgreifensermessens nach § 51 Abs. 5 LVwVfG hierzu entscheidet. Erst wenn eine solche Positiventscheidung getroffen ist, wird der Weg für eine erneute Sachentscheidung eröffnet (Stufe 2).

    Auf dieser zweiten Stufe ist die Behörde nicht auf die in § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG und § 49 Abs. 1 LVwVfG normierten Möglichkeiten der Aufhebung des Verwaltungsakts ex tunc („von damals an“) oder ex nunc („ab jetzt“) beschränkt, sondern sie hat zu entscheiden, ob der Verwaltungsakt zurückgenommen, im Wege eines Zweitbescheids bestätigt, oder ob er geändert werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.09.1999 a.a.O.).

    Mit der Befugnis der Behörde, ein rechtskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, korrespondiert ein – gerichtlich einklagbarer (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) – Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.09.2007 – 2 BvR 1613/07 -, InfAuslR 2008, 94; BVerwG, Urteil vom 21.03.2000 a.a.O.).

    Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte ihr Ermessen über das Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. §§ 48 und 49 LVwVfG noch nicht abschließend ausgeübt. Sie hatte lediglich in einem Schreiben vom 19.04.2011 den Kläger darüber informiert, dass sie beabsichtigte, diesen Antrag abzulehnen. Jedoch hielten die Ausführungen der Beklagten, weshalb sie einem Wiederaufgreifen, d.h. einer Positiventscheidung auf der ersten Stufe der ihr obliegenden Ermessensentscheidung, gegenüber stand, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

    Die Annahme, dass das im Wege des Wiederaufgreifens geltend gemachte Begehren nicht zulässig war, weshalb bereits auf der ersten Stufe eine ablehnende Entscheidung erfolgte, war im vorliegenden Fall kein zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Die rückwirkende Erteilung der erstmaligen Aufenthaltserlaubnis des Klägers nach § 28 Abs. 1 AufenthG war hier ohne weiteres zulässig, vor allem lag ein schutzwürdiges Interesse vor. Die Annahme der Beklagten, das Bundesverwaltungsgericht hatte ein solches schutzwürdiges Interesse nur insoweit anerkannt, als ein Ausländer überhaupt keinen Titel besaß, der zu einer Aufenthaltsverfestigung hätte führen können, traf in keinster Weise zu. In der entsprechenden Entscheidung vom 09.06.2009 (-1 C 7/08 -, zit. n. <juris>) heißt es:

    Ausländer kann rückwirkendes Erteilen eines Aufenthaltstitels nur bei schutzwürdigem Interesse verlangen

    „Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung nur beanspruchen, wenn er ein schutzwürdiges Interesse hieran hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Aufenthaltstitel für einen späteren Zeitpunkt bereits erteilt worden ist oder nicht. In diesem Sinne hat der Senat ein schutzwürdiges Interesse angenommen, wenn es für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung erheblich sein kann, von welchem Zeitpunkt an der Ausländer den begehrten Aufenthaltstitel besitzt (Urteile vom 27. Januar 2009 – BVerwG 1 C 40.07 – DVBl 2009, 650 und vom 29. September 1998 – BVerwG 1 C 14.97 – Buchholz 402.240 § 24 AuslG 1990 Nr. 3 m.w.N.).“

    Im dort zu entscheidenden Fall hatte das Bundesverwaltungsgericht die (nachträgliche) rückwirkende Erteilung eines Aufenthaltstitels nur versagt, weil sich diese dort aufenthaltsrechtlich nicht mehr auswirken konnte, da der dortige Kläger ein Daueraufenthaltsrecht bereits erworben hatte. Im vorliegenden Fall aber begehrte der Kläger gerade die rückwirkende erstmalige Erteilung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG um anschließend ein Daueraufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 2 AufenthG zu erhalten. Da gerade die Beklagte den dreijährigen Besitz der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG vom Kläger verlangte, bevor ihm die Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG erteilt werden konnte, war das schutzwürdige Interesse des Klägers i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts offenkundig.

    Auch der zweite angeführte Punkt der Beklagten konnte die Weigerung, das Verfahren wiederaufzugreifen, nicht rechtfertigen. In diesem Punkt hatte die Beklagte ausgeführt, dass der ursprünglich erteilte Titel – hier also der nach § 30 AufenthG – mit Wirkung für den entsprechenden Zeitraum aufgehoben werden musste, damit in der Vergangenheit nicht zeitgleich zwei unterschiedliche Aufenthaltstitel vorliegen, wobei es aber an einer Rechtsgrundlage fehlte. Denn die Beklagte hatte in ihrem Schreiben vom 19.04.2011 selbst ausgeführt, dass im Falle eines solchen Zweckwechsels der zunächst erteilte Aufenthaltstitel ausgelaufen oder auf ihn verzichtet werden musste. Eine solche Erklärung ist in einem Antrag auf Zweckwechsel bzw. Titelwechsel aber stets konkludent enthalten. Auch beim Wechsel von einer noch gültigen Aufenthaltserlaubnis hin zu einer Niederlassungserlaubnis handhabte die Beklagte dies nicht anders.

    Da für ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 LVwVfG die Antragsfrist des § 51 Abs. 3 LVwVfG nicht gilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009, a.a.O.), stand aus Rechtsgründen einer positiven Ausübung des Wiederaufgreifensermessens nichts entgegen.

    Ausländerbehörde hatte gegen ihre Beratungspflicht verstoßen

    Die Beklagte entschied durch Wiederaufgreifen des Verfahrens auf erstmalige Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG rechtmäßig, da sie selbst gegen ein Gesetz verstoßen hatte, dessen „Korrektur“ hier nun geboten war. So hatte der Kläger nach der Geburt seiner Tochter im September 2009 nicht bei der Ausländerbehörde vorgesprochen und auch keine entsprechende Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG beantragt, jedoch unterlag die Beklagte auch in ausländerrechtlichen Verfahren den Vorschriften des LVwVfG. Nach dessen § 25 Abs. 1 soll die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Als Ausdruck der aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip folgenden Betreuungs- und Fürsorgepflicht des Staates setzt die Belehrungspflicht keine vorangehende Anfrage voraus, sie ist von der Behörde vielmehr von Amts wegen zu erfüllen (VGH Ba.-Wü., Beschl. v. 20.06.2006 – 1 S 1136/05 -, zit. n. <juris>; vgl. auch P. Stelkens/Kallerhoff in: Stelkens u.a. <Hg.>, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 25 Rn. 30, 34).

    In Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 09.06.2009, a.a.O.) bedeutet dies, eine Ausländerbehörde muss immer dann auf die Möglichkeit einer Antragstellung auf Erteilung einer rückwirkenden Aufenthaltserlaubnis hinweisen, wenn sie erkennt, dass a) die maßgeblichen Voraussetzungen schon in der Vergangenheit vorgelegen haben und b) mit Blick auf ein künftiges Daueraufenthaltsrecht für den Betroffenen eine günstige Wirkung möglich ist. Dies ist in Fällen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG ebenso der Fall wie dann, wenn ein zuvor geduldeter Ausländer nun die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erlangt. Schließlich gilt dies in Fällen, in denen ein Ausländer mit zuvor „unsicherem“ Aufenthaltsstatus (§ 16 AufenthG; Au-pair) einen höherwertigen Status erlangt, etwa durch Eheschließung. Inwieweit eine rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis dann tatsächlich geboten ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei sind sowohl der Zeitpunkt der Antragstellung als auch etwa der Nachweis der entsprechenden Voraussetzungen wie auch verfassungsrechtliche Grundentscheidungen (Art. 6 Ans. 1 GG) berücksichtigungsfähig.

    Kläger hatte ein schutzwürdiges Interesse an der Wiederaufgreifung

    Demzufolge hatte die Beklagte nicht nur die Pflicht, das Verfahren auf erstmalige Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG hier wiederaufzugreifen, sondern auch, wie vom Kläger beantragt, eine solche bereits ab dem 28.03.2009 auszusprechen. Denn das schutzwürdige Interesse des Klägers reichte bis zu dem Tage zurück, da ihm dies nunmehr die Erlangung der Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG ermöglicht. Die Beklagte konnte anhand der im Mai 2009 vorgelegten Unterlagen selbst erkennen, dass ein Anspruch nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG auf Grund des 2008 geborenes deutsches Kindes bestand. Dann hätte schon damals – rückwirkend -der Aufenthaltstitel des Klägers von § 30 AufenthG nach § 28 Abs. 1 AufenthG umgewandelt werden müssen. Diese Rechtsfolge konnte der Kläger nunmehr beanspruchen.

    Folglich ergab sich dann auch einen Anspruch auf die Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG des Klägers, wodurch auch dieser Teil der Klage begründet war. Die Einsicht in die vom Kläger und seiner Ehefrau vorgelegten Unterlagen ergaben zur richterlichen Überzeugung (§ 108 VwGO), dass – im Sinne der gebotenen Prognoseentscheidung – von einem gesicherten Lebensunterhalt ausgegangen werden konnte. Der Kläger war arbeitsam, fleißig, und sein Gewerbebetrieb erzielte seit der Gründung steigende Einnahmen. Zusätzlich stand der Familie das Erwerbseinkommen der Ehefrau bzw. in den entsprechenden Zeiträumen Erziehungsgeld zur Verfügung. Die Familie besaß außerdem Wohneigentum mit einer tragbaren Belastung.

    Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Urteil zur rückwirkenden Erteilung einer Niederlassungserlaubnis

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    Verwaltungsgericht Berlin, 01.09.2009, Az.: 21 K 92.09

    Die Einbürgerungsvoraussetzungen werden im Staatsangehörigkeitsgesetz geregelt. Gemäß § 9 StAG sind Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher  unter den Voraussetzungen des § 8 einzubürgern, wenn sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit verlieren oder aufgeben oder ein Grund für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach Maßgabe von § 12 vorliegt und  gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen, es sei denn, dass sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 4) und keinen Ausnahmegrund nach § 10 Abs. 6 erfüllen.

    Diese Regelung gilt auch, wenn die Einbürgerung bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tod des deutschen Ehegatten oder nach Rechtskraft des die Ehe auflösenden Urteils beantragt wird und dem Antragsteller die Sorge für die Person eines Kindes aus der Ehe zusteht, das bereits die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

    Nachstehendes Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin stellt klar, dass ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung nur beanspruchen kann, wenn er ein schutzwürdiges Interesse hieran hat. Die einem Ausländer zugesagte Niederlassungserlaubnis ist nämlich bereits die „höchste“ Stufe der Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz. Somit ist eine weitergehende, von der Dauer des Besitzes eines bestimmten Aufenthaltsrechts abhängige rechtliche Verfestigung seiner ausländerrechtlichen Stellung nicht (mehr) möglich. Dem entsprechend sei ein Rechtsschutzbedürfnis für die rückwirkende Erteilung des Aufenthaltstitels unter diesem Gesichtspunkt zu verneinen

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Kläger kam als Student nach Deutschland, wird dann straffällig

    Der 1970 geborene Kläger ist mazedonischer Staatsangehöriger und 1990 zu Studienzwecken ins Bundesgebiet eingereist. Im März  und April 1995 kam es jeweils zu einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz.  Im März 1997 schloss er mit einer deutschen Staatsangehörigen die Ehe, woraufhin er von der Ausländerbehörde der Stadt Frankfurt im Juni 1997 eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis erhielt, die das Landeseinwohneramt Berlin im März 1999 für drei Jahre verlängerte. 2001 kam es zur Scheidung der Ehe, wobei im Scheidungstermin angegeben wurde, das Paar habe sich im Mai 2000 endgültig getrennt. Dagegen hatten sie in einer Scheidungsfolgenvereinbarung aber erklärt, seit Mai 1999 räumlich getrennt zu leben. Nach Angaben der Ehefrau in einem späteren gerichtlichen Verfahren  habe man sich erst im Januar 2001 getrennt.

    Der Kläger beantragte am  25. März 2002 die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Dass der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis beantragt habe, wurde durch anwaltliches Schreiben vom 5. April 2002  erneut angegeben. Der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurde von der Ausländerbehörde im Juni 2002 abgelehnt, wogegen der Kläger Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stellte, welcher durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom August 2002 zurückgewiesen wurde.

    Kläger heiratet deutsche Staatsangehörige und erhält Aufenthaltserlaubnis

    Da der Kläger untertauchte, wurde er zur Festnahme ausgeschrieben und stellte erfolglos einen Petitionsantrag. Im Januar 2003 heiratete der Kläger erneut eine deutsche Staatsangehörige. Im Juni erhielt er eine auf ein Jahr befristete – später (zuletzt bis Juli 2010) verlängerte – Aufenthaltserlaubnis. Daraufhin wurde das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes in der Beschwerdeinstanz übereinstimmend für erledigt und der erstinstanzliche Beschluss für wirkungslos erklärt.

    Die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die vorherige Versagung der Aufenthaltserlaubnis scheiterte am fehlenden Feststellungsinteresse.

    Kläger beantragt ein paar Jahre später unbefristeten Aufenthaltstitel

    Am 20. Januar 2006 beantragte der Kläger, ihm rückwirkend zum 25. März 2002 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Zur Begründung führte er an,  er wohne kostenfrei in einer Eigentumswohnung seines Bruders.

    Der Antrag wurde durch das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten abgelehnt, da der Kläger keine Nachweise über die Eigentumswohnung seines Bruders (Grundbuchauszug, Wohngeldhöhe und sonstige Belastungen) sowie die Bescheinigung eines Steuerberaters über das Nettoeinkommen aus seiner selbständiger Tätigkeit als Dolmetscher und Gastwirt vorlegte. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2009, dem Kläger zugestellt am 26. Februar 2009, zurückgewiesen.

    Antrag auf Niederlassungserlaubnis wird wegen fehlender Lebensunterhaltssicherung abgelehnt

    Der Kläger erhob dagegen am 26. März 2009 Klage und trug zur Begründung vor, dass der rückwirkenden Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis  das Urteil über die Fortsetzungsfeststellungsklage als Prozessurteil nicht entgegenstehe und keine rechtskräftige Ablehnung des Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beinhalten würde. Da die Neufassung des §19 Ausländergesetzes auf laufende Verfahren anzuwenden und damit eine Ehebestandszeit von zwei Jahren ausreichend gewesen sei, hätte man die Aufenthaltserlaubnis verlängern müssen. Aus dem Scheidungsurteil und dem Sitzungsprotokoll ergebe sich, dass die Ehe mehr als zwei Jahre Bestand gehabt hätte. Der anderslautende Beschluss zu VG 6 F 32.02 sei in der Beschwerdeinstanz aufgehoben worden. Seine damalige Ehefrau solle als Zeugin aussagen, dass bis Mai 2002 eine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden habe. Die damalige Ablehnung sei daher zurückzunehmen. Zudem habe ein dringendes öffentliches Interesse an der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit als Übersetzer für die Justiz und andere Behörden bestanden. Sonst wäre auch längst Einbürgerung erfolgt. Der Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom 25. März 2002, müsse sich den Akten entnehmen lassen.

    Zudem sei es rechtswidrig Nachweise von Dritten, wie hier von seinem Bruder, zu verlangen, denn dies verstoße gegen den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Direkterhebung, wie schon der Berliner Datenschutzbeauftragten in seinem Jahresbericht 2007 (Ziff. 4.1.5) bemängelt habe.

    Nachweise über Wohnkosten und Darlehensraten seien zwar vorzulegen, dies aber nicht wenn gar keine Kosten entstünden, weil eine Eigentumswohnung unentgeltlich überlassen werde. Für Nachweise über die Bonität Dritter fehle es auch an der Rechtsgrundlage.

    Nachweise über seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit vorlegen zu müssen, sei ebenfalls rechtswidrig. Seit 2007 entspreche die von der Ausländerbehörde angeführte Verwaltungsvorschrift nicht mehr der Verwaltungspraxis. Nach Bericht des Berliner Datenschutzbeauftragten habe die Verwaltungspraxis lediglich darin bestanden, einen Steuerberater-Prüfbericht immer dann zu fordern, wenn auf andere Weise nicht verlässlich die gesetzlich geforderte positive Prognose habe abgegeben werden können. Die von der T- GmbH  erstellten betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA)  würden genügen, weil sie eine Beurteilung der Einkommensverhältnisse ermöglichen würden.

    Darüber hinausgehende Forderung nach einem Steuerberater-Prüfbericht sei unverhältnismäßig, da eine vom Finanzamt bestätigte Erklärung über die Einkünfte oder nach Vorlage eines Einkommensteuerbescheides ausreichend sei.

    Die Ermittlungspflicht der Ausländerbehörde wurde in unzulässiger Weise auf ihn abgewälzt, denn diese müsse selbst  „für ergänzende Hilfestellung sorgen“.

    Er trug vor, sein Lebensunterhalt sei immer gesichert gewesen. Zudem stelle die Andeutung des Vorsitzenden mit der Aufforderung nach § 87 b VwGO, die bislang vorgelegten Buchhaltungsunterlagen der T. GmbH seien wegen familiärer Verbundenheit des Klägers zu dieser Gesellschaft nicht glaubhaft, eine Diskriminierung und Ungleichbehandlung dar.

    Dies begründete er wie folgt:

    Die G. GmbH, deren Geschäftsführer er gewesen sei, habe nur von 2002 bis 2003 bestanden und vor  ihrer Auflösung habe diese die T. GmbH gegründet. Ihre Anteile seien auf die T. GmbH übertragen worden. Ohne weitere Hinweise könne nicht angenommen werden, dass die eingereichten Buchungsunterlagen unglaubhaft seien unabhängig davon welche Rolle der Bruder als Geschäftsführer spiele.

    Wegen Zweifeln am Rechtsschutzbedürfnis des Gerichts brachte der Kläger vor, es gehe ihm angesichts jahrelanger Zurücksetzungen durch die Ausländerbehörde um Genugtuung sowie erhoffte einbürgerungsrechtliche Vorteile.

    Kläger beantragt rückwirkende Niederlassungserlaubnis

    Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, dem Kläger aufgrund der nunmehr vorgelegten Unterlagen eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, die ab dem Zeitpunkt der Vorsprache des Klägers bei der Ausländerbehörde gültig sein werde und die Beteiligten daraufhin mit widerstreitenden Kostenanträgen den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, soweit es die Erteilung der Niederlassungserlaubnis ab dem jetzigen Zeitpunkt betrifft, beantragt der Kläger, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 5. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2009 zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis rückwirkend ab dem 25. März 2002, hilfsweise rückwirkend ab dem 20. Januar 2006 zu erteilen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Gegen den Kläger erging Anfang 2009 ein Strafbefehl wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers in dem eine Strafe von 30 Tagessätzen zu je 25 EUR festgesetzt wurde. Hintergrund war, dass in Betrieb des Klägers im November 2007 ein sich unerlaubt aufhaltender Ausländer angetroffen worden war. Aufgrund des Einspruchs des Klägers wurde in der Verhandlung vor dem Strafgericht das Verfahren wegen Geringfügigkeit gegen Zahlung einer Geldbuße von 1.000 EUR eingestellt.

    Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin:

    Klage ist bereits unzulässig, da der Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der rückwirkenden Niederlassungserlaubnis habe

    Das Verfahren sei insoweit erledigt, als die Beteiligten es in der Hauptsache wegen der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab dem jetzigen Zeitpunkt übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen sei die Klage unzulässig, denn der Kläger habe kein schutzwürdiges Interesse an der von ihm begehrten Verpflichtung des Beklagten zu einer rückwirkenden Erteilung der Niederlassungserlaubnis.

    Ein schutzwürdiges Interesse sei aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts notwendig wenn ein  Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen wolle.

    Dies liege vor, wenn es für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Klägers erheblich sein kann, von welchem Zeitpunkt an er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt. Das Bundesverwaltungsgericht habe dafür auf § 27 AuslG verwiesen.

    Eine Unterscheidung der unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung, nämlich nach der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (§24 AuslG) nach einem 5jährigen Besitz der Aufenthaltserlaubnis sowie Aufenthaltsberechtigung(§ 27 AuslG) nach einem 8jährigen Besitz der Aufenthaltserlaubnis oder 3jährigen Besitz der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, wie es das Aufenthaltsgesetz enthielt, sei zu Gunsten eines einheitlichen unbefristeten Aufenthaltstitels, der Niederlassungserlaubnis, aufgegeben worden.

    Damit sei die zugesagte Niederlassungserlaubnis bereits die „höchste“ Stufe des Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz. Eine weitergehende, von der Dauer des Besitzes eines bestimmten Aufenthaltsrechts abhängige rechtliche Verfestigung der ausländerrechtlichen Stellung sei nicht (mehr) möglich. Es fehle am entsprechenden Rechtsschutzbedürfnis. Verwiesen wurde dazu auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2009,  1 C 7.08.

    Rückwirkende Niederlassungserlaubnis sei für die Einbürgerung nicht notwendig

    Für eine Einbürgerung sei eine rückwirkende Erteilung der Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ebenfalls nicht erforderlich, denn weder die Vorschriften über die Ermessenseinbürgerung (§§ 8 und 9StAG) noch die Vorschriften über die Anspruchseinbürgerung (§§ 10 ff. StAG)  würden eine Mindestzeit des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis voraussetzen.

    Eine Ausnahme bilde § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG, dieser verlange ein – allerdings auch nur aktuell bestehendes – unbefristetes Aufenthaltsrecht und lasse es zudem ausreichen, dass der Einbürgerungsbewerber eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die, in den §§ 16, 17, 20, 22, 23 Abs. 1, §§ 23a, 24 und 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitze.

    Entgegen der Annahme des Klägers, bedürfe auch  Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 StAG keine Mindestzeit des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Die ermessensbindenden Verwaltungsvorschriften würden nur einen Inlandsaufenthalt von in der Regel drei Jahren (Nr. 9.1.2.1 VwV-StAG), der ausnahmsweise auch kürzer sein könne (Nr. 9.1.2.2 VwV-StAG) voraussetzen.

    Das schutzwürde Interesse werde auch nicht dadurch begründet, dass der Kläger die aufenthaltsrechtliche „Lücke“ zwischen Juni 2002, also dem Zeitpunkt des seinerzeitigen Ablehnungsbescheides der Ausländerbehörde und damit des Erlöschens der Aufenthaltserlaubnisfiktion und Juni 2003,  dem Zeitpunkt der erneuten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die neue Ehe des Klägers, füllen wollen würde, um den für eine Anspruchseinbürgerung grundsätzlich erforderlichen 8jährigen ununterbrochenen Aufenthalt belegen zu können.

    Die rückwirkende Erteilung sei dahingehend offensichtlich ausgeschlossen, denn bis zum 13. April 2005 habe der Kläger Ausweisungsgründe erfüllt, die der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 AuslG zwingend entgegengestanden haben.

    Im März 1995 sei es zur Verurteilung wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen und am 13. April 1995 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen gekommen. Tilgungsreife sei erst am 13. April 2005 eingetreten, da die Tilgungsfrist der zuletzt genannten Verurteilung zehn Jahre betragen habe (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BZRG).

    Daher komme es nicht darauf an, ob ein  Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom 25. März 2002  aktenkundig sei oder nicht. Es werde erstmalig mit am 8. April 2002 bei der Ausländerbehörde eingegangenem anwaltlichem Schreiben auf einen derartigen, nicht existenten Antrag Bezug genommen. Würde ein solcher Antrag vorliegen, sei dieser mit der „Neu“-Beantragung im Januar 2006 erledigt gewesen.

    In einem vor den Zivilgerichten geführten Verfahren wegen Amtshaftung sei, die Feststellung über einen Anspruch einer rückwirkende Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis höchstens als Vorfrage zu behandeln, aber nicht erforderlich.

    Auch das Rehabilitationsinteresse ist kein schutzwürdiges Interesse

    Die erwartete Genugtuung des Klägers stelle auch  kein schutzwürdiges Interesse dar. Für ein Rehabilitationsinteresse im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage, würde es schon an dem erforderlichen Fortbestehen von abträglichen Nachwirkungen diskriminierender Maßnahmen fehlen.

    Ein Anspruch auf eine rückwirkende Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis stehe dem Kläger nicht zu. Bis zum 13. April 2005 lagen oben genannte Erteilungshindernisse vor. Zusätzlich habe es zunächst an dem erforderlichen Nachweis der Sicherung des Lebensunterhaltes gefehlt, da das Nettoeinkommen der Eheleute nicht ausreichend gewesen sei.  Denn bis zum 31. Dezember 2006 sei der Kläger freiwilliges Mitglied einer Betriebskrankenkasse gewesen und habe monatlich 287,57 EUR an Beiträgen gezahlt.

    Zuzüglich der seinerzeitigen Regelleistung für die Eheleute von 622 EUR habe ein Unterhaltsbedarf (ohne Miete) von 909,57 EUR bestanden. Laut Einkommensteuerbescheides für 2005 habe das Bruttogesamteinkommen 19.996 EUR (9.648 EUR aus selbständiger Tätigkeit des Klägers, 5.078 EUR aus selbständiger Tätigkeit seiner Ehefrau und 5.270 EUR aus unselbständiger Tätigkeit seiner Ehefrau), umgerechnet also monatlich 1.666 EUR betragen. Damit liege abzüglich der Freibeträge von insgesamt 480 EUR (rund je 240 EUR für den Kläger und seine Ehefrau) sowie von Steuern und Sozialversicherung von rund 300 EUR  für 2005 lediglich ein berücksichtigungsfähiges monatliches Nettoeinkommen von 886 EUR vor.

    Das Bruttogesamteinkommen  im Jahr 2006 habe 13.762 EUR, umgerechnet monatlich rund 1.147 EUR betragen und nach Abzug der Freibeträge von insgesamt 440 EUR verbliebe für 2006 ein berücksichtigungsfähiges monatliches Nettoeinkommen von 707 EUR.

    Andere Unterlagen könnten die Sicherung des Lebensunterhaltes  ebenfalls nicht erbringen, denn die zuletzt vorgelegten BWAs – für die Monate Januar bis Mai 2007 – wiesen ein Nettoeinkommen von 5.156 EUR  für den Kläger und von 1.596 EUR für seine Frau aus, was ein  monatliches Nettoeinkommen der Eheleute von 1.350 EUR ergebe. Es verblieben nach Abzügen 790 EUR anrechnungsfähige Einkünfte, welche jedoch nicht ausreichen würden, um den Unterhaltsbedarf der Eheleute zu decken. Dieser betrage 624 EUR (bis Juni 2008) bzw. 632 EUR (ab Juli 2008), wobei noch die Versicherungsbeiträge von 131 EUR und die verbrauchsabhängigen Kosten der Wohnung (Strom, Wasser, Gas) hinzugerechnet werden müssten.

    Endlich seien die BWAs auch nicht aussagekräftig genug, denn bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit seien hinreichend aussagekräftige Unterlagen erforderlich, wobei maßgeblicher Nachweis der Einkommensteuerbescheid sei. Eine vorläufige Einnahme-Überschuss-Rechnung genüge nicht. Gleiches gelte für eine Betriebswirtschaftliche Auswertung. Derartige aussagekräftige Unterlagen seien erst mit Schriftsätzen vom 30. Juni 2009 und 30. Juli 2009 eingereicht worden.

    Daher könne eine Entscheidung über die ausländerrechtliche Wirkung der vom Kläger im November 2007 begangenen Straftat (Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers), die einen Ausweisungsgrund im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG darstelle, dahinstehen.

    Auch sei die Prüfung, ob der Kläger  keinen Anspruch auf befristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG gehabt habe, weil es nach den Ausführungen der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 30. August 2002 – VG 6 F 32.02 an einer ununterbrochenen zwei Jahre dauernden ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner damaligen Ehefrau gefehlt habe und eine Reduzierung des nach § 85 AufenthG eingeräumten Ermessens nicht ersichtlich sei, entbehrlich.

    Nach alledem sei die Klage abzuweisen.

    Quelle: Verwaltungsgericht Berlin

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  3. Ausländerrecht: Vorlagebeschluss zur Frage des Elterngeldes für geduldete Ausländer abgewiesen

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    Bundesverfassungsgericht, 04.12.2012, Az.: 1 BvL 4/12

    Im deutschen Recht gibt es drei Arten von Verfahren, durch welche die Gültigkeit einer Rechtsnorm (z. B. Gesetze oder Rechtsverordnungen) überprüft werden kann.

    1. Abstrakte Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht

    2. Konkrete Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht (sogenannte Richtervorlage)

    3. Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht

    Die konkrete Normenkontrolle (also die Richtervorlage) wird in bestimmten Fällen im Rahmen eines Rechtsstreites notwendig, wenn die Gültigkeit einer bestimmten Rechtsnorm für den Ausgang des Rechtsstreits von Bedeutung ist.

    Jedes angerufene Gericht hat nämlich grundsätzlich nicht nur die Anwendbarkeit sondern auch die Gültigkeit derjenigen Rechtsnorm zu prüfen, die es in dem konkreten Rechtsstreit anwenden muss.

    Kommt das Gericht im Rahmen dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass die anzuwendende Norm mit höherrangigem Recht (Verfassungsrecht) nicht vereinbar ist, kann es diese Norm zur Überprüfung einem übergeordneten Gericht  vorlegen.

    An die Vorlage einer solchen Norm sind in der Praxis allerdings sehr hohe Anforderungen gestellt. Insbesondere das Begründungserfordernis der §§ 23 I 2 1. HS, 80 II 1 BVerfGG muss dabei eingehalten werden.

    Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss insofern nur, wenn die Ausführungen des vorlegenden Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat.

    In der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte dieses über eine Vorlage des Bundessozialgerichts zu entscheiden, welche die Frage zum Gegenstand hatte, ob § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), der Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ausnahmslos von der Gewährung von Elterngeld ausschließt, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

    Sachverhalt: Die Klägerin in dem Ausgangsverfahren war 1992 im Alter von vier Jahren mit ihren Eltern aus Jugoslawien nach Deutschland eingereist und lebte seitdem ununterbrochen hier.

    Im Juli 2008 erhielt sie erstmals eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt wurde.

    Die Aufenthaltserlaubnis war bis zum 31. Dezember 2009 befristet (§ 104a Abs. 5 AufenthG) und berechtigte zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (§ 104a Abs. 4 Satz 2 AufenthG).

    Seit Januar 2010 besaß die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG. Im November 2008 brachte die ledige Klägerin ihre Tochter zur Welt.

    Für diese Tochter hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens erfolglos Elterngeld für das erste Lebensjahr ihrer Tochter beantragt.

    Die zuständige Behörde wies den Elterngeldantrag ab, weil die Antragstellerin als Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG vom Elterngeldbezug ausgeschlossen sei.

    Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, Klage und Berufung blieben ebenfalls erfolglos. Das Berufungsgericht ließ jedoch die Revision zu.

    Mit ihrer Revision zum Bundessozialgericht machte die Klägerin geltend, es sei verfassungsrechtlich zweifelhaft, langjährig in Deutschland lebende ausländische Staatsangehörige, bei denen absehbar sei, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht mehr ergriffen werden könnten, von Leistungen der Familienhilfe auszuschließen.

    Spätestens mit Einführung des Aufenthaltsgesetzes sei, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, absehbar gewesen, dass sie nicht mehr verpflichtet werden könne, die Bundesrepublik zu verlassen.

    Mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 setzte das angerufene Bundessozialgericht das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe d BEEG zur Entscheidung vor.

    Das Gericht sei von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift, auf die es für die Entscheidung ankomme, überzeugt.

    Bundesverfassungsgericht: Das Bundesverfassungsgericht erkannte die Vorlage als unzulässig an, da das Bundessozialgericht die Vorlage nicht gem. §§ 23 I 2 1. HS, 80 II 1 BVerfGG ordnungsgemäß begründet hatte.

    Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bejahe das Bundessozialgericht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ohne sich hinreichend mit der nach seinen eigenen Prämissen maßgeblichen fachrechtlichen Ausgangslage auseinanderzusetzen.

    Das Bundessozialgericht halte die vorgelegte Regelung für verfassungswidrig, weil eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG keinen Rückschluss auf eine negative Bleibeprognose erlaube, sondern weil diese Art der Aufenthaltserlaubnis vielmehr so angelegt sei, dass den ausländischen Staatsangehörigen, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Bestimmung erteilt werde, durchaus die Möglichkeit eines dauernden Aufenthalts in Deutschland eröffne.

    Allerdings lege das Bundessozialgericht nicht hinreichend dar, woraus es diese Interpretation von § 104a AufenthG ableite. Auch lege es nicht dar, dass die Betroffenen aus tatsächlichen Gründen voraussichtlich dauerhaft in Deutschland bleiben werden.

    Zur tatsächlichen Aufenthaltsperspektive der von der vorgelegten Norm Betroffenen habe sich das Bundessozialgericht nicht geäußert.

    Zwar habe es die „praktische Handhabung“ des § 104a AufenthG angesprochen, es habe jedoch im Dunkeln gelassen, was es damit meine und welche Schlüsse sich daraus seiner Ansicht nach für die Aufenthaltsperspektive der Betroffenen ziehen ließen.

    Auch habe es nicht ausgeführt, dass den Betreffenden in tatsächlicher Hinsicht eine aus anderen Gründen dauerhafte Bleibeperspektive erwachse.

    Vielmehr habe es die Annahme einer dauerhaften Bleibeperspektive allein mit der rechtlichen Ausgestaltung des Aufenthaltsstatus begründet. Daran sei die Vorlage zu messen.

    Quelle: Bundesverfassungsgericht

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  4. Ausländerrecht: Örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde für Entscheidungen zur Befristung einer Abschiebung.

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    Bundesverwaltungsgericht, 22.03.2012, Az.: 1 C 5.11

    Abschiebungen von Ausländern haben gem. § 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG zur Folge, dass der Ausländer, zunächst nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf.

    Gem. § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG darf dem Ausländer auch kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
    Allerdings können die Wirkungen der Abschiebung gem. § 11 Abs. 1 S. 3 AufenthG auf Antrag befristet werden. Da der Antrag auf Befristung ordnungsgemäß begründet werden sollte, sollte ein Rechtsanwalt mit der Befristung beauftragt werden. Dies insbesondere deshalb weil die Entscheidung über die Frist und die Länge der Frist im Ermessen der Behörde liegt.

    Gem. § 11 Abs. 1 S. 4 ist die Frist durch die zuständige Ausländerbehörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.

    Ermessenskriterien der Behörde sind zum Beispiel die Länge einer Freiheitsstrafe, die zu einer Ausweisung geführt hat, die Bezahlung von Abschiebekosten oder ob der Antragsteller Ehefrau oder Kinder in Deutschland hat.

    Problematisch ist es jedoch, die zuständige Ausländerbehörde für die Befristung der Abschiebung festzustellen, da das Aufenthaltsgesetz in § 71 AufenthG nur die sachliche, nicht aber die örtliche Zuständigkeit regelt.

    Genau diese Problematik hatte die oben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenstand.

    Sachverhalt: Die 1934 geborene Klägerin war türkische Staatsangehörige. Sie reiste im Oktober 1984 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Im Rahmen des Asylverfahrens wurde sie im Januar 1985 der Stadt S. im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen) zugewiesen und nahm dort ihren Wohnsitz.

    Nach Ablehnung ihres Asylantrags wurde sie zur Ausreise aufgefordert, befolgte die Aufforderung jedoch nicht, wurde dann aber nach mehreren Duldungen 1988 auf Veranlassung des Landrats des beigeladenen Hochsauerlandkreises abgeschoben.

    Nach einer kurzen Wiedereinreise, während dessen die Klägerin einen Asylfolgeantrag gestellt hatte, wurde sie auf Betreiben des Landrats des Hochsauerlandkreises im Jahre 2005 erneut in die Türkei abgeschoben.

    Im Februar 2006 beantragte die Klägerin dann beim Landrat des Hochsauerlandkreises, die Wirkung ihrer Abschiebungen von 1988 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen.

    Als Begründung führte sie aus, dass sie an altersbedingten Krankheiten leide und darauf vertraue, die notwendige Lebenshilfe bei ihrem in Berlin lebenden Sohn erlangen zu können.

    Mit der Aufhebung der Sperrwirkung solle eine der Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass ein Visum zum Familiennachzug erwirkt werden könne.

    Der Landrat des Hochsauerlandkreises befristete die Wirkung der Abschiebungen mit Bescheid vom 3. April 2006 auf den 30. April 2010. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhobene Klage wurde im April 2008 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Landrat des Hochsauerlandkreises sei im Hinblick auf die begehrte Befristungsentscheidung nicht passiv legitimiert sei.

    Die Klägerin beantragte daraufhin im Dezember 2009 bei der Ausländerbehörde des beklagten Landes Berlin, die Wirkungen der Abschiebungen von 1998 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen.

    Dabei gab sie an, dass sie beabsichtige, nach der Befristungsentscheidung ein Visum für den Nachzug zu ihrem in Berlin lebenden Sohn zu beantragen.

    Die Ausländerbehörde des Beklagten teilte der Klägerin mit, dass sie sich für die Bescheidung des Befristungsbegehrens als nicht zuständig ansehe und den Antrag daher an die zuständige Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises abgegeben habe.

    Der Landrat des Hochsauerlandkreises wiederum setzte die Ausländerbehörde des Beklagten im Februar 2010 darüber in Kenntnis, dass nach seiner Auffassung nicht er, sondern der Beklagte für die Befristungsentscheidung zuständig sei, und erteilte zugleich sein Einvernehmen mit einer Entscheidung des Beklagten.

    Im März 2010 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben, mit der sie die Verpflichtung des beklagten Landes Berlin zur sofortigen Befristung der Wirkungen der Abschiebungen von 1988 und 2005 begehrte.

    Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2011 mit der Begründung ab, dass das beklagte Land Berlin nicht sachentscheidungsbefugt sei, weil die Annexkompetenz für die Befristungsentscheidung bei der Behörde liege, die die Abschiebung veranlasst habe.

    Gegen diese Entscheidung richtete sich die Klägerin mit der Revision zum Bundesverwaltungsgericht.

    Bundesverwaltungsgericht: Das Bundesverwaltungsgericht folgte der Ansicht des Verwaltungsgerichts zumindest im Ergebnis, dass das beklagte Land für die Befristungsentscheidungen nicht zuständig sei.

    Das Aufenthaltsgesetz treffe in § 71 AufenthG nur eine Regelung über die sachliche Zuständigkeit und nicht zur örtlichen Zuständigkeit. Damit bestünde für die nachträgliche Befristung der Wirkungen einer Ausweisung oder Abschiebung sowie deren nachträgliche Änderung auch nicht mehr die noch in § 15 Abs. 1 Satz 3 AuslG 1965 geregelte Annexkompetenz der Behörde, die den Ausländer ausgewiesen oder abgeschoben habe.

    Vielmehr berücksichtige das Aufenthaltsgesetz – wie zuvor schon das Ausländergesetz 1990 – mit Rücksicht auf die Kompetenz der Länder zur eigenverantwortlichen Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83 GG den Grundsatz, dass die Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden grundsätzlich Sache der Länder sei.

    Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ergäbe sich eine Annexkompetenz der den Bescheid erlassenden Ausgangsbehörde für nachträgliche Befristungsentscheidungen auch nicht aus einem angeblich dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu entnehmenden Grundsatz, demzufolge für nachträgliche Beschränkungen eines Verwaltungsaktes – wie etwa Rücknahme und Widerruf – grundsätzlich die Ausgangsbehörde zuständig bleibe.

    Dass im vorliegenden Fall die Ausländerbehörde der Beklagten für die begehrte Befristungsentscheidung nicht zuständig sei, ergäbe sich vielmehr aus folgenden Erwägungen.

    Die für das Befristungsbegehren zuständige Behörde sei in zwei Schritten zu bestimmen.

    In einem ersten Schritt sei festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitze. Diese Frage sei – wenn keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen – durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten.

    In einem zweiten Schritt sei auf der Grundlage des Landesrechts des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes zu ermitteln, welche Behörde innerhalb des Landes örtlich zuständig sei.

    Aus der entsprechenden Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG des Bundes übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder ergäbe sich hier, dass die Ausländerbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens der Klägerin zuständig seien.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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