Rechtsanwalt in Köln für Visum Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Rechtsanwalt in Köln für Visum

  1. Ausländerrecht: Kinder waren ohne Visum nach Deutschland zu ihrem Vater eingereist und wollten hier bleiben

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    VGH München, Beschluss v. 13.06.2023 – 19 ZB 23.455

    Sachverhalt des Falles:

    Nach Ablehnung von Einreisevisa reisten die Kläger ohne Erlaubnis in die BRD ein

    In dem hier vorgestellten Fall des VGH München waren zwei Kinder (Kläger) zu ihrem sich im Bundesgebiet aufhaltenden Vater eingereist. Dieser hatte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19c AufenthG. Im Bundesgebiet beantragten die Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (Kindernachzug § 32 AufenthG) bei der Beklagten. Zuvor hatten die Kläger bei der Deutschen Botschaft in Nordmazedonien Einreisevisa beantragt, die allerdings abgelehnt worden waren.

    Ausländerbehörde lehnte die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ab

    Die Beklagte hatte die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen sowie den Antrag auf Duldungserteilung abgelehnt, die Kläger zur Ausreise bis 2. Oktober 2021 aufgefordert, für den Fall der nicht bzw. nicht fristgerecht erfolgenden Ausreise die Abschiebung der Kläger insbesondere nach Nordmazedonien angedroht sowie für den Fall der Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet, welches auf die Dauer von einem Jahr ab der Abschiebung befristet wurde.

    Das erstinstanzliche Verwaltungsgericht bestätigte die Ablehnung durch die Ausländerbehörde

    Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht hatte die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 10. Januar 2023 mit der Begründung abgewiesen, es lägen bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vor, da die Kläger entgegen § 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht im Besitz gültiger Pässe seien (die vorgelegten Reisepässe seien nur bis 6.3.2022 gültig gewesen) und solche auch nach mehrfachen gerichtlichen Aufforderungen nicht vorgelegt hätten. Des Weiteren stehe die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 32 AufenthG erforderliche Durchführung des Visumverfahrens nach § 5 Abs. 2 AufenthG entgegen. Eine Ausnahme nach § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthV bestehe nicht, da die Voraussetzungen eines Anspruchs der Kläger auf Aufenthaltserlaubniserteilung nicht nach der Einreise entstanden seien.

    Das Verwaltungsgericht sah insbesondere das fehlende Visumsverfahren als Ablehnungsgrund an

    Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts fehle an dem geforderten strikten Rechtsanspruch, bei dem insbesondere die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben habe. Der Anspruch nach § 32 Abs. 1 AufenthG als solcher sei zwar ein gebundener Anspruch. Da sich aber nicht beide personensorgeberechtigten Elternteile der Kläger im Bundesgebiet aufhielten, solle die Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 3 AufenthG nur unter den dort genannten Voraussetzungen erteilt werden. Das (intendierte) Ermessen des § 32 Abs. 3 AufenthG stehe dem Vorliegen eines strikten Rechtsanspruches entgegen. Schließlich lägen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein behördliches Absehen vom Visumverfahren im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht vor, insbesondere seien zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt keine besonderen Umstände des Einzelfalls gegeben, aufgrund derer es nicht zumutbar sei, das Visumverfahren nachzuholen. Der insoweit von den Klägern vorgetragene Umstand des Schulbesuchs der Kläger sei bereits kein besonderer Umstand des Einzelfalls, sondern betreffe grundsätzlich alle schulpflichtigen Ausländer, die das Visumsverfahren nachzuholen hätten. Auch die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids, in welcher der Antrag auf Erteilung einer Duldung abgelehnt wurde, sei jedenfalls unbegründet. Es könne insoweit offenbleiben, ob aufgrund der isolierten Anfechtung der Bescheidsziffer ohne ausdrücklichen Verpflichtungsantrag auf Duldungserteilung die Klage mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig sei. Die Kläger hätten jedenfalls im Rahmen der Begründetheit keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG. Die Abschiebung sei weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG noch folge aus dem bloßen Schulbesuch der Kläger ohne unmittelbar bevorstehenden Abschluss ein Anspruch auf Erteilung einer Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG.

    Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beantragten die Kläger die Zulassung der Berufung

    Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beantragten die Kläger die Zulassung der Berufung beim VGH München.

    Entscheidung des VGH München:

    Das VGH München hat die Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zugelassen

    Im Rahmen des Berufungszulassungsverfahrens haben die Kläger gültige Pässe vorgelegt. Nach Ansicht der Kläger erfüllten diese somit nun ihre Passpflicht nach § 3 AufenthG. So hätten die Kläger auch einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 32 Abs. 1, Abs. 3 AufenthG (Kindernachzug) und auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen würden vorliegen (Visumspflicht und Passpflicht).

    Dieser Ansicht folgte der VGH München nicht. Das Verwaltungsgericht habe (jedenfalls im Ergebnis) zu Recht ausgeführt, dass der Aufenthaltserlaubniserteilung bereits das Fehlen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen entgegenstünde. Das gelte insbesondere für die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Beantragung des für den konkreten Aufenthaltszweck erforderlichen Visums vor der Einreise gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.

    Der VGH München sah keine Ausnahme von der Erteilung eines Visums als gegeben an

    Die Kläger können eine Ausnahme von der Verpflichtung, einen Aufenthaltstitel vom Ausland aus im Wege des Visumverfahrens zu beantragen, nach § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthV nicht für sich in Anspruch nehmen. Dies gelte vorliegend hinsichtlich des geltend gemachten § 32 Abs. 1 AufenthG schon deshalb, weil die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Titelerteilung nicht nach der Einreise der Kläger entstanden seien. Zwar sei die nach § 32 Abs. 3 AufenthG für einen Familiennachzug zu einem von beiden sorgeberechtigten Elternteilen erforderliche Zustimmungserklärung erst am 16. Februar 2020 und damit nach der Einreise der Kläger abgegeben worden. Die Voraussetzungen des § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthV könnten jedoch nur durch einen strikten Rechtsanspruch erfüllt werden, d.h. wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben habe. Dagegen genüge eine Anspruchsnorm, welche der Verwaltung auf der Rechtsfolgenseite ein (ggf. intendiertes) Ermessen einräume, auch im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null grundsätzlich nicht. Diese Voraussetzungen seien vorliegend jedoch nicht erfüllt:

    Ein Anspruch der Kläger auf Kindernachzug besteht nicht

    Ein Anspruch der Kläger auf Gestattung des Kindernachzugs gemäß § 32 AufenthG bestünde nicht. Denn dafür müssten entweder beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen. Letztere Voraussetzung lag jedoch hinsichtlich beider Kläger weder im Zeitpunkt der Antragstellung auf Aufenthaltserlaubnis vor, noch ist diese im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gegeben. Denn es ist nicht von einer alleinigen Berechtigung des im Bundesgebiet mit einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 19c AufenthG lebenden Vaters der Kläger zur Personensorge auszugehen.

    Des Weiteren könnten die Kläger auch aus § 16f Abs. 2 AufenthG keinen Rechtsanspruch auf Aufenthaltserlaubniserteilung ableiten. Dem stünde schon entgegen, dass es sich bei § 16f Abs. 2 AufenthG auf der Rechtsfolgenseite um eine Ermessensvorschrift handele, welche schon im Ansatz keinen strikten Rechtsanspruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG vermitteln könne. Ob die Kläger das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16f Abs. 2 AufenthG ausreichend dargelegt haben (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), was das Verwaltungsgericht gegebenenfalls zu weiteren Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO hätte veranlassen können, könne deshalb offenbleiben. Anzumerken bliebe aber, dass aus den vorgelegten Schreiben bzw. Bescheinigungen der Schulen nicht zweifelsfrei hervorgehe, dass diese die Voraussetzungen des § 16f Abs. 2 Nr. 1 (insb. Schule mit internationaler Ausrichtung) bzw. Nr. 2 AufenthG (insb. Schule, die nicht oder nicht überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert werde sowie Vorbereitung der Schüler auf internationale Abschlüsse, Abschlüsse anderer Staaten oder staatlich anerkannte Abschlüsse) erfüllen.

    Die in § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG geregelte Möglichkeit des Absehens nach Ermessen im Falle eines Anspruchs auf Aufenthaltserlaubniserteilung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG setze ebenfalls einen strikten Rechtsanspruch voraus. Diese Voraussetzung sei vorliegend, wie ausgeführt, nicht erfüllt. Nicht ersichtlich sei ferner, dass hinsichtlich des im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats volljährigen (am … 2004 geborenen) Klägers zu 1) die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 2 AufenthG vorlägen – wozu es einer außergewöhnlichen Härte bedürfte –, abgesehen davon, dass auch diese Norm ein Ermessen eröffne.

    Des Weiteren führe das Verwaltungsgericht zu Recht aus, dass die Nachholung des Visumverfahrens im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG nicht unzumutbar sei. Hierzu könne zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die einschlägigen Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden, denen der Senat folgt (§ 130b Satz 2 VwGO analog). Ergänzend sei zum Vortrag der Kläger im Zulassungsverfahren Folgendes auszuführen:

    Es sei mit dem grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie zu vereinbaren auf eine Entscheidung der Botschaft zu warten

    Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG sei es grundsätzlich vereinbar, einen Ausländer zur Erlangung eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug zu sich berechtigt im Bundesgebiet aufhaltenden Familienangehörigen auf die Einholung des erforderlichen Visums im Herkunftsland zu verweisen.

    Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Allein das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft führe ebenso wenig dazu, regelmäßig von der Unzumutbarkeit der Einhaltung des Visumverfahrens auszugehen, wie der Umstand, dass gegebenenfalls ein kleines Kind betroffen sei, da es im Verantwortungsbereich des Ausländers lieg, die Ausreisemodalitäten und den Ausreisezeitpunkt in Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde so familienverträglich wie möglich zu gestalten.

    Hierzu sei eine Prognose anzustellen, mit welcher Trennungszeit bei Nachholung eines Visumverfahrens voraussichtlich tatsächlich zu rechnen wäre. Von einer Prognose der Trennungszeit könne abgesehen werden, wenn es im konkreten Fall mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vereinbar ist, dem Ausländer und dem Familienangehörigen die Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland auf Dauer zu verwehren, etwa weil die Familiengemeinschaft auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in zumutbarer Weise gelebt werden könne.

    Das Visumsverfahren dient der Steuerung der Einwanderung

    Im Rahmen der Abwägungsentscheidung (ob eine vorübergehende Trennung in Anbetracht der prognostischen Trennungszeit zumutbar ist) sei zu berücksichtigen, dass die Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG dem Schutz wichtiger öffentlicher Interessen dienen. Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum solle gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern. Die (nachträgliche) Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug sei auch nicht als bloße Förmlichkeit anzusehen. Dabei dürften auch generalpräventive Aspekte Berücksichtigung finden, damit das Visumverfahren seine Funktion als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung wirksam erfüllen kann. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wirke dem Anreiz entgegen, nach illegaler Einreise Bleibegründe zu schaffen mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom Ausland durchzuführende Visumverfahren zu honorieren. Die bewusste Umgehung des Visumverfahrens dürfe nicht folgenlos bleiben, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten. Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG seien daher prinzipiell eng auszulegen.

    Nach diesen Maßgaben sei es im vorliegenden Fall mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG (bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) vereinbar, die Kläger auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen.

    Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung

    Schließlich habe das Verwaltungsgericht auch zu Recht einen Anspruch der Kläger auf Duldungserteilung verneint. Eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sei nicht ersichtlich. Insbesondere stünden weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK, wie ausgeführt, der Aufenthaltsbeendigung der Kläger entgegen. Dringende humanitäre oder persönliche Gründe für eine Duldungserteilung im Ermessenswege nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG seien ebenfalls weder dargelegt noch ersichtlich, insbesondere hätten die Kläger die im Schuljahr 2021/22 bereits unmittelbar vor dem Abschluss stehende schulische Ausbildung nach dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 10.1.2023) inzwischen erfolgreich abgeschlossen.

    Quelle VGH München

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  2. Ausländerrecht: Zurückweisung eines russischen Staatsangehörigen wegen Falschangaben bei Visabeschaffung

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    VG München, 04.12.2013, Az.: M 23 S 13.5250

    Gemäß § 15 Abs. 1 AufenthG wird ein Angehöriger eines Staates, der nicht der Europäischen Union angehört, an der Grenze zurückgewiesen, wenn dieser unerlaubt einreisen will. Gemäß § 15 Abs. 2 AufenthG kann ein Ausländer an der Grenze dann zurückgewiesen werden, wenn

    1.) ein Ausweisungsgrund vorliegt,

    2.) der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,

    2a.) er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder

    3.) er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 5 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

    Die aus diesen Gründen erfolgte Einreiseverweigerung/Zurückweisung ist eine unaufschiebbare Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten. Dies wiederum bedeutet, dass gegen eine solche Maßnahme zwar ein Widerspruch möglich ist, diesem Widerspruch jedoch keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die Einreiseverweigerung/Zurückweisung kann somit durch die Polizeivollzugsbeamten trotz Widerspruchs sofort vollzogen werden.

    Wenn der Ausländer also Widerspruch gegen die Einreiseverweigerung/Zurückweisung einlegen will, muss er darüber hinaus nach § 80 Abs. 5 VwGO den Antrag stellen, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zurückweisung anzuordnen, um nicht sofort zurückgewiesen zu werden.

    Über einen solchen Antrag hatte in dem oben genannten Beschluss das Verwaltungsgericht München zu entscheiden.

    Sachverhalt: Der in Russland geborene Antragsteller war russischer Staatsangehöriger und im Jahre 2013 alleine per Flugzeug von Moskau nach München geflogen. Bei der Einreisekontrolle hatte er einen Reisepass mit einem griechischen Einreisevisum vorgelegt. Das im November 2013 erteilte Schengen-Visum der Kategorie C hatte eine Gültigkeitsdauer von November 2013 bis Dezember 2013 für eine Einreise und 14 Aufenthaltstage.

    Bei der Einreisebefragung durch die Bundespolizei, bei der ein Sprachmittler anwesend war, hatte der Antragsteller angegeben, dass er an einer Reise teilnehme, die kurzfristig von der Regierung von Russland beschlossen worden sei. Er sei nach Deutschland gekommen, um an Verhandlungen von Ministerien teilzunehmen. Deutschland sei sein ursprüngliches Reiseziel gewesen sei. Er sei davon ausgegangen, dass seine Mitarbeiter, die für ihn das Visum beantragt hätten, in der kurzen Zeit ab Planung der Reise kein deutsches Visum mehr beantragen hätten können und daher ein griechisches Visum beantragt hätten.

    Die Bundespolizei wies daraufhin den Antragsteller zurück und verweigerte ihm die Einreise. Sie stützte diese Entscheidung auf § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 562/2006 – Schengener Grenzkodex – SGK und begründete die Einreiseverweigerung in dem standardisierten Formular damit, dass die Einreise ohne gültiges Visum oder gültigen Aufenthaltstitel erfolgt sei.

    Gegen diese Verweigerung beantragte der Antragsteller per Fax bei dem Verwaltungsgericht München sinngemäß nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zurückweisung anzuordnen. Eine Begründung des Antrags erfolgte nicht.

    Entgegen der per Fax übermittelten Bitte des Bayerischen Verwaltungsgerichts an die Bundespolizei, bis zur Entscheidung über den Antrag von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen, erfolgte die Rückführung des Antragstellers im November 2013.

    Verwaltungsgericht München: Das Verwaltungsgericht München entschied nun in dem oben genannten Beschluss, dass der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Einreiseverweigerung anzuordnen, zulässig sei.

    Der Antrag würde sich gegen eine unaufschiebbare Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO richten, gegen welche ein Widerspruch zwar statthaft sei, welchem jedoch keine aufschiebende Wirkung zukomme (vgl. auch Art. 13 Abs. 3 UAbs. 2 SGK).

    Auch sei der Antrag weder durch eine gegebenenfalls bisher noch nicht förmlich erfolgte Einlegung eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache, vgl. § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO, noch durch die vollzogene Rückreise unzulässig geworden, da sich die Zurückweisung hierdurch weder erledigt habe noch irreversibel vollzogen worden sei.

    Allerdings sei der zulässige Antrag unbegründet.

    Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO habe das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Es habe dabei abzuwägen zwischen dem gesetzlich bestimmten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs.

    Bei dieser Abwägung seien die Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens zu berücksichtigen. Würde die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergeben, dass der Widerspruch offensichtlich erfolglos bleiben werde, würde das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurücktreten.

    Erweise sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, bestünde kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Sei der Ausgang des Widerspruchsverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibe es bei der Interessenabwägung.

    Im vorliegenden Fall sei nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung davon auszugehen, dass ein Widerspruch des Antragstellers offensichtlich erfolglos bleiben würde. Damit würde das in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegen.

    Dem Antragsteller sei nach § 15 Abs. 1 AufenthG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 SGK die Einreise zu verweigern gewesen, weil er nach dem mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern vom 29. August 2013 (BGBl I S. 3485) neu eingefügten § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG unerlaubt einreisen wollte.

    Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bedürften Ausländer für die Einreise in das Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht u. a. durch das Recht der Europäischen Union etwas anderes bestimmt sei.

    Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG sei die Einreise in das Bundesgebiet unerlaubt, wenn der Ausländer zwar ein nach § 4 AufenthG erforderliches Visum bei der Einreise besäße, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen worden sei und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert werde.

    Der Antragsteller sei zwar im Besitz eines griechischen Schengen-Visums gewesen, welches grundsätzlich auch zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland berechtige.

    Dieses Schengen-Visum sei jedoch durch falsche Angaben gegenüber den griechischen Behörden erschlichen worden. Denn der Antragsteller habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, nach Griechenland einzureisen, sondern habe von an Anfang an eine Reise in die Bundesrepublik Deutschland geplant.

    Die Bundespolizei sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass es ernsthafte Gründe zu der Annahme gebe, dass das Visum in betrügerischer Weise erlangt worden und daher nach Art. 34 VO (EG) Nr. 810/2009 – Visakodex i.V.m. Art. 13 Abs. 6 i.V.m. Anhang V Teil A SGK zu annullieren sei.

    Bei dieser Beurteilung sei auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen; die Bundespolizei müsse vor Ort unter einem gewissen Zeitdruck eine Entscheidung treffen. Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, dass er von den falschen Angaben keine Kenntnis habe. Der Antragsteller habe den Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums selbst unterschreiben müssen und hierbei nicht nur die Reiseangaben, sondern auch die Belehrung bezüglich der Abgabe von falschen Erklärungen zur Kenntnis nehmen müssen.

    Auch sei dem Antragsteller nach seinen eigenen Angaben bewusst gewesen, dass ein griechisches Schengen-Visum schneller zu erlangen ist.

    Die Einreise war daher gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG unerlaubt und der Antragsteller damit nach § 15 Abs. 1 AufenthG zwingend zurückzuweisen. Auf das Vorliegen eines Ausweisungsgrunds auf Grund der Erfüllung eine Straftatbestands nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. Abs. 6 AufenthG sowie auf einen gegebenenfalls vorhandenen Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen zwingenden Zurückweisungsbestimmungen in Art. 13 SGK komme es daher nicht mehr an.

    Quelle: Verwaltungsgericht München

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  3. Ausländerrecht: Der Aufenthalt von Bürgern der Europäischen Union und der Schweiz in Deutschland

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    Zu den Voraussetzungen und den rechtlichen Regelungen des Aufenthaltes von EU und EWR Bürgern sowie Bürgern der Schweiz in Deutschland.

    1. Aufenthalt von EU/EWR-Bürgern in Deutschland

    Der Aufenthalt von EU-Bürgern und EWR-Bürgern in Deutschland richtet sich nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU).

    Danach sind solche EU-Bürger und EWR-Bürger unter Anderem in Deutschland freizügigkeitsberechtigt,

    –       die sich in Deutschland nur bis zu drei Monaten aufhalten.

    –       die in Deutschland einer nichtselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen.

    –       die in Deutschland Dienstleistungen erbringen oder empfangen.

    –       die als vormalig selbstständige und nichtselbstständig Erwerbstätige nach der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 und Richtlinie 75/34/EG verbleibeberechtigt sind.

    –       die arbeitssuchend sind.

    –       die eine Berufsausbildung in Deutschland machen.

    –       die in Deutschland studieren.

    –       die bereits ihre Rente empfangen.

    –       die Daueraufenthaltsberechtigt sind (nach einem ständigen rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens fünf Jahren bzw. drei Jahren in besonderen Fällen).

    Neben den EU-Bürgern und EWR-Bürgern können ebenfalls deren Familienangehörige in Deutschland freizügigkeitsberechtigt sein.

    Dies ist unter Anderem der Fall

    –       bei Ehegatten und Lebenspartnern von EU-Bürger und EWR-Bürgern

    –       bei Verwandten in absteigender Linie, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben

    –       bei Verwandten in aufsteigender und absteigender Linie einer freizügigkeitsberechtigten Person oder ihres Ehegatten bzw. Lebenspartners, denen diese Unterhalt gewähren

    Nicht-Erwerbstätige EU-Bürger und EWR-Bürger können unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls freizügigkeitsberechtigt sein.

    Bis Januar 2013 wurde EU-Bürgern und EWR-Bürgern zur Dokumentation ihrer Freizügigkeit eine sogenannte Freizügigkeitsbescheinigung ausgestellt.

    Aufgrund der Änderung des FreizügG/EU am 29.01.2013 wird eine solche Freizügigkeitsbescheinigung nicht mehr ausgestellt.

    Unionsbürger bekommen bei Anmeldung somit nur noch eine Meldebescheinigung nach dem Melderecht.

    Somit ist bei Unionsbürgern grundsätzlich vom Vorliegen eines Freizügigkeitsrechtsrechts auszugehen und das Nichtbestehen dieses Rechts muss von der prüfenden Behörde festgestellt werden.

    Eine solche Prüfung darf nur im Einzelfall und bei begründeten Zweifeln an dem Freizügigkeitsrecht erfolgen. Auch die Beweislast trägt die Behörde.

    Folgende Bescheinigungen oder Aufenthaltskarten sieht das FreizügG/EU vor:

    –        Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht von Unionsbürgern, § 5 Abs. 5 i. V. m. § 4 a FreizügG/EU

    –       Aufenthaltskarte für Angehörige von Unionsbürgern § 5 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU

    –       Daueraufenthaltskarte für Angehörige von EU/EWR-Bürgern § 5 Abs. 5 i. V. m. § 4 a Abs. 1 FreizügG/EU

    2. Aufenthalt von Staatsangehörigen der Schweiz in Deutschland

    Für Schweizer gelten aufgrund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen EG/Schweiz) besondere Regelungen.

    Folgende Aufenthaltstitel sieht das Freizügigkeitsabkom­men EG/Schweiz vor:

    –       Aufenthaltserlaubnis für freizügigkeitsberechtigte Schweizer § 28 S. 2 AufenthV i. V. m. Freizügigkeitsabkom­men EG/Schweiz

    –       Aufenthaltserlaubnis für Angehörige von freizügigkeitsberechtigten Schweizern § 28 S. 2 AufenthV i. V. m. Freizügigkeitsabkommen EG/Schweiz

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  4. Ausländerrecht: Örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde für Entscheidungen zur Befristung einer Abschiebung.

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    Bundesverwaltungsgericht, 22.03.2012, Az.: 1 C 5.11

    Abschiebungen von Ausländern haben gem. § 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG zur Folge, dass der Ausländer, zunächst nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf.

    Gem. § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG darf dem Ausländer auch kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
    Allerdings können die Wirkungen der Abschiebung gem. § 11 Abs. 1 S. 3 AufenthG auf Antrag befristet werden. Da der Antrag auf Befristung ordnungsgemäß begründet werden sollte, sollte ein Rechtsanwalt mit der Befristung beauftragt werden. Dies insbesondere deshalb weil die Entscheidung über die Frist und die Länge der Frist im Ermessen der Behörde liegt.

    Gem. § 11 Abs. 1 S. 4 ist die Frist durch die zuständige Ausländerbehörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.

    Ermessenskriterien der Behörde sind zum Beispiel die Länge einer Freiheitsstrafe, die zu einer Ausweisung geführt hat, die Bezahlung von Abschiebekosten oder ob der Antragsteller Ehefrau oder Kinder in Deutschland hat.

    Problematisch ist es jedoch, die zuständige Ausländerbehörde für die Befristung der Abschiebung festzustellen, da das Aufenthaltsgesetz in § 71 AufenthG nur die sachliche, nicht aber die örtliche Zuständigkeit regelt.

    Genau diese Problematik hatte die oben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenstand.

    Sachverhalt: Die 1934 geborene Klägerin war türkische Staatsangehörige. Sie reiste im Oktober 1984 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Im Rahmen des Asylverfahrens wurde sie im Januar 1985 der Stadt S. im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen) zugewiesen und nahm dort ihren Wohnsitz.

    Nach Ablehnung ihres Asylantrags wurde sie zur Ausreise aufgefordert, befolgte die Aufforderung jedoch nicht, wurde dann aber nach mehreren Duldungen 1988 auf Veranlassung des Landrats des beigeladenen Hochsauerlandkreises abgeschoben.

    Nach einer kurzen Wiedereinreise, während dessen die Klägerin einen Asylfolgeantrag gestellt hatte, wurde sie auf Betreiben des Landrats des Hochsauerlandkreises im Jahre 2005 erneut in die Türkei abgeschoben.

    Im Februar 2006 beantragte die Klägerin dann beim Landrat des Hochsauerlandkreises, die Wirkung ihrer Abschiebungen von 1988 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen.

    Als Begründung führte sie aus, dass sie an altersbedingten Krankheiten leide und darauf vertraue, die notwendige Lebenshilfe bei ihrem in Berlin lebenden Sohn erlangen zu können.

    Mit der Aufhebung der Sperrwirkung solle eine der Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass ein Visum zum Familiennachzug erwirkt werden könne.

    Der Landrat des Hochsauerlandkreises befristete die Wirkung der Abschiebungen mit Bescheid vom 3. April 2006 auf den 30. April 2010. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhobene Klage wurde im April 2008 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Landrat des Hochsauerlandkreises sei im Hinblick auf die begehrte Befristungsentscheidung nicht passiv legitimiert sei.

    Die Klägerin beantragte daraufhin im Dezember 2009 bei der Ausländerbehörde des beklagten Landes Berlin, die Wirkungen der Abschiebungen von 1998 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen.

    Dabei gab sie an, dass sie beabsichtige, nach der Befristungsentscheidung ein Visum für den Nachzug zu ihrem in Berlin lebenden Sohn zu beantragen.

    Die Ausländerbehörde des Beklagten teilte der Klägerin mit, dass sie sich für die Bescheidung des Befristungsbegehrens als nicht zuständig ansehe und den Antrag daher an die zuständige Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises abgegeben habe.

    Der Landrat des Hochsauerlandkreises wiederum setzte die Ausländerbehörde des Beklagten im Februar 2010 darüber in Kenntnis, dass nach seiner Auffassung nicht er, sondern der Beklagte für die Befristungsentscheidung zuständig sei, und erteilte zugleich sein Einvernehmen mit einer Entscheidung des Beklagten.

    Im März 2010 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben, mit der sie die Verpflichtung des beklagten Landes Berlin zur sofortigen Befristung der Wirkungen der Abschiebungen von 1988 und 2005 begehrte.

    Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2011 mit der Begründung ab, dass das beklagte Land Berlin nicht sachentscheidungsbefugt sei, weil die Annexkompetenz für die Befristungsentscheidung bei der Behörde liege, die die Abschiebung veranlasst habe.

    Gegen diese Entscheidung richtete sich die Klägerin mit der Revision zum Bundesverwaltungsgericht.

    Bundesverwaltungsgericht: Das Bundesverwaltungsgericht folgte der Ansicht des Verwaltungsgerichts zumindest im Ergebnis, dass das beklagte Land für die Befristungsentscheidungen nicht zuständig sei.

    Das Aufenthaltsgesetz treffe in § 71 AufenthG nur eine Regelung über die sachliche Zuständigkeit und nicht zur örtlichen Zuständigkeit. Damit bestünde für die nachträgliche Befristung der Wirkungen einer Ausweisung oder Abschiebung sowie deren nachträgliche Änderung auch nicht mehr die noch in § 15 Abs. 1 Satz 3 AuslG 1965 geregelte Annexkompetenz der Behörde, die den Ausländer ausgewiesen oder abgeschoben habe.

    Vielmehr berücksichtige das Aufenthaltsgesetz – wie zuvor schon das Ausländergesetz 1990 – mit Rücksicht auf die Kompetenz der Länder zur eigenverantwortlichen Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83 GG den Grundsatz, dass die Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden grundsätzlich Sache der Länder sei.

    Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ergäbe sich eine Annexkompetenz der den Bescheid erlassenden Ausgangsbehörde für nachträgliche Befristungsentscheidungen auch nicht aus einem angeblich dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu entnehmenden Grundsatz, demzufolge für nachträgliche Beschränkungen eines Verwaltungsaktes – wie etwa Rücknahme und Widerruf – grundsätzlich die Ausgangsbehörde zuständig bleibe.

    Dass im vorliegenden Fall die Ausländerbehörde der Beklagten für die begehrte Befristungsentscheidung nicht zuständig sei, ergäbe sich vielmehr aus folgenden Erwägungen.

    Die für das Befristungsbegehren zuständige Behörde sei in zwei Schritten zu bestimmen.

    In einem ersten Schritt sei festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitze. Diese Frage sei – wenn keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen – durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten.

    In einem zweiten Schritt sei auf der Grundlage des Landesrechts des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes zu ermitteln, welche Behörde innerhalb des Landes örtlich zuständig sei.

    Aus der entsprechenden Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG des Bundes übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder ergäbe sich hier, dass die Ausländerbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens der Klägerin zuständig seien.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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