Remonstration Visum Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
Rechtsanwalt Tieben

Rechtsanwalt Helmer Tieben
Beratung unter:
Tel.: 0221 - 80187670

Tag Archive: Remonstration Visum

  1. Ausländerrecht: Döner-Koch ist kein Spezialitätenkoch im Sinne des Aufenthaltsgesetzes

    Leave a Comment

    Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 22.12.2022, Aktenzeichen: 14 K 139.19 V

    Vor der Einreise nach Deutschland müssen Sie in Ihrem Heimatland ein nationales Visum beantragen. Die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland beteiligt dann die zuständige Ausländerbehörde.  Im Visumverfahren müssen Sie Angaben zu Ihrer Arbeitsstelle in Deutschland machen. Nach der Einreise müssen Sie den Aufenthaltstitel schriftlich bei der Ausländerbehörde beantragen, bevor Ihr Visum abläuft. Dies gilt auch für sogenannte Spezialitätenköche, die hier in Deutschland in einem Spezialitätenrestaurant arbeiten möchten. In dem hier vorgestellten Fall des Verwaltungsgerichts Berlin ging es um die Frage ob es sich bei dem Arbeitgeber um ein Spezialitätenrestaurant und bei dem Arbeitnehmer um einen Spezialitätenkoch handelte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Erwerbstätigkeit als Spezialitätenkoch.

    Kläger beantragte beim deutschen Konsulat in Izmir einen Visumsantrag

    Er hatte am 21.03.2018 bei dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland Izmir (Generalkonsulat) einen Visumantrag gestellt. Dabei hatte er unter anderem einen Arbeitsvertrag mit der seiner Arbeitgeberin für eine Beschäftigung als Koch ab dem 2. April 2017 und einen nicht beidseitig unterschriebenen Arbeitsvertrag ab dem 2. April 2018 sowie eine Speisekarte vorgelegt.

    Sowohl Ausländerbehörde als auch Konsulat lehnten das Visum ab

    Am 20. August 2018 hatte die beigeladene Ausländerbehörde die Zustimmung zur Erteilung des Visums abgelehnt. Es handele sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin nicht um ein Spezialitätenrestaurant, sondern um einen Imbiss mit Selbstbedienung. Daraufhin hatte auch das Generalkonsulat mit Schreiben vom 22. August 2018 die Erteilung des Visums abgelehnt.

    Gegen diese Entscheidung remonstrierte der Kläger bei dem Konsulat

    Hiergegen remonstrierte der Kläger mit Schreiben vom 29. bzw. 31. August 2018, eingegangen bei dem Generalkonsulat am 3. September 2018. In dem Betrieb der Arbeitgeberin würden ausschließlich türkische Spezialitäten angeboten. Das Angebot der türkischen Küche dominiere. Erneut lehnte sowohl die Beigeladene als auch die Botschaft die Remonstration ab. Mit dem Begriff „Spezialitätenrestaurant“ verbinde sich die Erwartung eines bestimmten äußeren Rahmens, der dem Erscheinungsbild einer gehobenen Gastronomie entspreche. Bei dem Betrieb der Arbeitgeberin sei dies nicht der Fall. Es handele sich um einen türkischen Imbiss mit Selbstbedienung und einem entsprechenden Speiseangebot im Niedrigpreissegment. Imbissbetriebe und Schnellrestaurants mit Selbstbedienung stellten keine Spezialitätenrestaurants dar. Bei dem Kläger handele es sich nicht um einen Spezialitätenkoch. Auch scheine der Betrieb der Arbeitgeberin nicht die Anforderungen an ein Spezialitätenrestaurant zu erfüllen. Schließlich sei auch die Plausibilität des eingereichten Arbeitsvertrages stark fraglich. Der Kläger habe das Visum erst am 21. März 2018 beantragt. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch bereits zum 2. April 2017 begründet worden.

    Nach erneuter Ablehnung klagte der türkische Kläger gegen die Entscheidung

    Hiergegen hat der Kläger am 11. Juni 2019 Klage erhoben. Es handele sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin um ein Spezialitätenrestaurant und um keinen Imbiss. Der Betrieb sei ein Selbstbedienungsrestaurant. Es biete nur landestypische traditionelle Gerichte nach Originalrezepten an. Die einzige Besonderheit sei, dass es sich um ein „Selbstbedienungsspeisespezialitätenrestaurant“ handele. Der Kläger solle dort als gelernter Koch die traditionellen Gerichte nach Originalrezepten zubereiten. Das Lokal habe einen erheblichen Bedarf und bemühe sich, entsprechende Köche anzuwerben.

    Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin

    Das Gericht folgte der Ansicht der Ausländerbehörde und der Botschaft und urteilte nun, dass die Klage nicht begründet sei.

    Anspruchsgrundlage für das begehrte Visum sei § 6 Abs. 3 i.V.m. § 19c Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Danach könne einem Ausländer unabhängig von einer Qualifikation als Fachkraft ein Visum zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Beschäftigungsverordnung oder eine zwischenstaatliche Vereinbarung bestimme, dass der Ausländer zur Ausübung dieser Beschäftigung zugelassen werden könne. Darüber hinaus sei gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG erforderlich, dass ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliege. Ferner setze die Visumerteilung zur Ausübung einer Beschäftigung gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 und § 39 Abs. 1 AufenthG die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, es sei denn, die Zustimmung sei kraft Gesetzes, auf Grund der Beschäftigungsverordnung oder Bestimmung in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht erforderlich. Die Zustimmung könne erteilt werden, wenn dies durch ein Gesetz, die Beschäftigungsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt sei. Gemäß § 11 Abs. 2 der Beschäftigungsverordnung (BeschV) könne die Zustimmung mit Vorrangprüfung für Spezialitätenköchinnen und Spezialitätenköche für die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung in Spezialitätenrestaurants mit einer Geltungsdauer von bis zu vier Jahren erteilt werden. Die erstmalige Zustimmung werde längstens für ein Jahr erteilt. Im Übrigen müssten die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sein (vgl. § 5 AufenthG).

    Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums bzw. eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber würden nicht vorliegen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage seien nicht erfüllt. Zunächst liege eine Zustimmung der Beigeladenen zu 2) zur Erteilung des Visums nicht vor. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Zustimmung nach § 39 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 BeschV seien auch nicht gegeben. Es handele sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin nämlich zur Überzeugung des Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) nicht um ein Spezialitätenrestaurant.

    Der Arbeitgeber sei kein Spezialitätenrestaurant

    Ein Restaurant bezeichne nach allgemeinem Sprachempfinden eine Speisegaststätte, nämlich um eine Gaststätte, in der Essen serviert werde (vgl. http://www.duden.de/, abgerufen am 22. Dezember 2022) und in der die Gäste im Allgemeinen eine gewisse Zeit verweilen. An ein Spezialitätenrestaurant seien höhere Anforderungen zu stellen. Es handele sich dabei nach allgemeinem Sprachempfinden um ein Restaurant, das vor allem Spezialitäten, nämlich besonders zubereitete Gerichte anbiete (vgl. http://www.duden.de/, abgerufen am 22. Dezember 2022).

    Nach verbreiteter Auffassung in der Literatur würden mit dem Begriff „Spezialitätenrestaurant“ diejenigen Betriebe umschrieben, bei denen eindeutig das Angebot an Speisen einer bestimmten ausländischen Küche dominiere. Danach erhalte ein Spezialitätenrestaurant sein Gepräge insbesondere durch das Angebot ausländischer, nach Rezepten des jeweiligen Landes zubereiteter Speisen. Die Produktpalette solle zu mindestens 90 % aus landestypischen Spezialitäten bestehen, der Firmenname auf die Landesküche hinweisen und die Einrichtung und Ausgestaltung den nationalen Charakter des jeweiligen Landes wiedergeben. Mit dem Begriff „Spezialitätenrestaurant“ solle sich nach der Verkehrsauffassung auch die Erwartung eines bestimmten äußeren Rahmens verbinden, der dem Erscheinungsbild einer gehobenen Gastronomie entspreche. Keine Spezialitätenrestaurants im Sinne des § 11 Abs. 2 BeschV seien deshalb Imbisslokale, Bistros, Fast-Food-Betriebe, Schnellrestaurants und Restaurants ohne Bedienung/Servicepersonal. Dieses Verständnis entspreche im Wesentlichen den internen Weisungen der Beigeladenen zu 2) (vgl. Bundesagentur für Arbeit, Fachliche Weisungen, Stand: 06/2021, S. 81, 19c.11.3), die als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften jedoch nicht Maßstab, sondern Gegenstand richterlicher Überprüfung seien.

    Der türkische Arbeitnehmer sei somit an dieser Arbeitsstelle auch kein Spezialitätenkoch

    Zweck der Regelung des § 11 Abs. 2 BeschV sei es, die auf eine bestimmte ausländische Küche spezialisierten Restaurants durch die Zulassung von Fachkräften in die Lage zu versetzen, ihre Produkte landestypisch und unverfälscht anbieten zu können. Sie ermögliche einen spezifischen Personalbedarf zu befriedigen, der auf dem hiesigen Arbeitsmarkt grundsätzlich nicht gedeckt werden könne. Erforderlich sei danach – wie die Verordnungsbegründung zu § 26 BeschV a.F. formuliert (BR-Drs. 727/04 S. 39), den die Regelung des § 11 BeschV übernimmt (vgl. BR-Drs. 182/13 S. 32) – eine Prägung des Betriebskonzepts durch eine „echte nationale Küche“, d.h. ein Angebot ausländischer, nach Rezepten des jeweiligen Landes zubereiteter Speisen und Getränke. Nur solchen Köchen, die aufgrund ihrer Herkunft und Ausbildung über die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, um diese landestypischen Speisen („Spezialitäten“) authentisch zuzubereiten, solle durch § 11 Abs. 2 BeschV privilegiert der Zugang zum Arbeitsmarkt und damit der Aufenthalt im Bundesgebiet eröffnet werden. Die durch die Verordnungsregelung vorgegebene Intention einer Originalität der angebotenen Gerichte werde nicht zuletzt durch die Begrenzung der Beschäftigungsmöglichkeit und des Aufenthalts auf höchstens vier Jahre (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BeschV) und die Vorgabe einer Mindestabwesenheit von drei Jahren vor einer erneuten Zustimmung (§ 11 Abs. 3 BeschV) verdeutlicht, die dazu dienen sollen, dass sich die betreffenden Personen wieder im Heimatland mit zwischenzeitlich geänderten Speisezubereitungen vertraut machen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Oktober 2019 – OVG 3 S 11.19 – juris, Rn. 3 m.w.N.; Beschluss vom 22. April 2022 – OVG 3 N 307.19 – amtl. EA S. 3).

    Danach sei der Betrieb unter besonderer Berücksichtigung der Informationen auf der in das Verfahren eingeführten Webseite der Arbeitgeberin und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten kein Spezialitätenrestaurant. Es könne offenbleiben, ob in dem Betrieb mit Blick auf den auf der Webseite erkennbaren Schwerpunkt auf den Verkauf von Dönerprodukten und türkischer Pizza (Lichtbilder und Speisenkarte) überhaupt schwerpunktmäßig landestypische und unverfälschte Gerichte der türkischen Küche angeboten würden oder ob es sich insbesondere bei den angebotenen Dönerprodukten nicht eher um auf dem deutschen Markt entwickelte und an ihn angepasste Produkte handele. Ebenfalls bedürfe es keiner Entscheidung, ob ein Spezialitätenrestaurant, wie in der Literatur verbreitet angenommen werde, die Erwartung eines bestimmten äußeren Rahmens, der dem Erscheinungsbild einer gehobenen Gastronomie entspreche, erfüllen müsse. Denn bei dem Betrieb der Arbeitgeberin handele es sich entgegen ihrer Eigenbezeichnung bereits nicht um ein Restaurant. Der Betrieb stelle vielmehr einen Schnellimbiss mit Selbstbedienung dar. Vor einem typischen Dönerspieß würden an einem Imbiss-Verkaufstresen mit Frischwarenvitrine und Taschenabstellmöglichkeit auf offen einsehbaren Fertigungsflächen zubereitete Speisen produziert und zum Mitnehmen oder zum Verzehr vor Ort an vorhandenen Sitzmöglichkeiten abverkauft. Die Arbeitgeberin werbe auf ihrer Webseite selbst damit, dass man die Speisen „auch mitnehmen“ könne. Weder werde Essen serviert bzw. würden Gäste an den vorhandenen Tischen bedient noch sei der Betrieb – zumindest schwerpunktmäßig – auf das Verweilen von Gästen für gewisse Zeit über die kurzzeitige Nahrungsaufnahme hinaus erkennbar eingerichtet.

    Auch sei das Arbeitsplatzangebot nicht ausreichend konkretisiert

    Überdies liege kein konkretes Arbeitsplatzangebot im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vor. Ein konkretes Arbeitsplatzangebot nach dieser Vorschrift liege vor, wenn der Arbeitgeber den verbindlichen Willen erkennen lasse, die Stelle mit dem Ausländer besetzen zu wollen. Hierfür müsse die Stelle auch voraussichtlich tatsächlich zur Verfügung stehen. Letzteres hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Der von ihm im Visumverfahren vorgelegte Arbeitsvertrag betreffe ein Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin zum 2. April 2017. Das weitere, vom Kläger nicht unterzeichnete Arbeitsvertragsangebot ebenfalls vom 12. Februar 2017 betreffe ein Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin zum 2. April 2018. Diese Unterlagen seien damit über fünf bzw. vier Jahre alt. Der Kläger habe mit seiner Klage auch keinen neuen Arbeitsvertrag oder andere Unterlagen eingereicht, aus denen sich der fortdauernde Beschäftigungswille der Arbeitgeberin entnehmen ließe. Dabei bestünde aufgrund der Ausführungen der Beklagten im Remonstrationsbescheid, dass Zweifel am wirklichen Interesse des Klägers und der Arbeitgeberin an einer Beschäftigung gerechtfertigt seien, jedoch aller Anlass, einen Nachweis für ein konkretes Arbeitsplatzangebot im Klageverfahren (erneut) zu erbringen. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte im Klageverfahren auf ihre Ausführungen im Remonstrationsbescheid Bezug genommen und diese damit zum Gegenstand ihres Beklagtenvorbringens gemacht habe. Danach habe das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass ein ursprünglich etwa bestehendes konkretes Arbeitsplatzangebot derzeit noch unverändert fortbesteht.

    Quelle: VG Berlin

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

    Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de

    Rechtsanwalt in Köln berät und vertritt Mandanten bundesweit im Ausländerrecht

  2. Ausländerrecht: Versagung eines Studentenvisums für eine iranische Studentin wegen Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

    Leave a Comment

    Verwaltungsgericht Berlin, 10.10.2015, Az.: VG 19 K 355.13 V

    Der Erteilung des Visums für Studenten richtet sich nach Art. 6 und 7 Richtlinie 2004/114/EG des Rates. Danach ist für die Visumserteilung erforderlich:

    – Ein Zulassungsbescheid einer deutschen Universität oder Fachhochschule

    – Die Sicherung des Lebensunterhaltes des Studenten für die Zeit des Studiums

    – ausreichende Deutschkenntnisse

    – Krankenversicherungsschutz

    – der Studienbewerber darf keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit darstellen

    – gültiger Reisepass

    In dem hier besprochenen Fall des Verwaltungsgerichts hatte dieses über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Visums für eine iranische Studentin zu entscheiden.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfarens:

    Klägerin war Akademikerin aus dem Iran

    Die Klägerin war eine im Jahre 1985 geborene iranische Hochschulabsolventin. Ihren Abschluss hatte sie im Iran an einer auf Technik, Ingenieurswissenschaften und Physik spezialisierten Universität in Teheran erworben. Zur Aufnahme eines Promotionsstudiums an einer deutschen technischen Universität hatte sie bei der Deutschen Botschaft in Teheran ein Visum beantragt. Ihr Forschungsvorhaben im Bereich IT-Sicherheit sollte von der deutschen Hochschule mit einem Promotionsstipendium gefördert werden.

    Nach Ansicht der Botschaft konnte der Missbrauch von deutschem Forschungswissen im Iran nicht ausgeschlossen werden

    Nach Prüfung der Angelegenheit lehnte die Deutsche Botschaft in Teheran den Antrag der Klägerin ab. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Klägerin ihr in Deutschland in einem kritischen Forschungsbereich erworbenes Wissen missbräuchlich verwenden werde. Etwa für militärische, nachrichtendienstliche oder repressive Zwecke. Die iranische Universität werde als regimenah angesehen.

    Gegen die ablehnende Entscheidung reichte die Klägerin zunächst erfolglos Remonstration und schließlich Klage beim Verwaltungsgericht Berlin ein.

    Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin

    Verwaltungsgericht legte die Sicherheitsfragen dem Europäischen Gerichtshof vor

    Das für das Verfahren zuständige Verwaltungsgericht Berlin hatte Zweifel, ob die Bundesrepublik Deutschland die Klägerin aus diesen Gründen als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit im Sinne der sog. Europäischen Studentenrichtlinie betrachten dürfe.

    Möglicherweise stünde den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten europarechtlich ein Beurteilungsspielraum zu, so dass die Gefahreinschätzung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Das Verwaltungsgericht Berlin setzte das Klageverfahren daher aus und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) drei Fragen gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV zur Vorabentscheidung vor:

    1a. Ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Prüfung, ob ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Art. 7 bis 11 der Richtlinie genannten Zwecken beantragt, als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit betrachtet wird, über einen Beurteilungsspielraum verfügen, aufgrund dessen die behördliche Einschätzung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt?

    1b. Im Fall einer Bejahung von Frage 1a: Welche rechtlichen Grenzen unterliegen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Einschätzung, dass ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Art. 7 bis 11 der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst genannten Zwecken beantragt, als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu betrachtet ist, insbesondere im Hinblick auf die der Einschätzung zugrunde zu legenden Tatsachen und deren Würdigung?

    2.Unabhängig von der Beantwortung von Fragen 1a und 1b:Ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten hiernach befugt sind, in einem Sachverhalt wie dem vorliegenden, in dem eine Drittstaatsangehörige aus dem Iran, die ihren Hochschulabschluss im Iran an der auf Technik, Ingenieurwissenschaften und Physik spezialisierten Sharif University of Technology (Teheran) erworben hat, die Einreise zum Zweck der Aufnahme eines Promotionsstudiums im Bereich der IT-Sicherheitsforschung im Projekt „Vertrauenswürdige Eingebettete und Mobile Systeme“, insbesondere Entwicklung effektiver Schutzmechanismen für Smartphones, anstrebt, die Zulassung in ihr Hoheitsgebiet mit Hinweis darauf zu versagen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die im Zusammenhang mit dem Forschungsvorhaben erlangten Fähigkeiten im Iran missbräuchlich eingesetzt würden, etwa zur Verschaffung von vertraulichen Informationen in westlichen Ländern, zum Zweck der internen Repression oder allgemein im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen?

    Quelle: Verwaltungsgericht Berlin

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

    Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de

    Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Mandanten bundesweit im Ausländerrecht

  3. Ausländerrecht: Rechtsbehelfe gegen ablehnenden Bescheid der Botschaft, Remonstration und Klage

    8 Comments

    Remonstration und Klage gegen Ablehnung Visum

    Sollten Sie eine ablehnende Entscheidung durch die Deutsche Botschaft in Bezug auf einen Aufenthaltstitel (z. B. Visum, Aufenthaltserlaubnis) erhalten haben, bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, diese ablehnende Entscheidung anzugreifen:

    A.) Remonstration

    Zunächst einmal kann man gegen die ablehnende Entscheidung Remonstration bei der jeweiligen Botschaft einlegen.

    Bei der Remonstration handelt es sich um eine Gegenvorstellung, also einen formlosen Rechtsbehelf, durch den der durch die ablehnende Entscheidung Betroffene bei der Behörde vorstellig wird.

    Unabdingbarer Inhalt dieses Rechtsbehelfs sind zunächst die Identitätsnachweise des Betroffenen:

    – Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort und Passnummer;

    – Datum des ablehnenden Bescheides;

    – zustellungsfähige Anschrift (Straße, Haus, Wohnung, PLZ, Land, etc.); falls vorhanden Faxnummer und E-Mailadresse,

    – Eigenhändige Unterschrift (bei Remonstration durch Dritte: deren eigenhändige Unterschrift sowie Vorlage einer schriftlich erteilten, unterschriebenen Bevollmächtigung)

    Neben diesen Identitätsnachweisen sollte diese „Remonstration“ je nach Herkunftsland

    – eine ausführliche Begründung enthalten, warum die Ablehnung nicht gerechtfertigt sei.

    – eine ausführliche Darlegung enthalten, zu welchem Zweck die einreisende Person nach Deutschland reisen möchte und aus welchen Gründen der Aufenthalt für diese wichtig sei.

    – weitere Unterlagen enthalten, die die Argumentation stützen und bei Antragstellung noch nicht vorgelegen haben.

    Bei der Abfassung der Remonstration ist zu beachten, dass die vorgetragenen Argumente die von der Botschaft genannten Gründe erschüttern, welche die Ablehnung rechtfertigen sollen.

    Sobald die Remonstration frist- und formgerecht in der Botschaft oder Auslandsvertetung eingegangen ist, wird der Visumantrag erneut umfassend überprüft. Im Remonstrationsverfahren werden hierbei alle nachgereichten Unterlagen und die im Remonstrationsschreiben enthaltenen Ausführungen berücksichtigt.

    Sofern die Botschaft oder Auslandsvertretung zu der Entscheidung kommt, dass die Erteilung des begehrten Visums nach Abschluss des Remonstrationsverfahrens möglich ist, muss notwendigerweise ein erneuter Termin zur Vorsprache zwecks Visumerteilung vereinbart werden.

    Falls die Botschaft die Remonstration nicht für begründet hält, wird sie einen sog. Remonstrationsbescheid erlassen, in welchem die Gründe für die Ablehnung ausführlich dargestellt werden.

    B.) Klage beim Verwaltungsgericht Berlin

    Weiterhin besteht auch die Möglichkeit, Klage beim Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin einzureichen.

    Die ablehnenden Bescheide der Botschaft sind daher immer mit einer Rechtsbehelfsbelehrung über die Klagemöglichkeit beim Verwaltungsgericht versehen.

    Das Verwaltungsgericht ist sachlich zuständig, da das Ausländerrecht ein Rechtsgebiet des besonderen Verwaltungsrechts ist. Örtlich ist das Verwaltungsgericht Berlin zuständig, weil die Botschaften dem Auswärtigen Amt unterstehen und das Auswärtige Amt seinen Sitz in Berlin hat.

    Die Länge eines solchen gerichtlichen Verfahrens ist schwer zu bestimmen, nach unserer Erfahrung kann eine Entscheidung innerhalb von wenigen Monaten erreicht werden, manchmal kann es allerdings auch länger dauern.

    Wenn aus bestimmten Gründen eine Eilentscheidung notwendig ist, kann auch ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt werden, dann kann eine (vorläufige) Entscheidung bereits nach wenigen Tagen vorliegen.

    Erfolgsaussichten der Klage

    Ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat, ist für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen und kann nicht pauschal beantwortet werden.

    In einem gerichtlichen Verfahren wird insbesondere überprüft ob,

    • die Botschaft/Auslandsvertretung den Sachverhalt zutreffend ermittelt hat,
    • die Botschaft/Auslandsvertretung entscheidungsrelevante Verfahrensfehler begangen hat,
    • die Botschaft/Auslandsvertretung das anzuwendende Recht bei der Entscheidung über den Antrag verkannt hat, indem bei seiner Anwendung allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen der Entscheidung zu Grunde lagen (OVG Berlin Brandenburg (Senat), Beschluss vom 19.03.2015 – OVG 11 N 107.14).

    Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 19.12.2013 (Az.: C-84/12) entschieden, dass die Erteilung eines Schengen-Visums nur aus den Gründen, die ausdrücklich im Visakodex der Europäischen Union vorgesehen sind, abgelehnt werden darf. Allerdings haben die nationalen Behörden bei der Prüfung, ob einer dieser Ablehnungsgründe vorliegt, einen weiten Beurteilungsspielraum.

    Sollte das Risiko der rechtswidrigen Einwanderung erwiesen sein, müssen die Behörden das Schengen-Visum wegen begründeter Zweifel an der Rückkehrabsicht des Antragstellers verweigern (vgl. Verweigerungsgrund in Art. 32 it. b des Visakodex).

    Es muss zudem keine absolute Gewissheit über die Rückkehrunwilligkeit vorliegen, sondern es genügen begründete Zweifel an der Absicht in das Heimatland zurückzukehren.

    Die zuständigen Behörden müssen zudem eine individuelle Prüfung des Antrags vornehmen und

    • die allgemeinen Verhältnisse im Wohnsitzstaat des Antragstellers,
    • seine persönlichen Umstände, insbesondere seine familiäre, soziale und wirtschaftliche Situation,
    • etwaige frühere rechtmäßige oder rechtswidrige Aufenthalte in einem Mitgliedstaat und
    • seine Bindungen im Wohnsitzstaat und in den Mitgliedstaaten berücksichtigen.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

    Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de

    Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Sie im Ausländerrecht