Voraussetzungen Amtshaftung Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Voraussetzungen Amtshaftung

  1. Sozialrecht: Gesetzliche Krankenkasse kann im Wege der Amtshaftung für falsche Auskünfte Ihres Mitarbeiters zahlungspflichtig sein.

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    Oberlandesgericht Karlsruhe, 18.12.2012, Az.: 12 U 105/12

    Die Verantwortlichkeit eines Amtswalters (z. B. eines Beamten oder eines Beschäftigten des öffentlichen Dienstes) für Schäden, die dieser während der Ausübung ihres Amtes Dritten gegenüber verursacht, wird landläufig als „Amtshaftung“ bezeichnet. Unter Amtshaftung versteht man also die Haftung des Staates und seiner Beamten.

    Normiert ist die Amtshaftung in § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG. Der Rechtsweg für die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen ist grundsätzlich nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Zivilrechtsweg, Art. 34 S. 3 GG i. V. m. § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO. Unabhängig vom Streitwert sind dafür immer die Landgerichte zuständig, § 1 ZPO i. V. m. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG.

    Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen, damit ein Amtshaftungsanspruch gegeben ist:

     

        • Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes
        • Amtspflichtverletzung
        • Drittbezogenheit
        • Verschulden

    Liegen diese Voraussetzungen vor, trifft die die Verantwortlichkeit grundsätzlich nicht den Beamten selber (also die natürliche Person), sondern den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.

    Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Handlungsweise des handelnden Beamten kann es allerdings zu Regressansprüchen des Staates gegenüber dem Beamten kommen.

    In dem oben genannten Urteil des OLG Karlsruhe hatte dieses darüber zu entscheiden, ob einer Frau, welche nach der Zusage einer Kostenübernahme zu einer Krankenkasse wechselte, einen Amtshaftungsanspruch gegen diese Krankenkasse hatte, als sich heraus stellte, dass die Krankenkasse die Kosten dennoch nicht übernehmen wollte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Die bereits krankenversicherte Klägerin wechselte nach einem Beratungsgespräch mit dem Mitarbeiter der Beklagten zur Beklagten als gesetzlichem Krankenversicherer.

    Klägerin wechselte auf Anraten des Mitarbeiters zu der Krankenversicherung des Mitarbeiters

    Die der Klägerin entstandenen Kosten ihrer medizinischen Versorgung, insbesondere aus einer Krebsbehandlung auf naturheilkundlicher Basis, Kosten für Nahrungsergänzungsmittel, Zahnreinigung, Praxisgebühren sowie Zuzahlungen für Massagen und Medikamente, reichte sie jeweils über den Mitarbeiter bei der Beklagten ein, der die Rechnungen aus seinem Privatvermögen beglich, da die geltend gemachten Kosten nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst waren.

    Mitarbeiter beglich die nicht von der Beklagten übernommen Kosten aus dem Privatvermögen

    Nachdem im Jahr 2008 nicht unerhebliche Zahlungsrückstände aufgetreten waren, blieb die Kostenerstattung im Jahr 2010 endgültig aus, woraufhin sich die Klägerin an die Beklagte wandte, die damit erstmals von dem Sachverhalt Kenntnis erlangte und eine Kostenübernahme ablehnte.

    Das zunächst angerufene Landgericht verurteilte die Krankenkasse zur Zahlung

    Das daraufhin durch die Klägerin angerufene Landgericht verurteilte die beklagte Krankenkasse auf Zahlung der ausstehenden Behandlungskosten sowie anteiliger Rechtsanwaltskosten aufgrund bestehender Amtshaftungsansprüche der Klägerin gegen die beklagte Krankenkasse.

    Gegen dieses Urteil reichte die Beklagte Berufung zum Oberlandesgericht Karlsruhe ein.

    Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe:

    Das OLG Karlsruhe sah ebenfalls einen Schadensersatzanspruch der Beklagten

    Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte das Urteil des Landgerichts und urteilte ebenfalls, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG in Höhe von 2.533,18 EUR zustünde:

    Die Beklagte sei als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruchsverpflichtete aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG.

    Gemäß § 4 Abs. 1 SGB V handele es sich bei der Beklagten um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Tätigkeit als öffentliche Sozialversicherung hoheitlicher Leistungsverwaltung zuzuordnen sei.

    Damit würden auch für die Erteilung von Auskünften und die Bescheidung von Anträgen und Anfragen auf diesem Gebiet die allgemeinen Grundsätze über die Erteilung von Auskünften im hoheitlichen Bereich (Staudinger/Wöstmann (2012), BGB, § 839 Rdnr. 785) gelten.

    Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes darstelle, bestimme sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig werde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen sei und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang bestünde, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden müsse.

    Dabei sei nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit diene, abzustellen (BGH VersR 2006, 1684 ; OLG Hamm, Urt. v. 5.6.2009 – 11 U 193/08 – RdL 2010, 128 – juris Tz. 23).

    Bei Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung obliege der Beklagten bzw. ihren zuständigen Amtsträgern – unabhängig davon, ob diese Beamtenstatus haben oder in einem sonstigen Anstellungsverhältnis stünden und daher (lediglich) als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen seien (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., 2012, § 839 Rdnr. 15) – die Verpflichtung zu gesetzeskonformen Verwaltungshandeln.

    Krankenkasse muss für die falsche Beratung des Mitarbeiters gerade stehen

    Nach § 14 SGB I seien die Sozialleistungsträger zu einer zutreffenden Beratung der Versicherten über die Rechte und Pflichte in der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet. Auskünfte und Belehrungen seien grundsätzlich richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig zu erteilen (BGH NJW 1994, 2087 – juris Tz. 43).

    Die damit im Vorfeld des Wechsels der Klägerin zur Beklagten sowie die danach entfaltete Beratungstätigkeit des Zeugen K im Rahmen von § 14 SGB I sei als hoheitliches Handeln anzusehen.

    Die Pflicht zu zutreffender Beratung bestünde auch im Interesse der Klägerin als geschützte „Dritte“ i. S. von § 839 BGB.

    Grundsätzlich dürfe der Bürger von der „Rechtmäßigkeit der Verwaltung“ ausgehen (BGH NJW 1994, 2087 – juris Tz. 30; BSGE 44, 114 (121); BGH NJW 2003, 3049 – juris Tz. 8).

    Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe

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  2. Schadensersatz: Verklagter Lehrer muss gemobbtem Schüler Schmerzensgeld zahlen

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    Pfälzisches OLG Zweibrücken, 06.05.1997, Az.: 7 O 1150/93

    Oftmals werden Kinder in der Schule Opfer von Mobbingattacken sowohl von Mitschülern als auch von Lehrern.

    Viele Studien belegen insbesondere die massive Benachteiligung von Jungen in sämtlichen Schulstufen.

    Mobbingattacken sowohl von Lehrern als auch von Schülern kann und sollte jedoch entschieden entgegen getreten werden, da es zu den Amtspflichten eines Lehrers gehört, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schüler zu schützen.

    Bei Mobbing werden der Schüler oder die Schülerin  sozial ausgegrenzt. Dies ist häufig mit Beleidigungen oder Bedrohungen verknüpft. Oft werden dazu Gerüchte verbreitet und die Betroffenen werden bewusst von wichtigen Informationen ferngehalten. Darüber hinaus können Verhöhnungen, Erpressungen, Drohungen oder Gewalt im Spiel sein.

    Richtig schlimm kann es werden, wenn ein Lehrer seine Amtspflichten verletzt. Dieser kann dann straf- und disziplinarrechtlich belangt werden. Auch Schadenersatzverpflichtungen zivilrechtlicher Art können dabei entstehen.

    Gem. § 839 Abs. 1 BGB hat ein Beamter nämlich denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher er einem Dritten durch die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung seiner Amtspflicht zugefügt hat.

    Dritten gegenüber haftet dann gem. Art. 34 GG allerdings zunächst der Staat anstelle des Beamten, soweit dieser in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat. Es findet also eine Haftungsverlagerung auf den Staat statt (Schuldübernahme).

    Die Amtspflicht eines Beamten ist jede persönliche Verhaltenspflicht des Beamten in der Ausübung seines Amtes.

    Die Fürsorge – und Obhutspflicht eines Lehrers gegenüber seinen Schülern geht dabei sogar noch über die allgemeine Amtspflicht eines Beamten hinaus.

    Dadurch, daß die Schüler verpflichtet sind, die Schule zu besuchen, resultiert für den Lehrer während der Schulzeit die Pflicht, die Schulkinder vor Schäden an Gesundheit und Vermögen wie auch vor Verletzung anderer grundrechtlich geschützter Güter (das allgemeine Persönlichkeitsrecht) zu schützen.

    Lehrer dürfen daher weder selbst grundrechtsverletzende Handlungen vornehmen noch solche dulden.

    Die Amtspflichtverletzung des Lehrers kann daher sowohl in der Vornahme einer unzulässigen Handlung wie auch im Unterlassen einer gebotenen Handlung bestehen.

    Das oben genannte Urteil ist das Beispiel einer Mobbingattacke, die von zwei Schülerinnen gegen einen Mitschüler gestartet und anschließend durch den Lehrer weiter geführt wurde.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Der klagende Schüler besuchte im Schuljahr 1992/93 die 3. Klasse der Grundschule. Der Beklagte zu 1) war sein Klassenlehrer. Die Beklagte zu 2) das Bundesland als Dienstherr des Lehrers.

    Klagendes Schulkind ist war hyperaktiv und litt an Koordinationsstörungen

    Der Kläger war hyperaktiv und litt unter anderem an einer Störung der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit sowie an einer Koordinationsstörung.

    Seit 1990 befand er sich deshalb in ständiger ärztlicher Behandlung, was dem beklagten Lehrer bekannt war. Aufgrund seiner Erkrankung wurde der Kläger häufig von seinen Mitschülern gehänselt.

    Im Herbst des Jahres 1992/93 brachten Mitschüler ein Poster mit in die Schule, auf dem ein Affe abgebildet war. Dieses wurde im Klassenzimmer aufgehängt.

    Lehrer vergleicht Schüler mit Affen und ließt laut Mobbingbrief vor

    Als der beklagte Lehrer das Poster sah, fragte er die Klasse, ob man das Bild mit dem Namen des Klägers bennenen wolle. Dies bejahte die Klasse und reagierte mit Gelächter.

    Im Januar 1993 las der Beklagte der Klasse einen erkennbar an den Kläger gerichteten Brief zweier Mitschülerinnen mit folgenden Inhalt vor: „Du bist mein Liebling! Du bist zwar saudumm, darum lieben wir Dich! Weil Du nur 2 mm groß bist?! Alles Gute bei Deiner weiteren Liebe! Deine XXX“

    Wegen des Mobbings wird der Kläger zum Bettnäßer und hat Alpträume

    Seit diesem Tage näßte der Kläger ein, weinte nachts, war ängstlich und unruhig und redete im Schlaf. Darüber hinaus hatte er nachts Alpträume und war nur unter dem Druck seiner Eltern bereit, die Schule weiter zu besuchen.

    Landgericht Frankenthal verurteilt Beklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld

    In der ersten Instanz entschied das LG Frankenthal (Pfalz) nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Kinderarztes, dass das ebenfalls beklagte Land an den Kläger ein Schmerzensgeld von 1 600,00 DM sowie weitere 645,84 DM zu zahlen habe.

    Urteil des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken:

    Gegen dieses Urteil legte das Land Berufung ein.

    Das pfälzische OLG Zweibrücken wies die Berufung ab. Das Landgericht habe das Land zu Recht verurteilt, an den Kläger 1.600,00 DM als Schmerzensgeld sowie weitere 645,84 DM als Schadensersatz zu zahlen.

    Der Kläger habe nach Art. 34 GG i.V. m. §§ 839 Abs. 1, 847 BGB einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz gehabt.

    OLG Zweibrücken sieht ebenfalls eine Pflichtverletzung des Klägers

    Der beklagte Lehrer habe fahrlässig eine ihm gegenüber dem Kläger obliegende Amtspflicht verletzt, indem er einen für den Kläger bestimmten und diesen verhöhnenden Brief zweier Mitschülerinnen in der Klasse verlesen habe.

    Jeder hoheitlich handelnde Beamte sei verpflichtet, sich bei der Amtsausübung aller Eingriffe in fremde Rechte zu enthalten, die eine unerlaubte Handlung im Sinne des bürgerlichen Rechts, so auch des § 823 Abs. 1 BGB darstellen.

    Ein Beamter, der in Ausübung seines öffentlichen Amtes in diesem Sinne eine unerlaubte Handlung begehe, verletze dadurch zugleich eine ihm dem Träger des Rechts oder Rechtsguts gegenüber obliegende Amtspflicht.

    Zu den gemäß § 823 Abs. 1 BGB geschützten sonstigen Rechten zählten auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (ständige Rechtsprechung des BGH: vgl. BGHZ 69, 128, 138; BGH NJW 1981, 675, 676 und BGH NJW 1994, 1950, 1951).

    Die Fürsorge- und Obhutspflicht des Lehrers gegenüber dem Schüler wurde verletzt

    Die Fürsorge – und Obhutspflicht eines Lehrers gegenüber Schülern gehe über die allgemeine Amtspflicht eines Beamten hinaus.

    Dadurch, daß die Schüler verpflichtet seien, die Schule zu besuchen, resultiere für Lehrer während der Schulzeit die Amtspflicht, die Schulkinder vor Schäden an Gesundheit und Vermögen wie auch vor Verletzung anderer grundrechtlich geschützter Güter zu schützen.

    Sie dürften weder selbst grundrechtsverletzende Handlungen vornehmen noch solche dulden.

    Der Lehrer dürfe deshalb auch nicht selber dazu beitragen, daß das Persönlichkeitsrecht eines Schülers dadurch verletzt werde, daß gegen einen einzelnen Schüler gerichtete ehrverletzende Äußerungen verbreitet werden.

    Diese Amtspflicht diene dem Schutz der Grundrechte der Schüler, da sie sich während der Schulzeit in der Obhut der Schule befänden. Sie bestünde also gerade den Schülern gegenüber.

    Quelle: Pfälzisches OLG Zweibrücken

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