Internetrecht: Auch unvollständige Webseiten, die versehentlich ins Internet gestellt wurden, können zur Abmahnung berechtigen.
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Wettbewerbsrecht
Veröffentlicht:
von: Helmer Tieben

Landgericht Essen, 13.11.2014, Az.: 4 O 97/14

Gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Die §§ 4 – 7 UWG wiederum geben Regelbeispiele für unlauteren Wettbewerb, irreführende Werbung, vergleichende Werbung und unzumutbare Belästigung.

Wer dennoch eine nach diesen Regelungen unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann gemäß § 8 UWG durch einen Mitbewerber auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

In dem hier besprochenen Fall bewarb die Vermieterin einer Ferienwohnung diese Wohnung im Internet. Die Webseite enthielt kein ausreichendes Impressum. Daraufhin wurde sie von einer Mitbewerberin auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Gericht stellt in seiner Urteilsbegründung insbesondere sehr schön die Voraussetzungen dar, nach welchen man als Mitbewerber kategorisiert werden kann.

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Sachverhalt: Die Klägerin in diesem Verfahren vermietete über die Webseite www…de Ferienwohnungen auf C. Die Beklagten waren Eigentümer einer Ferienwohnung auf C, welche sie seit mehreren Jahren vermieteten. Der Beklagte zu 2) warb auf verschiedenen Portalen, z.B. auf J und C1, für die Vermietung seiner vorgenannten Ferienwohnung.

Unter anderem im März 2014 wurde die Ferienwohnung der Beklagten zeitweise über die Webseite www…de angeboten. Die Webseite war durch die Beklagte zu 1) im Jahr 2007 errichtet und ins Internet eingestellt worden. Die Beklagte zu 1) war auch Domaininhaberin.

Im März 2014 waren die auf der Webseite www…de eingestellten Inhalte veraltet und unvollständig. So hatte u.a. die Preisliste den Stand des Jahres 2010; die Texte waren teilweise nicht vollendet oder überhaupt nicht ausgeführt. Zudem waren die Bilder der Ferienwohnung teilweise verdreht eingestellt. Mindestens vom 11.03.2014 bis zum 17.03.2014 war auf der Webseite www…de darüber hinaus als Anbieter lediglich die „Familie I“ angegeben. Weitere Angaben zu etwaigen Vornamen oder zur Anschrift fehlten völlig.

Mit Anwaltsschreiben vom 19.03.2014 ließ die Klägerin die Beklagten daraufhin durch ihren Rechtsanwalt abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung der Abmahnkosten auffordern. Mit Schreiben vom 24.03.2014 teilten die Beklagten der Klägerin dann mit, dass sie hierzu „mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde nach § 174 BGB“ nicht bereit seien. Mit Wirkung ab dem 01.05.2014 wurde die Löschung der Domain durch die Beklagte zu 1) veranlasst.

Da die Beklagten die Abgabe der Unterlassungserklärung verweigerten, klagte die Klägerin auf Unterlassung und Schadensersatz bzgl. der Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 382,70 € auf Grundlage eines Streitwertes von 10.000,00 €.

Landgericht Essen: Das Landgericht Essen folgte der Ansicht der Klägerin und urteilte, dass die Klage zulässig und begründet sei.

Die Klägerin habe gegen die Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus den §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 5 TMG. Die Klägerin sei als Wettbewerberin der Beklagten nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG klagebefugt.

Mitbewerber sei gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stünde. Grundsätzlich sei im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG keine hohen Anforderungen zu stellen. Anzuknüpfen sei an die jeweilige konkrete geschäftliche Handlung, hier also die Vermietung von Ferienwohnungen auf C über das Internet.

Für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses sei es ausreichend, wenn die beteiligten Unternehmen die gleichen oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass die beanstandete geschäftliche Handlung das andere Unternehmen (Mitbewerber) beeinträchtigen würde, d.h. in seinem Absatz behindern oder stören könne. Teilüberschneidungen des Sortiments würden hierbei ausreichen. Es sei auch nicht erforderlich, dass die Beteiligten auf der gleichen Vertriebsstufe tätig seien.

Die vorgenannten Voraussetzungen seien erfüllt. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagten würden sich mit der Vermietung bzw. Vermittlung von Ferienwohnungen auf C befassen. Die Beklagten hätten zugestanden, dass sie der vorgenannten Tätigkeit im streitgegenständliche Zeitraum (März 2014) nachgegangen seien und dies auch weiterhin tun würden. In Ansehung dessen sei es für die Frage des Konkurrenzverhältnisses irrelevant, ob das Konkurrenzangebot gerade über die streitgegenständliche Internetseite geschehen sei.

Ob die Klägerin Eigentümerin der vermieteten Wohnungen sei oder ihre gewerblichen Einnahmen ggf. nur auf einer Vermittlungsprovision beruhen würden, sei für das Konkurrenzverhältnis ebenfalls unerheblich. Es komme nicht darauf an, ob die Konkurrenztätigkeit auf gleicher Vermarktungsstufe erfolgen würde. Entscheidend sei vielmehr, ob sich die Parteien um den gleichen Kundenkreis bemühen würden. Dies sei hier der Fall. Beide Parteien würden Personen ansprechen wollen, welche nach einer Ferienunterkunft auf C suchen würden.

Auch die Ausstattungsqualität der Wohnungen sei nicht von Bedeutung. Wer eine günstige, weniger gut ausgestattete Ferienwohnung auf C anmieten würde, komme in diesem Zeitraum als potentieller Mieter einer höherwertigen Ferienwohnung nicht mehr in Betracht.

Rechtlich unerheblich sei weiter, ob hier die konkurrierende Internetwerbung im Ergebnis von wirtschaftlichem Vorteil war oder wegen der Schrägstellung der Bilder und der unvollständigen Texte potentielle Kunden eher abgeschreckt habe. Die Webseite würde zumindest die Möglichkeit eröffnen, Kunden zu interessieren und zu einer Kontaktaufnahme zu bewegen.

Auch hätten die Beklagten unlauter gehandelt. Es würde ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG vorliegen.

Nach § 5 TMG müssten Diensteanbieter, die ihre angebotenen Leistungen letztlich gegen Entgelt erbringen, ihre Daten darlegen. Das Fehlen der Angaben nach § 5 TMG stelle einen Verstoß nach § 4 Ziff. 11 UWG dar. Es handele sich hier um eine Informationspflicht im Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern und damit um eine Marktverhaltensregelung. Marktverhaltensregeln seien Vorschriften im Sinne von § 4 Ziff. 11 UWG. Sinn und Zweck des § 5 TMG sei es, dem Verbraucher die Geltendmachung von Rechten zu ermöglichen.

Hier sei im Zeitraum 11.03.2014 bis 17.03.2014 eine ordnungsgemäße Anbieterkennzeichnung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG nicht vorhanden gewesen. So hätten sowohl ein (vollständiger) Name des Anbieters als auch die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift gefehlt.

Für die vorgenannten Defizite habe die Beklagte zu 1) einzustehen. Sie sei Diensteanbieterin im Sinne des § 2 TMG. Diensteanbieter sei jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Teledienste zur Nutzung bereit halte oder den Zugang zur Nutzung vermitteln würde. Dabei sei auch eine bloße Werbung für Waren ohne unmittelbare Bestellmöglichkeit als Telemediendienst anzusehen. Die Beklagte zu 1) habe unstreitig die Webseite errichtet und ins Internet gestellt; darüber hinaus sei sie auch Domaininhaberin. Unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Voraussetzungen stünde es der Anwendbarkeit des § 2 TMG nicht entgegen, dass die Webseite veraltet gewesen sei und damit nur zu einer Kontaktaufnahme und nicht zu einem unmittelbaren Vertragsschluss hätte führen können.

Für den Verstoß gegen § 5 TMG habe auch der Beklagte zu 2) einzustehen. Zwar sei dieser nicht Domaininhaber. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass der Beklagte zu 2) auf die Gestaltung der Webseite Einfluss nehmen konnte. Er hafte aber jedenfalls als Mitstörer. Es sei nunmehr unstreitig, dass die auf der streitgegenständlichen Webseite dargestellte Ferienwohnung auch von dem Beklagten zu 2) vermietet worden sei. Dem Beklagten zu 2) sei auch spätestens seit der vorprozessualen Abmahnung vom 19.03.2014 bekannt gewesen, dass über die Webseite www…de auch in seinem Namen für seine Ferienwohnung geworben worden sei.

Auch sei der Verstoß gegen § 5 TMG erheblich im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG. Der Bagatelleinwand der Beklagte sei nicht durchgreifend. Die Erheblichkeit ergibt sich bereits aus den oben dargelegten Erwägungen zum Sinn und Zweck des § 5 TMG. Darüber hinaus würden die Beklagten den Normzweck von § 3 Abs. 2 UWG verkennen. Normzweck von § 3 Abs. 2 UWG sei der Ausschluss solcher Verletzungshandlungen aus dem Verbotsbereich, die sich auf das Marktgeschehen praktisch nicht auswirken würden. Die Eingriffsschranke führe aber nicht dazu, dass für den Wettbewerb beachtliche unlautere Handlungen legalisiert werden. Es sei deshalb bei der Aussiebung der unbeachtlichen Wettbewerbsverstöße ein engmaschiges Raster anzulegen. Von einer Bagatellhandlung könne vor diesem Hintergrund nicht gesprochen werden, wenn ein Marktteilnehmer gegen ein ausdrückliches gesetzliches Gebot verstoßen würde (wie z.B. § 5 Abs. 1 TMG), welches das Marktgeschehen gerade transparent machen solle.

Auch der von den Beklagten erhobene Einwand fehlenden Verschuldens würde ins Leere gehen. Es komme nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1) die Webseite nur „versehentlich“ aktiviert habe oder ob der Beklagte zu 2) zunächst ohne sein Wissen von der Beklagten zu 1) als Diensteanbieter („Familie I“) aufgenommen worden sei. Die Unterlassungspflicht aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 UWG setze Verschulden nicht voraus.

Quelle: Landgericht Essen

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