Ausländerrecht: Ablehnung eines Asylantrags unter Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

Verwaltungsgericht Augsburg, 01.03.2016, Az.: AU 6 K 15.30772

Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot).

Im Weiteren regelt § 11 Abs. 7 S. 1 AufenthG, dass gegen einen Ausländer, dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen kann. Hierfür ist es jedoch erforderlich, dass der Asylantrag tatsächlich noch abzulehnen ist. Demnach, dass der Antrag durch den Antragsteller zunächst gestellt und auch weiter aufrechterhalten wird. Wird der Antrag jedoch zurückgenommen oder tritt aus anderen Gründen Erledigung ein, darf das BAMF nicht mehr über einen Antrag entscheiden und somit kein Verbot verhängen. Etwas Anderes würde nur gelten, wenn das BAMF von Amts wegen zu entscheiden hätte, dies ist jedoch bei einem Asylantrag nicht der Fall.

Was ist bei der Ausreisesperre zu berücksichtigen

In dem vorliegenden Rechtsstreit ging es um die Frage, ob das BAMF einen Verwaltungsakt über den Asylantrag des Klägers erlassen und ob es in diesem ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängen durfte.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Der Kläger begehrt mit der Klage die Aufhebung des angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots.

Der Kläger ist albanischer Staatsangehöriger und reiste am 23.07.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte daraufhin am 28.09.2015 einen Asylantrag. Hierbei gab er an, dass er arbeitslos sei und seine Familie sich in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen befinde.

Mit Bescheid vom 16.12.2015 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und die Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab. Ebenfalls sei kein subsidiärer Schutzstatus anzunehmen (Nr. 3). Zugleich wurde festgestellt, dass die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht eingreifen (Nr. 4). Die Abschiebung nach Albanien wurde angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde befristet auf 10 Monate ab Ausreise (Nr. 6) und das Verbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7). Zur Begründung hat das BAMF angeführt, dass der Kläger aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme. Das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG und gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG sei angemessen.

Kläger argumentiert, dass er versucht habe, den Asylantrag zurückzunehmen

Hiergegen erhob der Kläger am 22.12.2015 Klage beim VG Augsburg und beantragte die Aufhebung des Bescheides und hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit. Er führt in der Begründung aus, dass ihm die Aussichtlosigkeit seines Antrags bewusst gewesen sei und er deswegen am 14.12.2015 versucht habe, seinen Antrag zurückzunehmen um eine Einreisesperre zu verhindern.

Ihm ging es inbesondere um die Aufhebung der Wiedereinreisesperre

Dies sei aber wegen der fehlenden Vorlage von Original-Personaldokumenten nicht möglich gewesen, obwohl er darauf hingewiesen habe, dass er diese bei der Registrierung abgegeben habe. Im Weiteren wurde vorgetragen, dass er bereits am 02.12.2015 mitgeteilt habe, dass er freiwillig ausreisen wolle, was auch am 21.01.2016 geschah. Im Weiteren habe er seinen Antrag schriftlich am 23.12.2015 zurückgenommen. Daher habe der Bescheid nach Ansicht des Klägers nicht ergehen dürfen. Insbesondere habe die Behörde ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.

Urteil des Verwaltungsgericht Augsburg

Das Gericht stellt zunächst fest, dass die Sachentscheidungen der Beklagten Nr. 1-3 aufgrund der Rücknahme des Asylantrags gegenstandslos geworden sind. Im Weiteren führt es aus, dass dem Kläger bezüglich Nr. 7 (Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG) das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da er aufgrund der freiwilligen Ausreise nicht beschwert sei.

Im Übrigen sei die Klage zulässig. Die Klage sei jedoch nur hinsichtlich § 11 Abs. 7 AufenthG begründet. Soweit der Kläger die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG begehrte, sei die Klage unbegründet (Nr. 4). Insoweit sei die Abschiebungsanordnung (Nr. 5) auch zulässig.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG solle von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sei, werden bei Entscheidungen nach § 60a Abs. 1 AufenthG berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Allgemeine Gefahren können nur dann Schutz vor Abschiebung begründen, wenn der Ausländer einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Fall seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzung ausgeliefert würde und diese Gefahren alsbald nach seiner Rückkehr und landesweit drohen würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.9.2011 – 10 C 14/10). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Gefahr liefe, in Albanien auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde, gäbe es nicht. Dem Kläger sollte es bei seiner Rückkehr möglich sein, sein Existenzminimum zu sichern. Insofern sei Albanien ein sicheres Herkunftsland.

Die Abschiebungsandrohung sei nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG trotz Rücknahme des Antrags zu erlassen. Ebenso bestehen gegen die Ausreisefrist nach Ansicht des Gerichts keine rechtlichen Bedenken.

Die Klage sei jedoch aufgrund des erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG (Nr. 6) begründet.

Das seitens des BAMF angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 S. 1 AufenthG hänge vom Eintritt der Bestandskraft der asylrechtlichen Statusentscheidung ab. Dies ergebe sich bereits unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 7 S. 2 AufenthG, danach werde das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Durch die Rücknahme des Asylantrags sei jedoch Erledigung (Gegenstandslosigkeit) eingetreten, die der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes entgegenstehe. Daher sei das angefochtene Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtswidrig und verletze dadurch den Kläger in seinen Rechten.

Quelle: Verwaltungsgericht Augsburg

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