Ausländerrecht: Das Chancenaufenthaltsrecht soll Geduldeten einmalig die Chance zur langfristigen Integration eröffnen - MTH Rechtsanwälte Köln
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

Durch die Einführung des § 104c AufenthG besteht seit dem 31.12.2022 eine neue Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten – das Chancenaufenthaltsrecht.

Profitieren können von der neuen Regelung Ausländer, die am 31.10.2022 seit mindestens 5 Jahren geduldet oder gestattet in Deutschland gelebt haben. Die Aufenthaltserlaubnis wird dann befristet auf 18 Monate erteilt. Dieser Zeitraum soll einmalig die Chance eröffnen, im Rahmen eines sicheren Aufenthalts alle Voraussetzungen zur Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a oder § 25 b AufenthG zu erfüllen. Geschieht dies nicht, fällt die Person nach Ablauf der 18 Monate wieder in den vorherigen Status zurück.

Die Voraussetzungen nach § 5 AufenthG, wie ein gesicherter Lebensunterhalt, die Klärung der Identität oder die Pflicht einen gültigen Pass zu haben müssen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG nicht erfüllt sein – vielmehr sollen die 18 Monate dazu dienen, gerade Aspekte wie diese zu klären.

Nach Abs.2 können auch minderjährige, ledige Kinder, Ehegatten oder Lebenspartner die mit dem Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 107c Abs.1 AufenthG in häuslicher Gemeinschaft leben die Aufenthaltserlaubnis beantragen.

Die konkreten Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG sind der dauerhafte geduldete, gestattete oder durch eine Aufenthaltserlaubnis gewährte Aufenthalt in der Bundesrepublik seit mindestens 5 Jahren zum 31.10.2022 und die Bekennung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik. Der Antragstellende darf zudem nicht wegen einer im Bundesgebiet vorsätzlich begangenen Straftat verurteilt worden sein, mit Ausnahme von Verurteilungen von nicht mehr als 50 Tagessätzen oder nicht mehr als 90 Tagessetzen für Straftaten nach dem AufenthG oder AsylG die nur von Ausländern begangen werden können, oder Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht mit Ausnahme der Verhängung von Jugendstrafe. Er darf zudem nicht wiederholt falsche Angaben gemacht oder über seine Identität getäuscht und dadurch kausal seine Abschiebung verhindert haben.

Notwendig ist zudem gemäß § 81 Abs.1 AufenthG die Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Dieser Antrag muss keine Angabe der Norm enthalten, auf deren Grundlage die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll. Dies führt dazu, dass bereits jetzt Gerichte mit der Anwendung des § 104c AufenthG befasst sind, so zum Beispiel das Verwaltungsgericht Schwerin (Urteil vom 24.01.2023 I A 1110/21 SN). Zwar hatte der bereits seit 2015 geduldet in Deutschland lebende, aus Mauretanien stammende Kläger den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits im September 2020 gestellt, das Gericht legte diesen jedoch so aus, dass sie sich nicht auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage beziehe. Das Gericht gab der Klage auf Grundlage des § 104c AufenthG statt.

  • 104c AufenthG ist eine Soll-Vorschrift, bei Vorliegen der Voraussetzungen ist daher in der Regel die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Bei Vorliegen atypischer Umstände ist jedoch ausnahmsweise nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Während die Neuregelung für viele Menschen die Möglichkeit bietet, eine bereits lang bestehende Duldung zu beenden und einen Aufenthaltstitel zu erhalten, lassen sich auch problematische Aspekte erkennen. So führt die Stichtagsregelung etwa dazu, dass Personen, die kurze Zeit später die Voraussetzungen für die Visumserteilung erfüllen, davon nicht mehr profitieren können, ohne, dass sie dies beeinflussen könnten. Zudem werden Fragen der Sicherung des Lebensunterhalts oder der Klärung der Identität lediglich zeitlich nach hinten verschoben. Während der Zeit des gesicherten Aufenthaltes wird dies in vielen Fällen jedoch leichter möglich sein als während des lediglich geduldeten oder gestatteten Aufenthalts.

Quellen:

  1. VG Schwerin, Urteil vom 24.01.2023, Az.: I A 1110/21 SN
  2. Nachtigall: Chancen-Aufenthaltsrecht – Tatsächliche Chance für Geduldete? ZRP 2022, 184

 

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