Baurecht: Die Tätigkeit als Yogalehrerin ist als freiberuflich zu beurteilen und kann in einem reinen Wohngebiet genehmigt werden. -
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Baurecht
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von: Helmer Tieben

Verwaltungsgericht München Urteil, 09. Mai 2016 – M 8 K 15.733

Baugenehmigung für Yoga-Unterrichtsraum: Der Rechtsstreit im Überblick

In einem aktuellen Urteil musste sich ein Verwaltungsgericht mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Yogalehrerin, die eine Nutzungsänderung für ihren Hobbyraum im Kellergeschoss zu einem Yoga-Unterrichtsraum beantragte, eine entsprechende Baugenehmigung erhalten kann. Der Fall zeigt auf, welche Anforderungen an die freiberufliche Nutzung von Räumen in reinen Wohngebieten gestellt werden und wie das Verhältnis zwischen Wohnnutzung und freiberuflicher Tätigkeit im Baurecht geregelt ist. Trotz der Ablehnung des Antrags durch die zuständige Behörde entschied das Gericht zugunsten der Klägerin – allerdings unter bestimmten Auflagen.

Der Bauantrag: Yoga-Unterricht im Keller eines Wohnhauses

Die Klägerin, eine Yogalehrerin, beantragte im September 2014 die Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Hobbyraums in ihrem Kellergeschoss. Dieser Raum sollte fortan als Yoga-Unterrichtsraum dienen. Zusätzlich plante sie, ein Zimmer im Erdgeschoss als Behandlungsraum zu nutzen. Später reichte die Klägerin einen Änderungsantrag ein, bei dem der Behandlungsraum nicht mehr berücksichtigt wurde, aber die Nutzung des Kellerrraums als Yoga-Raum bestehen blieb. Die Kurse sollten zwei Mal täglich mit maximal sechs Teilnehmern stattfinden, jeweils morgens und abends an Werktagen.

Am 16. Februar 2015 lehnte die zuständige Behörde den Antrag jedoch ab. Sie begründete dies vor allem mit der Unzulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf das geltende Bauplanungsrecht. Das Grundstück, auf dem sich das Haus der Klägerin befindet, liegt in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNutzungsverordnung – BauNVO). Nach Auffassung der Behörde überschreite die geplante Nutzung die Grenzen dessen, was in einem solchen Gebiet zulässig sei. Zudem wurde die unzureichende Stellplatzsituation bemängelt.

Rechtliche Grundlage: Zulässigkeit freiberuflicher Tätigkeiten in Wohngebieten

Eine zentrale rechtliche Grundlage des Falles bildet der § 13 BauNVO, der sich mit der Zulässigkeit der Berufsausübung freiberuflicher Tätigkeiten in Wohngebieten befasst. Freiberufliche Tätigkeiten, wie sie die Klägerin als Yogalehrerin ausübt, sind grundsätzlich in Wohngebieten erlaubt, solange sie in „einzelnen Räumen“ stattfinden und nicht den Charakter des Wohngebiets verändern. Diese Regelung erlaubt es, dass ein Raum innerhalb eines Wohnhauses für die Berufsausübung genutzt wird, sofern dies keine übermäßigen Belästigungen für die Nachbarschaft zur Folge hat und die Nutzung die Wohnfunktion des Hauses nicht überlagert.

Das Gericht stellte fest, dass die Tätigkeit der Klägerin als freiberuflich im Sinne des § 13 BauNVO zu bewerten sei. Die Klägerin erbringe mit ihren Yogakursen eine lehrende Tätigkeit, die als freiberuflich anerkannt werden könne, da sie auf persönlichen Fähigkeiten basiert und den Anforderungen eines freien Berufs entspreche. Das Gericht führte an, dass Yogalehrer und ähnliche Berufe, die auf der Vermittlung geistiger und körperlicher Fertigkeiten beruhen, als freiberuflich anerkannt sind, ähnlich wie bei Lehrern, Ärzten oder Therapeuten.

Das Gebot der Rücksichtnahme: Prüfung der Nachbarschaftsverträglichkeit

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils war die Frage, ob die geplante Nutzung gegen das Rücksichtnahmegebot gemäß § 15 BauNVO verstößt. Diese Regelung besagt, dass eine grundsätzlich zulässige Nutzung unzulässig sein kann, wenn von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen, die für die Nachbarschaft unzumutbar wären. Hierbei kommt es insbesondere darauf an, wie sich das Vorhaben auf die unmittelbare Umgebung auswirkt.

Die Behörde hatte argumentiert, dass der Yoga-Unterricht aufgrund der Teilnehmerbewegungen und der Lage des Unterrichtsraumes im hinteren, ruhigen Teil des Grundstücks unzumutbare Beeinträchtigungen für die Nachbarn mit sich bringe. Das Gericht wies diese Argumentation jedoch zurück. Es stellte fest, dass die Teilnehmerzahlen mit maximal sechs Personen pro Kurs sowie die Tatsache, dass nur zwei Kurse am Tag stattfänden, nicht ausreichten, um eine unzumutbare Störung der Nachbarschaft zu begründen. Zudem sei die Art der Yogakurse, die in ruhiger Atmosphäre stattfinden, eher als unauffällig und nicht störend einzustufen.

Das Gericht verwies darauf, dass es sich bei Yoga um eine Tätigkeit handelt, die eher zur Entspannung und Ruhe beiträgt. Im Gegensatz zu anderen sportlichen Aktivitäten, bei denen Lärm oder verstärkter Personenverkehr die Umgebung stören könnte, sei dies bei Yogakursen nicht zu erwarten. Auch die Betriebsbeschreibung der Klägerin, die die Kurse zeitlich klar begrenzt und den Teilnehmerverkehr minimiert, trage dazu bei, dass keine unzumutbare Belastung für die Nachbarn entstehe.

Die Stellplatzproblematik: Auflagen für eine Genehmigung

Ein wesentlicher Punkt, der zur Ablehnung der Baugenehmigung führte, war die unzureichende Stellplatzsituation auf dem Grundstück der Klägerin. Gemäß Art. 47 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) müssen bei der Nutzungsänderung ausreichende Stellplätze nachgewiesen werden. Die Beklagte bemängelte, dass der vorhandene Stellplatz ein sogenannter „gefangener Stellplatz“ sei. Das bedeutet, dass der Stellplatz nur genutzt werden könne, wenn ein davor abgestelltes Fahrzeug entfernt würde, was die Nutzbarkeit einschränkt.

Das Gericht entschied jedoch, dass dieser Mangel durch Auflagen behoben werden könne. Da die Klägerin sowohl die Wohnnutzung als auch die freiberufliche Nutzung ausübe, könne der Stellplatz in der Regel so genutzt werden, dass keine Beeinträchtigungen entstünden. Das Gericht schlug vor, die Genehmigung unter der Bedingung zu erteilen, dass die Wohn- und Unterrichtsnutzung von derselben Person ausgeübt werden. So werde sichergestellt, dass der Stellplatz während der Kurszeiten nicht anderweitig genutzt wird und kein zusätzlicher Parkplatzbedarf entsteht.

Urteil: Genehmigung unter Auflagen

Letztlich entschied das Gericht zugunsten der Klägerin und sprach ihr das Recht auf die Nutzungsänderung des Hobbyraums in einen Yoga-Unterrichtsraum zu. Diese Entscheidung basierte auf der Feststellung, dass die geplante Nutzung gemäß § 13 BauNVO als freiberufliche Tätigkeit in einem reinen Wohngebiet zulässig sei. Das Gericht stellte klar, dass die Nutzung der Räume in Umfang und Art die Wohnnutzung nicht beeinträchtige und auch keine unzumutbaren Störungen für die Nachbarn zu erwarten seien.

Allerdings wurde die Genehmigung unter der Bedingung erteilt, dass die Wohnnutzung und die freiberufliche Nutzung weiterhin von der Klägerin selbst ausgeübt werden und keine zusätzliche Stellplatzproblematik entsteht. Die Klägerin muss zudem sicherstellen, dass der Stellplatz während der Kurszeiten nicht von anderen Hausbewohnern benötigt wird, um die geordnete Nutzung der Stellplätze zu gewährleisten.

Fazit: Rechtskonforme Nutzung von Hobbyräumen für freiberufliche Tätigkeiten

Das Urteil stellt einen wichtigen Präzedenzfall dar, wie freiberufliche Tätigkeiten, die in einem reinen Wohngebiet ausgeübt werden sollen, rechtlich behandelt werden. Es verdeutlicht, dass Yoga-Unterricht, wenn er in kleinem Rahmen und ohne störende Auswirkungen durchgeführt wird, als freiberufliche Tätigkeit im Sinne des Baurechts zulässig ist. Zudem zeigt das Urteil, wie Stellplatzprobleme durch geeignete Auflagen gelöst werden können, ohne die Rechte der Nachbarschaft zu beeinträchtigen.

Quelle: Verwaltungsgericht München

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