Mietrecht: Bei Vermüllung durch Messie kann die Kündigung wegen Gefährdung der Mietsache und Störung des Hausfriedens gerechtfertigt sein.
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Amtsgericht München, 08.08.2018, Az.: 416 C 5897/18

Wohnt ein Messie in der Wohnung eines Vermieters, kann dies schlimme Folgen für den Vermieter haben. Durch die Ansammlungen von Müll und Unrat kann die Bausubstanz gefährdet werden, es wird Ungeziefer angezogen und es entsteht ein ganz erheblicher Gestank.

In dem hier besprochenen Fall war die Wohnung vollständig vermüllt, wodurch sich ein ganz erheblicher Gestank gebildet hatte, welcher in die Nachbarwohnungen zog.  Trotz Kündigung wollte die Mieterin nicht ausziehen, so dass der Vermieter auf Räumung klagte.

Welche Rechte bei Störung des Hausfriedens

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

Klägerin ist Vermieterin, Beklagte ist Mieterin einer Wohnung

Die Parteien in diesem Fall streiten über die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung, sowie des zugehörigen Stellplatzes und des zugehörigen Kellerabteils.

Mit Mietvertrag vom 04.11.1996 hatte die Beklagte eine Wohnung von der Klägerin, einer GmbH & Co. KG angemietet. Die Beklagte bewohnt die streitgegenständliche Wohnung seit dem 15.01.1997 und zahlt aktuell für die Wohnung und den Stellplatz eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 841,00 Euro. Mit Schreiben vom 30.01.2018 erhielt die Hausverwaltung der Klägerpartei ein Schreiben nebst 2 Fotos, welches eine Beschwerde über unerträgliche Geruchsbelästigung ausgehend von der Wohnung der Beklagten enthielt. Beigelegt waren 2 Fotos, die den vermüllten und verwahrlosten Zustand der Küche der streitgegenständlichen Wohnung darstellten.

Mieterin lässt Wohnung vollständig vermüllen und verdrecken

Nachdem die Hausverwaltung die Klägerpartei entsprechend informiert hatte, forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 09.02.2018 unter Fristsetzung auf, bis spätestens 19.02.2018 die Wohnung in einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen und die Vermüllung und die vorhandenen Schäden zu beseitigen. Am 22.02.2018 fand ein Besichtigungstermin in der streitgegenständlichen Wohnung statt, an welchem die Beklagte, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und eine weitere Zeugin anwesend waren. Mit Erlaubnis der Beklagten wurde eine Fotodokumentation über den Zustand der streitgegenständlichen Wohnung erstellt. Der Zustand der Wohnung stellte sich wie folgt dar:

Zustand der Wohnung konnte nur als katastrophal bezeichnet werden

Der Flur der Wohnung war mit Müll, Papier und Schutt (Teppichreste usw.) knöcheltief bedeckt. In einer Kiste lagen angebrochene Katzenfutterdosen. Die Decke war mit Insektennestern überzogen.
Der Türbereich des Schlafzimmers war mit Papier und Müll auf dem Boden angefüllt. Es befand sich dermaßen viel Unrat auf dem Boden, dass man das Schlafzimmer nicht weiter betreten konnte. Die Wand unter der Balkontür wies Abplatzungen und Wasserschäden auf. An der Decke hingen große Spinnweben. Der Boden des Wohnzimmers war in Teilen ebenfalls mit Müll, Papier und Teppichresten usw. bedeckt. Die Wand unter der Balkontür wies Abplatzungen und Wasserschäden auf. Die Küche war stark vermüllt. Das Spülbecken war voller Schmutzwasser gelaufen und mit schmutzigen Geschirr und sonstigen Gegenständen angefüllt. Aus dem Wasserhahn lief fortwährend ein dünner Wasserstrahl in das Becken. Die Arbeitsplatte war durchfeuchtet und hinter dem Spülbecken eingebrochen. Es waren Schimmelschäden erkennbar. Im Badezimmer war der Boden feucht und verdreckt. Müll und Unrat quoll aus dem Flur in das Badezimmer hinein. Der Balkon war ebenfalls vermüllt. Auf dem Balkon hielten sich zahlreiche Tauben auf. Der Parkettfußboden der streitgegenständlichen Wohnung war teilweise stark durchnässt und verschmutzt. Zum Teil waren Geldstücke in den Holzfußboden eingetreten. Von der streitgegenständlichen Wohnung ging ein starker Geruch aus.

Mit E-Mail vom 08.06.2018 teilte die Mieterin der Wohnung welche direkt unter der streitgegenständlichen Wohnung lag, an die Hausverwaltung mit, dass sie einen Wasserfleck in ihrer Wohnung an der Decke festgestellt habe. Diesbezüglich übersandte die Nachbarin 2 Fotos an die Hausverwaltung.

Vermieterin kündigt der Mieterin fristlos wegen Gefährdung des Mietobjektes und reicht Räumungsklage ein

Mit außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigung vom 23.02.2018 kündigte die Klägerin daraufhin das Mietverhältnis und gab als Kündigungsgrund die Verwahrlosung und Vermüllung der Wohnung, sowie die erheblichen Schäden an.

In der Klageschrift wurde nochmals vorsorglich die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung durch die Klagepartei erklärt.

Die Beklagte wiederum beantragte, die Klage abzuweisen, da die Kündigung unwirksam sei. Der Zustand der Wohnung rechtfertige sich dadurch, dass es sich hier lediglich um Vorarbeiten zu umfassenden Renovierungsarbeiten handeln würde. Die Unordnung sei ein vorübergehender Zustand. Wenn sich ihre Wohnung in Unordnung befände, sei das ihr gutes Recht. Allerdings habe sie das Ausmaß des Aufräumens unterschätzt. Für den Wasserfleck in der Küche habe sie bereits die Haftung übernommen.

Urteil des Amtsgerichts München:

Amtsgericht München verurteilt die Mieterin zur Räumung und Herausgabe

Das Amtsgericht München urteilte nun, dass die Klägerin von der Beklagten Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 546 I BGB verlangen könne, da die Kündigungen wirksam gewesen sei.

Gemäß § 543 I BGB könne jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigen Grund außerordentlich fristlos kündigen. Gemäß § 543 II liege ein wichtiger Grund insbesondere dann vor, wenn der Mieter die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährden würde. Die streitgegenständliche Wohnung sei nicht nur unordentlich und stark vermüllt, von ihr gehe eine unangenehme Geruchsbelästigung aus und es seien inzwischen Substanzschäden eingetreten. So weise das Parkett im Eingangsbereich starke Beschädigungen (insbesondere auch durch Eintreten von Geldstücken) auf. Es befinde sich ein Wasserschaden im Deckenbereich der unter der streitgegenständlichen Wohnung befindlichen Wohnung.

Wohnung hatte nachweislich bereits erhebliche Schäden davongetragen

Der Herd in der Küche sei insofern beschädigt, als die Verankerung der Ofentür herausgerissen sei. Des Weiteren sei die Arbeitsplatte in der Küche stark beschädigt. Insoweit habe die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2018 einen Wasserschaden in der Küche eingeräumt und insoweit eine Haftungsübernahme bestätigt.

Des Weiteren stünde nach Überzeugung des Gerichts fest, dass sich in Folge der Verwahrlosung und Vermüllung der Wohnung Ungeziefer in der streitgegenständlichen Wohnung eingenistet habe. Insbesondere würden sich zahlreiche Tauben auf dem Balkon befinden. Im Schlafzimmer, sowie im Wohnzimmer würden die Wände unter der Balkontür Abplatzungen und Wasserschäden aufweisen. Die Behauptung der Beklagten, die Wohnung sei deswegen so unordentlich, weil es sich lediglich um Vorarbeiten zu großen Renovierungsarbeiten handele, sei nicht nachvollziehbar. Hierbei handele es sich um eine Schutzbehauptung. Vielmehr sei die Beklagte nach Auffassung des Gerichts nicht bzw. nicht mehr in der Lage, die streitgegenständliche Wohnung in einem vertragsgemäßen Zustand zu halten. Bei den geschilderten Beschädigungen handele es sich keineswegs um normale Abnutzungserscheinungen. Insbesondere die Wasserschäden, die Schäden an der mitvermietenden Küche und am Parkett seien durch grob vertragswidrigen Gebrauch entstanden. Es handele sich keineswegs um eine vertragsgemäße Abnutzung in Folge eines langjährigen Mietverhältnisses.

Die Pflichtverletzungen der Beklagten würden vorliegend nach umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Vermieters führen. Auch in Rechtsprechung und Literatur sei das außerordentliche Kündigungsrecht wegen Gefährdung der Mietsache gem. § 543 II Nr. 2 BGB unstreitig dann anerkannt, wenn die Wohnung nicht nur unordentlich und erheblich verschmutzt sei, sondern eine Gefährdung der Bausubstanz eingetreten sei (siehe Blank in Blank/Börstinghaus, Mietrechtkommentar, 5. Auflage, § 543 Rn. 115 m.w.N.; Blank in Schmitt/Futterer Mietrechtskommentar 13. Auflage § 543 Rn. 60 m.w.N.).

Vermüllung und Demolierung der Wohnung stellen Vertragsverletzungen dar

Die Vermüllung der Wohnung sowie die Verursachung der dargestellten Substanzschäden würden schuldhafte Pflichtverletzungen der Beklagten darstellen, die eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 543 I iVm II Nr. 2 BGB rechtfertigen würden.

Mit Schreiben vom 09.02.2018 habe die Klägerpartei die Beklagtenpartei mit einer Fristsetzung bis zum 19.02.2018 erfolglos abgemahnt gem. § 543 III S1 BGB (K6).

Zudem sei vorliegend die außerordentliche Kündigung auch nach §§ 569 II, 543 I BGB gerechtfertigt. Nach § 569 II BGB liege bei einem Wohnraummietverhältnis ein solcher wichtiger Grund unter anderem dann vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stören würde, sodass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Die Verursachung des extremen Geruchs in Folge der Vermüllung der streitgegenständlichen Wohnung sowie die Verursachung der Wasserschäden, die bereits die Substanz an der Wohnung unter der streitgegenständlichen Wohnung geschädigt habe, würden eine nachhaltige und schuldhafte Störung des Hausfriedens darstellen. Insbesondere müsse die Klägerpartei damit rechnen, dass sie für die Haftung der Wasserschäden, die unter der streitgegenständlichen Wohnung entstanden seien, einstehen muss.

Die Pflichtverletzungen der Beklagten würden vorliegend nach umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (§§ 543 I, 569 II BGB) führen.

Da die Kündigung eines Mietverhältnisses regelmäßig einen sehr schweren Eingriff in den persönlichen Lebensbereich des Mieters darstellen würde, seien zwar an deren Voraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen, jedoch sei auch auf dieser Grundlage die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung gegeben. Bei der erforderlichen Interessenabwägung seien alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verschulden der Vertragsparteien, aber auch die Auswirkungen der Vertragsverletzung, die Folgen des Wohnungsverlustes für den Mieter, die persönlichen Verhältnisse der Parteien und die Dauer des Mietverhältnisses zu berücksichtigen (Vergleiche Schmitt/Futterer, Mietrechtskommentar, 13. Auflage, § 569 Rn. 23 m.w. N).

Interessenabwägung geht zulasten der Mieterin

Vorliegend seienbei der Interessenabwägung insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen:

Zu Gunsten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass es sich in diesem Fall um ein langjähriges Mietverhältnis handeln würde und dass die Ersatzwohnraumsuche in Folge des angespannten Wohnungsmarktes in München sehr schwierig sei. Des Weiteren habe das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass die Beklagte eigenverantwortlich und aus eigener Kraft in der Lage sei, den vermüllten und beschädigten Zustand der streitgegenständlichen Wohnung zu beseitigen.

Zu Lasten der Beklagten spreche die langwierige nachhaltige Vertragsverletzung über einen langen Zeitraum hinweg, die Schulduneinsichtigkeit, die Gefahr, dass sich die vorhandenen Substanzschäden weiter verschlimmern. Des Weiteren sei hier die fehlende Mitwirkung der Beklagten zur Schadensbegrenzung anzuführen: Sie habe entsprechenden Zutritt zu ihrer Wohnung zur Klärung der Wasserschäden durch einen entsprechenden Sachverständigen bisher verweigert. Des Weiteren sei durch das Verhalten der Beklagten der Hausfrieden nachhaltig gestört. Es stünden eventuelle Minderungsrechte anderer Mieter gegenüber deren Vermieter anderer Wohnungen im Raum. Des Weiteren habe die Beklagte die Klägerpartei mit Vorwürfen beleidigenden Charakters im Laufe des Verfahrens überzogen. So werfe sie der Klägerpartei unseriöses Verhalten, eine hemmungslose Verdrehung von Tatsachen, sowie Mobbing, „Entmietung“ und ähnliches vor.

Die Pflichtverletzungen der Beklagten seien derart schwerwiegend, dass nach umfassender Abwägung der gegenseitigen Interessen der Parteien eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung würden daher vorliegen.

Quelle: Amtsgericht München

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