Mietrecht: Die ordentliche Kündigung eines ansonsten vertragstreuen Mieters kann auch bei erheblichen Zahlungsverzuges rechtsmissbräuchlich sein.
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Landgericht Berlin, 4.10.2013, Az.: 63 S 421/12

Gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Errichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete ist oder ein einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Errichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Die Kündigung ist allerdings ausgeschlossen, wenn der Vermieter vor dem Zugang der Kündigung befriedigt wird. Bei Wohnraumverhältnissen ist eine Heilung der Kündigung auch nach deren Zugang möglich. Dieser Fall ist in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geregelt.

Danach wird die Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs befriedigt wird.

Der Vermieter kann allerdings die Verletzung der Zahlungspflicht als Anlass für eine ordentliche Kündigung i. S. v. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nehmen. Die Pflichtverletzung müsste jedoch erheblich sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechte und Belange des Vermieters nicht nur geringfügig beeinträchtigt sind. Dabei sind die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.

In dem oben genannten Urteil beschäftigte sich das Landgericht Berlin im Rahmen einer Räumungsklage mit der Frage der Wirksamkeit der wegen Zahlungsverzuges ausgesprochenen Kündigung.

Sachverhalt: Der klagende Vermieter wollte durch die Räumungsklage den säumigen Mieter aus der vermieteten Wohnung klagen.

Der Beklagte befand sich im Zahlungsverzug von insgesamt 1.519,44 Euro und somit mit mehr als zwei Monatsmieten. Dieser Betrag setzte sich zu einen aus den Mietrückständen und zum anderen aus der Nachzahlung, die aufgrund eines in einem früheren Prozess geschlossenen Vergleichs zu erbringen war, zusammen.

Aufgrund des Zahlungsverzuges kündigte der Kläger das Mietverhältnis ohne vorherige Abmahnung fristlos, hilfsweise unter Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist.

Wenige Tage nach Zugang der Kündigung beglich der Beklagte den vollständigen Rückstand. Dennoch erhob der Kläger die Räumungsklage.

Landgericht Berlin: Das Gericht wies die Klage ab. Die fristlose Kündigung sei wegen Zahlungsverzugs gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 b) BGB jedenfalls nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB aufgrund erfolgten Zahlung des gesamten geltend gemachten Rückstands in Höhe von 1.519,44 EUR unwirksam geworden.

Auch die ordentliche Kündigung sah das Gericht als nicht begründet an. Zwar habe in dem Verhalten des Beklagten eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gelegen, soweit er zumindest den im vor dem Landgericht Berlin geschlossenen Prozessvergleich der Parteien vom 12.08.2011 dort vereinbarten Betrag von 564,31 EUR zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht beglichen habe.

Denn im Falle des Zahlungsverzugs genüge zum Vorliegen der objektiven tatbestandlichen Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Mietrückstand von mehr als einer Monatsmiete und eine Verzugsdauer von mehr als einem Monat, was beides hier gegeben sei.

Dahin stehen könne, ob diese Pflichtverletzung des Beklagten in hinreichendem Maße erheblich schuldhaft verursacht sei.

Bei der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses wegen schuldhafter nicht unerheblicher Pflichtverletzung des Mieters bestehe für eine vorherige Abmahnung grundsätzlich kein Bedarf.

Allerdings könne der Abmahnung für die Kündigung nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ausnahmsweise insofern Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Pflichtverletzung das erforderliche Gewicht verleihe, etwa weil vorher nur ein schlichtes Versehen des Mieters vorgelegen hat oder eine Duldung des Vermieters zu vermuten war; zwar mache dies die Abmahnung nicht zu einer zusätzlichen Voraussetzung der ordentlichen Kündigung, es sei aber ein Gesichtspunkt bei der Prüfung, ob eine schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters vorliege.

Da in vorliegendem Fall zwar der aus dem Wortlaut des Vergleichstextes deutlich ersichtliche Teilbetrag von 564,31 EUR als fällige Summe dem Beklagten unmittelbar als von ihm zu zahlender Rückstand ersichtlich sein müsse, entlaste ihn seine Behauptung, der vormalige Prozessbevollmächtigte habe ihn über die Höhe des geschuldeten Betrags nicht informiert, nicht, zumal er bei Abschluss des Vergleichs persönlich anwesend gewesen sei.

Jedoch setze sich der gesamte, der Kündigung zugrunde liegende Rückstand aus weiteren Einzelbeträgen zusammen. Der sich rechnerisch hieraus ergebende Gesamtrückstand habe zur Zeit der Kündigung demgemäß aus einer Summe von Einzelbeträgen bestanden, so dass im Sinne der zuvor dargestellten Ausführungen bei der Beurteilung des Gewichts der Pflichtverletzung des Beklagten durchaus in die Waagschale zu werfen sei, dass eine vorherige Abmahnung unter Darstellung einer Berechnung der geschuldeten Rückstände im Einzelnen ihn unverzüglich veranlasst hätte, nicht nur das Ausmaß des bereits entstandenen Zahlungsverzugs zu erkennen, sondern diesen auch umgehend auszugleichen und hierdurch sofort zu vertragsgemäßem Verhalten zurückzukehren.

Zwar übersteige der aufgelaufene Rückstand zwei Monatsmieten und rechtfertige den Ausspruch der fristlosen Kündigung. Der Beklagte habe jedoch wenige Tage nach Zugang der Kündigung den rückständigen Betrag vollständig beglichen. Überdies bestünde das Mietverhältnis der Parteien seit 1989 und der Beklagte habe sich im Hinblick auf seine Zahlungsverpflichtungen stets vertragstreu verhalten, so dass die nachträgliche Zahlung des Beklagten zu seinen Gunsten in der Weise berücksichtigt werden könne, dass sie sein vorheriges Fehlverhalten jedenfalls in einem milderen Licht erscheinen lasse.

Quelle: Landgericht Berlin

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