Mietrecht: Die Wirksamkeit der Kündigung eines Mietverhältnisses setzt nicht dessen Bestand zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs oder Zugangs voraus.
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Landgericht Berlin, 06.03.2018, Az.: 67 S 22

Die Kündigung eines Mietverhältnisses bedarf gemäß § 568 Abs. 1 BGB der schriftlichen Form. § 126 BGB bestimmt dabei welche Anforderung an die schriftliche Form gestellt werden.

Ist also durch Gesetz die  schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

Um eine wirksame Kündigung des Mietverhältnisses vorzunehmen, muss der Vermieter diese also eigenhändig unterschreiben oder mit notariell beglaubigtem Handzeichen versehen lassen.

Bei solchen Rechtshandlungen kann sich der Vermieter jedoch, wie bei  fast allen nicht höchstpersönlichen Rechtsgeschäften, vertreten lassen.

Dies richtet sich nach § 164 BGB. Danach wirkt eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Voraussetzung aber ist, dass die Vertretung gegenüber der anderen Partei offenbart wird.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob der Vermieter bei der Kündigung ausreichend vertreten war

Im nachstehenden Beschluss musste das Landgericht Berlin darüber entscheiden, ob ein solches Vertretungsgeschäft und damit eine wirksame Kündigung auch dann vorliegt, wenn zwei für den Vermieter tätige Mitarbeite ein Kündigungsschreiben mit dem Zusatz „ i. A.“  anstatt mit „ i.V.“ unterzeichnet haben. Im Ergebnis bejahte das Landgericht eine wirksame Kündigung.

Zudem macht das Gericht klar, dass eine mit der außerordentlichen Kündigung zeitgleich ergangene ordentliche Kündigung auch dann wirksam sein kann, wenn das Mietverhältnis zuvor durch außerordentliche und nachträglich unwirksam gewordene Kündigung beendet werden sollte.

Dem Landgericht Berlin lag eine Berufung gegen ein Urteil auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung vor.  Die Kammer beabsichtigte, die Berufung als offensichtlich unbegründet im Beschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen würden.

Urteil des Landgerichts Berlin

Denn das Amtsgericht habe die Beklagte im Ergebnis zutreffend zur Räumung und Herausgabe gemäß §§ 985, 546 Abs. 1 BGB verurteilt,  da das Mietverhältnis durch die im Schreiben vom 13. März 2017 hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung gemäß §§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 573c Abs. 1 Satz 2 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2017 beendet wurde.

Die Kündigung erfülle das Schriftformerfordernis

Die Kündigung erfülle das Schriftformerfordernis des § 568 Abs. 1 BGB, auch wenn in dem von zwei Mitarbeitern der klägerischen Hausverwaltung handschriftlich unterzeichneten Schreiben die maschinenschriftliche Namensbezeichnung beider Mitarbeiter jeweils mit dem ebenfalls maschinenschriftlichen Zusatz „i.A.“ versehen gewesen sei.

Gemäß § 126 Abs. 1 BGB sei die Schriftform auch dadurch erfüllt, dass die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens Ausdruck kommen. Ein entsprechender Zusatz bei der Unterschrift genüge dazu.

Ob jemand in fremden Namen handelt, sei nach objektivem Erklärungswert gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu beurteilen.

Nach dem objektiven Erklärungswert sei die Vermieterin ordnungsgemäß vertreten worden

Dabei seien die dem Rechtsverhältnis zu Grunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand angehört, und verkehrstypische Verhaltensweisen wichtige Kriterien. Der so ermittelte rechtsgeschäftliche Vertretungswille müsse in der Urkunde andeutungsweise Ausdruck gefunden haben.

Bei dem Zusatz „i.A.“, könne zwar im Einzelfall angenommen werden, dass der Unterzeichner nicht als Vertreter handeln wolle, nach der nach §§ 133,157 BGB gebotenen Auslegung der Erklärung sei jedoch zu berücksichtigen, dass im nichtjuristischen Sprachgebrauch nicht immer zwischen „Auftrag“ und „Vertretung“ unterschieden werde. Man könne daher durch den Zusatz „i.A.“ nicht schlussfolgern, dass lediglich ein Bote gehandelt habe.

Ergebe sich aus den Gesamtumständen, dass der Unterzeichner ersichtlich im Namen eines anderen die Kündigung erklärt habe, sei von einem Handeln als Vertreter auszugehen. So liege der Fall auch hier. Für die Auslegung der Erklärung sei gemäß § 157 BGB maßgeblich, dass sich die Unterschriften unter der maschinenschriftlichen Nennung der Klägerin befinden. Zudem sei der Zusatz  „vertreten durch die“ vorangestellt.

Dafür spreche auch, dass die Kündigung nicht nur auf einem Geschäftsbriefbogen der Hausverwaltung verfasst wurde, sondern in der mit der Firma der Hausverwaltung überschriebenen Unterschriftszeile unterzeichnet gewesen sei.

Das Vier-Augen Prinzip spreche für die Ernsthaftigkeit der Kündigung

Dazu komme, dass die Kündigung von zwei Mitarbeitern der Hausverwaltung unterzeichnet worden sei. Das sog. Vier-Augen-Prinzips spreche für die Wichtigkeit der Entscheidung und deren Auswirkung. Bloßes Botenhandeln unterfiele gewöhnlich nicht derart wichtigen Entscheidungen oder Tätigkeiten.

Der Beklagte habe dies auch tatsächlich so verstanden, da er sich unter Vorlage des Kündigungsschreibens zur Übernahme des Kündigungsrückstandes an das Jobcenter gewandt habe. Folglich sei von einem wirksamen Vertreterhandeln der Hausverwaltung und ihrer Mitarbeiter auszugehen.

Mieter habe auch seine Pflichten verletzt

Die Kündigung erfülle die Voraussetzungen des § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach der Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt ist, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Durch den Zahlungsrückstand bei Zugang der Kündigung in Höhe von mindestens 1.365,28 EUR nebst  Zinsen für den Zeitraum Januar 2011 bis Juni 2014 habe die Beklagte eine Pflichtverletzung begangen.

Eine am 5. Juli 2017 erklärte Aufrechnung ändere dran nichts. Eine nach Zugang der Kündigung erklärte Aufrechnung sei gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB allein geeignet, die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zu beseitigen.

Eine zum Zeitpunkt ihres Zugangs wirksame ordentliche Kündigung bleibe von ihr ebenso unberührt wie von einer nachträglichen Schonfristzahlung. Es fehle aber bei einer Erklärung zwei Wochen nach Zugang der Kündigung bereits an einer unverzüglichen Erklärung der Aufrechnung i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB. Die Beklagte habe diese Frist überschritten. Auch bei Verzögerungen zwischen Partei und Prozessbevollmächtigten durch erfolgte Terminsvertretung  oder Erkrankung der Beklagten ändern daran nichts.

Etwaige Zurückbehaltungsrechte der Beklagten wegen von der Klägerin nicht rechtzeitig erstellter Nebenkostenabrechnungen spielen insoweit keine Rolle, da die Beklagte sich darauf erst ab März 2016 berufen habe. Der von der Kammer berücksichtigte Zahlungsrückstand der Beklagten betreffe  allein den Zeitraum bis einschließlich Juni 2014.

Die Pflichtverletzung sei auch erheblich i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Nach Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, insbesondere der beanstandungsfreien Dauer des bisherigen Mietverhältnisses, des Gewichts und der nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, einer mögliche Wiederholungsgefahr und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens überschreite die Pflichtverletzung der Beklagten die Erheblichkeitsschwelle des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die für die Beklagte sprechende langjährige Dauer des Mietverhältnisses, sei durch eine Vielzahl von dem Grunde oder der Höhe nach zu Unrecht erhobener Einwendungen der Beklagten gegen ihre Zahlungsverpflichtungen geprägt gewesen.

Zwar sei der Betrag von 1.365,28 EUR für die gewerblich vermietende Klägerin bei wirtschaftlicher und absoluter Betrachtung nur geringfügig, die Pflichtverletzung wiege jedoch schwer, da die Beklagte den Zahlungsausgleich unbeeindruckt und beharrlich auch noch verweigert habe, obwohl die Klägerin ein Zahlungsurteil in entsprechender Höhe erwirkt hatte.

Nach Eintritt der Rechtskraft dieses Titels sei zu erwarten gewesen, dass die Beklagte den Zahlungsausgleich selbst vornimmt oder den öffentlichen Leistungsträger zur Übernahme des Zahlungsausgleichs veranlasst. Dies habe sie grob pflichtwidrig unterlassen.

Zudem habe sie trotz des Urteils weiterhin Beträge in unterschiedlicher Höhe einbehalten, was für eine Wiederholungsgefahr auch zukünftigen vertragswidrigen Verhaltens spreche.

Wegen der Erheblichkeit der Pflichtverletzung bedurfte es keiner zusätzlichen Mahnung der Klägerin vor Ausspruch der Kündigung.

Eine Schonfristzahlung der Beklagten vom 1. August 2017 gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf die außerordentlichen Kündigung vom 13. März 2017 gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b BGB stehe der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung nicht entgegen.

Zwar soll nach einer Ansicht in der Rechtsprechung eine hilfsweise ausgesprochene Kündigung „ins Leere“ gehen, da die – im selben Kündigungsschreiben – zuvor und vorrangig ausgesprochene außerordentliche Kündigung das Mietverhältnis vor dem Zugang der ordentlichen Kündigung bereits beendet habe, dieser Ansicht folge die Kammer jedoch nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH berühre die Wirksamkeit einer zuvor ausgesprochenen fristlosen Kündigung die Wirksamkeit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung  nicht.

Denn auch wenn die ordentliche Kündigung nur hilfsweise erklärt worden sei, sei sie unbedingt und zeitgleich ausgesprochen. Nach dem Maßstäben der Auslegungsregelungen der §§ 133, 157 BGB sei nur anzunehmen, dass die ordentlichen Kündigung erst nachrangig zu prüfen sei.

Mit dem zeitgleichen Ausspruch und Zugang beider Kündigungen lasse es sich nicht vereinbaren, dass das Mietverhältnis bereits vor dem Zugang der ordentlichen Kündigung seine fristlose Beendigung gefunden haben soll.

Wäre das Mietverhältnis tatsächlich durch eine zeitgleich erklärte fristlose Kündigung beendet, stehe dies der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung nicht entgegen. Der Vermieter habe sogar das Recht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB erneut wirksam zu kündigen. § 573 Abs. 1, Abs. 2 BGB gebe dem Vermieter das Recht bei Vorliegen eines berechtigten Interesses, unabhängig von den Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 BGB, zur einseitigen Loslösung vom Vertrag.

Dem Vermieter stehe ein Wahlrecht zu. Er könne sich aussuchen, ob er das Mietverhältnis mit der Rechtsfolge seiner sofortigen Beendigung gemäß § 543 BGB außerordentlich kündigt, es ordentlich unter Berücksichtigung der dem Mieter gemäß § 573c BGB zustehenden Kündigungsfrist beendet oder ob er von beiden Kündigungsmöglichkeiten kumulativ Gebrauch macht.

Ansonsten wäre ein Mieter benachteiligt, dem lediglich eine Zahlungspflichtverletzung zur Last fiele, die nicht zu einer außerordentlichen, sondern allein zu einer ordentlichen Kündigung berechtigte, weil der  außerordentlich gekündigte Mieter die Heilungsmöglichkeiten des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB für sich in Anspruch nehmen könnte und so auch die ordentliche Kündigung zu Fall bringen würde. Was dem nur ordentlich gekündigten Mieter verwehrt sei, obwohl ihm eine weniger gravierende Pflichtverletzung zur Last fiele als dem außerordentlich gekündigten Mieter.

Das Argument, nur ein wirksamer Vertrag könne gekündigt werden, sei lediglich begriffslogisch und greife nicht durch, da Gestaltungsrechte nicht den fortdauernden Bestand des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses voraussetzen würden. Ein Rechtgeschäft könne aus unterschiedlichen Gründen mehrfach beendet werden.

Sei ein Rechtsgeschäft beendet oder sogar nichtig, bedeute dies nicht, dass es zuvor nicht bestanden habe. Vielmehr werde der Lebenssachverhalt von der Rechtsordnung mit den dafür vorgesehenen Rechtsfolgen als beendet oder nichtig bewertet. Denklogisch könne derselbe Sachverhalt auch nach anderen rechtlichen Bewertungen begutachtet werden. Folglich könnten sogar nichtige Rechtsgeschäfte wirksam angefochten oder widerrufen werden.

Die Beklagte könne sich nicht gemäß § 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf die Fortsetzung des Mietverhältnisses berufen. Etwaige Härtefälle seien gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB unbeachtlich, da die Pflichtverletzungen der Beklagten die Klägerin auch zum Ausspruch einer – tatsächlich erklärten – außerordentlichen Kündigung berechtigt hätten.

Die Berufung gegen die Duldung der von der Klägerin beabsichtigten Modernisierungsmaßnahmen habe ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Als Minus zur Räumung und Herausgabe der Mietsache sei die Beklagte gemäß § 242 BGB verpflichtet die streitgegenständlichen Maßnahmen zu dulden.

Der Beklagten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Rücknahme der Berufung gegeben.

Quelle: Landgericht Berlin

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