Wohnraummiete: Einrede des Zurückbehaltungsrechts des Mieters hinsichtlich der Mietzahlung; Erstattungsfähigkeit eines sog. Kündigungsfolgeschadens
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Rechtsanwalt Helmer Tieben
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Landgericht Saarbrücken, 17.07.2015,  Az.: 10 S 203/14

Das BGB schützt den Mieter über verschiedene Gewährleistungsrechte, wie den Schadensersatz, die Kündigung, die Minderung und den Aufwendungsersatz.  Die Gewährleistungsansprüche des Mieters können generell neben dem Anspruch auf Erfüllung bestehen. Daneben ist der Mieter bei Vorliegen eines Mangels berechtigt, bis zu dessen Beseitigung den Anspruch des Vermieters auf Mietzinszahlung zu verweigern. Dabei hilft ihm die Einrede des § 320 BGB.

Danach kann, wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist.

Ein solches Zurückbehaltungsrecht kann bei einer Höhe des 3- bis 5-fachen monatlichen Minderungsbetrags neben der Minderung angesetzt werden. Das Zurückbehaltungsrecht endet mit der Beseitigung des Mangels oder der Beseitigung des Mietverhältnisses.

Der wesentliche Unterschied zu § 273 BGB, der ebenfalls ein Zurückbehaltungsrecht begründet, besteht darin, dass die Einrede nach § 320 BGB Ausfluss der wechselseitigen Verbindung von Leistung und Gegenleistung im Vertrag ist. Diese Verbindung führt zu Erfüllung Zug um Zug. Die Einrede nach § 320 bewirkt  dabei nur, dass dieser Zusammenhang auch im Prozess respektiert wird. Beim allgemeinen Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB bedarf es hingegen der Ausübung der Einrede, um den Zug-um-Zug-Zusammenhang zweier selbständiger, wenn auch konnexer Ansprüche herzustellen.

Das Landgericht Saarbrücken stellt im nachfolgenden Urteil jedoch fest, dass ein aus § 320 BGB herzuleitendes Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf Beseitigung eines Mangels im Prozess nur dann Berücksichtigung findet, wenn der Mieter hinreichenden Sachvortrag hält, der das Gericht in die Lage versetzt, den Einwand des Zurückbehaltungsrechts zu prüfen. Hierzu sei erforderlich, zumindest die funktionale Konnexität von Anspruch und Gegenanspruch aufzuzeigen.

Zudem nimmt es Stellung zum sog. Kündigungsfolgeschaden, der nur dann erstattungsfähig sei, wenn sich der Mieter durch eine Vertragsverletzung des Vermieters zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses herausgefordert fühlen durfte. Aufwendungen, die der Mieter bereits vor der Verwirklichung des Kündigungsgrundes veranlasst habe, werden im Rechtssinne nicht durch die Vertragsverletzung verursacht und seien demnach nicht erstattungsfähig.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Mieter hatten Mietverhältnis fristlos wegen Musiklärm aus der Nachbarwohnung gekündigt

Die Parteien streiten über die Berechtigung einer von den Klägern ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses. Eigentümer des Hauses, in dem die Kläger mit Vertrag vom 3.9.2003 eine Wohnung mieteten, ist der Beklagte zu 1.).

Der monatliche Bruttomietzins lag bei 1.225 EUR. Er wurde vertragsgemäß an den Streithelfer gezahlt. Die Kläger zahlten eine Kaution von 1.700 EUR.

In dem Mietvertrag heißt es: „Die Mieter sind zur Musikausübung im Rahmen der in der Hausordnung genannten Zeiten berechtigt. Das Maß der Musikausübung soll in der Regel 5 Stunden täglich nicht überschreiten. Dem Vermieter ist bekannt, dass die Mieterin als Professorin an der Hochschule für Musik und Theater des Saarlandes auf eine entsprechende Nutzung der Wohnung angewiesen ist. Samstags, sonntags und feiertags ist die Musikausübung ab 11:30 Uhr gestattet.“

2012 bezog die Beklagte zu 2) die vom Beklagten zu 1) bewohnte, über der Wohnung der Kläger gelegene Wohnung.

Seitdem fühlten sich die Kläger durch Lärm aus der Wohnung der Beklagten insbesondere in Form lauter Schritte und dem Abspielen lauter Musik gezielt gestört. Im Herbst 2012 versuchten sie klärende Gespräche über eine zeitliche Regelung für eine ungestörte Musikausübung zu führen. Dies scheiterte.

Zunächst machten die Mieter eine Mietminderung geltend

In einem Schreiben der Kläger vom 8.12.2012 an den Beklagten zu 1) rügten sie unter Androhung einer Mietminderung von 10 % weitere Lärmstörungen.

Weihnachten 2012 begingen die Beklagten gemeinsam mit Gästen, wodurch sich die Kläger ebenfalls gestört fühlten. Nachdem die Kläger in ihre Wohnung zurückkehrten, weil sie die Tage bis zum Jahreswechsel nicht in der Wohnung verbracht hatten, bemerkten sie, dass ein neuer Briefkasten montiert worden war, auf dem der Name der Kläger nicht zu finden war. Ein Schlüssel zu diesem Briefkasten erhielten die Kläger erst nach Klageeinreichung im März 2013, weswegen sie bis dahin die Miete um weitere 5 % minderten.

Schließlich kündigten die Mieter fristlos und fristgemäß

Es erfolgte eine Abmahnung durch die Kläger am 15.1.2013. Darauf folgte durch Schreiben vom 4.2.2013 die außerordentliche Kündigung zum 26.4.2013, hilfsweise ordentlich zum 30.4.2013.

Ab Dezember 2012 minderte die Klägerin die Miete um 122,50 EUR und im Januar um 182,75 EUR, die weiteren Mieten für Februar, März und April 2013 behielt sie ein.

Auch der Vermieter kündigte wegen rückständiger Mieten

Der Beklagte zu 1) kündigte sodann wegen rückständiger Miete mit Schreiben vom 6.3.2013 fristlos. Im April 2013 würde die Wohnung zurückgegeben.

Die am 12.3.2013 gestellte Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2012 wies eine Nachzahlung von 73,85 EUR auf. Am 13.1.2014 legte der Beklagte zu 1) die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2013 vor, welche eine  Nachzahlung über 2.134,41 EUR auswies.

Die Kläger trugen vor, dass die Musikausübung in der Wohnung durch die Beklagten systematisch und vorsätzlich gestört worden sei, was eine Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag darstelle. Daher seien die Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet. Zudem fielen jährliche Mehrkosten in Höhe von 4.500 EUR für das neue Mietobjekt an. Es seien ihnen Umzugskosten in Höhe von 2.120 EUR sowie Maklerkosten über 3.094 EUR entstanden.

Mit Schreiben vom 22.2.2013 erklärten die Kläger mit diesen Forderungen in Höhe eines Betrages von 3.123,75 EUR gegenüber den bis zum Ende der Mietzeit fällig werdenden Mietforderungen die Aufrechnung. Den überschießenden Teil der Gegenforderungen machten sie klageweise geltend. Sie verlangten weiter Rechnungslegung über die geleistete Kaution.

Die Kosten des Umzuges rechneten die Mieter mit den Mietforderungen auf, der Rest wurde eingeklagt

Der Beklagte zu 1) hat den Kautionsrückzahlungsanspruch einschließlich Zinsen mit 1.920,73 EUR beziffert und seinerseits mit den Grundmieten der Monate Februar bis April 2013 in Höhe von 2.775 EUR, der Restmiete Dezember 2012 in Höhe von 115 EUR, der Restmiete Januar 2013 in Höhe von 183,75 EUR und der Nebenkostenabrechnung für die Jahre 2012 und 2013 über insgesamt 5.282,01 EUR die Aufrechnung erklärt.

Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass das Mietverhältnis  durch die außerordentliche Kündigung der Kläger zum 26.4.2013 beendet ist, festzustellen, dass Mietforderungen des Beklagten zu 1) gegen die Kläger bis zur Beendigung des Mietverhältnisses gemäß dem Klageantrag zu Ziffer 1) nicht bestehen und durch die Aufrechnung vom 22.2.2013 erloschen sind. Zudem beantragten sie, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger 6.640,25 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und den Beklagten zu 1) zu verurteilen, über die geleistete Mietsicherheit von 1.700 EUR hinsichtlich der erwirtschafteten Zinsen innerhalb des Mietzeitraums vom 1.10.2003 bis zum 5.4.2013 Abrechnung zu erteilen und den Betrag über 1.700 EUR nebst erwirtschafteter Zinsen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageerweiterung an die Kläger zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen, denn die späte Zurverfügungstellung des Briefkastenschlüssels rechtfertige keine Minderung, da die Beklagten den Klägern die Post jeweils zukommen ließen. Es habe auch keine Störung der Mieter gegeben, weder durch eine Weihnachtsdiscoparty noch durch  demonstrativ lautes Gehen oder sonstige Störungen des Musizierens.

Der Beklagte zu 1) sei nicht passivlegitimiert, da er nicht Vermieter sei, dies sei vielmehr der Streithelfer. Er sei in den Mietvertrag eingetreten.

Das Amtsgericht wies die Klage ab, dagegen reichten die Mieter Berufung ein

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, woraufhin die Kläger Berufung einlegten haben und ihr Begehren in vollem Umfang weiterverfolgten.

Die Kläger vertraten die Auffassung, das Amtsgericht habe die Feststellungen zu den streitigen Lärmbelästigungen zu Unrecht auf die nach der Abmahnung erfolgten Vorfälle vom 17., 19., 20. und 21.1.2013 begrenzt. In einem Zeitraum zwischen dem 14.12.2013 bis zum 10.1.2013 hätten die Zeugen Lärmbelästigungen bekundet, die in die rechtliche Bewertung einzubeziehen gewesen seien.

Es liege ein Verfahrensfehler vor, da das Amtsgericht den Vortrag, wonach am 16.1.2013 nach Beginn des Klavierspiels in der Wohnung der Beklagten mit laut hörbaren Schritten auf und ab zu marschieren begonnen worden sei, als streitig beurteilt habe.

Das Gericht habe Beweisantritte übergangen, da es die Tonmitschnitte über die Vorfälle vom 11.1., 17.1. und 21.1.2013 nicht beachtet habe.

Ein gezieltes und systematisches Stören sei aber durch die Beweise nachzuvollziehen. Das Gericht habe am 13.10.2014 angekündigt, ein Gutachten zur Schadenshöhe einzuholen, weswegen die Entscheidung eine Überraschungsentscheidung sei. Es sei kein entsprechender Hinweis ergangen, weswegen die Kläger nicht in der Lage gewesen wären ausführlich zu dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen und den bereits angebotenen Beweis zu wiederholen.

Die Kläger seien nicht aus freien Stücken ausgezogen, vielmehr sei man zur Aufgabe der Wohnung durch systematischen Lärm gezwungen worden. Die verspätete Zurverfügungstellung des Briefkastenschlüssels berechtige zur Mietminderung.

Die Kläger beantragten, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken vom 12.11.2014 – 3 C 115/13 – nach Maßgabe der erstinstanzlichen Anträge zu erkennen.

Die Beklagten und der Streithelfer beantragten, die Berufung der Kläger zurückzuweisen. Sie blieben bei der Auffassung, dass  von der Wohnung des Beklagten keine starken Geräusche ausgegangen seien, dass ein Musizieren seitens der Kläger zu der vertraglich vereinbarten Zeit nicht möglich gewesen wäre. Von der Wohnungsnutzung seien nur die Geräusche ausgegangen, die üblicherweise zu erwarten seien.

Zudem seien durch  Schriftsatz der Beklagten vom 27.3.2014 sämtliche unterstellten Lärmbelästigungen bestritten worden. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) sei der Beweis nicht geführt, dass sie als Störerin zur Verantwortung zu ziehen sei. Dass am 21.1.2013 eine weitere Abmahnung erfolgt sei, sei nicht bestätigt.

Urteil des Landgerichts Saarbrücken

Landgericht urteilte zugunsten des Vermieters

Das Landgericht Saarbrücken urteilte, dass die zulässige Berufung  keinen Erfolg habe, da das Urteil des Amtsgericht weder auf einem Rechtsfehler beruhe, noch die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen würden (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Der Feststellungsantrag der Kläger, gerichtet auf die Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Kläger zum 26.4.2013 beendet worden sei, sei unbegründet, da bereits die fristlose Kündigung des Beklagten zu 1) vom 6.3.2013 zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt habe. Die Vermieterstellung des Beklagten zu 1.) sei im Berufungsverfahren nicht mehr streitig.

Die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB, nach denen der Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses berechtigt sei, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung eines Teils der Miete in Verzug sei, der die Miete für einen Monat übersteigt, hätten am 06.03.2013 vorgelegen.

Gemäß § 4 Nr. 1 des Mietvertrages war die monatliche Miete von zuletzt 1.225 EUR spätestens am dritten Werktag des Monats an den Vermieter zu leisten. Die Mietzinsforderungen für die Monate Februar und März seien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung offen gewesen.

Mietminderungsanspruch sei geringer gewesen, Vermieter war zur Kündigung berechtigt

Ein Minderungsanspruch wegen Lärmentwicklung gemäß § 536 Abs. 1 BGB könne zwar bestehen,  bei Zugrundelegung dessen, bleibe dennoch ein Zahlungsverzug bestehen, der für zwei aufeinanderfolgende Termine den Betrag einer Monatsmiete übersteige.

Ein Minderungsgrund bestehe, wenn der Mieter im Mietgebrauch durch Lärmeinwirkung beeinträchtigt sei. Bei Lärmstörung durch einen Nachbarn, sei diese aber dann ausgeschlossen, wenn die Lärmentwicklung auf eine übliche Wohnungsnutzung zurückzuführen sei.

Würde man den Tatsachenvortrag der Kläger als wahr unterstellen, liege in einer Lärmentwicklung, die dem Zweck diene, die Kläger am Klavierspiel zu hindern, im Grundsatz eine zur Minderung berechtigende Vorenthaltung des Mietgebrauchs vor. Eine Minderung über 20% käme dabei nicht in Betracht. Denn das Klavierspiel stelle nur einen Teil des Mietgebrauchs dar und eine Lärmentwicklung störe dagegen nicht die elementare Funktion einer Wohnung als Heimstatt zu dienen.

Die Kläger hätten noch im Dezember lediglich eine Minderungsquote von 5 % geltend gemacht, was eine relevante Selbsteinschätzung darstelle.

Nehme man nun eine weitere Minderungsquote von 5 % wegen der Vorenthaltung des Briefkastenschlüssels an, beliefe sich die anzuerkennende Mietminderung auf allenfalls 25 % und führe daher nicht zum Entfall des Mietverzugs.

Zusätzlich seien die Kläger auch nicht in Verzug ausschließender Weise zur Geltendmachung des  Zurückbehaltungsrechts bis zur „Mängelbeseitigung“ berechtigt gewesen.

Fraglich sei schon, ob die Lärmbelästigung überhaupt einen Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB darstelle, der ein dem Mietzinsanspruch entgegenstehendes Zurückbehaltungsrecht begründe. Schulde der Schuldner nämlich ein positives Tun und könne er von dem Gläubiger ein Unterlassen fordern, so sei im Anwendungsbereich des § 273 BGB ein Zurückhaltungsrecht mit Blick auf den Unterlassungsanspruch nur dann anzuerkennen, wenn die Unterlassungspflichtverletzung entweder ein Dauerzustand sei oder wenn der Schuldner befürchten müsste, dass die geschuldete Leistung missbräuchlich zur Verletzung der Unterlassungspflicht verwendet werde, er gewissermaßen mit seiner Leistung der Zuwiderhandlung Vorschub leiste.

Dieser Grundsatz sei auch auf § 320 BGB übertragbar: Der Unterschied zwischen den beiden Zurückbehaltungsrechten bestehe hinsichtlich der vorliegend zu betrachtenden verzugsausschließenden Wirkung allein darin, dass im Anwendungsbereich des § 320 BGB bereits das Bestehen des Einredetatbestandes den Schuldnerverzug verhindere, während der Schuldner Zurückbehaltungsrechte aus § 273 BGB im Sinne einer echten Einrede geltend machen müsse, um den Schuldnerverzug auszuschließen.

Ansonsten sei zwischen den Rechten §§ 273, 320 BGB für den hiesige Fall nicht zu unterscheiden. Beide Voraussetzungen für die Anerkennung eines aus dem Unterlassungsanspruch resultierenden Zurückbehaltungsrechts lägen nicht vor.

Es liege auch nach Vortrag der Kläger kein dauerhafter Lärm sondern nur ein punktuell auftretender Verstoß vor. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Beklagten nach Erhalt der Mietzinszahlung in besonderer Weise zur Lärmverursachung herausgefordert gefühlt hätten.

Eine verzugsausschließende Wirkung eines aus einem Unterlassungsanspruch hergeleiteten Zurückbehaltungsrechts sei nicht praktikabel, denn das Zurückbehaltungsrecht stehe  dem Mieter nicht in unbegrenzter Höhe zu. Vielmehr sei es der Höhe nach am Betrag der ausstehenden Mängelbeseitigung und damit an den Beseitigungskosten zu orientieren.

Wenn die mangelfreie Leistung jedoch nicht in der Herstellung eines Werkes, sondern in einem Unterlassen bestehe, sei dies kaum bestimmbar.

Es stehe auch entgegen, dass die Kläger das Bestehen des Einredetatbestandes im Prozess nicht geltend gemacht hätten.

Zurückbehaltungsrecht habe nicht bestanden

Es sei zwar nicht einheitlich entschieden, welche Voraussetzung die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts für die den Verzug ausschließende Wirkung bedürfe. Jedenfalls sei die förmliche Erhebung einer rechtsgestaltenden Einrede im Rahmen des § 320 BGB nicht erforderlich, dennoch obliege es dem Mieter im Anwendungsbereich des § 543 BGB erkennbar zu machen, dass er die Miete wegen der Mängel zurückbehalte.

Eine andere Ansicht nehme zwar an, dass selbst eine konkludente Erhebung der Einrede auf der Ebene des materiellen Rechts nur bei der Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, nicht bei Gegenansprüchen aus § 320 BGB zu verlangen sei.

Die Frage sei aber insbesondere im Lichte der verfahrensrechtlichen Implikation zu betrachten. Die Einrede müsse jedenfalls ausreichend substantiiert werden. Daher dürfe sie unter Geltung des zivilprozessualen Beibringungsgrundsatzes prozessual nur dann Eingang in die gerichtliche Erkenntnis finden, wenn von den Parteien ein hinreichender tatsächlicher Sachverhalt vorgetragen sei, der das Gericht in die Lage versetze, den Einwand des Zurückbehaltungsrechts zu prüfen.

Trage der Mieter in den klassischen Fällen des Zurückbehaltungsrechts wegen nicht beseitigter Mängel nichts zu den Kosten einer möglichen Mängelbeseitigung vor, sei das Gericht nicht von Amts wegen gehalten, Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Dann bleibe die Einrede unbeachtet, selbst wenn unbestritten sei, dass ein Mängelbeseitigungsanspruch und ein hieraus abzuleitendes Zurückbehaltungsrecht bestehen.

Somit müsse mit hinreichender Deutlichkeit die funktionale Konnexität von Anspruch und Gegenanspruch aufgezeigt werden, woran es vorliegend fehle.

Es sei weder prozessual noch vorprozessual zu erkennen gegeben worden, dass die Kläger ihre Mietzinszahlung wegen der fortdauernden Lärmentwicklung eingestellt haben.  Sie hätten sich nicht zur Höhe eines eventuellen Zurückbehaltungsrechts geäußert.

Die Kläger hätten die Mietzinszahlung deshalb eingestellt, weil sie sich vorgestellt haben, den offenen Mietzins für die Restdauer des Mietverhältnisses mit der Kaution zu verrechnen zu können. Ein Aufforderungscharakter der Nichtzahlung, um den Beklagten zu 1) zu einem Unterlassen zu veranlassen, sei nicht ersichtlich.

Die zum Zeitpunkt der Kündigung fälligen Mietzinsansprüche seien auch nicht durch Aufrechnung erloschen. Die Beklagten hätten mit Anwaltsschreiben vom 22.3.2013 die Aufrechnung gegen die Mietzinsansprüche erklärt und die Maklerkosten über 3.094 EUR und Umzugskosten in Höhe von 2.000 EUR zur Aufrechnung gestellt.

Zum Zeitpunkt der Aufrechnung über die Umzugskosten seien diese noch nicht angefallen, so dass die Aufrechnung bereits an einer bestehenden Forderung scheitere und der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch zum Zeitpunkt der Aufrechnung demnach noch nicht fällig gewesen sei.

Gemäß § 387 BGB könne die Aufrechnung nur erfolgen, wenn der Aufrechnende die ihm gebührende Leistung fordern könne. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung müsse daher vollwirksam und fällig sein.

Ausweislich der Umzugskostenrechnung sei der Umzug am 5.4.2013 durchgeführt, die Kosten fakturiert und  am gleichen Tag beglichen worden. Folglich sei ein auf Ersatz dieser Aufwendungen gerichteter Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB  frühestens am 5.4.2013 fällig geworden.

Auch die entstandenen Maklerkosten könnten die Kläger nicht wirksam zur Aufrechnung stellen, da die Kläger die Voraussetzungen für das Bestehen eines korrespondierenden Schadensersatzanspruchs nicht schlüssig vorgetragen hätten.

Die Bezeichnung als Kündigungsfolgeschaden geht fehl

Man spreche hier von Kündigungsfolgeschäden, also Schadensersatzansprüche, die der Mieter aus Aufwendungen herleitet, die ihm infolge des Verlustes der Wohnung entstanden seien. Die Begriffsbestimmung gehe jedoch fehl. Denn der aus § 280 Abs. 1 BGB herzuleitende Schadensersatzanspruch finde seine materiell-rechtliche Haftungsgrundlage nicht im durch den Ausspruch der Kündigung eingetretenen Verlust der Wohnung. Sie liege vielmehr darin, dass der Vermieter eine von ihm zu vertretene Vertragsverletzung begangen habe, die den Mieter zum Ausspruch der Kündigung veranlasse.

Daher würden die als Schaden geltend gemachten Aufwendungen auf einer freiwilligen Vermögensdisposition des Mieters beruhen, so dass die im allgemeinen Schadensrecht zu § 249 BGB entwickelten Rechtsgrundsätze Anwendung fänden.

Eine Schadensqualität sei bei solchen Aufwendungen dann anzuerkennen, wenn sich der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs durch das Verhalten des Schuldners zur Veranlassung der Aufwendung herausgefordert gefühlt habe.

Um eine haftungsrechtliche Zurechnung der freiwilligen Aufwendungen in Fällen des sog. Kündigungsfolgeschadens zu bejahen, müsse sich der Mieter durch eine Vertragsverletzung des Vermieters zur außerordentlichen Kündigung veranlasst gefühlt haben dürfen.

Damit müsse ein Kündigungsgrund bestehen, der zur außerordentlichen Beendigung des Mietverhältnisses berechtigt habe und eine schadensrechtliche Zurechnung von Vertragsverletzung und Aufwendung erlaube.

Aufwendungen, die der Mieter bereits vor der Verwirklichung des Kündigungsgrundes veranlasst habe, seien nicht durch die Vertragsverletzung verursacht. Ihre Kompensation scheide im Rahmen der §§ 280, 249 BGB aus.

Dies sei auch interessengerecht im Hinblick darauf, dass der Vermieter nicht dafür haften solle, wenn ein Mieter aus autonomen Gründen zur Vertragsbeendigung entschlossen sei und eine geringfügige Vertragsverletzung des Vermieters zum Anlass für eine Auflösung des Mietverhältnisses nehme, um den Vermieter mit regelmäßig erheblichen Kosten für Wohnungswechsel und eventuelle Mehraufwendungen an Mietzins zu belasten.

Durch das Erfordernis des objektiven Bestehens des Kündigungsgrundes werde der Mieter nicht gezwungen zum Erhalt des Schadensersatzanspruchs frühzeitig zu kündigen, ohne zu wissen, ob die Suche nach einer Ersatzwohnung innerhalb der Kündigungsfrist kurzfristig Erfolg verspricht.

Ein solcher erforderlicher Zurechnungszusammenhang sei hier nicht nachgewiesen. Im Anwendungsbereich des § 543 Abs. 1 BGB sei der Mieter erst dann zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn der Vermieter sein vertragswidriges Verhalten entweder nach Ablauf einer zur Abhilfe gesetzten Frist oder nach erfolgter Abmahnung fortsetze(§ 543 Abs. 3 S. 1 BGB).

Eine Abmahnung durch die Kläger sei erst mit Schreiben vom 15.1.2013 erfolgt. Im Anwendungsbereich des § 314 Abs. 2 BGB müsse der Schuldner nicht nur auf die Verletzung der genau bezeichneten Vertragspflichten hingewiesen werden, sondern auch davor gewarnt, dass ihm für den Fall eines weiteren Vertragsverstoßes Konsequenzen drohen.  Einer Kündigungsandrohung bedürfe es zwar nicht, jedoch müsse durch die Formulierung der Abmahnung deutlich werden, dass bei einer Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens die Aufrechterhaltung der vertraglichen Verbindung auf dem Spiele stehe. Eine bloße Rüge genüge nicht.

Mieter hätten die Konsequenzen nicht ausreichend angedroht

Diese Grundsätze  seien auch im Rahmen des § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB anwendbar. Die Kläger hätten diese Anforderungen jedoch im Schreiben  vom 08.12.2012 nicht erfüllt. Man habe sich zwar wegen der  „Geräuschkulisse“ aus der Wohnung der Beklagten beschwert und wegen des Lärms eine Mietminderung ankündigt, aber keine weiteren Konsequenzen angedroht. Erst im Schreiben vom 15.1.2013 seien Konsequenzen aufgezeigt worden.

Eine Abmahnung sei nach § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB  nicht entbehrlich gewesen. Sei der objektive Kündigungstatbestand erst mit einer Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens nach Zugang der Abmahnung verwirklicht, könnten die Aufwendungen für die Beauftragung des Maklers dieser Pflichtverletzung im Rechtssinne nicht mehr zugeordnet werden.

Der Makler sei bereits Anfang Januar 2013 beauftragt worden und der Mietvertrag für die neue Wohnung schon am 25.1.2013 unterzeichnet. Der Versuch den Vortrag in der mündlichen Verhandlung durch nachgelassenen Schriftsatz zu revidieren, sei widersprüchlich und daher unglaubhaft.

Zudem sei der Sachvortrag präkludiert (§ 296a ZPO), da der Schriftsatznachlass gegenständlich auf eine Stellungnahme zum Beweisergebnis und zum Schriftsatz der Gegenseite vom 10.6.2015 beschränkt worden war.

Auch sei es nach der Verteilung der  Darlegungs- und Beweislast, Sache der Kläger gewesen, die Kausalität zwischen der Verwirklichung des Kündigungstatbestandes und der Beauftragung des Maklers schlüssig darzulegen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen.

Das Gericht geht in Übereinstimmung mit der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Suche nach einer geeigneten neuen Wohnung jedenfalls Anfang Januar 2013 begonnen habe. Daher sei die Entscheidung zur Auflösung des Mietverhältnisses zeitlich schon vor die Verwirklichung des außerordentlichen Kündigungsgrundes gefallen. Die Kosten des Maklers seien somit keine adäquaten Folgen, die zum Schadensersatz berechtigenden würden.

Bereits im März 2012 hätten die Kläger eine Maklerfirma mit der Suche nach einer geeigneten Immobilie beauftragten. Dies zeige, dass die Motivation zum Auszug bereits durch den Einzug der Beklagten zu 2.) aufgetreten war.

Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses seien nicht bewiesen worden

Zu guter Letzt seien aber auch nach den Feststellungen des Amtsgerichts die tatsächlichen Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses nicht bewiesen worden.

Zunächst müsse die angemietete Wohnung laut Vortrag der Kläger, „hellhörig“ sein. Man müsse dabei beachten, dass dann ein tägliches Klavierspiel im Umfang von bis zu fünf Stunden von Bewohnern der darüber liegenden Wohnung durchaus als störend und den Wohnungsgebrauch beeinträchtigend empfunden werden könnte

Daher bestehe der Zweck der mietvertraglichen Bestimmung darin, der Klägerin ein tägliches Klavierspiel von bis zu fünf Stunden zu erlauben und Unterlassungsansprüche der Mitbewohner gegen sie auszuschließen.

Es werde aber dadurch nicht die spiegelbildliche Befugnis der Kläger begründet die sonstigen Nutzer des Hauses in ihrem eigenen Wohnverhalten zu beschränken.

Eine unzumutbare Lärmentwicklung liege damit erst dann vor, wenn der Vermieter unter Verstoß gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zielgerichtet Lärm verursache, der allein dem Zweck diene, die Kläger am Klavierspiel zu hindern. Dies sei jedoch nicht nachgewiesen.

Die nachträglich angehörten Videodateien führten zu keinem anderen Ergebnis. Insgesamt nimmt die Kammer an, dass das Flötenspiel der Kläger die störenden Geräusche aus der Beklagtenwohnung an Lautstärke bei weitem überwiegte. Es sei möglich den musikalischen Vortrag trotz der Begleitgeräusche fortzusetzen. Würde man sich auf die störenden Geräusche konzentrieren, sei normal, dass diese in den Vordergrund treten würden.

Die weiteren Vorfälle, wie das Weihnachtsfest, stünden dagegen in keinerlei Zusammenhang mit Klavierübungen der Klägerin, was den Vorwurf der zielgerichteten Störung des Klavierspiels abwegig erscheinen lasse.

Die Kammer konnte durch die Videosequenzen keine unzumutbare Lärmbelästigung feststellen. Mit Blick auf die Intensität der in der mündlichen Verhandlung angehörten Videosequenzen und angesichts der bauseits vorhandenen Hellhörigkeit der Wohnung erscheine der Vorwurf der vorsätzlichen Lärmentwicklung nicht gerechtfertigt.

Zudem würden die Beklagten kein nachvollziehbares Interesse daran besitzen, die Kläger aus der Wohnung zu vertreiben. Die Beklagten seien auf die Mieteinkünfte vielmehr finanziell angewiesen.

Das Feststellungsbegehren, dass die Mietzinsansprüche durch Aufrechnung erloschen seien, sei aus den oben genannten Gründen ohne Erfolg.

Die erstrebte Erstattung der Aufwendungen für Mietmehraufwendungen, Maklerkosten und Umzugskosten, soweit sie die zur Aufrechnung gestellten Beträge übersteigen, seien ebenfalls ohne Erfolg, da die Entscheidung zur Aufgabe der streitgegenständlichen Wohnung keine adäquate Folge der zur Kündigung berechtigenden schwerwiegenden Pflichtverletzung seien und die Kläger aufgrund der berechtigten Kündigung durch den Beklagten zu 1) zur Räumung der Wohnung verpflichtet waren.

Mittlerweise sei über die Kaution Abrechnung erteilt hat, so dass auch dieser Klageantrag ohne Erfolg bleibe und kein Restanspruch der Kläger verbleibe.

Demzufolge sei die Berufung der Kläger unbegründet und das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken aufrechtzuerhalten.

Quelle: Landgericht Saarbrücken

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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