§ 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG

  1. Ausländerrecht: Anspruch eines straffälligen Ausländers auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null

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    Bundesverwaltungsgericht, 06.03.2014, Az.: BVerwG 1 C 2.13

    Seit Inkrafttreten der Änderung des § 11 Abs. 1 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 22.11.2011 (BGBl I S. 2258) haben Ausländer einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit Erlass einer Ausweisung zugleich deren in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 genannte Wirkungen (Einreise- und Aufenthaltsverbot, Titelerteilungssperre) befristet.

    Bei der Festlegung der Länge der Ausweisung wiederum hat die Ausländerbehörde verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In einem ersten Schritt muss das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck berücksichtigt werden.

     

    Weiterhin muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Dabei kommen auch die persönlichen Verhältnisse des Ausländers, wie zum Beispiel dessen familiäre Strukturen zum Tragen.

    So ist zum Beispiel das (eigene) Recht eines minderjährigen Kindes auf Umgang mit seinem Vater als Ausfluss des Art. 6 GG bei einer Ermessensentscheidung über die Dauer der Befristung der Wirkungen einer Ausweisung zwingend zu berücksichtigen.

    In dem oben genannten Urteil des Bundesverwaltungsgericht hatte dieses nun darüber zu entscheiden, ob bei einem straffällig gewordenen Ausländer, welcher wegen seiner Asylberechtigung trotz Abschiebung niemals aus Deutschland ausgereist war, die Wirkungen der Ausweisung auf Null befristet werden mussten.

    Sachverhalt: Der Kläger war Staatsangehöriger von Sri Lanka. Im Jahre 1994 war der Kläger nach Deutschland eingereist und wurde 1996 als Asylberechtigter anerkannt.

    Im Jahr 2000 wurde er wegen gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

    Im März 2001 wies ihn das beklagte Land Baden-Württemberg dann aus Deutschland aus, ohne die Wirkungen der Ausweisung zu befristen.

    Zur Begründung führte der Beklagte an, die Ausweisung sei aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten gewesen, da die konkrete Gefahr bestünde, dass der Kläger sein strafbares Verhalten fortsetze, weil er ohne finanzielle Not in dem Bestreben gehandelt habe, durch Schleusung von Ausländern einen Gewinn zu erzielen.

    Die Ausweisung erfolge auch aus generalpräventiven Gründen, um andere Ausländer von ähnlichen Straftaten abzuhalten.

    Zu einer Abschiebung kam es wegen der Asylberechtigung des Klägers allerdings nicht. Der Schutzstatus wurde zwar im Jahr 2004 bestandskräftig widerrufen. Auf einen Folgeantrag wurde dem Kläger jedoch im Jahr 2010 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

    Der Kläger lebte daher seit seiner Haftentlassung durchgängig mit seiner Lebensgefährtin und seinen drei minderjährigen Kindern im Bundesgebiet, zunächst auf der Grundlage von Duldungen, bevor er im Juli 2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhielt.

    Im Mai 2010 beantragte er dann die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null. Der Beklagte befristete im Dezember 2010 die Wirkung der Ausweisung auf ein Jahr, beginnend mit dem Zeitpunkt der Ausreise. Der Kläger erhob daraufhin Klage, mit der er sein Begehren auf sofortige Befristung weiterverfolgt.

    Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, die Wirkung der Ausweisung auf den 16. März 2011 zu befristen. Dies wurde damit begründet, dass zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre seit Zustellung der Ausweisungsverfügung verstrichen gewesen seien und die Verwaltungsvorschriften für den Fall einer zwingenden Ausweisung wie hier regelmäßig eine Befristung auf diesen Zeitraum vorsähen.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen das Urteil gerichtete Berufung des Beklagten mit der folgenden Begründung zurückgewiesen: Der Kläger habe einen Anspruch auf Befristung der gegen ihn ergangenen Ausweisung mit sofortiger Wirkung.

    Weder spezialpräventive noch generalpräventive Gründe erforderten die weitere Aufrechterhaltung der Sperrwirkung der Ausweisung. Der Kläger, der in den mehr als zwölf Jahren seit seiner Verurteilung strafrechtlich nicht mehr aufgefallen sei, stelle keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr dar.

    Von der Ausweisung gehe auch keine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer mehr aus. Sei eine Befristung auf Null geboten, bedürfe es keiner Ausreise des Klägers.

    Gegen diese Entscheidung richtete der Beklagte seine Revision zum Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung, dass die Frist für den Lauf der Einreise- und Aufenthaltssperre gemäß § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG erst mit Ausreise des Ausländers zu laufen beginne und das Ausreiseerfordernis auch nicht durch eine Befristung auf Null unterlaufen werden dürfe.

    Während des Revisionsverfahrens nahm der Kläger mit Zustimmung des Beklagten die Klage insoweit zurück, als er die Befristung auf einen Zeitpunkt vor der Entscheidung des Berufungsgerichts begehrt hatte.

    Im Übrigen trat er der Revision entgegen und wies u.a. darauf hin, dass der Beklagte in anderen Fällen durchaus eine Befristung mit sofortiger Wirkung verfügt habe.

    Bundesverwaltungsgericht: Das Bundesverwaltungsgericht folgte der Ansicht des Beklagten nicht und urteilte, dass das Berufungsgericht ohne Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) den Beklagten für verpflichtet gehalten habe, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.

    Die Verpflichtungsklage sei zulässig. Der Kläger habe ein Rechtsschutzbedürfnis für sein Begehren, dass die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf Null befristet würden.

    Denn ohne eine solche Befristung würden die Wirkungen der Ausweisung jedenfalls für die außerhalb des 5. Abschnitts in Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes geregelten Aufenthaltstitel dauerhaft bestehen bleiben.

    Dies würde den Kläger belasten und würde sein Begehren rechtfertigen, denn ein Rechtsschutzinteresse würde nur fehlen, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen könne.

    Im Übrigen bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis auch im Hinblick auf die Erteilung der vom Kläger vorrangig erstrebten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG.

    Auch habe der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger in der Sache zu Recht einen Befristungsanspruch auf Null ohne vorherige Ausreise zuerkannt.

    Die Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch finde sich in § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Danach würden die in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (Einreise- und Aufenthaltsverbot) und in § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (Titelerteilungsverbot) bezeichneten Wirkungen auf Antrag befristet.

    Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 hätten Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristen, ohne dass es insoweit eines Antrags des Ausländers bedürfe

    Die Entscheidung über die Länge der Frist sei eine rechtlich gebundene Entscheidung, die nicht im Ermessen der Ausländerbehörde stünde.

    Dabei sei die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.

    Bei der Bestimmung der Länge der Frist seien in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen.

    Es bedürfe der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge.

    So sei der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wirkungen der Ausweisung im vorliegenden Fall vollständig zu beseitigen seien.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Senats könne in bestimmten Fällen eine vollständige Beseitigung der in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung geboten sein.

    In solchen Fällen würde das Erfordernis einer Fristbestimmung wie auch der Ausreise aus Deutschland entfallen.

    Dies könne zum einen deshalb geboten sein, weil seit Verfügung einer nicht vollzogenen Ausweisung ein so langer Zeitraum verstrichen sei, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- oder generalpräventiven Gründe entfallen sind.

    Ein Anspruch auf vollständige Beseitigung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG könne sich aber auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, etwa weil schützenswerte familiäre Belange im Sinne von Art. 6 GG dies erfordern.

    Im vorliegenden Fall habe das Berufungsgericht festgestellt, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- und generalpräventiven Gründe nach Verstreichen einer Zeitdauer von mehr als zehn Jahren nicht mehr vorliegen würden.

    Damit seien die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch erfüllt, ohne dass es einer Entscheidung der Frage bedürfe, ob dem Aufenthaltsbegehren eines Konventionsflüchtlings überhaupt generalpräventive Gründe entgegengehalten werden dürfen.

    Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten setze der Anspruch auf Beseitigung der in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung nicht die vorherige Ausreise des Ausländers voraus.

    Zwar würde § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG vorsehen, dass der Lauf der Frist mit der Ausreise beginne.

    Lägen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber keine Gründe für die Festsetzung einer Sperre im Sinne von § 11 Abs. 1 AufenthG mehr vor, würde damit auch das Erfordernis der Ausreise entfallen. Eine Frist für die Geltung der Wirkungen der Ausweisung dürfe dann nicht mehr in Gang gesetzt werden.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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  2. Ausländerrecht: Örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde für Entscheidungen zur Befristung einer Abschiebung.

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    Bundesverwaltungsgericht, 22.03.2012, Az.: 1 C 5.11

    Abschiebungen von Ausländern haben gem. § 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG zur Folge, dass der Ausländer, zunächst nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf.

    Gem. § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG darf dem Ausländer auch kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
    Allerdings können die Wirkungen der Abschiebung gem. § 11 Abs. 1 S. 3 AufenthG auf Antrag befristet werden. Da der Antrag auf Befristung ordnungsgemäß begründet werden sollte, sollte ein Rechtsanwalt mit der Befristung beauftragt werden. Dies insbesondere deshalb weil die Entscheidung über die Frist und die Länge der Frist im Ermessen der Behörde liegt.

    Gem. § 11 Abs. 1 S. 4 ist die Frist durch die zuständige Ausländerbehörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.

    Ermessenskriterien der Behörde sind zum Beispiel die Länge einer Freiheitsstrafe, die zu einer Ausweisung geführt hat, die Bezahlung von Abschiebekosten oder ob der Antragsteller Ehefrau oder Kinder in Deutschland hat.

    Problematisch ist es jedoch, die zuständige Ausländerbehörde für die Befristung der Abschiebung festzustellen, da das Aufenthaltsgesetz in § 71 AufenthG nur die sachliche, nicht aber die örtliche Zuständigkeit regelt.

    Genau diese Problematik hatte die oben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenstand.

    Sachverhalt: Die 1934 geborene Klägerin war türkische Staatsangehörige. Sie reiste im Oktober 1984 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Im Rahmen des Asylverfahrens wurde sie im Januar 1985 der Stadt S. im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen) zugewiesen und nahm dort ihren Wohnsitz.

    Nach Ablehnung ihres Asylantrags wurde sie zur Ausreise aufgefordert, befolgte die Aufforderung jedoch nicht, wurde dann aber nach mehreren Duldungen 1988 auf Veranlassung des Landrats des beigeladenen Hochsauerlandkreises abgeschoben.

    Nach einer kurzen Wiedereinreise, während dessen die Klägerin einen Asylfolgeantrag gestellt hatte, wurde sie auf Betreiben des Landrats des Hochsauerlandkreises im Jahre 2005 erneut in die Türkei abgeschoben.

    Im Februar 2006 beantragte die Klägerin dann beim Landrat des Hochsauerlandkreises, die Wirkung ihrer Abschiebungen von 1988 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen.

    Als Begründung führte sie aus, dass sie an altersbedingten Krankheiten leide und darauf vertraue, die notwendige Lebenshilfe bei ihrem in Berlin lebenden Sohn erlangen zu können.

    Mit der Aufhebung der Sperrwirkung solle eine der Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass ein Visum zum Familiennachzug erwirkt werden könne.

    Der Landrat des Hochsauerlandkreises befristete die Wirkung der Abschiebungen mit Bescheid vom 3. April 2006 auf den 30. April 2010. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhobene Klage wurde im April 2008 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Landrat des Hochsauerlandkreises sei im Hinblick auf die begehrte Befristungsentscheidung nicht passiv legitimiert sei.

    Die Klägerin beantragte daraufhin im Dezember 2009 bei der Ausländerbehörde des beklagten Landes Berlin, die Wirkungen der Abschiebungen von 1998 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen.

    Dabei gab sie an, dass sie beabsichtige, nach der Befristungsentscheidung ein Visum für den Nachzug zu ihrem in Berlin lebenden Sohn zu beantragen.

    Die Ausländerbehörde des Beklagten teilte der Klägerin mit, dass sie sich für die Bescheidung des Befristungsbegehrens als nicht zuständig ansehe und den Antrag daher an die zuständige Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises abgegeben habe.

    Der Landrat des Hochsauerlandkreises wiederum setzte die Ausländerbehörde des Beklagten im Februar 2010 darüber in Kenntnis, dass nach seiner Auffassung nicht er, sondern der Beklagte für die Befristungsentscheidung zuständig sei, und erteilte zugleich sein Einvernehmen mit einer Entscheidung des Beklagten.

    Im März 2010 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben, mit der sie die Verpflichtung des beklagten Landes Berlin zur sofortigen Befristung der Wirkungen der Abschiebungen von 1988 und 2005 begehrte.

    Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2011 mit der Begründung ab, dass das beklagte Land Berlin nicht sachentscheidungsbefugt sei, weil die Annexkompetenz für die Befristungsentscheidung bei der Behörde liege, die die Abschiebung veranlasst habe.

    Gegen diese Entscheidung richtete sich die Klägerin mit der Revision zum Bundesverwaltungsgericht.

    Bundesverwaltungsgericht: Das Bundesverwaltungsgericht folgte der Ansicht des Verwaltungsgerichts zumindest im Ergebnis, dass das beklagte Land für die Befristungsentscheidungen nicht zuständig sei.

    Das Aufenthaltsgesetz treffe in § 71 AufenthG nur eine Regelung über die sachliche Zuständigkeit und nicht zur örtlichen Zuständigkeit. Damit bestünde für die nachträgliche Befristung der Wirkungen einer Ausweisung oder Abschiebung sowie deren nachträgliche Änderung auch nicht mehr die noch in § 15 Abs. 1 Satz 3 AuslG 1965 geregelte Annexkompetenz der Behörde, die den Ausländer ausgewiesen oder abgeschoben habe.

    Vielmehr berücksichtige das Aufenthaltsgesetz – wie zuvor schon das Ausländergesetz 1990 – mit Rücksicht auf die Kompetenz der Länder zur eigenverantwortlichen Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83 GG den Grundsatz, dass die Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden grundsätzlich Sache der Länder sei.

    Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ergäbe sich eine Annexkompetenz der den Bescheid erlassenden Ausgangsbehörde für nachträgliche Befristungsentscheidungen auch nicht aus einem angeblich dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu entnehmenden Grundsatz, demzufolge für nachträgliche Beschränkungen eines Verwaltungsaktes – wie etwa Rücknahme und Widerruf – grundsätzlich die Ausgangsbehörde zuständig bleibe.

    Dass im vorliegenden Fall die Ausländerbehörde der Beklagten für die begehrte Befristungsentscheidung nicht zuständig sei, ergäbe sich vielmehr aus folgenden Erwägungen.

    Die für das Befristungsbegehren zuständige Behörde sei in zwei Schritten zu bestimmen.

    In einem ersten Schritt sei festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitze. Diese Frage sei – wenn keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen – durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten.

    In einem zweiten Schritt sei auf der Grundlage des Landesrechts des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes zu ermitteln, welche Behörde innerhalb des Landes örtlich zuständig sei.

    Aus der entsprechenden Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG des Bundes übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder ergäbe sich hier, dass die Ausländerbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens der Klägerin zuständig seien.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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  3. Ausländerrecht: Kein Ehegattennachzug wegen falscher Angaben im Schengen-Visum

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    Bundesverwaltungsgericht, 16.11.2010, Az.: 1 C 17.09

    Hintergrund: Im Jahr 1985 vereinbarten einige europäische Staaten das Schengen Abkommen über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen zwischen den Vertragsparteien. Nach Beitritt zahlreicher anderer europäischer Staaten, wurde im Jahr 1999 die Schengen-Zusammenarbeit in die Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft einbezogen.

    Dabei ging es insbesondere um die Vereinheitlichung der Vorschriften für die Einreise und den kurzfristigen Aufenthalt von Ausländern im „Schengen-Raum“ („Schengenvisum“). Drittstaatsangehörige, die über ein Schengen-Visum verfügen, dürfen sich im Rahmen der Gültigkeit und des Zwecks der Visa auch in den anderen Schengen-Staaten aufhalten und unterliegen bei Passieren der Binnengrenzen ebenfalls keinen Kontrollen. Um ein solches Visum zu erhalten, müssen Drittstaatsangehörige neben Visaantrag und Reisepass grundsätzlich eine Reisekrankenversicherung in bestimmter Höhe für alle Schengen-Staaten (mit einer Deckungssumme von mindestens 30.000 Euro) aufweisen. Für Geschäftsreisevisa sind neben Visaantrag und Reisepass darüber hinaus weitere Dokumente wie Einladung auf Firmenbogen, kurze Beschreibung der Geschäftsbeziehung, etc. nötig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte in dem oben genannten Urteil nun über die Frage zu entscheiden, ob eine Drittstaatsangehörige, die mit einem sog. Schengen-Visum zu Besuchszwecken eingereist war und in Dänemark die Ehe mit einem Deutschen einging, eine auf Dauer gerichtete Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug erhalten könne, ohne zuvor vom Ausland aus das hierfür erforderliche Visumverfahren durchgeführt zu haben.

    Aufenthaltstitel_nach_dem_AufenthaltsG

    Sachverhalt: Die Klägerin aus der Republik Weissrussland war mit einem Schengen-Visum zu Besuchszwecken nach Deutschland eingereist. In Dänemark heiratete sie einen deutschen Staatsangehörigen, kehrte nach Deutschland zurück und stellte einen Antrag auf Ehegattennachzug. Diesen Antrag lehnte die Ausländerbehörde ab und drohte der Klägerin die Abschiebung an. Nach Ansicht der Behörde könne ein Drittstaatsangehöriger als Inhaber eines gültigen Schengen-Visums zwar den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet gem. § 39 Nr. 3 AufenthVO beantragen, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden seien. Im Falle der Klägerin sei die Ehe aber nicht wie von Gesetz gefordert nach, sondern vor der letzten Einreise aus Dänemark vereinbart worden. Daraufhin klagte die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht und bekam Recht. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hingegen bestätigte den Bescheid der Ausländerbehörde. Daraufhin legte die Klägerin Revision bei BVerwG ein.

    Bundesverwaltungsgericht: Das BVerwG bestätigte das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. Die Klägerin könne die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Ehegattennachzugs nicht aufgrund der Sonderregelung in der Aufenthaltsverordnung vom Inland aus beantragen. Dies ergäbe sich daraus, dass sie die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 39 Nr. 3 AufenthVO nicht erfülle, da sie bei der Beantragung des Schengen-Visums angegeben habe, nur zu Besuchszwecken einreisen zu wollen, obwohl sie von vornherein dauerhaft in Deutschland bleiben wollte. Gem. § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG habe sie somit einen Ausweisungsgrund verwirklicht.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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