§ 35 Abs. 1 GmbHG Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: § 35 Abs. 1 GmbHG

  1. Steuerrecht: Die Verletzung lohnsteuerrechtlicher Pflichten durch den Geschäftsführer einer GmbH

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    Finanzgericht Köln, 24.10.2012, Az.: 15 K 66/12

    Gemäß § 191 Abs. 1 i. V. m. §§ 69, 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) haftet der Geschäftsführer einer GmbH als deren gesetzlicher Vertreter (§ 35 Abs. 1 GmbHG) für die von der Gesellschaft nicht abgeführte Körperschaftssteuer, Umsatzsteuer und Lohnsteuer, wenn die Nichterfüllung eine Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der dem Geschäftsführer auferlegten Pflichten ist.

    Für eine solche Pflichtverletzung kann der Geschäftsführer mittels eines Haftungsbescheides in Anspruch genommen werden

    Die Verletzung folgender Pflichten durch den Geschäftsführer kann eine Haftung begründen: Steuerentrichtungspflicht, Mitwirkungspflichten, Auskunftspflichten, Vorlagepflichten, Anzeigepflichten, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, Steuererklärungspflichten, etc.

    Neben der Verletzung einer objektiven Pflicht ist auch das subjektive Verschulden des Geschäftsführers Voraussetzung der Haftung. Haftung tritt insofern nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ein.

    Nach der Rechtsprechung des BFH ist grobe Fahrlässigkeit gegeben, falls jemand die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen verpflichtet und im Stande war, in ungewöhnlich hohem Maße verletzt.

    Der objektive Fahrlässigkeitsbegriff des Zivilrechts (§ 276 BGB), nach dem es allein auf die Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ankommt, gilt für § 69 AO nicht.

    Rechtsmittel gegen den Haftungsbescheid sind der Einspruch bzw. nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Anfechtungsklage beim Finanzgericht.

    In dem oben genannten Verfahren vor dem Finanzgericht Köln stritten die Beteiligten um die Rechtmäßigkeit der Inhaftungnahme der Klägerin als frühere Geschäftsführerin einer GmbH.

    Sachverhalt: Die Klägerin war seit Gründung der GmbH in 2004 eine von zwei Gesellschaftern und zugleich alleinige und einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin.

    Mit notariellem Vertrag vom 30.12.2009 wurden alle Gesellschaftsanteile an Herrn A veräußert. Dieser bestellte sich mit Gesellschafterbeschluss desselben Datums zum Geschäftsführer, gleichzeitig wurde die Klägerin mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführerin abberufen.

    Unter der Leitung der Staatsanwaltschaft C ermittelten die Finanzämter für Steu­erstrafsachen und Steuerfahndung C und D gemeinsam mit dem Hauptzollamt E gegen die GmbH u.a. wegen des Verdachts der Lohnsteuerverkürzung der Jahre 2004 bis 2006.

    Als Ergebnis der gemeinsamen Ermittlungen stellten die Behörden fest, dass die GmbH in den Jahren 2005 und 2006 auf ihren Baustellen eine unbekannte Anzahl von Personen beschäftigt hatte, ohne die sozialversicherungsrechtlichen oder steuerlichen Konsequenzen daraus zu ziehen.

    Nach den überprüften Werkslisten lag die Zahl der nicht gemeldeten Arbeiter auf den verschiedenen Baustellen der GmbH zwischen 8 und 45 Personen. Weiterhin waren zwischen 43,9 % und 100 % der von der GmbH gemeldeten Arbeiter als geringfügig Beschäftigte geführt, obwohl dies nach den Ermittlungen nicht zutraf.

    Das zuständige Finanzamt erließ daher gegenüber der GmbH als Arbeitgeberin einen Haftungsbescheid.

    Später nahm es weiterhin die Geschäftsführerin gem. §§ 34, 69 und 71 AO wegen rückständiger Abgaben der GmbH an Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchenlohnsteuer sowie Säumniszuschlägen in Haftung.

    Hiergegen klagte die in Haftung genommene Gesellschafterin und führte dahingehend aus, dass sich die Beklagte zur Begründung einer Haftung der Höhe nach nicht auf den Haftungsbescheid gegenüber der GmbH berufen könne, da dieser kein Nachforderungsbescheid sei.

    Auch sei die von Beklagten darin vorgenommene Schätzung fehlerhaft, da dieser die Lohnsumme mit 66,6 % des Rohgewinns als Nettolohnsumme ansehe.

    Finanzgericht Köln: Das FG Köln wies die Klage ab, und bestätigte, dass die Klägerin für die Lohnsteuer, Solidaritätszuschläge zur Lohnsteuer und die Lohnkirchensteuern hafte, für die die GmbH ihrerseits in Haftung genommen wurde.

    Denn gem. §§ 69 Satz 1 AO, 35 Abs. 1 GmbHG hafte der GmbH-Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung seiner ihm durch § 34 Abs. 1 AO auferlegten steuerlichen Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt würden.

    Zudem könne er nach §§ 71, 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO auch als Steuerhinterzieher in Haftung genommen werden, wenn er – durch unrichtige, unvollständige oder unterlassene Angaben in abzugebenden Steueranmeldungen oder -erklärungen – für die von ihm vertretene GmbH nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt habe, indem er die zu gering deklarierten Steuern zur Verbesserung der Liquidität oder des Betriebsergebnisses der Gesellschaft dem Finanzamt vorenthalte.

    Eine vorsätzliche haftungsbegründende Steuerhinterziehung liege stets dann vor, wenn der Geschäftsführer Schwarzlöhne an die Arbeitnehmer der von ihm geführten GmbH auszahle.

    Die Inanspruchnahme des Geschäftsführers sei sowohl nach § 71 AO als auch nach § 69 Satz 1 AO dem Grunde nach berechtigt.

    Für die Höhe seiner Inhaftungnahme seien bei Lohnsteuerhinterziehung die durch Schwarzlohnzahlungen hinterzogenen Abzugssteuerbeträge maßgebend, die nach § 162 AO auch geschätzt werden könnten. Dafür bedürfe es i.d.R. keiner besonderen Begründung des Ermessens mehr (BFH, Beschl. v. 02.07.2001 – VII B 345/00, NV).

    Letztlich erscheine dem FG die Inanspruchnahme der Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt des Auswahlermessens zwischen mehreren möglichen Haftungsschuldnern als fehlerfrei.

    Da die Klägerin ihre Pflichten zur Einbehaltung (§ 38 Abs. 3 EStG) und Abführung der Lohnsteuer (§ 41a Abs. 1 EStG) vorsätzlich verletzt habe und die Arbeitnehmer als Steuerschuldner noch nicht einmal alle namentlich bekannt seien, bedürfe es keiner besonderen Begründung der Ermessensentscheidung.

    Insoweit sei das Ermessen des Finanzamts vorgeprägt. Da das Finanzamt neben der Klägerin auch vorrangig die GmbH gesamtschuldnerisch in Haftung genommen habe, sei auch insoweit kein Auswahlfehler feststellbar.

    Quelle: Finanzgericht Köln

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Gesellschaftsrecht: Keine Strafbarkeit des GmbH-Geschäftsführers für Steuerzahlungen nach Insolvenz

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    Bundesgerichtshof, 25.1.2011, Az.: II ZR 196/09

    Gem. § 64 S. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden.

    Zweck dieser Regelung ist es, dass ab Insolvenzreife einzelne Gläubiger der Gesellschaft nicht mehr befriedigt werden, indem die Masse für die Befriedigung der Gläubiger erhalten bleibt.

    Um dieses Ziel zu erreichen und den dafür notwendigen Druck herzustellen, kann gem. § 64 GmbHG mit dem Geschäftsführer, eine letztlich verantwortliche natürliche Person haftbar gemacht werden.

    Der Anspruch nach § 64 GmbHG ist somit auch kein Schadensersatzanspruch der GmbH, sondern wird durch den BGH als Anspruch eigener Art klassifiziert, da es letztendlich nicht um den Schaden der Gesellschaft, sondern der Gläubigergemeinschaft geht.

    In der oben genannten Entscheidung hatte der BGH nun darüber zu entscheiden, ob der Geschäftsführer nach § 64 Satz 1 GmbHG haftet, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife rückständige Umsatz- und Lohnsteuern an das Finanzamt und rückständige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle auszahlt.

    Sachverhalt: Der Beklagte war Geschäftsführer einer Bauingenieurgesellschaft mbH, über deren Vermögen aufgrund eines Antrags Anfang Januar 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Kläger war der Insolvenzverwalter. Der Kläger verlangte vom Beklagten zwei Zahlungen über Steuern und Kassenbeiträge ersetzt, die dieser nach Insolvenzreife an das Finanzamt geleistet hatte.

    Hilfsweise stützte der der Kläger seine Klage darauf, dass auf dem Geschäftskonto der GmbH, ebenfalls nach Insolvenzreife, Überweisungen in Höhe von 121. 212, 50 € gutgeschrieben worden waren.

    Das Landgericht wies die Klage bezüglich der beiden Zahlungen des Beklagten an die AOK und das Finanzamt ab und verurteilte ihn bezüglich der auf dem Konto gutgeschriebenen Zahlungen unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags dazu, an den Kläger 18. 501, 07 € zu zahlen, nämlich die Differenz zwischen den Gutschriften auf dem Geschäftskonto und den an das Finanzamt und die AOK gezahlten Beträgen.

    Das Berufungsgericht wies die Klage auf die Berufung des Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers in vollem Umfang ab. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren weiter.

    BGH: Der BGH schloss sich der Ansicht des Beklagten an. Der Beklagte habe mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters gehandelt, als er die Beträge an das Finanzamt und die AOK gezahlt habe.

    Denn mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung könne einem Geschäftsführer nicht angesonnen werden, sich strafbar und ersatzpflichtig zu machen (Haftung gemäß §§ 69, 34 Abs. 1 AO), indem er fällige Umsatzsteuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht abführe. Das gelte nicht nur für die nach Ablauf der Insolvenzantragsfrist fällig werdenden Beträge, sondern ebenso für die Rückstände.

    Diese Rechtsprechung schließt sich nahtlos an andere Entscheidungen des BGH in ähnlich gelagerten Fällen an. Nach dieser Rechtsprechung handelt ein Geschäftsführer auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife fällige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die zuständige Einzugsstelle zahlt (BGH, Urteile v. 14.5.2007 – II ZR 48/06 und v. 2.6.2008 – II ZR 27/07).

    Quelle: Bundesgerichtshof

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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