§ 53 Abs. 1 SGB XII Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: § 53 Abs. 1 SGB XII

  1. Sozialrecht: Mehrfach behinderte Frau hat Anspruch auf Anschaffung und Umbau eines PKW im Rahmen der Eingliederungshilfe

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    Landessozialgericht Baden-Württemberg, 26.09.2012, Az.: L 2 SO 1378/11

    Gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII können Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.

    Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können ebenfalls Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten.

    Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

    Die Leistungen der Eingliederungshilfe lassen sich somit in folgende Bereiche aufteilen:

    – Leistungen der Eingliederungshilfe an Menschen mit körperlich/geistiger Behinderung

    – Leistungen der Eingliederungshilfe an Menschen mit psychisch/seelischer Behinderung

    – Leistungen der Eingliederungshilfe an suchtkranke Menschen

    – Leistungen der Eingliederungshilfe ohne Differenzierung nach Behinderungsarten

    In dem oben genannten Fall des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ging es um die Frage, ob der beklagte Landkreis einer mehrfach geistig und körperlich behinderten Frau einen PKW finanzieren musste, welchen die Mutter der Frau zu deren Beförderung benutzen wollte.

    Sachverhalt: Die im Jahre 1988 geborene Klägerin war mehrfach geistig und körperlich schwer behindert.

    Aufgrund ihrer Behinderungen konnte die Klägerin weder sprechen noch sehen und litt unter einer therapieresistenten Epilepsie. Die Klägerin litt ebenfalls unter einer starken Skoliose, die ihr normales Sitzen in nicht für sie angepassten Vorrichtungen unmöglich machte.

    Aufgrund ihrer Krankheit hatte die Klägerin kein relevantes Einkommen und Vermögen, sondern erhielt Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sowie der Landesblindenhilfe.

    Nachdem die Klägerin zeitweise in einem Heim und in einem Wohnheim untergebracht war, lebte sie seit nunmehr 10 Jahren bei ihrer Mutter und wurde von dieser alleine zuhause gepflegt.

    Die Busse des öffentlichen Nahverkehrs in der Heimatstadt der Klägerin waren nicht behindertengerecht ausgestattet und konnten von der Klägerin nicht genutzt werden.

    Die Klägerin besuchte bis Sommer 2012 eine Schule für geistig und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche, zu der sie mit einem Schulbus gefahren wurde.

    Während der über das ganze Jahr verteilten 15 Wochen Ferien fuhr der Schulbus nicht, weshalb die Klägerin die von der Schule in den Ferien angebotene Tagesbetreuung nur eingeschränkt wahrnehmen konnte.

    Im Januar 2006 beantragte die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, bei dem als Sozialhilfeträger zuständigen Landkreis Hilfe zur Anschaffung und zum behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs einschließlich der Kosten für eine Klimaanlage und Standheizung.

    Dies lehnte der beklagte Landkreis mit der Begründung ab, dass der vorgebrachte Wunsch nach Teilhabe am sozialen Leben keine Notwendigkeit für die ständige Benutzung eines KFZ impliziere.

    Aufgabe der Sozialhilfe sei es nicht, einen sozialen Mindeststandard zu gewährleisten. Auch nichtbehinderte Menschen, die über kein KFZ verfügen würden, müssten den Kontakt zu Verwandten und Bekannten eben auf andere Weise aufrecht erhalten, z.B. indem sie sich besuchen ließen.

    Der Transport zur Schule werde vom Schülerbeförderungsdienst sicher gestellt; für Arztbesuche sei die gesetzliche Krankenversicherung zuständig

    Sofern der Klägerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich oder nicht zumutbar sei, sei sie auf den Beförderungsdienst für Schwerbehinderte des Landkreises zu verweisen.

    Dadurch werde neben der Bedarfsdeckung auch sichergestellt, dass der Familie kein Vorteil erwachse und nur der konkrete Bedarf des anspruchsberechtigten behinderten Menschen befriedigt werde.

    Denn die Hilfe dürfe unmittelbar nur dem Menschen mit Behinderung zugute kommen.

    Die gegen diese ablehnende Entscheidung eingereichte Klage beim Sozialgericht Freiburg hatte Erfolg. Gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg reichte der Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg ein.

    Landessozialgericht Baden-Württemberg: Das LSG Baden-Württemberg folgte der Ansicht des Beklagten ebenfalls nicht, sondern urteilte, dass die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff. SGB XII in Verbindung mit §§ 8, 9 Eingliederungshilfe – Verordnung in Form einer Hilfe zur Anschaffung und zum behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs habe.

    Die Entscheidung des Beklagten sei schon deswegen ermessensfehlerhaft, weil sich der Beklagte zur Erfüllung des Anspruchs Dritter bediene und die Klägerin auf die Inanspruchnahme von Behindertenfahrdiensten verweise.

    Auch habe der Beklagte behauptet, dass die Fahrdienste in ausreichender Zahl zur Verfügung stünden, obwohl der Beklagte nach eigenen Angaben noch im Erörterungstermin am 12.7.2012 nicht gewusst habe, für wie viele berechtigte Personen wie viele Fahrzeuge zur Verfügung stünden.

    Der beklagte Landkreis habe den Sachverhalt zum Zeitpunkt der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen also nicht ausreichend beurteilen können.

    Auch sei der Beklagte von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen, wenn er die ablehnende Entscheidung damit begründet habe, dass es nicht Aufgabe der Sozialhilfe sei, einen sozialen Mindeststandard zu gewährleisten.

    Welcher Bedarf anerkannt wird, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (§ 53 Abs. 3 SGB XII).

    Ziel der Eingliederungshilfe sei es, dem behinderten Menschen auch die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben und den Kontakt zu seiner sozialen Umwelt zu erhalten.

    Somit sei es für die Anschaffung eines Fahrzeugs keine Voraussetzung, dass die Klägerin ständig, praktisch zwingend täglich auf das Fahrzeug angewiesen sei.

    Auch sei die Leistungsgewährung nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Fahrzeug durch die Mutter der Klägerin geführt werde und der Familie der Klägerin durch die Anschaffung des Fahrzeugs mittelbar ein Vorteil erwachse.

    Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg

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  2. Elternunterhalt: Urteil des BGH zur Leistungsfähigkeit beim Elternunterhalt

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    Bundesgerichtshof, 28.07.2010, Az.: XII ZR 140/07

    Gem. § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Anknüpfungspunkt für die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern ist somit die Verwandtschaft (vgl. §§ 1589 ff. BGB), so dass Schwiegereltern von ihren Schwiegerkindern nicht unterstützt werden müssen.

    Wenn der Sozialhilfeträger die Sozialleistungen erbringt, geht der Unterhaltsanspruch der Eltern gegen die Kinder gem. § 94 SGB XII auf die Behörde über, sofern dies keine unbillige Härte gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII darstellt.

    Für die Unterhaltsverpflichtung nach § 1601 BGB müssen Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern und Leistungsfähigkeit der Kinder gleichzeitig (also „zeitlich kongruent“) vorliegen.

    Die Bedürftigkeit der Eltern richtet sich nach § 1602 BGB wonach unterhaltsbedürftig nur derjenige ist, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Dies ist dann der Fall, wenn die Eltern vermögens- und einkommenslos sind. Vorhandenes Vermögen und tatsächlich erzielte Einkommen sind somit in bestimmtem Maße zu verwerten.

    Die Leistungsfähigkeit der Kinder richtet sich nach § 1603 BGB. Danach ist derjenige nicht unterhaltspflichtig, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Wie bei § 1602 BGB kommt es bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Kinder somit auf das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein von Vermögen und Einkommen an.

    Gerade die Leistungsfähigkeit der Kinder ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.

    Vermögen der unterhaltsverpflichteten Kinder

    Grundsätzlich haben unterhaltsverpflichtete Kinder vornehmlich Vermögenserträge heranzuziehen, müssen aber unter Umständen auch den Vermögenstamm angreifen. Allerdings ist auch dies nur in dem Rahmen zulässig, in dem der eigene angemessene Unterhalt der unterhaltsverpflichteten Kinder nicht gefährdet wird. Genau wie im Sozialhilferecht wird auch im Unterhaltsrecht vorhandenes Vermögen bis zu einem gewissen Grad nicht herangezogen (Schonvermögen).

    Einkommen der unterhaltsverpflichteten Kinder

    Dasjenige Einkommen der Kinder, welches zum Unterhalt herangezogen wird, kann aus sämtlichen Einkommensarten dieser folgen, wie z. B. Arbeitseinkommen, Mieterträge, Kapitalerträge, Zinsen, Renten, vermögenswirksame Leistungen etc. Auch die Berechnungsweise der Einkommen der Kinder ist insofern immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen.

    Der BGH hatte nun in dem oben genannten Urteil über die Leistungsfähigkeit eines unterhaltsverpflichteten Kindes beim Elternunterhalt zu befinden.

    Sachverhalt: In der oben genannten Entscheidung machte der Kläger als Träger der Sozialhilfe Ansprüche auf Elternunterhalt in Höhe von 3.295,10 Euro aus übergegangenem Recht geltend. Die pflegebedürftige Mutter des Beklagten lebte in einem Seniorenzentrum. Da sie die Kosten des Heimaufenthalts aus ihren Renteneinkünften sowie den Leistungen der Grundsicherung und der Pflegeversicherung nur teilweise aufbringen konnte, gewährte ihr der Kläger ergänzende Sozialhilfe. Der Beklagte befand sich seit einiger Zeit im Ruhestand und erhielt Versorgungsbezüge. Seine Ehefrau erhielt Rentenleistungen. Die Ehegatten bewohnten eine Eigentumswohnung.

    Der Beklagte hielt sich für nicht leistungsfähig, weil er einem Sohn noch zu Unterhaltsleistungen verpflichtet war. Außerdem vertrat er die Auffassung, dass der ihm zugerechnete Wohnvorteil vom Kläger nicht zutreffend ermittelt worden sei.

    Bundesgerichtshof: Der BGH folgte der Ansicht des Beklagten nur teilweise. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten werde durch sein Einkommen und den ihm zuzurechnenden hälftigen Wohnvorteil bestimmt. Abzusetzen seien die Aufwendungen für Haftpflicht- und Hausratversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung sowie die zusätzliche Altersvorsorge. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Beklagte bedürfe als Pensionär keiner zusätzlichen Altersvorsorge mehr und sei zudem durch seine Eigentumswohnung ausreichend gesichert. Auch bei einer vergleichsweise guten Rente sei es zulässig, weiterhin Altersvorsorge im Hinblick auf einen etwa erhöhten Bedarf im Alter zu betreiben. Dies gelte hier umso mehr, als die Ehefrau des Beklagten zu Beginn des maßgeblichen Zeitraums noch unterhaltsbedürftig gewesen sei und unter Berücksichtigung ihres eigenen Einkommens nur über geringe Rentenanwartschaften verfüge. Zudem habe der Beklagte noch nicht das 65. Lebensjahr er-reicht. Unterhaltsleistungen für den Sohn des Beklagten seien dagegen nicht in Abzug zu bringen, da dieser seit 2001 nicht mehr studiere und deshalb nicht mehr unterhaltsberechtigt sei. Der dem Beklagten und seiner Ehefrau jeweils in Höhe von ½ zuzurechnende Wohnvorteil sei nicht mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete, sondern auf der Grundlage des unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Mietzinses zu bemessen. Das Familieneinkommen errechne sich sodann unter Einbeziehung des ebenfalls um den hälftigen Wohnvorteil erhöhten Einkommens der Ehefrau.

    Quelle: Bundesgerichtshof

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