§ 626 Abs. 1 BGB Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: § 626 Abs. 1 BGB

  1. Arbeitsrecht: Eine Verdachtskündigung ist nur bei der Erfüllung strenger Voraussetzungen möglich

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    Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 17.02.2012, Az.: 17 Sa 252/11

    Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (fristlose Kündigung) gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage somit in zwei Stufen zu prüfen.

    1. Zunächst ist zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist.

    2. In der zweiten Stufe bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

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    Insbesondere bei einer Verdachtskündigung ist allerdings eine besondere Vorgehensweise des Arbeitgebers nötig, damit die fristlose Kündigung wirksam wird.

    Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn demArbeitnehmer wegen des Verdachts auf eine im Betrieb begangene Verfehlung gekündigt wurde.

    In den allermeisten Fällen geht es dabei um Diebstahl oder Unterschlagung.

    In dem oben genannten Urteil stritten sich die Parteien über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, hilfsweise fristgerechten Kündigung mit einer Auslauffrist zum 31.12.2010 wegen Unterschlagung bzw. des dringenden Verdachts einer Unterschlagung.

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    Sachverhalt: Der 1972 geborene verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.09.1997 bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.239,70 € unter Anderem als Kassenführer beschäftigt.

    Bei der beklagten Arbeitgeberin bestand hinsichtlich des vom Kläger zu führenden Kassenbuches die Geschäftsanweisung, dass für jeden Geldein- und ausgang der Kasse durch den Kassenführer eine Quittung auszustellen sei.

    Im Rahmen der Kündigung warf die Beklagte dem Kläger vor, von einem Kunden 14,99 € entgegengenommen zu haben, diesem darüber aber keine Quittung erteilt und den Betrag für sich einbehalten zu haben.

    In einer darauf folgenden Anhörung wies die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aufgrund des Vorfalls hin. Weiterhin erfolgte eine Anhörung des Betriebsrates.

    Mit Schreiben vom 15.06.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende zum 31.12.2010.

    Gegen die Kündigung legte der Kläger Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein.

    Das Arbeitsgericht folgte der Ansicht des Klägers und führte im Wesentlichen aus, dass der Kläger als Wahlbewerber den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 S. 2 KSchG genieße würde und deswegen nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne.

    Die Beklagte habe aber die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nicht darlegen können.

    Gegen das Urteil legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein.

    Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Auch das LAG Düsseldorf folgte der Ansicht des klagenden Arbeitnehmers. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 15.06.2010 noch durch die hilfsweise ausgesprochene fristlose Kündigung mit sozialer Auslauffrist bis zum 31.12.2010 beendet worden.

    Die Beklagte habe die Kündigung auf eine Unterschlagung, hilfsweise den Verdacht einer Unterschlagung gestützt. Die Voraussetzungen für eine Tatkündigung hätten aber nicht vorgelegen.

    Die Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, dass sich der Kläger am 01.06.2010 einen zwischen 8:45 Uhr und 9:00 Uhr kassierten Betrag von 14,99 € zugeeignet hatte, da keine Person benannt worden sei, die gesehen habe, dass der Kläger einen solchen Betrag eingesteckt habe.

    Die Kündigung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtskündigung wirksam erfolgt.

    Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch der Verdacht einer strafbaren Handlung einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellen.

    Eine Verdachtskündigung könne aber nur gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen würden, die Verdachtsmomente geeignet seien, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen habe, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe.

    Der Verdacht müsse auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung sei die strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend.

    Ein Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen, selbst wenn es nur um geringe Werte ginge.

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe die Beklagte aber keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, die den dringenden Verdacht begründen würden, dass sich der Kläger den Geldbetrag in Höhe von 14,99 € rechtswidrig zugeeignet habe.

    Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Arbeitsrecht: Verhaltensbedingte Kündigung ist nur bei vorwerfbarer Pflichtverletzung gerechtfertigt.

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    Bundesarbeitsgericht, 03.11.2011, Az.: 2 AZR 748/10

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine verhaltensbedingte Kündigung dann gerechtfertigt, wenn Umstände im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die bei verständiger Würdigung – in Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber – die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen.

    Verhaltensbedingte Kündigungen können aufgrund verschiedenster Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers erfolgen.

    Nur beispielhaft seien die folgenden Vertragsverletzungen genannt:

    – alkoholbedingtes Fehlverhalten
    – verspätete oder fehlende Krankmeldung
    – eigenmächtiger Urlaubsantritt bzw. unentschuldigtes Fernbleiben
    – allgemeine Schlechtleistung des Arbeitnehmers
    – Tätlichkeiten im Betrieb

    Um eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen, muss neben der festgestellten Vertragsverletzung, der negativen Prognose und der fehlenden
    Weiterbeschäftigungsmöglichkeit eine umfassende Interessenabwägung durch den Arbeitgeber erfolgen.

    Im Rahmen der Kündigungsschutzklage prüft das Gericht dann, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zugemutet werden kann.

    Bei der Abwägung werden dann zum Beispiel die Stärke der Pflichtverletzung oder das frühere Verhalten des Arbeitnehmers gewichtet.

    In dem oben genannten Urteil hatte das Bundesarbeitsgericht nun darüber zu entscheiden, ob eine verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung darauf gestützt werden konnte, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit unzureichend angezeigt und den Schlüssel eines Dienstfahrzeugs sowie das dazugehörige Fahrtenbuch nicht im Betrieb hinterlegte hatte.

    Sachverhalt: Der 1969 geborene, ledige Kläger war seit 1985 bei der Beklagten beschäftigt. Seit 2008 war er in dem Ressort „OnSiteService“ als Kundendiensttechniker im Außendienst im Einsatz.

    Zuletzt bezog er ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.000,00 Euro. Dem Kläger stand als alleinigem Nutzer ein Dienstfahrzeug ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung.

    Von dem Arbeitgeber war er angewiesen, vor Urlaubsantritt oder bei Arbeitsunfähigkeit den Fahrzeugschlüssel und das Fahrtenbuch im Betrieb abzugeben.

    Weil er dem anlässlich einer Arbeitsunfähigkeit und eines Urlaubs in der Zeit vom November 2002 bis Februar 2003 nicht nachgekommen war, hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihn abgemahnt und im Februar 2003 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen.

    Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers hatte Erfolg, da die Beklagte nicht zu beweisen vermochte, dass das Abmahnungsschreiben dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung zugegangen war.

    Vor dem Antritt eines erneuten Urlaubs Ende Oktober 2008 hatte der Kläger den Schlüssel des Dienstfahrzeugs und das Fahrtenbuch wiederum nicht im Betrieb hinterlegt.

    In einem Gespräch im November 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass durch sein Fehlverhalten ein einem anderen Ressort zugeordneter Parkplatz in der Tiefgarage über drei Wochen lang durch sein Fahrzeug belegt gewesen sei.

    Die Beklagte wies den Kläger schließlich an, seine Fahrtenbuchmappe inklusive Tankkarte und Fahrzeugschlüssel ab sofort abends in seinem Fach zu hinterlegen sowie sich bei dem Vorgesetzten bei Arbeitsbeginn an- und bei Arbeitsende abzumelden.

    Mit Schreiben vom Januar 2009 ermahnte die Beklagte den Kläger nochmals, die Anweisungen einzuhalten und kündigte gleichzeitig an, weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, wenn er die Anweisungen weiterhin missachte.

    Der Kläger erhielt das Schreiben am 6. Februar 2009 von seinem Vorgesetzten. Am selben Abend nahm er die Kfz-Utensilien nach einer Spätschicht mit nach Hause.

    Zu diesem Zeitpunkt war der Vorgesetzte nicht mehr im Betrieb anwesend.

    Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger ein Fach zur Verfügung stand, in dem er die Fahrzeugschlüssel hätte hinterlegen können.

    Vom 9. Februar 2009 an war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig, zeigte seine Arbeitsunfähigkeitszeiten aber nicht nahtlos an.

    Auch während seiner Erkrankung gab der Kläger die Fahrzeugutensilien weder heraus, noch teilte er der Beklagten mit, wo sie sich befänden und wie eine Herausgabe sichergestellt werden könne. Den auf seinem Diensthandy hinterlassenen Rückrufbitten der Beklagten kam er nicht nach.

    Mit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 18. Februar 2009 mahnte die Beklagte den Kläger wegen unzureichender Anzeige und fehlenden Nachweises seiner Arbeitsunfähigkeit sowie wegen mangelnder Herausgabe der Utensilien für das Dienstfahrzeug ab. Im Schreiben vom 16. Februar 2009 forderte die Beklagte den Kläger unter Anderem. auf, die Utensilien für das Dienstfahrzeug spätestens am 18. Februar 2009 abzugeben.

    Mit Schreiben vom 2. März 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach dem, dennoch kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Oktober 2009.

    Das zunächst mit der Kündigungsschutzklage angerufene Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht wiederum wies die Klage auf die Berufung der Beklagten ab. Mit der Revision beim Bundesarbeitsgericht begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

    Bundesarbeitsgericht: Das BAG folgte der Ansicht des Klägers nun und urteilte, dass das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen durfte, dass die Kündigung vom 9. März 2009 aus verhaltensbedingten Gründen gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt sei.

    Das Landesarbeitsgericht habe die Anwendbarkeit von § 1 KSchG unterstellt, ohne Feststellungen zur Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG getroffen zu haben. Dies werde es im Fall des Fehlens einer sozialen Rechtfertigung nachzuholen haben.

    Die Begründung des Berufungsurteils halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

    Eine Kündigung sei aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt habe, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten stehe und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheine.

    Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stelle eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermöge.

    Ebenso könne eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen.

    Im vorliegenden Fall könne offen bleiben, ob eine verhaltensbedingte Kündigung unter besonderen Umständen auch dann berechtigt sein könne, wenn das Verhalten dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar sei.

    Die Beklagte habe derartige besondere Umstände nicht behauptet. Sie werfe dem Kläger ausschließlich Ordnungsverstöße ohne besondere, schwerwiegende Folgen vor. Unter diesen Umständen setze eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses voraus, dass die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten dem Kläger vorwerfbar sei.

    Gemessen an diesen Grundsätzen habe das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, dass der Kläger in vorwerfbarer Weise erhebliche Nebenpflichtverletzungen begangen habe.

    Der Kläger habe hinreichend substantiiert dargelegt, in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu einem pflichtgemäßen Verhalten nicht in der Lage gewesen zu sein.

    Auf der Grundlage seines Vorbringens sei ihm die Erfüllung seiner Pflichten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv unmöglich und deren Nichterfüllung daher nicht vorwerfbar gewesen.

    Eine beharrliche Weigerung, die Pflichten zu erfüllen, habe unter den behaupteten Umständen nicht vorgelegen.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

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  3. Arbeitsrecht: Ausgiebige Privatnutzung eines Firmenhandys kann auch nach 25jähriger Betriebszugehörigkeit eine fristlose Kündigung rechtfertigen

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    Hessisches Landesarbeitsgericht, 25.07.2011, Az.: 17 Sa 153/11

    Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis (Arbeitsverhältnis) von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

    Für die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gem. § 626 BGB, die fristlos oder mit einer sozialen Auslauffrist erklärt wird, ist somit grundsätzlich ein wichtiger Grund erforderlich.

    Liegt ein solcher Grund vor, ist dennoch aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Interessenabwägung durchzuführen, um festzustellen, ob eine Weiterbeschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar wäre.

    Wichtige Gründe für die außerordentliche Kündigung können z. B. Folgende sein:

    Arbeitsverweigerung, Eigenmächtiger Urlaubsantritt, Tätlichkeiten, Beleidigung, Ausländerdiskriminierung, Schmiergelder/Bestechung, Diebstahl oder Spesenbetrug.

    Bis vor kurzem hatte das Bundesarbeitsgericht („BAG“) auch beim Diebstahl geringwertiger Sachen fristlose Kündigungen für gerechtfertigt gehalten. Dies änderte sich mit dem Fall „Emmely“.

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    In dem oben genannten Fall hatte das Hessische Landesarbeitsgericht nun darüber zu entscheiden, ob einem Mitarbeiter außerordentlich gekündigt werden durfte, welcher sein Diensthandy im Auslandsurlaub für über 500 Euro auf Kosten des Arbeitgebers zu privaten Zwecken genutzt hatte.

    Sachverhalt: Der verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger war bei der Beklagten seit etwa 25 Jahren als Fahrer beschäftigt. Der Kläger war mit einem GdB von 50 schwerbehindert.

    Die Beklagte war eine Tochter einer großen deutschen Fluggesellschaft und beschäftigte mehr als 10 Arbeitnehmer.

    Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterlag kraft einzelvertraglicher Bezugnahme dem ua. für den Bereich der Beklagten abgeschlossenen Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal.

    Nach § 41 Abs. 3 MTV Nr.14 war nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren die ordentliche Kündigung durch die Beklagte einschließlich der ordentlichen Änderungskündigung ausgeschlossen.

    In dem Bereich „Transport“, in welchem auch der Kläger tätig war, stellte die Beklagte den Arbeitnehmern Mobiltelefone zur dienstlichen Nutzung zur Verfügung.

    Die Handys dienten insbesondere der Kommunikation der Hubwagenfahrer mit der Einsatzzentrale und weiteren innerbetrieblichen Ansprechpartnern.
    Unstreitig war, dass vom Kläger während des Urlaubs mit dem Handy vorgenommene Telefonate aus dem Ausland nicht dienstlich erfolgten.

    Bereits im Jahre 2004 hatte der Kläger durch Unterschrift den Empfang eines Handys bestätigt und dabei das von der Beklagten vorformulierte Schreiben unterzeichnet.

    Das vorformulierte Schreiben enthielt unter anderem die folgende Passage:

    „Bitte beachten Sie, dass die Weitergabe des Handys an Dritte nicht zulässig ist. Die o.g. Telefon-Nr. ist nur für die dienstliche Verwendung vorgesehen. Für private Gespräche ist die private DuoBill Pin-Nr. zu verwenden.“

    Über diese. „Duo-Bill-Funktion“ oder „Twin-Bill-Funktion“ wurde den Arbeitnehmern eine private Rufnummer und eine private PIN-Nummer angeboten, über die sich die Arbeitnehmer in ihr Handy einwählen konnten, um dieses privat zu nutzen.

    Für diese Möglichkeit entschied sich der Kläger bei Übergabe des Handys.

    Ende 2009 bzw. Anfang 2010 wurden bei der Beklagten Überprüfungen der Abrechnungen für Firmenhandys einzelner Arbeitnehmer durchgeführt, so auch bezüglich des Handys des Klägers.

    Wegen Auffälligkeiten bei den überprüften Abrechnungen der Dienstnummer des Firmenhandys des Klägers wurde dieser zunächst mit Schreiben vom Frühjahr 2010 vorläufig vom Dienst suspendiert und mit weiterem Schreiben ebenfalls vom Frühjahr 2010 zu dem Vorgang angehört.

    Der Kläger reagierte mit verschiedenen Schreiben seines Prozessbevollmächtigten.

    Mit Schreiben vom 25. Februar 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Klägers und hilfsweise zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

    Mit Bescheid vom 11. März 2010 versagte das Integrationsamt die Zustimmung. Hiergegen legte die Beklagte Widerspruch ein.

    Zwischenzeitlich war der Beklagten die Telefonabrechnung nebst Einzelverbindungsnachweisen für die Dienstnummer des Firmenhandys des Klägers für Februar 2010 zugegangen, die allein für abgehende Telefonate im Ausland einen Betrag von 973,88 € (anteilige Kostenbelastung unter Berücksichtigung eingeräumter Rabatte nach Angaben der Beklagten insoweit 564,85 €) in der Zeit zwischen 02. Februar 2010 und 12. Februar 2010 auswies.

    Mit Schreiben vom 09. März 2010 hörte die Beklagte den Kläger auch zu diesem Vorgang an und beantragte mit Schreiben vom 15. März 2010 wegen dieses Vorgangs erneut die Zustimmung des Integrationsamts zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Klägers und hilfsweise zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

    Daraufhin erklärte das Integrationsamt die Zustimmung. Hiergegen legte wiederum der Kläger Widerspruch beim Integrationsamt ein.

    Mit Anhörungsschreiben vom 29. März 2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung und einer beabsichtigten hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist an.

    Mit Schreiben vom 06. April 2010 widersprach der Betriebsrat. Mit Schreiben vom 07. April 2010 erklärte die Beklagte dennoch die außerordentliche fristlose und hilfsweise die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

    Hiergegen klagte der Kläger am 08. April 2010 mit der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main.

    Mit Widerspruchsbescheiden vom 17. August 2010 wies der Widerspruchsausschuss bei dem zuständigen Integrationsamt den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 20. März 2010 zurück und gab dem Widerspruch der Beklagten gegen den Bescheid vom 11. März 2010 statt, hob diesen auf und erteilte die insoweit beantragte Zustimmung.

    Mit Anhörungsschreiben vom 15. Juli 2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer weiteren beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung und einer beabsichtigten hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist an.

    Mit Schreiben vom 16. Juli 2010 widersprach der Betriebsrat erneut.

    Mit Schreiben vom 20. Juli 2010 erklärte die Beklagte die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses dem Kläger gegenüber erneut.

    Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner am 23. Juli 2010 beim Arbeitsgericht eingegangen Klageerweiterung.

    Mit weiterem Schreiben vom 23. Juli 2010 erklärte die Beklagte hilfsweise die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

    Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner weiteren am 10. August 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung.

    In seiner Klage sowie den Klageerweiterungen führte der Kläger aus, es sei entweder bei der Benutzung des Mobiltelefons im Ausland zu irrtümlichen Versäumnissen bei der Benutzung der Twin-Bill-Funktion gekommen oder er habe es versehentlich versäumt, die Personalabteilung der Beklagten über die getätigten Telefonate in Kenntnis zu setzen.

    Er habe nie die Absicht gehabt, private Telefonkosten zu Lasten der Beklagten abzurechnen und sei selbstverständlich bereit, die sich aus den Aufstellungen der Beklagten ergebenden Beträge zu erstatten.

    Auch trug der Kläger vor, dass es anlässlich des Wechsels des Mobilfunkvertragspartners und des Austauschs der Handys zu Änderungen der technischen Nutzungsbeschränkungen gekommen sei, auf die die Beklagte nicht hingewiesen habe.

    Um der fehlerhaften Benutzung entgegenzuwirken, hätte die Beklagte gegenüber den Mitarbeitern auf die geänderten technischen Beschränkungen hinweisen müssen.

    Darüber hinaus habe die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht ordnungsgemäß eingehalten und es hätten vor der Kündigungen Abmahnungen erfolgen müssen.

    Demgemäß beantragte der Kläger, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 07. April 2010 aufgelöst worden sei, sowie festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Dezember 2010 hinaus fortbestehe, sowie festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juli 2010 oder vom 23. Juli 2010 aufgelöst worden sei.

    Das AG Frankfurt am Main wies durch am 02. Dezember 2010 verkündetes Urteil, 3 Ca 2530/10, die Klage im allgemeinen Feststellungsantrag ab und gab ihr im Übrigen statt.

    Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Beklagte den Kläger zunächst hätte abmahnen müssen.

    Gegen das Urteil des AG Frankfurt am Main legte die Beklagte am 02. Februar 2011 Berufung beim Hessischen Landesgericht ein.

    Hessisches Landesgericht: Das Hessische LG folgte der Ansicht der Beklagten und Berufungsklägerin.

    Nach Ansicht des Hessischen LG sei das Arbeitsverhältnis bereits durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07. April 2010 fristlos beendet worden, da ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die Kündigung vom 07. April 2010 vorgelegen habe.

    Das Vorliegen eines wichtigen Grundes sei im Rahmen einer zweistufigen Prüfung zu beurteilen.

    Im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB sei zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet sei.

    Läge ein solcher Sachverhalt vor, bedürfe es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar sei oder nicht.

    Für eine verhaltensbedingte Kündigung gelte ferner das Prognoseprinzip.

    Der Zweck der Kündigung sei insofern nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen.

    Die vergangene Pflichtverletzung müsse sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken.

    Eine negative Prognose läge dann vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden könne, dass der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen werde.

    Aus diesem Grund setze eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus.

    Die Abmahnung diene in diesem Zusammenhang der Objektivierung der negativen Prognose.

    Läge eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletze der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, könne in der Regel davon ausgegangen werden, es werde auch künftig zu weiteren Vertragsverstößen kommen.

    Die Abmahnung sei insoweit notwendiger Bestandteil bei der Anwendung des Prognoseprinzips.

    Sie sei zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

    Eine Kündigung sei nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gäbe, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen.

    Soweit ein steuerbares Verhalten betroffen sei, müsse der Kündigung grundsätzlich eine erfolglose Abmahnung vorausgehen, es sei denn, sie sei nicht erfolgversprechend oder es handele sich um eine schwere Pflichtverletzung, bei der dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Handelns ohne Weiteres ebenso erkennbar sei wie der Umstand, dass eine Hinnahme seines Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.

    Ferner könne nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen arbeitsvertraglichen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen.

    Eine Verdachtskündigung läge hiernach vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründe, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört.

    Nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts habe die Beklagte im vorliegenden Fall hinreichend objektive Tatsachen dargelegt, die den schwerwiegenden Verdacht begründen, der Kläger habe das ihm zur Verfügung gestellte Diensthandy im Februar 2010 vertragswidrig bewusst dazu genutzt, um im Dienstmodus im Ausland private Telefonate zu führen.

    Die unerlaubte Privatnutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Diensthandys, um auf dessen Kosten heimlich umfangreiche Privattelefonate zu führen, sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu bilden.

    Die Privatnutzung des zur Verfügung gestellten Diensthandys, um damit im Ausland Telefonate zu führen, sei von der Beklagten nicht gestattet gewesen. Dies ergäbe sich bereits aus der vom Kläger unterzeichneten Erklärung.

    Der dringende Verdacht, der Kläger habe das ihm zur Verfügung gestellte Diensthandy (auch) im Februar 2010 zum Führen privater Telefonate im Ausland verwendet und hierbei Kosten in Höhe von (bereinigt) mindestens 564,85 € verursacht, sei von der Beklagten dargelegt und durch den Vortrag des Klägers im Rechtsstreit und durch seine Einlassung im Rahmen der Anhörung durch die Beklagte nicht erschüttert oder entkräftet worden.

    Eine Abmahnung sei darüber hinaus entbehrlich gewesen, da die – und sei es auch nur erstmalige – Hinnahme einer Pflichtverletzung der vorliegenden Art durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen sei.

    Der Kläger habe aufgrund des Verhaltens der Beklagten nicht davon ausgehen können, dass diese die Privatnutzung des Diensthandys im Dienstmodus und auf ihre Kosten zum Führen privater Telefonate im Ausland, geduldet habe.

    Zugunsten des Klägers würden allerdings seine Sozialdaten sprechen. Zu seinen Gunsten sei auch zu berücksichtigen, dass das langjährige Arbeitsverhältnis zumindest im Wesentlichen beanstandungsfrei und erfolgreich verlief.

    Ebenfalls zu seinen Gunsten spräche die relativ geringe Chance, einen vergleichbaren Arbeitsplatz zu vergleichbaren Bedingungen zu finden.

    Zugunsten der Beklagten würde allerdings der erhebliche Vertrauensverlust, die Höhe der durch Privatnutzung hervorgerufenen Kosten und der Umstand, dass das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen in die Integrität des Klägers zerstört sei, sprechen.

    Hinzu komme, dass bei Besitzüberlassung eines Diensthandys nur noch eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten, insbesondere im privaten Bereich des Arbeitnehmers, bestünden und aus diesem Grund ein erhöhtes Vertrauensbedürfnis anzuerkennen sei.

    Für das Beendigungsinteresse der Beklagten spreche auch, dass sie aus Gründen der Betriebsdisziplin in konsequenter Weise der Kosten verursachenden privaten Nutzung der zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel entgegenwirken und dokumentieren wolle, dass derartiger Missbrauch nicht geduldet werde.

    Auch die Kündigungserklärungsfrist sei gewahrt, wobei § 626 Abs. 2 BGB vorliegend nicht unmittelbar Anwendung fände, sondern § 91 Abs. 5 SGB IX.

    Die Beklagte habe die Zustimmung des Integrationsamts innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen beantragt (§ 91 Abs. 2 SGB IX).

    Nach Kenntnis von der Zustimmung am 29. März 2010 habe sie unverzüglich, nämlich mit am Folgetag beim Betriebsrat eingegangenem Schreiben, das Anhörungsverfahren eingeleitet.

    Auch sei die Kündigung vom 07. April 2010 nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, da die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat ordnungsgemäß zu der Kündigung des Klägers angehört habe.

    Quelle: Hessisches Landesarbeitsgericht

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  4. Zivilrecht: Bei Umzug des DSL-Nutzers besteht kein Sonderkündigungsrecht

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    Bundesgerichtshof, 11.11.2010, Az.: III ZR 57/10

    Die Kündigung von langfristigen Telekommunikationsverträgen ist immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen.

    Gemäß § 314 Abs. 1 BGB kann jeder Vertragsteil Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein solcher Grund liegt nach dem Gesetz dann vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zu beachten, dass Störungen aus dem eigenen Risikobereich, wie zum Beispiel das Insolvenzrisiko eines Vertragspartners, nach der Rechtsprechung grundsätzlich keinen wichtigen Grund darstellen.

    Der BGH hatte sich in dem oben genannten Urteil nun mit der Frage zu beschäftigen, ob ein DSL-Anschluss bei Umzug des Mieters vorzeitig gekündigt werden kann, wenn der Mieter an einen Ort zieht, der noch nicht mit DSL „versorgt“ ist.

    Sachverhalt: Der Kläger (Mieter) hatte mit der Beklagten (Telekommunikationsunternehmen) einen 24-monatigen Dauerschuldvertrag über die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses geschlossen. Etwa ein halbes Jahr nach Vertragsschluss zog der Kläger innerhalb desselben Landkreises in eine andere Gemeinde, die noch nicht mit DSL-Anschlüssen versorgt war. Der Kläger erklärte daraufhin gegenüber der Beklagten die Sonderkündigung aus wichtigem Grund. Als die Beklagte die vereinbarte monatliche Grundgebühr weiter verlangte, erhob der Kläger Klage auf Feststellung, dass das Dauerschuldverhältnis durch die Sonderkündigung wirksam beendet wurde. Diese Feststellungsklage wurde in allen Vorinstanzen abgewiesen.

    Bundesgerichtshof: Der BGH folgte der Ansicht der Beklagten und wies die Feststellungsklage ebenfalls ab. Entgegen der Ansicht des Klägers habe kein wichtiger Grund zur Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 oder § 314 Abs. 1 S. 2 BGB vorgelegen. Ein solcher Grund bestehe grundsätzlich nicht, wenn er aus Vorgängen hergeleitet werde, die dem Einfluss des anderen Vertragspartners entzogen seien und der Interessensphäre des Kündigenden entstammten. Der Umzug des Klägers sei ein solcher Vorgang, da er gänzlich dem Einfluss der Beklagten entzogen sei und nur der Interessensphäre des Klägers entstamme. Darüber hinaus amortisieren sich die Investitionen der Beklagten, welche dem Kläger unter Anderem auch die notwendige technische Ausrüstung (Router, WLAN-Stick) zur Verfügung gestellt habe, erst innerhalb des zweiten Vertragsjahrs.

    Quelle: Bundesgerichtshof

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