alkoholbedingtes Fehlverhalten Abmahnung Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: alkoholbedingtes Fehlverhalten Abmahnung

  1. Beamtenrecht: Alkoholmissbrauch und Verkehrsdelikte rechtfertigen Kündigung eines Polizisten.

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    Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 07.03.2018, Az.: 3 A 11721/17

    § 34 des Beamtenstatusgesetzes legt einen Verhaltensmaßstab für Beamte fest. Danach haben Beamtinnen und Beamte sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Sie dürfen ihr Gesicht bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

    Nach § 35 des Beamtenstatusgesetzes haben Beamtinnen und Beamte ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

    Das Pflichtenprogramm eines Beamten umfasst damit auch die Pflicht zum vollen Einsatz für den Beruf. Ein Verstoß gegen eine solche Pflicht kann sich bei Alkoholabhängigkeit eines Beamten dann ergeben, wenn der Beamte wegen des Rückfalls dauernd oder vorübergehend dienstunfähig ist, den Dienst wegen einer Entziehungskur versäume oder sonst in seiner Dienst- und Einsatzfähigkeit beeinträchtigt ist. Das Verhalten ist dem Beamten vorzuwerfen, wenn er den hierfür ursächlichen Rückfall in die Alkoholsucht verschuldet hat.

    welche Kündigungsgründe gibt es

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    Im nachstehenden Urteil stellt das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz klar, dass für den Verschuldensmaßstab eines Verstoßes der Verschuldensbegriff in § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz auf das Disziplinarrecht nicht übertragbar ist. In einer neuen Entscheidung hatte man entschieden, dass bei einem Rückfall in die nasse Phase einer Alkoholerkrankung ein Verschulden im Rahmen des Entgeltfortzahlungsgesetzes regelmäßig nicht mehr angenommen werden könne. Dies sei nur dann möglich, wenn ein medizinisches Sachverständigengutachten ein  Verschulden bejahe. Dieser Grundsatz ist nach dem OVG nicht auf das Disziplinarrecht übertragbar, denn im Disziplinarrecht bilde das Verschulden letztlich das Maß der Verhaltensanforderungen des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn, die in einem besonderen wechselseitigen Dienst- und Treueverhältnis miteinander verbunden seien. Würde man diese Wertung auf das Disziplinarrecht übertragen, hieße das, dass alkoholsüchtige Beamte von ihrer Verantwortung für den weiteren Verlauf der Krankheit und damit von ihrer Gesunderhaltungspflicht weitgehend entbunden würden, auch wenn sie die Kontrolle über ihre Sucht wiedererlangt hätten.

    Sachverhalt des Gerichtsverfahrens:

    Der Kläger war Kriminalhauptkommissar und wurde als kritischer Mitarbeiter beschrieben, der manchmal distanzlos sei

    Der Beklagte war seit dem 1.2.1980 als Kriminalhauptkommissar im Dienst des klagenden Landes tätig. Nach der Ausbildung und der Tätigkeit bei der Bereitschaftspolizei war der Beklagte seit dem 1.8.1982 bei der Kreisverwaltung in A beschäftigt. Zudem war er bei der Schutzpolizeiinspektion B. eingesetzt. Man ordnete ihn am 1. Oktober 1986 zum Polizeipräsidium – PP – A. ab, bis er ab dem 1. April 1988 dorthin versetzt wurde. Der Beklagte wurde daraufhin mehrfach versetzt, so auch im Rahmen einer Neuorganisation der Polizei am 1. September 1993, wo der Beklagte zur Polizeiinspektion – PI – C. umgesetzt wurde, bis er am 1. Oktober 2016 zur PI D. umgesetzt wurde.

    Der Beklagte ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder. In der letzten Beurteilung hatte er eine Gesamtbewertung mit der Note „B“ erhalten, wegen des vorliegenden Disziplinarverfahrens vom 23. Mai 2016 wurde dem Beklagten eine durchschnittliche Sachbearbeitung im Kriminaldienst bescheinigt. Er sei einer Tätigkeit als Fachlehrer nachgegangen. Er wurde als kritischer Mitarbeiter beschrieben der gelegentlich distanzlos sei.

    Es wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil der Kläger Verkehrsunfall verursacht hatte

    Eine zweite Einschätzung vom 12. Mai 2016 bestätigte dem Beklagten zum Zeitpunkt seiner Verfehlung im Oktober 2015 eine ordnungsgemäße Erledigung seiner Aufgaben als  Sachbearbeiter. Das Disziplinarverfahren wurde am 22. Januar 2015  eingeleitet. Er wurde beschuldigt, am 16. November 2014 gegen 18:05 Uhr in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen zu sein und versucht zu haben, die eingesetzten Polizeibeamten in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, um eine für sich günstige Entscheidung zu erreichen.

    Das Verfahren wurde am 2. November 2015 ausgedehnt, da dem Beklagten zusätzlich vorgeworfen wurde, am 23. Oktober 2015 mit dem auf ihn zugelassenen Fahrzeug im alkoholisierten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht und Unfallflucht begangen zu haben. Man habe den Verdacht eines Rückfalls in die nasse Phase einer Alkoholabhängigkeit, die bereits 2014 festgestellt worden war.

    In einem Strafverfahren wurde der Kläger wegen Alkohol am Steuer und Unfallflucht verurteilt

    Der Beklagte wurde im Strafverfahren wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, Gefährdung des Straßenverkehrs sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 90 € verurteilt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen und  sein Polizei- und ziviler Führerschein eingezogen.

    In der Zeit vom 23. Oktober 2015 bis zum 31. Mai 2016 war der Beklagte dienstunfähig erkrankt, woraufhin eine Wiedereingliederungsmaßnahme stattfand. Am 20. Juni 2016 wurde das Disziplinarverfahren erneut ausgedehnt, da dem Beklagten vorgeworfen wurde, am 13. Juni 2016 um 12:55 Uhr das auf ihn zugelassene Fahrzeug unter Alkoholeinfluss gesteuert zu haben, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein.

    Es erging ein Strafbefehl gegen den Beklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt und Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Darin wurde eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 80 € verhängt. Dem Beklagten sollte vor Ablauf von weiteren 18 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden.

    Nach erneuter Erkrankung erfolgte wiederum eine Wiedereingliederung vom 3. Oktober 2016 bis zum 21. November 2016. Er erlitt einen Fahrradunfall und erkrankte ab dem 16. November 2016 abermals dienstunfähig, bis April 2017. Daraufhin erkrankte er ab dem 26. September 2017.

    Das Land obsiegte mit einer Disziplinarklage die die Entfernung des Klägers aus dem Dienst zur Folge hatte

    Das behördliche Disziplinarverfahrens wurde abgeschlossen und das Land erhob Disziplinarklage auf Entfernung aus dem Dienst gegen den Beklagten, welcher mit Urteil vom 29. August 2017 stattgegeben wurde. Der Beklagte sei aus dem Dienst zu entfernen, da er sich durch die unter Alkoholeinfluss begangenen Verkehrsstraftaten sowie durch sein Verhalten anlässlich des Verkehrsunfalls am 16. November 2014 eines Dienstvergehens schuldig gemacht habe.

    Kläger legt Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz ein und bestreitet Alkoholabhängigkeit

    Der Beklagte bestritt in der Berufung die Alkoholabhängigkeit, ein Arzt habe eine solche Feststellung bisher nicht getroffen. Die Erkenntnisse des Gerichts zu einer Abhängigkeit seien nicht nachvollziehbar. Selbst bei Vorliegen einer Alkoholkrankheit könne kein auf einen Rückfall begründetes Dienstvergehen nachgewiesen werden. Zudem sei eine Alkoholkrankheit unheilbar, so dass das Rückfallrisiko auch nach Jahren der Abstinenz zum Krankheitsbild gehöre. Ein Rückfall in die nasse Phase einer Alkoholerkrankung sei regelmäßig nicht ursächlich auf eine schuldhafte willentliche Entscheidung des Alkoholabhängigen zurückzuführen. Daher müsse zur Verschuldensfrage eine fachmedizinische Begutachtung stattfinden.

    Schon eine Alkoholabhängigkeit sei nicht durch eine solche belegt worden. Etwaige Aufenthalte in einer Privatklinik seien nicht auf eine Alkoholkrankheit zurückzuführen. Dem hätte eine Depression, welche durch Beziehungskonflikte hervorgerufen worden sei,  zu Grunde gelegen. Dies hätte ihn zum Alkoholkonsum veranlasst, ein Rückfall liege aber nicht vor.

    Zu den Angaben in der Akte des Gesundheitsamtes trug der Beklagte vor, dass zwar von einem Trinkverhalten die Rede sei, man erkenne aber nicht, nach welchen Kriterien beurteilt worden sei, dass dies krankhaft sei.

    Auch andere Gutachten, die eine Alkoholabhängigkeit bescheinigten, würden nicht ausführen, auf welchen Feststellungen dies geschehen sei. Man könne so nicht auf einen Rückfall schließen. Der Beklagte bestritt eine erfolgreiche Therapiebehandlung. Die Probebehandlung habe ihr Rehabilitationsziel offensichtlich nicht erreicht.

    Er und sein unmittelbarer Vorgesetzter hätten sich nach dem Unfall 2015 darauf verständigt, dass unregelmäßige Atemalkoholtests durchgeführt würden. Diese seien ohne Ergebnis verlaufen. Auch das Gutachten bezüglich seiner Leberwerte könne nicht auf einen Rückfall schließen lassen.

    Der Beklagte beantragte, unter Aufhebung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2017 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier – 3 K 3674/17.TR – auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

    Der Kläger beantragte, die Berufung zurückzuweisen, denn das Verwaltungsgericht gehe zu Recht davon aus, dass bei dem Beklagten eine Alkoholerkrankung vorliege und es im Jahr 2015 zu einem klassischen Rückfall gekommen sei. Die gegenteilige Behauptung des Beklagten sei widerlegt.

    2004 habe das Gesundheitsamt eine Alkoholsuchterkrankung festgestellt. Die Erkrankung sei der Grund für die Entziehungstherapie gewesen. Der Beklagte würde seine Alkoholkrankheit massiv verdrängen und sich mit dieser nicht auseinandersetzen. Daher sei das VG zu Recht von einer ungünstigen Prognose ausgegangen. Wegen der  Gesamtzahl der Dienstpflichtverletzungen sowie der negativen Prognosen liege eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses vor.

    Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz:

    OVG Rheinland Pfalz folgt dem Verwaltungsgericht – Entfernung des Beamten aus dem Dienst rechtens

    Das OVG Rheinland Pfalz urteilte nun, dass die Berufung des Beklagten  keinen Erfolg habe. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei rechtmäßig, denn unter Berücksichtigung aller Umstände sei die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst erforderlich gewesen.

    Der Beklagte habe sich wegen der Verkehrsstraftaten, welche auf den Rückfall in die nasse Phase der Abhängigkeit zurück zu führen seien, eines Dienstvergehens schuldig gemacht.

    Er sei in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen, bei dem er eine neongelbe Regenjacke ohne Landeswappen mit einem reflektierenden Aufdruck „Polizei“ im Brustbereich über die Zivilkleidung angezogen habe. Bei Eintreffen der aufnehmenden Polizeibeamten habe der andere Unfallbeteiligte geäußert, dass er den Unfall verursacht habe. Nach umfangreicher Beweisaufnahme habe für die aufnehmenden Polizeibeamten festgestanden, dass der Beklagte der Unfallverursacher sei. Belehrungsversuche der Polizeibeamten scheiterten gegenüber dem Beklagten. Auf Vorhalt des Vorwurfes und erneuter Belehrung versuchte der Beklagte abermals, sie zu unterbrechen und äußerte: „Das werden Sie garantiert nicht tun, ich war Verkehrsrechtsdozent.“ Es kam zu Provokationen durch  den Beklagten gegenüber den Beamten. Dabei habe er sich respektlos verhalten in dem er die rechtlichen Einschätzung und Bewertung des Verkehrsunfalls durch eine  Polizeikommissarin  mit süffisanter Miene, spöttischem Grinsen, für jedes sichtbares Augenverdrehen und einem verächtlichen Schnauben bedachte.

    Dies wurde unmittelbar vor dem anderen Verkehrsunfallbeteiligten und Zeugen ausgetragen. Der andere Unfallbeteiligte äußerte in Abwesenheit des Beklagten, dieser sei in sein Auto hineingefahren, er sei sich jedoch unsicher gewesen.

    Polizeibeamter hat gegen das Beamtenstatusgesetz und das Landesbeamtengesetz verstoßen

    In diesem Verhalten liege ein vorsätzlicher Verstoß seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 S. 3 Beamtenstatusgesetz sowie gegen seine Pflicht zur Wahrung des Ansehens der Polizei aus § 115 Landesbeamtengesetz. Dies sei beanstandungsfrei in dem angegriffenen Urteil dargelegt worden.

    Durch die Berufung würde diese Wertung nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr beharrte er nur auf der Behauptung die Beamten hätten den Sachverhalt völlig falsch beurteilt und namentlich übersehen, dass es sich um einen provozierten Unfall gehandelt habe.

    Selbst die Annahme dieser Wertung rechtfertige sein Verhalten nicht. Natürlich hätte er die Beamten auf einen vermeintlichen Fehler aufmerksam machen dürfen, um so seine Rechte zu wahren. Es sei jedoch pflichtwidrig durch das Tragen einer Regenjacke mit Polizeiaufdruck die besondere Autorität der Polizei für private Zwecke in Anspruch zu nehmen und im Dienst befindliche Kolleginnen und Kollegen durch ungebührliches, anmaßendes Verhalten in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.

    Am 23. Oktober 2015 habe der Beklagte durch zwei selbstständige Handlungen vorsätzlich im Verkehr ein Fahrzeug geführt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Darüber hinaus hat er in einem Fall dadurch fahrlässig fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet und sich als Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr unerlaubt vom Unfallort entfernt.

    Dies wurde mit Strafbefehl geahndet und beruhte auf folgenden Feststellungen: Am 23.10.2015 sei der Beklagte mit seinem Pkw gefahren, obwohl er aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses absolut fahruntüchtig war. Dabei sei die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit für ihn unübersehbar gewesen. Nachdem der Beklagte den Pkw betankt und an der Kasse der Tankstelle bezahlt hatte, stieg er erneut in das Fahrzeug ein mit dem Wissen, aufgrund des vorangegangenen Alkoholkonsums absolut fahruntüchtig zu sein. Infolge der alkoholbedingten verminderten Reaktions– und Konzentrationsfähigkeit streifte der Beklagte den Pkw eines Zeugen im hinteren Bereich der Fahrerseite und verließ dennoch die Unfallstelle. An dem Fahrzeug des Zeugen entstand ein Sachschaden i.H.v. 2.381,07 Euro. Die festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug 3,12 Promille.

    Diese tatsächlichen Feststellungen seien gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Landesdisziplinargesetz – LDG – im vorliegenden, insoweit sachgleichen Disziplinarverfahren bindend.

    Durch dieses Verhalten habe der Beklagte außerdienstlich in disziplinarrechtlich beachtlicher Art und Weise schuldhaft gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 Abs. 3 Beamtenstatusgesetz verstoßen. Dieses stehe auch im Bezug zum Amt des Beklagten als Polizisten. Deshalb seien sie geeignet im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG  das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Einwände gegen diese Wertung habe der Beklagte nicht erhoben.

    Polizeibeamter hat bereits im Dienst Alkohol konsumiert und dann ein Fahrzeug bedient

    Am 13. Juni 2016 habe der Beklagte im Dienst bereits Alkohol konsumiert und nach Dienstende im Verkehr ein Fahrzeug geführt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen und die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Dies ergebe sich aus dem weiteren Strafbefehl des Amtsgerichts. Der Beklagte habe nach reichlichen Alkoholgenuss, ohne die erforderliche Fahrerlaubnis zu haben, am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen. Dabei sei die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit unübersehbar gewesen. Es habe eine Blutalkoholkonzentration  von 1,52 Promille vorgelegen.

    Auch diese Feststellungen seien dem Disziplinarverfahren nach § 16 Abs. 2 LDG zugrunde zu legen.

    Darin liege erneut ein außerdienstlicher Verstoß gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 Satz 3 BeamtStG und darüber hinaus gegen seine Dienstpflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG in Verbindung mit der Polizeidienstvorschrift 986 RP bezüglich des Umgangs mit Dienstwaffen und Munition in der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz vom 10. April 2006 und die Dienstvereinbarung „Suchtprävention, Suchtmittelmissbrauch, Suchtkrankenhilfe“ des PP X. vom 8. Juli 2014, wonach gemäß § 3 der Konsum von Alkohol und die Einnahmen sonstiger bewusstseinsbeeinträchtigender Substanzen während des Dienstes verboten seien und die 0,0–Promille–Grenze gelte.

    Der Beklagte wendet sich gegen die Annahme er habe durch einen Rückfall in die nasse Phase seiner Alkoholerkrankung gegen seine Gesunderhaltungspflicht als Ausprägung der Pflicht zum vollen Einsatz für den Beruf aus § 34 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Auch hier erkennt das Berufungsgericht keine Fehler.

    Aus den Unterlagen gingen die alkoholbedingten Auffälligkeiten des Beklagten hervor, so sei es bei einer dienstlichen Feier im November 2003 zu übermäßigem Alkoholkonsum gekommen, gefolgt von einem Konflikt mit der Ehefrau. Nach diesem Vorfall sei dem Beklagten die Dienstwaffe entzogen worden und er habe sich einer Behandlung in der Fachklinik K. mit dem Ziel, sein Problembewusstsein, seine Krankheitseinsicht und seine Behandlungsmotivation bezüglich seiner Alkoholabhängigkeit aufzubauen und zu stabilisieren, unterzogen.

    Polizeibeamter habe mangelnde Kooperationsbereitschaft und Behandlungsmotivation gezeigt

    Ihm seien im Gutachten mangelnden Kooperationsbereitschaft und Behandlungsmotivation ausgewiesen worden. Es wurde dem Dienstherren mitgeteilt, dass das Therapieziel der Behandlung der Alkoholsuchterkrankung nicht optimal erreicht worden sei, dennoch sei aber von einer uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit auszugehen. Es liege Alkoholabstinenz vor.

    Es seien weitere Therapiemethoden empfohlen worden, die dem Beklagten nahegelegt und er auf seine Dienstpflichten hingewiesen und über die Konsequenzen eines Rückfalls in die Alkoholabhängigkeit belehrt worden sei. Der Beklagte habe diese Belehrungen bestätigt, woraufhin man ihm Dienstfähigkeit attestierte.

    Nach der Trunkenheitsfahrt am 23. Oktober 2015 mit einem Alkoholgehalt von über drei Promille wurde der Beklagte am 28. Oktober 2015 amtsärztlich untersucht. Dies ergab das Bestehen von Alkoholmissbrauch bei bekanntem Abhängigkeitssyndrom in der Vorgeschichte, aktuell wohl Rückfall. Er sei aber dienstfähig jedoch ohne Führen einer Dienstwaffe und ohne Schichtdienst. Zudem sei eine stationäre Therapie erforderlich.

    Auch dies wurde dem Beklagten nahegelegt. In der Zeit vom 12. Januar 2016 bis 24. Mai 2016 führte der Beklagte in der Privatklinik I. eine Therapie durch. Man bescheinigte ihm, dass es „bis heute keinerlei Rückfälle von Alkoholmissbrauch gegeben habe. Daher sei von einer dauerhaften Abstinenz auszugehen.“ Aus dem Entlassungsbericht der Klinik vom 9. Juni 2016 gehe hervor, dass der Beklagte dort wegen einer schweren depressiven Episode in Behandlung war.

    Am 13. Juni 2016 sei es erneut zu einer Trunkenheitsfahrt des Beklagten mit 1,52 Promille und zum Fahren ohne Fahrerlaubnis gekommen. Der Beklagte wurde erneut stationär behandelt, aus diesmal wegen einer schweren depressiven Störung.

    Wegen dieser Feststellungen kommt das Gericht zu dem Schluss, dass der Beklagte durch einen „Rückfall in die nasse Phase einer Alkoholerkrankung“ gegen seine Pflicht zur Gesunderhaltung als Ausprägung der Pflicht zum vollen Einsatz für den Beruf aus § 34 Satz 1 BeamtStG verstoßen habe.

    Zwar stelle ein Rückfall eines alkoholabhängigen Beamten in die Alkoholsucht für sich genommen noch keine Dienstpflichtverletzung dar, jedoch liege Verstoß gegen die Pflicht zum vollen Einsatz für den Beruf aus § 34 Satz 1 BeamtStG vor, da der Rückfall dienstliche Auswirkungen habe.

    Eine Pflichtverletzung komme etwa dann in Betracht, wenn der Beamte wegen des Rückfalls dauernd oder vorübergehend dienstunfähig sei, den Dienst wegen einer Entziehungskur versäume oder sonst in seiner Dienst- und Einsatzfähigkeit beeinträchtigt sei.

    Das Verhalten sei dem Beamten vorzuwerfen, wenn er den hierfür ursächlichen Rückfall in die Alkoholsucht verschuldet habe, was dann zu bejahen sei, wenn der Beamte vor dem Rückfall in der Lage war, seine Alkoholsucht unter Kontrolle zu halten, also dauerhaft alkoholabstinent zu leben. Dafür sei jedoch die Prognose notwendig, der Beamte sei derart gefestigt, dass er Alkoholkonsum dauerhaft widerstehen könne. Es bedürfe der Einzelfallkontrolle.

    Dabei komme dem Bericht der behandelnden Ärzte über das Verhalten und die Entwicklung des Beamten während der Behandlung besonderes Gewicht zu.  Prognosen seien jedoch auch immer mit Unsicherheiten belastet. Der Erfolg einer Entziehungskur sei auch einer ex-post-Betrachtung zu unterziehen

    Begehe ein als gefestigt geltender Beamter alkoholbedingte Pflichtenverstöße, könne ihm Vorsatz regelmäßig nur angelastet werden, wenn er zuvor – klar und unmissverständlich – über die Folgen eines Rückfalls belehrt worden sei.

    Durch den Rückfall in die Alkoholsucht hat der Beamte gegen seine Pflicht zu vollen Einsatz für den Beruf verstoßen

    Hiervon ausgehend habe der Beklagte durch einen „Rückfall in die nasse Phase seiner Alkoholerkrankung“ vorsätzlich seine Pflicht zu vollem Einsatz für den Beruf aus § 34 Satz 1 BeamtStG verletzt.

    Das Gericht  ist von einer langjährigen Alkoholsuchterkrankung überzeugt. Die Beweismittel seien eindeutig. Auch die Fachklinik bescheinige eine (psychische) Alkoholabhängigkeit, wobei das Gutachten ausweise, dass der Beklagte in den letzten zehn Jahren fast täglich zwei Liter Wein teilweise heimlich getrunken habe.

    Der Senat hatte wegen den Beweismittelen keinerlei Zweifel, dass bei dem Beklagten jedenfalls seit 2003 eine Alkoholsuchterkrankung bestehe.

    Auch ein Rückfall liege vor. Die Umstände seiner unter Alkoholeinfluss begangenen Verkehrsstraftaten, namentlich die bei diesen Anlässen gemessenen hohen Blutalkoholkonzentrationen und sein Alkoholkonsum im Dienst würden  zeigen, dass er zu dieser Zeit die Kontrolle über sein Trinkverhalten und damit über seine Alkoholsucht wieder verloren habe.

    Auf Grund dessen sei auch seine dienstliche Einsatzfähigkeit eingeschränkt. Zum einen müsse berücksichtigt werden, dass er sich der auch dienstlich mit dem Führen von Kraftfahrzeugen befasste. Zudem sei auch das Führen einer Dienstwaffe durch den Beklagten ausgeschlossen.

    Auch die unregelmäßigen Atemalkoholtests ließen auf ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis schließen und würden den Dienstbetrieb beeinträchtigen.

    Der Beklagte handelte bezüglich seines Rückfalls auch vorsätzlich.  Er habe genau gewusst, was er tat, als er spätestens im Oktober 2015 wieder zum Alkohol griff. Er sei mehrfach darauf aufmerksam gemacht worden, dass er lebenslang absolut alkoholabstinent bleiben müsse, und sowohl über die medizinischen als auch die dienstrechtlichen Folgen erneuten Alkoholgenusses aufgeklärt worden.

    Der Beklagte sei generell in der Lage gewesen, seine Alkoholsucht unter Kontrolle zu halten, die Behandlung also zeitweise erfolgreich. Zwar spreche der Entlassungsbericht von dem Erreichen eines „Rehabilitationsziels“, meine damit aber nicht die Fähigkeit des Beklagten zur Kontrolle seiner Alkoholabhängigkeit.

    Das Gutachten spreche auch nur davon, dass das Therapieziel der Behandlung der Alkoholsuchterkrankung bei dem Beklagten „nicht optimal“ erreicht werden konnte. Gleichzeitig werde aber festgestellt, dass der Beklagte zurzeit glaubhaft alkoholabstinent lebe. Auch die anderen Gutachten würden diese Bewertung rechtfertigen.

    Daraus gehe hervor, dass der Beklagte 2004 bis 2015 seine Alkoholsucht unter Kontrolle gehabt und weitgehend abstinent gelebt habe. Die Entziehungsbehandlung in der Fachklinik K. sei folglich in dem Sinne erfolgreich gewesen, dass sie den Beklagten in die Lage versetzt habe, seine Alkoholsucht dauerhaft zu kontrollieren.

    Es sei nicht von einer Schuldunfähigkeit auszugehen. Alkoholsucht für sich alleine habe  keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit oder gar eine Schuldunfähigkeit des Betroffenen zur Folge. Dazu bedürfe es schwersten Persönlichkeitsveränderungen, wozu es keinerlei Anhaltspunkte gebe.

    Ein Verschulden könne auch nicht wegen der Depressionserkrankung ausgeschlossen werden

    Das Verschulden könne nicht wegen der Depressionserkrankung des Beklagten ausgeschlossen werden. Es würden keine Anhaltspunkte zur mangelnden Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit des Beklagten zum Zeitpunkt des Rückfalls in die nasse Phase seiner Alkoholsucht vorliegen.

    Ein Gutachten weise den Beklagten zum Zeitpunkt seiner Aufnahme in die Klinik als „wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert und formalgedanklich geordnet“ aus.

    Etwas anderes ergebe sich auch nicht im Hinblick auf seine privaten Beziehungsprobleme. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Beklagte sich bei solchen Problemen entweder erneut in Behandlung begibt, oder sich seinem Dienstherren offenbart. Es sei jedenfalls notwendig gewesen, dass der Beklagte Alkohol nur im angemessenen zeitlichen Abstand zu seinem Dienst konsumiert.

    Der Verschuldensbegriff in § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz auf das Disziplinarrecht nicht übertragbar. In einer neuen Entscheidung sei erkannt worden, dass bei einem Rückfall in die nasse Phase einer Alkoholerkrankung ein Verschulden regelmäßig nicht mehr angenommen werden könne. Dies sei nur dann möglich, wenn ein medizinisches Sachverständigengutachten ein  Verschulden bejahe.

    Der Verschuldensbegriff in § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG unterscheide sich deutlich von demjenigen des Disziplinarrechts. Während § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG einen Fall des „Verschuldens gegen sich selbst“ regele und ganz wesentlich der Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen diene, bilde das Verschulden im Disziplinarrecht letztlich das Maß der Verhaltensanforderungen des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn, die in einem besonderen wechselseitigen Dienst- und Treueverhältnis miteinander verbunden seien.

    Würde man diese Wertung auf das Disziplinarrecht übertragen hieße das, dass alkoholsüchtige Beamte von ihrer Verantwortung für den weiteren Verlauf der Krankheit und damit von ihrer Gesunderhaltungspflicht weitgehend entbunden würden, auch wenn sie die Kontrolle über ihre Sucht wiedererlangt hätten.

    Auch die vom Bundesarbeitsgericht angeführten, neueren medizinischen Erkenntnisse über die Alkoholkrankheit sprechen dagegen, alkoholsüchtige Beamte gleichsam vollständig aus ihrer Verantwortung für die weitere Entwicklung der Krankheit zu entlassen. Denn sowohl das Entstehen als auch der Rückfall seien willensgesteuerte Handlungen und folglich beeinflussbar. Den heutigen medizinischen Erkenntnissen könne lediglich nicht entnommen werden, dass der willensgesteuerte Anteil derart im Vordergrund stehe, dass er als vorsätzliches oder besonders leichtfertiges Verhalten im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG gewertet werden könne.

    Der Teil der eigenverantwortlichen Entscheidungsmacht bilde den Anknüpfungspunkt für den disziplinarrechtlichen Verschuldensvorwurf.

    Eine Multikausalität der Alkoholkrankheit sei erst bei der Feststellung des Ausmaßes des Verschuldens im Rahmen der Maßnahmebemessung zu berücksichtigen.

    Damit sei der Beklagte eines Dienstvergehens schuldig. Der Schwerpunkt seiner Verfehlungen liege bei den unter Alkoholeinfluss begangenen Verkehrsstraftaten in Verbindung mit seinem Fehlverhalten anlässlich des Unfalls am 16. November 2

    Aufgrund der Persönlichkeit des Beklagten ist eine Entfernung aus dem Dienst unausweichlich

    Unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beklagten sei eine Entfernung unausweichlich. Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme sei die Schwere des Dienstvergehens, welche sich nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) bemesse.

    Maßgeblich seien auch Form und Gewicht des Verschuldens und die Beweggründe des Beamten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie die unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere die Höhe des entstandenen Schadens.

    Auch bei Betrachtung des Bemessungskriteriums „Persönlichkeitsbild“ des Beamten unter Berücksichtigung einer tätigen Reue, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck komme, ergebe sich keine andere Bewertung.

    Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordere eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

    Nach § 11 Abs. 1 LDG bedürfe es einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte, ob der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird.

    Ergebe die prognostische Gesamtwürdigung, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten sei, haben die Verwaltungsgerichte diejenige Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die erforderlich sei, um den Beamten zur Beachtung der Dienstpflichten anzuhalten und der Ansehensbeeinträchtigung entgegenzuwirken. Sei eine solche nicht mehr möglich sei der Beamte aus dem Dienst zu entfernen.

    Bei Beurteilung des Vertrauensschadens sei im Disziplinarverfahren auf den gesetzlich vorgesehenen Strafrahmen zurückzugreifen, so habe der Gesetzgeber seine Einschätzung vom Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht.

    Weise ein Dienstvergehen hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reiche der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für derartige mittelschwere Straftaten bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Reiche der gesetzliche Strafrahmen bis zu drei Jahre, reiche der Orientierungsrahmen für die Disziplinarmaßnahme schon aus diesem Grund bis zur Dienstentfernung.

    Der Beklagte sei wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB), Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB), Verkehrsunfallflucht (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 StVG) verurteilt. Die Trunkenheit im Verkehr und das Fahren ohne Fahrerlaubnis sind mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, die fahrlässigem Gefährdung des Straßenverkehrs mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren und das unerlaubte Entfernen vom Unfallort mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht.

    Wegen der Verkehrsstraftaten des Beklagten sei mithin ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Dienst eröffnet.

    Eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst komme nicht in Betracht. Durch sein Verhalten habe der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit vollständig und unwiederbringlich verloren.

    Die Straftaten des Beklagten wiegen sehr schwer. Insbesondere habe der Beklagte von den laufenden Disziplinarverfahrens gewusst, er sei mehrmals belehrt worden. Auch sein Alkoholproblem war ihm bekannt.

    Gleichwohl habe er sich hochgradig alkoholisiert an das Steuer seines PKW gesetzt und Unfallflucht begangen. Nur knapp vier Monate nach dem strafrechtlichen Verfahren sei er erneut hochgradig alkoholisiert am Steuer erwischt worden.

    Es fehle dem Beklagten an einem angemessenen Unrechtsbewusstsein. Er habe zudem keine Reue gezeigt. Anlässlich des Unfalls am 16. November 2014 habe der Beklagte durch das Tragen der Regenjacke mit dem Aufdruck „Polizei“ unberechtigterweise die Autorität der Polizei für seine privaten, eigennützigen Zwecke in Anspruch genommen und diskreditierte die dienstlich mit dem Unfall befassten, deutlich jüngeren Kollegen in aller Öffentlichkeit durch sein unangemessenes, anmaßendes, unflätiges Verhalten, das weit über eine angemessene Verteidigung seiner Rechte in der gegebenen Situation hinausgegangen sei.

    Auch hier fehle es an Unrechtsbewusstsein und echter Reue, weswegen die Persönlichkeit des Beklagten für eine Entfernung aus dem Dienst spreche. Außerdem fehle ihm eine angemessene Einsicht in sein Fehlverhalten, und zwar sowohl hinsichtlich seiner unter Alkoholeinfluss begangenen Straftaten als auch im Hinblick auf sein Verhalten anlässlich des Unfalls am 16. November 2014.

    Es sei daher jederzeit mit ähnlichem Fehlverhalten des Beklagten zu rechnen, zumal seine persönlichen Lebensverhältnisse weiterhin schwierig seien. Ein derart uneinsichtiger, pflichtvergessener und labiler Beamter ohne jede Aussicht auf Besserung sei gerade im Polizeidienst schlechterdings untragbar.

    Seine dienstlichen Leistungen in der Vergangenheit vermögen die Schwere der Verfehlung nicht aufzuwiegen. Diese gingen auch nicht über das zu erwartende Maß eines pflichtbewussten Beamten hinaus.

    Es liege auch keine verminderte Schuldfähigkeit des Polizeibeamten vor

    Eine verminderte Schuldfähigkeit liege nicht vor.  Es liegen keine Anhaltspunkte für den Schluss zu, dass er in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen sein könnte.

    Selbst bei Vorliegen solcher sei in der Gesamtschau der vom Beklagten begangenen Pflichtverletzungen und der Gewichtung der einzelnen Verfehlungen nicht von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen.

    Angesichts der fehlenden Einsicht in seine Alkoholerkrankung und sein Fehlverhalten sei auch damit zu rechnen, dass er in Zukunft wieder vergleichbare Dienstpflichtverletzungen begehen werde.

    Die Entfernung des Beklagten sei auch nicht unverhältnismäßig. Sei das Vertrauen des Dienstherrn endgültig und unwiederbringlich verloren und fehle damit die Grundlage für eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses, sei seine Entfernung aus dem Dienst die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Dies habe der Betroffene selbst durch sein  zurechenbares Verhalten herbeigeführt und verstoße gegen die Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit.

    Auch in dem Rückfall sei eine Dienstpflichtverletzung von einigem Gewicht zu erkennen. Der Rückfall sei Ausdruck einer Haltlosigkeit sowie einer Willens– und Charakterschwäche, welche mit der Pflichtenstellung eines Beamten, namentlich eines Polizisten unvereinbar sei.

    Der Beklagte hätte sich dem Verlangen nach Alkohol bis zur Grenze des persönlichen Leistungsvermögens widersetzen müssen, unabhängig von seinen persönlichen Verhältnissen.

    Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz

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  2. Arbeitsrecht: Für verhaltensbedingte Kündigungen kann unter bestimmten Bedingungen eine vorhergehende Abmahnung erforderlich sein

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    Landesarbeitsgericht Mainz, 18.08.2011, Az.: 2 Sa 232/11

    Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist im Vorfeld einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber notwendig.

    Dies gilt sowohl für Kündigungen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist als auch für fristlose Kündigungen.

    Sinn solcher Abmahnungen ist es, dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu geben, sein Verhalten zu erkennen und zu ändern.

    Dieser soll sich somit in Zukunft entsprechend seines Arbeitsvertrages vertragstreu verhalten und verstehen, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, falls noch einmal eine Pflichtverletzung durch ihn begangen wird.

    Eine Abmahnung kann somit insbesondere in folgenden Fällen notwendig sein:

        • alkoholbedingtes Fehlverhalten
        • keine oder verspätete Krankmeldung
        • eigenmächtiger Urlaubsantritt bzw. unentschuldigtes Fernbleiben
        • allgemeine Schlechtleistung des Arbeitnehmers

    Eine Abmahnung vor einer fristlosen Kündigung muss in den folgenden Fällen meistens nicht vorliegen:

        • Diebstahl oder Betrug durch den Arbeitnehmer
        • Tätlichkeiten
        • sexuelle Belästigung

    welche Kündigungsgründe gibt es

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    In dem oben genannten Fall griff der Arbeitnehmer erfolgreich eine gegen ihn erfolgte fristlose Kündigung wegen fehlender Abmahnung an. Die fristlose Kündigung war erfolgt, weil der Arbeitnehmer den Marktleiter des Arbeitgebers mehrfach beleidigt hatte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Arbeitnehmer schreit seinen Vorgesetzten an und beleidigt diesen

    Der im Jahre 1975 geborene ledige Kläger war bei der Beklagten seit dem Jahre 1992 als Einzelhandelskaufmann beschäftigt.

    Am Freitag, den 27.08.2010 begab sich der Kläger gegen 10:30 Uhr zu einem Arzt und kehrte gegen 11:50 Uhr in den Betrieb zurück. Er suchte den Marktleiter auf, dieser war gerade mit einer Warenannahme beschäftigt.

    Er berichtete diesem, dass er krankgeschrieben sei und am Donnerstag einen neuen Arzttermin habe. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte er im Warenannahmebüro ab.

    Kurz darauf kam der Marktleiter in dieses Büro, fand die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor und ließ den Kläger über die Lautsprecheranlage ausrufen. Der Kläger, der sich noch im Betrieb befand, meldete sich von einem internen Apparat in der Nähe des Aufenthaltsraumes.

    Bei dem Telefonat fragte der Marktleiter den Kläger nach dessen Krankmeldung und wie es nun weiterginge, wobei der weitere genaue Inhalt des Telefonats streitig ist.

    Zuletzt schrie der Kläger den Marktleiter mit den Worten an: „Wenn Sie schlechte Laune haben, dann wichsen Sie mich nicht von der Seite an.“

    Er legte den Hörer auf und sagte anschließend im Beisein von Mitarbeiterinnen der Beklagten sowie einer Servicekraft der Firma T. einen Satz, der wiederum mit dem Begriff „Wichser“ begann.

    Im Anschluss verließ der Kläger den Markt.

    Der Vorgesetzte nimmt Kontakt zum Betriebsrat wegen der beabsichtigten Kündigung auf

    Drei Tage später übergab der Marktleiter dem Betriebsrat wegen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung den Anhörungsbogen betreffend die außerordentliche Kündigung des Klägers unter Angabe von dessen Sozialdaten, Art und Termin der Kündigung nebst Anlage mit schriftlicher Sachverhaltsschilderung.

    Auf dem Anhörungsbogen wurde von der Betriebsratsvorsitzenden Frau W. mit Datum vom 31.08.2010 erklärt, der Betriebsrat stimme der geplanten Kündigung zu.

    Mit Schreiben vom 01.09.2010, welches dem Kläger am 06.09.2010 zugegangen war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich.

    Der Kläger war der Ansicht, dass ein wichtiger Kündigungsgrund trotz seiner Äußerungen nicht vorliege. Er habe den Marktleiter in der Warenannahme die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehrfach hingehalten, sei von diesem jedoch völlig ignoriert worden, worauf er ihm mitgeteilt habe, dass er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Büro abgeben werde.

    Bei dem anschließenden Telefonat habe er sich durch eine Äußerung des Marktleiters, er solle sich schon einmal mit dem Betriebsrat bzw. dessen Vorsitzender auseinandersetzen und da komme noch etwas, mit einer Kündigungsdrohung konfrontiert gesehen.

    Arbeitnehmer entschuldigt seine Beleidigung durch eine Kündigungsandrohung seines Vorgesetzten

    Hierüber sei er so aufgeregt und erbost gewesen, dass er diese Äußerung gemacht habe. Nach dem Auflegen des Hörers sei er immer noch in hohem Maße erregt gewesen und habe nicht zu Dritten, sondern laut vor sich hingesagt, dass „dieser Wichser ihn wegen dem „Gelben“ kündigen wolle.“

    Insofern vertrat der Kläger die Auffassung, es handele sich um ein Augenblicksversagen, verursacht durch Provokation und Androhung der Kündigung.

    Das Vorliegen der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung bestritt der Kläger mit Nichtwissen.

    Die Beklagte wiederum war der Ansicht, dass der Marktleiter den Kläger in der Warenannahme nicht ignoriert, sondern keine Zeit gehabt habe, mit ihm ein Gespräch über seine Arbeitsunfähigkeit zu führen.

    In dem anschließenden Telefonat habe der Marktleiter in ruhigem, sachlichen Ton gefragt, wie es denn nun mit der Erkrankung weitergehe. Er habe dem Kläger angeboten, sich noch mal bei dem Betriebsrat über die korrekte Vorgehensweise bei einer Krankschreibung beraten und helfen zu lassen.

    Der Kläger habe ihn kaum zu Wort kommen lassen und mit den bereits dargestellten Worten angeschrien. Nach Auflegen des Hörers habe er zwei Pizzen, die er aus dem Markt genommen habe, auf den Boden geworfen und aus voller Brust gebrüllt: „Der Wichser, er hat sie doch nicht mehr alle“ und „Dann sollen die Arschlöcher mich doch rauswerfen.“

    Das zunächst angerufene Arbeitsgericht sah keinen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung

    Das Arbeitsgericht entsprach der Kündigungsschutzklage mit der Argumentation, dass ein wichtiger Grund hier nicht vorgelegen habe.

    Zwar handele es sich bei dem Verhalten des Klägers um eine grobe Pflichtverletzung, die außerordentliche Kündigung sei jedoch aufgrund der konkreten Umstände nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gerechtfertigt.

    Denn auch bei verhaltensbedingter Kündigung gelte das sog. Prognoseprinzip. Die Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setze somit regelmäßig eine Abmahnung voraus.

    Gegen die Entscheidung legte die Beklagte Berufung beim LAG Mainz ein.

    Urteil des Landesarbeitsgerichts Mainz:

    Auch das Landesarbeitsgericht sah keinen ausreichenden Grund für die Kündigung

    Das LAG Mainz folgte ebenfalls der Ansicht des Klägers und des Arbeitsgerichts.

    Das Arbeitsgericht habe die Unwirksamkeit der Kündigung auf zwei tragende Erwägungen gestützt, nämlich einmal die Erforderlichkeit einer vorherigen vergeblichen Abmahnung und zum zweiten, selbst wenn eine Abmahnung nicht notwendig gewesen wäre, auf eine Interessenabwägung, die nicht das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend erscheinen lasse.

    Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne eine Abmahnung im Einzelfall auch als milderes Mittel zur Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Vertrages notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ausreichen.

    Dies sei unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bewerten.

    Hierzu habe das Arbeitsgericht zutreffend auf die Ausnahmesituation hingewiesen.

    Vielmehr sei hier eine Abmahnung das Mittel der Wahl gewesen

    Der Kläger konnte und durfte insofern zu Recht die Äußerung des Marktleiters, er solle sich einmal vom Betriebsrat bei der Vorgehensweise einer Krankschreibung beraten lassen, als Kritik an seinem Verhalten ansehen.

    Dies gelte umso mehr, als für die Kammer absolut nicht nachvollziehbar sei, welches Fehlverhalten hier dem Kläger zu Last gelegt werden sollte.

    Der Kläger habe, nachdem er eine ärztliche Untersuchung vorgenommen hatte, sich sofort in den Betrieb begeben, seine Arbeitsunfähigkeit angezeigt (also berichtet, dass er arbeitsunfähig ist) und seine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen (in dem er eine Krankmeldung im Betrieb hinterlegte).

    Die vom Marktleiter in der mündlichen Verhandlung angesprochene Verpflichtung des Klägers zu einem Gespräch mit dem Marktleiter über den Stand der Krankheit sei nicht nachvollziehbar.

    Sie könne sich insbesondere auch nicht aus einem Aushang, welcher mit dem Betriebsrat verfasst sein sollte, ergeben.

    Die Pflichten eines Arbeitnehmers im Krankheitsfalle seien im Entgeltfortzahlungsgesetz abschließend geregelt.

    Auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Prüfung, ob eine etwa umzudeutende ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses möglich gewesen wäre, sei in ihrem Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

    Die ordentliche Kündigung sei schon deswegen rechtsunwirksam, weil sie gem. § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ausgesprochen werden konnte.

    Im Übrigen habe sich die Beklagte auch nicht hilfsweise auf eine ordentliche Kündigung berufen.

    Quelle: Landesarbeitsgericht Mainz

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  3. Arbeitsrecht: Grundsätzliches zur Abmahnung (Form und Inhalt)

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    I. Form und Inhalt der Abmahnung

    Mit der Abmahnung beanstandet der Arbeitgeber einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten. Neben der Disziplinierung des Arbeitnehmers ist grundsätzliches Ziel des Arbeitgebers die eigene Absicherung vor weiteren Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers. Denn die Abmahnung ist oft der notwendige erste Schritt auf dem Weg zur Kündigung.

    Die Rechtsgrundlage der Abmahnung befindet sich in § 314 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
    Grundsätzlich ist die Abmahnung formlos möglich, so dass insofern auch eine mündliche Abmahnung zulässig ist.

    Unabhängig von der Form der Abmahnung muss diese nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte allerdings vier Bestandteile enthalten, um ihrer Rüge- und der Warnfunktion gerecht zu werden:

    1. Der Tatbestand der Pflichtverletzung ist nach Ort, Datum und Uhrzeit genau zu bezeichnen.

    2. Der Arbeitgeber muss das Verhalten des Arbeitnehmers als Vertragsverletzung werten

    3. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer unmissverständlich auffordern, sein Verhalten zu ändern.

    4. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen.

    Fehlt zum Beispiel der Hinweis auf mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen, handelt es sich nicht um eine Abmahnung, sondern um eine Ermahnung, die nicht als Grundlage einer späteren Kündigung dienen kann.

    II. Entbehrlichkeit der Abmahnung

    Eine Abmahnung ist grundsätzlich dann nicht erforderlich, wenn die Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer besonders schwerwiegend und die sofortige Kündigung gerechtfertigt ist.
    Ebenfalls entbehrlich ist die Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer durch sein Verhalten den Loyalitäts- oder Vertrauensbereich betroffen hat oder auch in der Zukunft nicht mit einer Verhaltensänderung des Arbeitnehmers zu rechnen ist (BAG 21.02.2005 – 2 AZR 280/04).

    Eine Abmahnung ist weiterhin dann entbehrlich, wenn bereits eine Kündigung hinsichtlich desselben Verhaltens ausgesprochen und dann wieder zurückgenommen wurde. Die erste Kündigung ersetzt in diesem Fall die Abmahnung.

    III. Frist und Wirkungsdauer der Abmahnung

    Bis zu welchem Zeitpunkt die Abmahnung nach der Pflichtverletzung ergehen darf, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden. Hier ist unter Anderem die Schwere der Pflichtverletzung und das nachfolgende Verhalten des Arbeitnehmers maßgeblich.

    Auch über die Länge der Wirkungsdauer ist höchstrichterlich nicht endgültig entschieden worden. Diese hängt ebenfalls von der Schwere der Pflichtverletzung ab und kann grundsätzlich zwei bis fünf Jahren andauern.

    IV. Mehrere Abmahnungen

    Werden hinsichtlich desselben Fehlverhaltens mehrere Abmahnungen ausgesprochen, darf der Arbeitgeber bei einem erneuten Pflichtverstoß nur dann kündigen, wenn die letzte Abmahnung in besonders eindringlicher Weise arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht hat (z.B. wenn die zeitlich letzte Abmahnung als „Letzte Abmahnung“ betitelt wurde).

    Der Grund für diese Voraussetzung liegt darin, dass die Abmahnung ihre Warnfunktion verliert, wenn der Warnung später nicht durch Kündigung entsprochen wird.

    V. Reaktion des Arbeitnehmers

    Die Abmahnung ist in die Personalakte des Arbeitnehmers aufzunehmen. Der Arbeitnehmer kann die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen, wenn

    – die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist,
    – die Abmahnung sich auf unrichtige Tatsachenbehauptungen stützt,
    – die Abmahnung auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht,
    – der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt ist,
    – kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte besteht

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  4. Arbeitsrecht: Personalakte kann auch nach Kündigung eingesehen werden

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    Bundesarbeitsgericht, 16.11.2010, Az.: 9 AZR 573/09

    Es ist üblich, dass Arbeitgeber für jeden Mitarbeiter eine Personalakte mit Bewerbungsunterlagen, Arbeitsvertrag, Zeugnissen, Zwischenbeurteilungen, Abmahnungen, etc. anlegen.

    Diese Personalakte ist insbesondere dann Ziel von Auseinandersetzungen und Klagen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, wenn die Entfernung etwaiger Abmahnungen zur Diskussion steht. Aber auch darüber hinaus hat der Arbeitnehmer zahlreiche Rechte im Hinblick auf die Personalakte, welche aus der individualrechtlichen Schutzpflicht des Arbeitgebers zur Achtung der Arbeitnehmerpersönlichkeit resultieren. Zum Beispiel dürfen nur bestimmte Personen Einsicht in die Personalakte nehmen, der Arbeitnehmer darf grundsätzlich Einsicht in die Akte nehmen, der Arbeitnehmer kann Gegendarstellungen in die Akte aufnehmen lassen, etc. Werden diese Vorgaben durch den Arbeitgeber nicht berücksichtigt, kann dies Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers begründen. Diese Regelungen gelten auch für elektronische oder digitale Personalakten, die mittlerweile zur Regel werden. Ein vielbeachtetes Urteil des BAG vom 16.11.2010 hat sich nun mit der Frage beschäftigt, ob ein Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Einsichtsrecht besitzt.

    Sachverhalt: Der Kläger (Arbeitnehmer) war bei der Beklagten in leitender Position beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger von der Beklagten (Arbeitgeberin) ein Arbeitszeugnis, welches seiner Ansicht nach nicht der durch ihn tatsächlich geleisteten Arbeit entsprach. Es kam daraufhin zum Zeugnisrechtsstreit, der durch Vergleich beendet wurde. Im Rahmen dieses Rechtsstreits äußerte eine Personalbearbeiterin, dass Gründe vorlagen, die auf mangelnde Loyalität des Klägers hingewiesen haben. Daraufhin verlangte der Kläger die Einsicht in die Personalakte. Die Beklagte verweigerte dies und begründete ihre Ansicht damit, dass für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, da der Zeugnisrechtsstreit beendet sei. Der Kläger klagte daraufhin auf Einsicht in die Personalakte vor dem Arbeitsgericht und anschließend vor dem Landesarbeitsgericht. Beide Gerichte wiesen die Klage ab. Daraufhin legte der Kläger Revision bei dem Bundesarbeitsgericht ein.

    Bundesarbeitsgericht: Das BAG in Erfurt gab dem Arbeitnehmer in dem oben genannten Urteil nun Recht. Ein Anspruch folge allerdings nicht aus § 34 Bundesdatenschutzgesetz, wie vom Kläger geltend gemacht, sondern aus der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 1 S. 2 BGB). Diese habe die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Inhalt, auf das Wohl und die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Hierzu zähle auch das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers resultierende Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches auch über das Arbeitsverhältnis hinaus Wirkung habe.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

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