Anbietpflicht bei Eigenbedarfskündigung Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Anbietpflicht bei Eigenbedarfskündigung

  1. Mietrecht: Eigenbedarfskündigung, Vorliegen einer tauglichen Alternativwohnung bei lediglich befristeter Möglichkeit einer Zurverfügungstellung im Wege der Zwischenvermietung

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    Landgericht Köln,  29.07.2016, Az.: 10 S 15/16

    Der § 573 BGB stellt klar zu welchen Vorrausetzung die ordentlich Kündigung eines unbefristeten Mietvertrages erfolgen kann. Der Vermieter kann nämlich nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.  Dabei ist die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ausgeschlossen. Ein solches berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt dabei  außer Betracht. Der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

    Dass es dem Vermieter möglich sein muss, den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs zu kündigen ergibt sich schon aus seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 GG. Jedoch ist zu beachten, dass es rechtsmissbräuchlich sein kann, einem Mieter bei Kündigung wegen Eigenbedarfs eine vergleichbare, verfügbare Wohnung nicht als Ersatz anzubieten.

    Für wen darf ich Eigenbedarf anmelden?

    Im nachstehenden Urteil stellt das Landgericht Köln aber klar, dass eine solche  Alternativwohnung nicht gegeben sei, wenn die freistehende Wohnung im Rahmen der Gesamtsanierung des erworbenen Objektes umgebaut werden soll, die Umbaupläne mangels Auszug des Mieters zurückgestellt werden müssen und die Wohnung bis zum voraussichtlichen Beginn der Umbauarbeiten befristet vermietet werden. Das Nichtanbieten einer solchen Wohnung stellt damit keinen Rechtsmissbrauch dar und ist vielmehr von Art 14 GG gedeckt, wenn es dem Vermieter gerade darum geht, nicht irgendeinen Mieter in die Wohnung einziehen zu lassen, da er die Wohnung dem allgemeinen Markt entziehen möchte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Die Klägerin ist, gemeinsam mit Herrn N. G., zu jeweils ½ Miteigentümerin von Gebäude und Freifläche Istr., Köln. Durch Rechtsnachfolge traten damit beide in den Mietvertrag für Wohnräume mit Frau X. T. über die Wohnung 1. Etage, Istr., vier Zimmer, eine Küche, ein Bad, eine Toilette gemäß Mietvertrag vom 16.06.1983, mit einer Wohnfläche von ca. 80 qm ein.

    Vermieter kündigten dem Mieter wegen Eigenbedarf für sich und ihr Kind

    Die Vermieter kündigten daraufhin mit Schreiben vom 15.04.2015 den Mietvertrag mit der Beklagten zum 31.01.2016. Sie stützten die Kündigung auf Eigenbedarf und führten im Wesentlichen aus, dass sie aus einer derzeit bewohnten 3-Zimmerwohnung, die sie zur Miete bewohnen, ausziehen möchten und in dem erworbenen Anwesen die Wohnung im Erdgeschoss und die von der Beklagten bewohnte Wohnung im 1. Obergeschoss verbinden möchten, um für sich und ein gemeinsames Kind sowie ein weiteres Kind des Vermieters G. ausreichend Platz zu haben. Die Beklagte erklärte zunächst keinen Widerspruch.

    Bei dem streitigen Objekt handelte es sich um ein Mehrfamilienhaus

    Das streitige Objekt ist ein Mehrfamilienhaus mit derzeit insgesamt vier Wohneinheiten. Die Wohnung im Dachgeschoss wurde zum 28.02.2015 nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der vormaligen Mieterin, die einen unbefristeten Mietvertrag hatte, von dieser geräumt und zum 28.02.2015 verlassen. Es kam zu einer erneuten Vermietung vom 31.03.2015 bis zum 31.03.2016.

    Die Wohnung im 2. Obergeschoss war bereits vor Eigentumserwerb der Klägerin und des Herrn G. unbefristet vermietet und die Wohnung im Erdgeschoss stand bei Eigentumserwerb durch die jetzigen Vermieter leer. Zum 31.03.2015 wurde sie mit befristetem Mietvertrag bis zum 31.03.2016 vermietet. Bereits seit dem 14.01.2014 hatten die Klägerin und Herr G. mit der Beklagten über den vorgetragenen Eigenbedarf gesprochen. Herr G. hatte dabei unter anderem der Beklagten Wohnungsvorschläge für Drittwohnungen außerhalb des Hauses Istr. unterbreitet.

    Die Klägerin beantragte, die Beklagte zu verurteilen, die im 1. OG des Hauses Istr. Köln, gelegene Wohnung, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Bad und Toilette sowie den dazugehörigen Kellerraum, zu räumen und geräumt an die Klägerin sowie Herrn N. G., Hstr. Köln, zum 31.01.2016 herauszugeben.

    Die Klägerin trug vor, sie habe nach Erwerb des Grundstückes Istr. die dort befindliche Wohnung mit der von der Beklagten bewohnten Wohnung im 1. Obergeschoss zusammenzulegen wollen, um dort mit einem gemeinsamen Kind sowie einem weiteren Kind des Vermieters G. einziehen zu können.

    Zudem sei beabsichtigt gewesen, die Wohnung im Dachgeschoss für die Mutter der Klägerin, Frau L herzurichten. Für entsprechende Sanierungsarbeiten seien die erforderlichen Baugenehmigungen  inzwischen von der Stadt Köln erteilt.

    Eine Alternativwohnung stünde dem Mieter nicht zur Verfügung

    Daher  stehe eine Alternativwohnung für die Beklagte im vorhandenen Objekt  nicht zur Verfügung, die frei gewordenen Wohnungen seien vorübergehend befristet bis zum 31.03.2016 vermietet worden.

    Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

    Sie meinte, die Klägerin wolle ihren behaupteten Nutzungswunsch  tatsächlich nicht umsetzen, denn das bisherige Verhalten der Klägerin nach dem Erwerb des Mehrfamilienhauses würde dagegen sprechen, da zumindest zwei Wohnungen im Haus leer gestanden haben (Wohnung Erdgeschoss sowie im Dachgeschoss) und in der Folge neu vermietet worden seien.

    Das erstinstanzlich angerufene Amtsgericht wies die Klage mangels Eigenbedarfsanspruches ab

    Das Amtsgericht Köln hat die Klage abgewiesen, da es der Auffassung war, der Klägerin stehe ein solcher Anspruch nicht zu.

    Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.

    Entscheidung des Landgerichts Köln

    Die zulässige Berufung habe in der Sache Erfolg, denn die Klägerin habe einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB.

    Das Berufungsgericht urteilt nun, dass das Mietverhältnis ordnungsgemäß beendet worden sei

    Das Mietverhältnis sei  durch die mit Schreiben vom 15.04.2015 erklärte Kündigung der Klägerin wirksam zum 31.01.2016 beendet worden ist. Daher werde das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 16.12.2015 (221 C282/15) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt werde, die im 1. Obergeschoss des Hauses I-Straße, 50939 Köln, gelegene Wohnung, bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Bad und Toilette sowie den dazugehörigen Kellerraum zu räumen und geräumt an die Klägerin sowie Herrn G, H-Straße, 50672 Köln, herauszugeben.

    Der Beklagten werde eine Räumungsfrist bis zum 30. September 2016 bewilligt.

    Das nach 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erforderliche Interesse liege mit dem Eigenbedarf der Klägerin vor. Dieser sei zu bejahen, wenn für den Willen des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen oder eine begünstigte Person dort wohnen zu lassen, ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund bestehe.

    Die Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches des Vermieters sei zu prüfen gewesen, wozu der Vermieter selbst und ggfs. dessen Angehörige anzuhören gewesen seien. Dabei sei aber dem Vermieter selbst überlassen, welchen Wohnbedarf er für sich oder seine Angehörigen als angemessen sehe.

    An dem Eigenbedarfswunsch der Vermieter bestünden kein Zweifel

    Da die Klägerin konkret dargetan und bewiesen habe, dass sie die von der Beklagten bewohnte Wohnung als Wohnraum für sich und ihre Familie benötige, bestünden keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit.  Das Gericht sei überzeugt, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann das streitgegenständliche Objekt erworben habe, um ein Mehrgenerationenhaus für ihre Familie zu gründen. Man habe glaubhaft vorgebracht, dass im Erd- und Obergeschoss die Klägerin, ihr Ehemann, ihr im Oktober 2015 geborenes Kind sowie der sechsjährige Sohn ihres Mannes wohnen wollen. Dazu beabsichtige man, die Wohnung im Erdgeschoss mit der streitgegenständlichen Wohnung im ersten Obergeschoss zu verbinden. Im Dachgeschoss werde die Mutter der Klägerin einziehen und die Klägerin bei der Kinderbetreuung unterstützen.

    Man plane das Haus mit einem Aufzug auszustatten, dazu müsse die Beklagte ausziehen und das Dachgeschosses geräumt werden. Daher sei mit der ursprünglichen Mieterin des Dachgeschosses einen Aufhebungsvertrag zum 28.02.15 geschlossen worden.

    Nachdem der Beklagten ordentlich zum 31.01.2016 gekündigt worden war, vermieteten die Klägerin und ihr Ehemann die Dachgeschosswohnung und die Erdgeschosswohnung jeweils befristet bis zum 31.03.2016, da die Beklagte einen solchen Mietvertrag nicht eingehen wollte. Die Klägerin durfte aber die finanzielle Belastung während dieses Übergangszeitraums durch Eingehung befristeter Mietverträge reduzieren.

    Das Gericht entschied auf Grundlage der glaubhaften Aussagen der Zeugen G und L und der informatorischen Befragung der Klägerin. Die vorgelegten Mietverträge mit den Mietern M bezüglich der Erdgeschoss-Wohnung  und O bezüglich der Dachgeschoss-Wohnung stützten die Aussagen, durch die Befristungsabreden, wobei als Grund der vorgetragene Umbauplan genannt werde. Die Baugenehmigung bezüglich der Änderung des Wohngebäudes vom 28.05.2015 gelte ebenfalls als Indiz.

    Die Kündigungsfrist des § 573c BGB sei eingehalten worden.

    Es sei kein Rechtsmissbrauch ersichtlich, der dem geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch entgegengehalten werden könne. Es sei zwar ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter eine vermietete Wohnung wegen Eigenbedarfs kündige und dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder derselben Wohnanlage zur Verfügung stehende Wohnung nicht anbiete, dies gelte aber nicht, wenn der Vermieter diese andere Wohnung nicht bzw. nicht an beliebige Dritte vermieten wolle.

    Da die Dachgeschosswohnung künftig durch die Mutter der Klägerin bewohnt werden sollte, stand sie dem allgemeinen Mietmarkt nicht mehr zur Verfügung, sodass die Klägerin die Wohnung nicht anbieten musste. Das Eingehen des befristeten Mietvertrags mit dem Mieter O bis zum 31.03.2016 spreche nicht dagegen, denn es handele sich dabei nur um eine Zwischenvermietung, die allein dem Umstand geschuldet war, dass die Umbaupläne bezüglich des Hauses nicht vor einem Auszug der Beklagten realisiert werden konnten.

    Es sei widersinnig, würde man von der Klägerin, die das Ziel verfolge, sämtliche für den Umbau benötigte Wohnungen in einen geräumten Zustand zu verbringen, verlangen, der Beklagten anstelle der von dieser bewohnten Wohnung im 1. Obergeschoss nun die Dachgeschosswohnung anzubieten. Gerade auch weil diese den Eigenbedarf bestritten habe. Mit einem einvernehmlichen Auszug sei nicht zu rechnen gewesen.

    Auch § 574 BGB (Sozialgründe) stehe der Beendigung des Mietverhältnisses nicht entgegen.

    Danach kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

    Das  Widerspruchsschreiben vom 25.11.2015 stelle keine Umstände für derartige besondere Härte dar. Bei der erforderlichen umfassenden Interessenabwägung habe das Gericht zugunsten der 76 Jahre alten Beklagten eingestellt, dass sie die streitgegenständliche Wohnung bereits seit 33 Jahren (1983) bewohne und durch den Wohnungsverlust aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werde. Auch sei eine im Jahr 2014 erfolgte Operation wegen Brustkrebs und der Schwerbehinderungsgrad von 80 Prozent der Beklagten berücksichtigt worden, ebenso wie  das chronische Vorhofflimmern der Beklagten. Dies begründe eine Härte  für die Beklagte, welche aber letztlich nicht den von § 574 BGB vorausgesetzten Grad erfülle.

    Denn man müsse ebenso einsehen, dass  das Vorhofflimmern nach Auffassung der Kammer altersgerecht und gut behandelbar sei. Eine Reise Ende März 2015 in den Iran spreche für einen angemessenen Gesundheitszustand. Der Schwerbehinderungsgrad sei allein auf die Krebserkrankung der Beklagten bzw. die diesbezüglich durchgeführte Operation zurückzuführen. Zudem habe die Beklagte einen weiteren Wohnsitz in Arnsberg, unabhängig davon, dass der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Köln liege, verringere dies doch die Härte.

    Daher habe die Kammer nicht erkennen können, dass die berechtigten Interessen der Beklagten an der Fortsetzung des Mietverhältnisses die Interessen der Klägerin an der Räumung der Wohnung in den Hintergrund treten lassen würden.

    Ohne eine Räumung der von der Beklagten bewohnten Wohnung würde die mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Objekts verfolgten Interessen der Klägerin vollständig vereitelt, sodass diesem ein großes Gewicht an der Räumung der streitgegenständlichen Wohnung zukomme.

    Damit sei der Klage stattzugeben gewesen.

    Quelle: Landgericht Köln

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Wohnraummiete: Rechtsmissbräuchlichkeit einer Eigenbedarfskündigung mangels Angebots einer freiwerdenden Alternativwohnung

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    Landgericht Berlin, 16.04.2015, Az.: 67  S 14/15

     Der Vermieter kann gemäß § 573 Abs. 1 BGB ein Mietverhältnis nur ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist dabei ausgeschlossen. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. § 573 Abs. 1 Nr.2 BGB eröffnet dem Vermieter damit die Möglichkeit bei bestehendem Eigenbedarf das Mietverhältnis aufzukündigen.

    Das Amtsgericht Berlin stellt im nachstehenden Urteil klar, dass sich der Vermieter jedoch auf eine von ihm ausgesprochene Eigenbedarfskündigung wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nicht berufen kann, wenn er der Pflicht zum Angebot einer freistehenden Alternativwohnung zuwider gehandelt hat, selbst wenn der Mieter nach Ausspruch einer zeitlich nachfolgenden Eigenbedarfskündigung die Anmietung der nunmehr angebotenen Alternativwohnung ablehnt. Die Treuwidrigkeit sei allenfalls dann zu verneinen, wenn der Mieter zu keinem Zeitpunkt Interesse daran hatte, die Alternativwohnung anzumieten.

    Zudem geht es auf eine im Schriftsatznachlass erneut ausgesprochene Kündigung ein. Relevant hierfür war § 533 ZPO. Dieser bestimmt, dass Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage nur zulässig sind, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

    Folglich hat das Berufungsgericht eine in einem gemäß § 283 ZPO nachgelassenen erstinstanzlichen Schriftsatz erklärte neuerliche Kündigung gemäß § 533 Nr. 2 ZPO nur zu berücksichtigen, wenn sie auf einer mit einer zuvor in den Rechtsstreit eingeführten Kündigung kongruenten Tatsachengrundlage beruht.

    Dies ist nach Ausführungen des Gerichts jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die erste Kündigung auf die Schaffung eines Zweitwohnsitzes gestützt, die Kündigung im nachgelassenen Schriftsatz dann aber von der Verlagerung des Lebensmittelpunktes in die streitgegenständliche Wohnung spreche.

    Darin liege ein neuer Klagegrund, der nicht nach § 529 ZPO ohnehin zu Grunde zu legen sei.

    Sachverhalt: Die Beklagten mieteten seit dem 15. September 1998 von einem Rechtsvorgänger der Kläger die streitgegenständliche Wohnung.

    Am 23. November 2012 kündigten die Kläger die Wohnung wegen Eigenbedarfs. Obwohl eine unter der streitgegenständlichen gelegene Wohnung mit zwei Zimmern und Wohnküche zu diesem Zeitpunkt leer stand, boten die Kläger diese den Beklagten nicht zur Anmietung an. Das zunächst angerufene Amtsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe abgewiesen. Es hat eine in dem nachgelassenen Schriftsatz der Kläger vom 10. November 2014 erklärte neuerliche Eigenbedarfskündigung nicht berücksichtigt.

    Gegen dieses den Klägern am 3. Dezember 2014 zugestellte Urteil haben sie am 5. Januar 2015 Berufung eingelegt. Die Frist zur Berufungsbegründung wurde auf Antrag bis zum 24. Februar 2015 verlängert. Am 9. 2.2015 ging der Begründungsschriftsatz der Kläger ein.

    Darin trugen sie vor, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichts eine Verletzung der Anbietpflicht nicht vorliege, denn die Beklagten hätten außergerichtlich mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 erklärt, kein Interesse an der Anmietung der freien Wohnung zu haben.

    Die Kläger beantragten, das erstinstanzliche Urteil dahingehend abzuändern, die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen genutzten Wohnräume bestehend aus drei Zimmern, einer Küche, einem Korridor, einer Toilette mit Bad sowie einer Dachterrasse und einem Kellerraum an die Kläger in geräumten Zustand herauszugeben.

    Die Beklagten beantragten, die Berufung zurückzuweisen. Sie waren der Meinung, dass sich aus ihrer Mitteilung vom 15. Dezember 2014 nicht entnehmen lasse, sie hätten die angebotene Wohnung “seit jeher” nicht anmieten wollen.

    Landgericht Berlin: Das Landgericht Berlin urteilte, dass die Berufung keinen Erfolg habe, denn die Kläger hätten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung aus den §§ 985, 546 Abs. 1 BGB. Das Mietverhältnis bestehe fort, es sei nicht durch die Kündigung vom 23. November 2012 beendet worden.

    Unerheblich sei, ob der Eigenbedarf der Kläger im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB tatsächlich bestanden habe, denn jedenfalls hätten die Kläger die Pflicht zur Anbietung freien Alternativwohnraums rechtsmissbräuchlich verletzt.

    Richtig sei, dass der wegen Eigenbedarfs berechtigt kündigende Vermieter dem Mieter eine andere, ihm zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung während der Kündigungsfrist zur Anmietung anzubieten habe, sofern sich die Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befinde.

    Käme der Vermieter dieser Pflicht nicht nach, sei die ausgesprochene Kündigung wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam.

    Zwar sei die Entscheidung des Vermieters, welche Wohnung er zum Eigenbedarf nutzen wolle zu respektieren, es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass die Kündigung von Wohnraum in die Lebensführung eines Mieters besonders stark eingreife. Daher sei der Vermieter verpflichtet, den Eingriff mit ihm zur Verfügung stehenden Mittel abzumildern.

    Folglich sei eine Eigenbedarfskündigung dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter dem Mieter eine vergleichbare andere Wohnung im selben Anwesen oder in derselben Wohnanlage anbieten könne, dies aber unterlasse, obwohl er die Wohnung erneut vermieten wolle.

    Die Alternativwohnung habe unstreitig frei gestanden. Die Argumentation der Kläger, die Wohnungen seien nicht vergleichbar greife nicht. Die Wohnungen würden sich nicht nur hinsichtlich der Fläche ähnelnd, sondern auch die Zahl der Zimmer sei im Wesentlichen gleich. Die Wohnküche sei nicht anders als ein sonstiges Zimmer zu behandeln.

    Überdies sei es Sache des betroffenen Mieters, ob er sich ergebende Nachteile gegenüber der bisherigen Wohnung hinnehmen wolle.

    Auf diese Pflichtverletzung könnten sich die Beklagten auch berufen, obwohl der Beklagte zu 2) im Zusammenhang mit der Schriftsatzkündigung vom 10. November 2014 die Anmietung der entsprechenden Wohnung ausdrücklich abgelehnt habe.

    Es sei unerheblich, ob die Verletzung auch dann noch zur Unwirksamkeit der Kündigung führe, wenn die Beklagten  von vornherein nicht bzw. niemals die Absicht gehabt hätten, die nicht angebotene Wohnung zu beziehen.  In der Ablehnung vom 15. Dezember 2014 sei dazu nämlich nicht Stellung genommen worden. Es heiße lediglich:  “Unser Mandant hat kein Interesse … und möchte die Wohnung nicht anmieten.”

    In der mündlichen Verhandlung hätten die Beklagten geäußert, dass die Anmietung in der Rückschau jedenfalls nicht ausgeschlossen gewesen sei. Zweifel an dieser Aussage habe die Kammer nicht. Sie sei nachvollziehbar. Die  Verhältnisse bei der Ablehnung vom 15. Dezember 2014, insbesondere wegen des inzwischen ausgetragenen Rechtsstreits, seien andere als zur Zeit der Kündigung vom 23. November 2012.

    Entscheidend sei, ob der Mieter die freie Wohnung in der Kündigungsfrist nicht angemietet hätte und nicht, ob die Ablehnung einer angebotenen Wohnung nach Ablauf der Kündigungsfrist oder auf eine neue Kündigung hin ergangen sei.

    Die Schriftsatzkündigung vom 10. November 2014 sei von der Kammer aus prozessualen Gründen nicht zu berücksichtigen gewesen. Die Berufungsbegründung gehe auf diese Kündigung nicht mehr ein. Ausführungen im Sinne von § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO ließen sich in der Kündigung auch nicht finden.

    Zudem sei die nachgeschobene Kündigung wegen § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen gewesen, denn der Schriftsatznachlass am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2014 gemäß § 283 ZPO habe sich nur auf eine Erwiderung zum Schriftsatz der Beklagten vom 13. Oktober 2014 bezogen.

    Diese Kündigung sei ein neuer eigenständiger Klagegrund, da sie ausdrücklich auf eine Veränderung der Bedürfnisse der Kläger gestützt werde.

    Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kam nicht in Betracht, da allein die Nachreichung erheblicher Angriffsmittel die Wiedereröffnung nicht rechtfertige.

    Auch in der zweiten Instanz sei die Kündigung  nicht gemäß § 533 ZPO zuzulassen. Es liege eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO vor. Zwar sei diese sachdienlich, jedoch fehle es an den Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO.

    Die Umstände, auf die die neue Kündigung gestützt werde, seien in der Berufung nicht “ohnehin nach § 529 [ZPO] zugrunde zu legen”. Die Kündigung vom 23. November 2012 werde mit der Schaffung eines Zweitwohnsitzes für ihre in Berlin entfalteten geschäftlichen Tätigkeiten begründet, wogegen die prozessual nachgeschobene Schriftsatzkündigung stattdessen auf eine gänzliche Verlagerung des Lebensmittelpunktes der Kläger nach Berlin abstelle.

    Daher fehle es an der für die Bejahung des § 533 Nr. 2 ZPO erforderlichen Kongruenz der zu beurteilenden Tatsachengrundlagen. Auf die neu vorgetragenen tatsächlichen Umstände komme es für die Beurteilung der Kündigung vom 23. November 2012 nicht an.

    Quelle: Landgericht Berlin

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  3. Mietrecht: Nicht jeder Verstoß gegen die Anbietpflicht macht die Eigenbedarfskündigung unwirksam

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    Landgericht Berlin, 01.12.2016, Az.: 67 S 323/16

    Nur unter bestimmten Voraussetzungen können Vermieter Mietverträge kündigen – eine mögliche Ausführung ist die Eigenbedarfskündigung, welche jedoch eine plausible Begründung benötigt. Dieser Begründung sind allerdings durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enge Grenzen und Fristen gesetzt (§§ 573 Abs. 2 Nr. 2 und 573c BGB).
    Sobald der Vermieter eine Wohnung für sich selbst oder nahe Angehörige – nach aktueller Rechtsprechung zählen dazu Kinder, Eltern, Enkeln oder Großeltern aber auch Geschwister (BGH, Urteil vom 9. Juli 2003, Az. VIII ZR 276/02), Stiefkinder, Nichten und Neffen (BGH, Urteil vom 27. Januar 2010, Az. VIII ZR 159/09) – benötigt, so besitzt er das Recht, dem Mieter die Kündigung auszusprechen.

    Die Kündigung ist rechtsmissbräuchlich, wenn der Wohnbedarf des Vermieters ohne wesentliche Abstriche in einer frei gewordenen Alternativwohnung befriedigt werden kann. Ausnahmen bestehen darin, dass der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe vorträgt, weshalb er die frei gewordene Wohnung nicht beziehen will (BVerfG, Beschluss vom 1. 3. 1991, 1 BvR 1100 / 90, WM 1991 S. 247). Unterbleibt die Anbietpflicht, wird nachträglich die Kündigung unwirksam (AG Köln, Urteil vom 08. Februar 2013 – 205 C 3/12 -, juris) und der Vermieter kann sich schadenersatzpflichtig machen.

    Sachverhalt: Im vorliegendem Fall handelte es sich um einen Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Berlin. Seine gemietete Wohnung besaß die Größe von 55 qm.

    Der Vermieter hat ihm unter Berufung auf den Eigentumsbedarf seines Sohnes gekündigt und auf Räumung verklagt, womit dieser nicht einverstanden war.

    Die Eigentumskündigung entsprach den gesetzlichen Formvorgaben und enthielt einen Kündigungsgrund gem. §§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB.

    Besonders draufgewiesen wurde, dass der Vermieter dem Mieter nicht die Wohnung im Erdgeschoss, welche von dem Vormieter gekündigt und alsbald frei wurde, angeboten hat.

    Treuwidrig hat die Klägerin nicht gehandelt, als sie das Mietverhältnis mit dem Beklagten kündigte, obwohl vor dem Ablauf der Kündigungsfrist eine weitere Eigentumswohnung freistand. Ein Vermieter handelt erst treuwidrig, wenn ihm eine vergleichbare andere Wohnung zur Verfügung steht, in der er den geltend gemachten Wohnbedarf ohne wesentliche Abstriche befriedigen kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 23. August 2016 – VIII ZR 178/15, NZM 2016, 715 Tz. 17). An solchen Ausnahmevoraussetzungen fehlte es.

    Ab dem 1. Mai 2015 wurde im Vorderhaus des Anwesens eine 75 qm große Wohnung frei, welche den Wohnbedarf ihres Sohnes hätte decken können, dabei würde kein Rückgriff auf die vom Beklagten gemietete Wohnung entstehen. Vergleichbar waren die beiden Wohnungen nicht, da sie sich um 20 qm in der Flächengröße unterschieden und die Klägerin den Platzbedarf ihres Sohnes beschränken wollte.

    Demgegenüber berief sich die Klägerin darauf, dass sie dem Beklagten eine Alternativwohnung bereits in der Kündigungserklärung zu einem Gesamtmietzins von 910,00 EUR angeboten hat. Der Beklagte hatte dieses Angebot auf Grund der hohen Miete abgelehnt.

    Die angebotene Alternativwohnung wurde saniert unterfiel dem Ausnahmetatbestand des § 556 f Satz 2 BGB. Somit verstieß die verlangte Miete nicht gegen § 556d Abs. 1 BGB und es lag kein Verstoß gegen die Anbietpflicht der Klägerin vor.

    Landgericht Berlin: Das angerufene Landgericht Berlin hat nun entschieden, dass der Beklagte seine Wohnung räumen muss. Die Kündigung der Klägerin sei rechtmäßig gewesen, da sie sich gem. § 573 Abs. 1, 2 Nr. 2 BGB auf Eigenbedarf berufen durfte und sie nicht gegen die Anbietpflicht verstoßen hatte.

    Diese Ansicht des Gerichts folgte daraus, da die Klägerin dem Beklagten bereits im Kündigungsschreiben eine Alternativwohnung angeboten hatte. Die dafür verlangte Miete in Höhe von 910,00 EUR monatlich konnte der Klägerin nicht als Mietwucher vorgeworfen werden. Zusätzlich habe die Miethöhe nicht gegen Verbotsgesetze verstoßen.

    Ob die Klägerin im Sinne von Treu und Glauben verpflichtet gewesen sei, dem Beklagten die freiwerdende Alternativwohnung anzubieten, bedurfte aber keiner abschließenden Entscheidung. Eine Anbietpflicht bestünde nach Ansicht des Gerichts nämlich zumindest dann nicht, wenn eine Vergleichbarkeit der Wohnung mit der gekündigten Wohnung von vornherein ausscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 13. Oktober 2010 – VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Tz. 15). Diesem sei der Fall gleichzustellen, in dem der Beklagte also der Mieter die Wohnung im Falle der Anbietung der Klägerin also der Vermieterin ohnehin nicht angemietet hätte (vgl. Kammer, Urt. v. 16. April 2015 – 67 S 14/15, MDR 2015, 582).

    Welche Partei die Beweis- und Darlegungslast für den Anmietwillen des Beklagten treffe, könne nach Ansicht des Gerichts dahinstehen. Denn es stünde zur zweifelsfreien Überzeugung der Kammer bereits prima facie fest, dass der Beklagte die Erdgeschosswohnung auch im Falle ihrer pflichtgemäßen Anbietung nicht angemietet hätte, da er im Kündigungsschreiben die angebotene Alternativwohnung im Vorderhaus nicht angemietet und der Anmietung der im Verlaufe des zweiten Rechtszugs angebotenen Erdgeschosswohnung selbst zu dem von der Klägerin in Aussicht gestellten Nettokaltmietzins von 526,76 EUR nicht in der Lage gewesen sei.

    Quelle: Landgericht Berlin

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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