Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht

  1. Ausländerrecht: Erfolgreiche Klage gegen die Wohnsitzauflage

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    Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 13.04.2023, Az.: 4 K 2548/22

    Die Wohnsitzauflage (Residenzpflicht) kann durch die Behörde erlassen werden und bezieht sich auf die örtliche Beschränkung und bedeutet, dass man einen bestimmten (räumlichen) Bereich nicht verlassen darf.

    Die räumliche Beschränkung und ihr werden in den Nebenbestimmungen in der Duldung oder der Aufenthaltsgestattung vermerkt. Sie kann auf Antrag aufgehoben werden.  Gründe dafür sind zum Beispiel familiäre Gründe, berufliche Gründe, die Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses.

    In dem hier vorgestellten Fall beantragte der Kläger die Aufhebung der Wohnsitzauflage, als die Behörde dies ablehnte, klagte er.

    Sachverhalt des Falles:

    Der Kläger war Staatsangehöriger Guineas. Er war im Dezember 2016 in das Bundesgebiet ein und hatte einen Asylantrag gestellt, welcher vom BAMF als unzulässig abgelehnt worden war. Trotz Anordnung der Abschiebung wurde der Kläger nicht nach Italien abgeschoben.

    Nach erfolgloser Asylentscheidung erteilte die Bezirksregierung dem Kläger eine Wohnsitzauflage

    Mit Bescheid der Bezirksregierung C. vom 26. April 2017 wurde der Kläger der Stadt B. im Kreis A. zugewiesen (Wohnsitzauflage) und verpflichtete ihn gemäß §60 Abs. 1 AsylG, an diesem Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen.

    Daraufhin stellte der Kläger bei der Bezirksregierung C. einen „Antrag auf Umverteilung gemäß §§ 50 / 51 Asylgesetz (AsylG) innerhalb NRW“.

    Kläger war berufspflichtig und sein Arbeitsweg wurde dadurch erheblich verlängert

    Zur Begründung hatte er unter Verweis auf Gehaltsabrechnungen für die Monate August 2021, Oktober 2021 und September 2022 im Wesentlichen angegeben, er habe bis vor ein paar Monaten in B. gewohnt und drei Stunden benötigt, um zur Arbeit zu kommen. Er habe nun eine Wohnung, die es ihm ermögliche, in 30 Minuten pünktlich bei der Arbeit zu sein.

    Diesen Antrag lehnte er Beklagte ab und führte dazu im Wesentlichen aus, dass zwar nach ständiger Verwaltungspraxis eine asylrechtliche Neuzuweisung (Umverteilung) an den Ort der Arbeitsstätte erfolgen könne.

    Behörde meinte, dem Kläger könne der lange Arbeitsweg zugemutet werden

    Im Falle des Klägers könne diesem aber der lange Weg zur Arbeit zugemutet werden, denn sein persönliches Interesse müsse für die Übergangszeit des Asylverfahrens hinter dem öffentlichen Interesse an einer gleichmäßigen Verteilung von Asylbewerbern auf die Städte und Gemeinden zurückstehen.

    Hier gegen klagte der Kläger beim Verwaltungsgericht Aachen

    Verwaltungsgericht Aachen:

    Das Gericht folgte der Ansicht des Klägers und urteilte, dass seine Klage gegen die Wohnsitzauflage Erfolg hat.

    Die beanstandete Zuweisungsentscheidung der Bezirksregierung C. vom 26. April 2017 beruhe auf § 50 AsylG. Nach § 50 Abs. 4 Satz 1 AsylG erlasse die zuständige Behörde die Zuweisungsentscheidung. Nach der Rechtsprechung stünde die Entscheidung über die Zuweisung und damit auch über deren Änderung im Rahmen der landesinternen Verteilung von Asylbewerbern im weiten Ermessen der zuständigen Behörde.

    Gericht urteilte, dass die Behörde humanitäre oder andere Gründe berücksichtigen müsse

    Eine einfachgesetzliche Bindung des Entscheidungsspielraums der Behörde enthalte lediglich § 50 Abs. 4 Satz 5 AsylG, wonach die Behörde bei der Zuweisung die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht berücksichtigen müsse.

    Bei Krankheit, Alter, Gebrechlichkeit etc. können familiäre Gründe berücksichtigt werden

    Im Falle der Aufhebung der Wohnsitzzuweisung müsse ein Ausnahmefall vorliegen. Besondere Gründe, die zu einem Anspruch auf Umverteilung führen können, würden z. B. vorliegen, wenn die betreffenden Personen aufgrund von Krankheit, Schwangerschaft, Alter, Gebrechlichkeit oder sonstiger Defizite auf die Lebenshilfe anderer angewiesen seien und damit in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis stünden. Die familiäre Beziehung müsse in diesem Fall ein ähnliches Gewicht aufweisen, wie das Verhältnis zwischen Ehegatten oder zwischen Eltern und minderjährigen Kindern, und es müsse Lebenshilfe in erheblichem Umfang erbracht werden.

    Daneben habe der Gesetzgeber bei der Neufassung der Vorschrift zum 1. Januar 2015 in der Gesetzesbegründung festgehalten, dass zu den erheblichen persönlichen Gründen, die zu einem Anspruch auf Umverteilung führen können, z. B. auch besonderer Schutzbedarf, eine konkret bestehende Ausbildungsmöglichkeit oder eine konkrete Möglichkeit der Erwerbstätigkeit zählen.

    Insofern habe der Kläger ein Recht darauf, dass die Wohnsitzzuweisung aufgehoben werde. Die behördliche Aufhebung der Wohnsitzauflage erfolge als Rücknahme auf Grundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Dieser kommt auch zur Anwendung, wenn ein ursprünglich rechtmäßiger belastender Dauerverwaltungsakt – wie hier (dazu sogleich) – im Zuge einer Veränderung der ihm zugrunde liegenden Umstände rechtswidrig werde.

    Weil der Kläger nun einen gut bezahlten sicheren Job habe, sei die Wohnsitzauflage rechtswidrig geworden

    Die Wohnsitzauflage sei nach ihrem Erlass rechtswidrig geworden, da die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AsylG nicht mehr vorliegen würden. Nach dieser Vorschrift werde ein Ausländer, der – wie der Kläger – nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG -), verpflichtet, an dem in der Verteilentscheidung genannten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage).

    Der Kläger habe dargelegt, dass sein Lebensunterhalt i. S. d. § 2 Abs. 3 AufenthG gesichert sei. Dies ist nach dieser Vorschrift der Fall, wenn der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten könne

    Diesen Bedarf könne der Kläger durch die durch ihn ausgeübte Erwerbstätigkeit aktuell und voraussichtlich auch in Zukunft decken. Dabei sei von den Grundsätzen der §§ 82 ff. SGB XII auszugehen, die wegen § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG vorliegend Anwendung finden würden.

    Die Wohnsitzauflage stelle – auch wenn sich der Kläger nicht unmittelbar auf die durch Art. 11 Abs. 1 GG nur Deutschen vorbehaltene Freizügigkeit im Bundesgebiet berufen könne – eine nicht unerhebliche Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Form eines Dauerverwaltungsakts dar. Im konkreten Fall des Klägers trete erschwerend hinzu, dass sie durch ihre Dauer eine erheblich überdurchschnittliche Belastung darstelle. Der Kläger sei bereits Ende des Jahres 2016 eingereist, die Wohnsitzauflage bestünde seit April 2017. Entgegen der üblichen Verfahrenslaufzeiten beim Bundesamt liege eine Entscheidung über seinen Asylantrag weiterhin nicht vor.

    Im Ergebnis war die Wohnsitzauflage aufzuheben.

    Quelle: Verwaltungsgericht Aachen

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  2. Ausländerrecht: Der Ehegattennachzug bei Aufenthalt in Deutschland mit Schengenvisum und Heirat in Dänemark

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    Bundesverwaltungsgericht, 16.11.2010, Az.: 1 C 17.09

    Viele Drittstaatsangehörige nehmen die Möglichkeit wahr, im Rahmen eines Besuchsaufenthaltes mit einem Schengenvisum in Deutschland nach Dänemark zu reisen und dort einen deutschen Staatsangehörigen zu heiraten.

    Gründe dafür sind das im Gegensatz zu Deutschland unproblematische Heiratsverfahren in Dänemark (etwa wenn in Deutschland im Gegensatz zu Dänemark eine Legalisation gefordert oder nicht anerkannt wird) oder die Möglichkeit in Dänemark schnell oder auch am Samstag einen Termin zu bekommen. Es werden auch All-Inclusive Reisen nach Dänemark mit Heiratszeremonie angeboten.

    Einmal zurück in Deutschland versucht der Drittstaatsangehörige dann, bei der zuständigen Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis wegen der Ehe (Ehegattennachzug) zu bekommen.

    Die Problematik dabei ist jedoch, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug grundsätzlich voraussetzt, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum (also nationales Visum bzw. Heiratsvisum und nicht Schengenvisum) nach Deutschland eingereist ist. Dies ist in § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG geregelt.

    Ablauf und Voraussetzungen Heiratsvisum und Ehegattennachzug

     

    Eine Befreiung von dieser Pflicht entsteht nur, wenn erst nach der letzten Einreise nach Deutschland die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entstanden sind (was bei einer Heirat in Dänemark nicht der Fall sein kann, da der Anspruch bei der Heirat in Dänemark, also vor der letzten Einreise nach Deutschland entstanden ist).

    Dennoch besteht immer noch die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, ohne dass der Drittstaatsangehörige vorher ausreisen muss, denn bei der Entscheidung der Ausländerbehörde handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

    Eine Ermessensentscheidung ist immer nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde ihr Ermessen vor Erlass der Entscheidung tatsächlich betätigt hat. Das heisst, dass die Ausländerbehörde zumindest prüfen muss, ob dem Drittstaatsangehörigen die Durchführung des Visumsverfahrens zumutbar bzw. unzumutbar ist.

    Tut sie dies nicht bzw. beachtet sie derartige Unzumutbarkeitsgründe nicht, ist die Entscheidung der Behörde gerichtlich angreifbar.

    Das oben genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist das wegweisende Urteil hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug für Drittstaatsangehörige, welche mit einem Schengenvisum nach Deutschland eingereist sind.

    Sachverhalt des Gerichtsverfahrens

    Klägerin reiste zunächst mit Schengenvisum nach Deutschland ein

    Die Klägerin war eine Staatsangehörige aus Weißrussland und Anfang 2007 mit einem Schengen-Visum zu Besuchszwecken nach Deutschland eingereist.

    In dem Antrag für ihr Besuchsvisum hatte die Klägerin angegeben, dass sie Deutschland nur zu Besuchszwecken bereisen möchte. Dennoch heiratete die Klägerin im September 2007 in Dänemark einen deutschen Staatsangehörigen, kehrte dann aus Dänemark nach Deutschland zurück und beantragte in Deutschland die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.

    Klägerin heiratet in Dänemark und stellt danach in Deutschland Antrag auf Aufenthaltserlaubnis

    Diesen Antrag lehnte die Ausländerbehörde ab und drohte der Klägerin die Abschiebung an, da sie ohne das für einen dauerhaften Aufenthalt erforderliche nationale Visum (Heiratsvisum) eingereist sei.

    Zwar könne der Inhaber eines gültigen Schengen-Visums den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet beantragen, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden seien (§ 39 Nr. 3 Aufenthaltsverordnung – AufenthVO).

    Dies sei aber bei der Klägerin nicht der Fall gewesen, denn die Ehe sei nicht nach, sondern vor der letzten Einreise aus Dänemark geschlossen worden.

    Auch sei die von der Durchführung des Visumverfahrens (Heiratsvisum) vorliegend auch nicht im Ermessenswege abzusehen gewesen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Aufenthaltsgesetz – AufenthG).

    Verwaltungsgericht verurteilt Ausländerbehörde zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis

    Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht folgte der Ansicht der Klägerin und gab der Klage statt.

    Berufungsgericht bestätigt hingegen den Ablehnungsbescheid

    Das mit der Berufung befasste Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandburg hingegen bestätigte die Ansicht der Ausländerbehörde und urteilte, dass der Ablehnungsbescheid der Behörde rechtmäßig war. Hiergegen richtete sich die Klägerin mit der Revision zum Bundesverwaltungsgericht.

    Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

    Auch das Revisionsgericht bestätigt die Ansicht der Ausländerbehörde

    Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts bestätigte im Ergebnis das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und führte zur Begründung aus:

    Die Klägerin könne die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Ehegattennachzugs nicht aufgrund der Sonderregelung in der Aufenthaltsverordnung vom Inland aus beantragen. Dies ergebe sich – unabhängig vom Streit um den Begriff der Einreise – schon daraus, dass sie die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 39 Nr. 3 AufenthVO nicht erfüllen würde.

    Klägerin habe bei Beantragung angegeben, nur zu Besuchszwecken einreisen zu wollen

    Denn sie habe nach den Feststellungen im Berufungsurteil bei der Beantragung des Schengen-Visums angegeben, nur zu Besuchszwecken einreisen zu wollen, obwohl sie von vornherein dauerhaft in Deutschland bleiben wollte.

    Da sie über die Rechtsfolgen falscher Angaben belehrt worden sei, habe sie einen Ausweisungsgrund verwirklicht (§ 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Damit stünde die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen im Ermessen der Behörde, so dass die Sonderregelung der Aufenthaltsverordnung nicht eingreifen würde.

    Dies entspräche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn diese solle nur diejenigen Ausländer begünstigen, welche im Schengen-Visumverfahren zutreffende Angaben gemacht hätten und bei denen sich erst aufgrund nach der Einreise eingetretener neuer Umstände der Aufenthaltszweck geändert habe.

    Bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis würde die Umgehung des nationalen Visumverfahrens folgenlos bleiben

    Andernfalls würde die bewusste Umgehung des nationalen Visumverfahrens folgenlos bleiben und dieses Verfahren als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung entwertet werden. Aus den gleichen Gründen lägen auch die Voraussetzungen für ein Absehen von dem Visumerfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht vor.

    Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehle es auch an besonderen Umständen, die der Klägerin das vorübergehende Verlassen des Bundesgebiets und die Nachholung des Visumverfahrens vom Ausland aus unzumutbar machen würden.

    Vorrangiges Unionsrecht stünde einer Verweisung auf das Visumverfahren ebenfalls nicht entgegen. Der deutsche Ehemann der Klägerin habe mit seiner Kurzreise zum Zweck der Heirat in Dänemark nicht nachhaltig von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht.

    Deshalb könnten die vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Grundsätze keine Anwendung finden, nach denen der Nachzug des Ehegatten bei Rückkehr des Unionsbürgers aus einem anderen EU-Mitgliedstaat in seinen Heimatstaat nicht von einem nationalen Visum abhängig gemacht werden dürfe.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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  3. Ausländerrecht: Auswirkungen der rechtlichen Unsicherheit des Spracherfordernisses beim Ehegattennachzug zu Deutschen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren

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    Verwaltungsgericht Oldenburg, 10.05.2012, Az.: 11 B 3223/12

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    Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen abgelehnt und die Abschiebung angedroht, kann gegen diesen Verwaltungsakt Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht eingelegt werden.

    Grundsätzlich haben eingelegte Rechtsbehelfe im Verwaltungsrecht aufschiebende Wirkung, wie sich aus § 80 I S.1 VwGO ergibt.

    Aufschiebende Wirkung bedeutet, dass die Behörde die von ihr erlassene Verfügung so lange nicht vollstrecken kann, wie über den eingelegten Rechtsbehelf noch nicht entschieden wurde.

    Bei einigen Verwaltungsakten können die eingelegten Rechtsbehelfe allerdings schon von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung entfalten bzw. kann die Behörde den sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes anordnen.

    Auch können die Länder gem. § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO bestimmen, dass Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

    Bei der Androhung der Abschiebung handelt es sich um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

    In Ländern, die von der Ermächtigung in § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben, müssen betroffene Ausländer somit jederzeit mit der Vollziehung der Abschiebung rechnen, obwohl ein Rechtsbehelf gegen die Ablehnung und die Androhung der Abschiebung eingelegt
    wurde.

    In diesen Fällen können betroffene Ausländer allerdings beantragen, dass die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO im vorläufigen Rechtsschutzverfahren wieder hergestellt wird.

    In diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren prüft das Gericht dann überschlägig die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs um den Ausländer vor den negativen Folgen einer schnellen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu schützen.

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    In der oben genannten Entscheidung des VG Oldenburg begehrte eine Ukrainerin erfolgreich gem. § 80 Abs. 5 VwGO, dass die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid der Ausländerbehörde, mit welchem ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen abgelehnt und die Abschiebung in die Ukraine angedroht wurde, wiederherzustellen.

    Dabei prüfte das Verwaltungsgericht Oldenburg insbesondere, ob die fehlenden Deutschkenntnisse der Antragstellerin den Nachzug zu ihrem Ehemann verhindern würden.

    Sachverhalt: Die Antragstellerin beantragte den Familiennachzug zu ihrem deutschen Ehemann bei der zuständigen Ausländerbehörde. Diesen hatte sie im Februar 2012 in Dänemark geheiratet.

    Die Antragstellerin war in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu sichern, ihre Identität war geklärt und die Passpflicht erfüllt.

    Allerdings konnte sie sich nicht zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen (§§ 28 Abs. 1 Satz 5, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).

    Verwaltungsgericht Oldenburg: Das VG Oldenburg gab der Antragstellerin Recht und urteilte, dass das Interesse der Antragstellerin vorläufig in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben zu dürfen das öffentliche Interesse an einer baldigen Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde.

    Nach Ansicht des VG Oldenburg sei zwar in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zunächst geklärt gewesen, dass das für den Familiennachzug erforderliche Spracherfordernis mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 7 Abs. 2 der Familiennachzugsrichtlinie 2003/86/EG des Rates vereinbar sei.

    An dieser Vereinbarkeit seien jedoch neuerdings berechtigte Zweifel entstanden.

    So habe das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 28. Oktober 2011 – 1 C 9.10 – InfAuslR 2012, 59) im Rahmen einer Kostenentscheidung nach Erledigung des Rechtsstreits die Auffassung vertreten, dass die Frage, ob das Spracherfordernis gegen die genannte Bestimmung der Familiennachzugsrichtlinie verstoße, zweifelhaft geworden sei und bei Fortführung des Verfahrens dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung hätte vorgelegt werden müssen.

    Dabei sei auf eine Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 4. Mai 2011 gegenüber dem Europäischen Gerichtshof im Verfahren C-155/11 PPU verwiesen worden.

    Hierin werde unter Berücksichtigung des Wortlauts des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86 EG, des systematischen Zusammenhangs mit Abs. 1 der Bestimmung, der Zielsetzung der Richtlinie und des Art. 8 EMRK, wonach der Familiennachzug nicht unangemessen erschwert werden dürfe, die auch nach Meinung des Verwaltungsgerichts Oldenburg gut nachvollziehbare Auffassung vertreten, dass eine Verweigerung der Einreise und des Aufenthalts nicht wegen einer nicht bestandenen Eingliederungsprüfung im Ausland erfolgen dürfe.

    Vielmehr erlaube Art. 7 Abs. 2 der Familiennachzugsrichtlinie lediglich, Integrationsmaßnahmen nach der Aufenthaltsgewährung zu fordern.

    Das angeführte Verfahren beim Europäischen Gerichtshof sei mit Beschluss vom 10. Juni 2011 ohne Entscheidung zur Sache beendet worden, weil sich der zu Grunde liegende Rechtstreit in der Hauptsache erledigt hatte.

    Die mithin ungeklärte Rechtsfrage könne wegen ihrer Schwierigkeit und weitreichenden Bedeutung nicht in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren geklärt werden, sondern bedürfe einer sorgfältigen Beurteilung im Hauptsacheverfahren, in dem auch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV in Erwägung zu ziehen sei.

    Auch könne nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Oldenburg die aufgeworfene europarechtliche Frage hier nicht deshalb unbeantwortet bleiben, weil die Familiennachzugsrichtlinie nach ihrem Art. 1 nur für den Nachzug zu Drittstaatsangehörigen gelte, nicht aber für die hier angestrebte Familienzusammenführung mit einem deutschen Staatsangehörigen.

    Denn durch die in § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG angeordnete entsprechende Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG habe der Gesetzgeber die Bestimmungen für den Nachzug zu Deutschen von dem Bestand der Regelungen über den Nachzug zu Drittstaatsangehörigen abhängig gemacht.

    Dass die Antragstellerin nicht mit dem gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderlichen nationalen deutschen Visum eingereist sei, wäre unschädlich, wenn die Antragstellerin das Spracherfordernis nach § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG nicht erfüllen müsste.

    Denn nach § 39 Nr. 6 AufenthV könne ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besäße und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt sei, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt wären.

    Alle sonstigen gesetzlichen und regelhaften Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG würde die Antragstellerin erfüllen, so dass diese dann zwingend zu erteilen wäre.

    Nach den nicht zweifelhaften Angaben der Antragstellerin, die auch von dem Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden seien, sei sie bei Beantragung der Aufenthaltserlaubnis im Besitz eines nationalen polnischen Visums der Kategorie D gewesen.

    Dieses Visum stelle einen Aufenthaltstitel im Sinne des § 39 Nr. 6 AufenthV dar und berechtige nach Art. 21 Abs. 2 a des Schengener Durchführungsabkommens zum Aufenthalt in den anderen Schengen-Staaten für die Dauer von insgesamt drei Monaten und sei nicht wie nach der vorherigen Regelung in Art. 18 Satz 2 SDÜ lediglich einem Schengen-Visum, welches der speziellen Regelung des § 39 Nr. 3 AufenthV unterfalle, gleichgestellt.

    Wäre das Spracherfordernis unwirksam, müsse nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Oldenburg auch davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bereits bei der Einreise und damit während der Berechtigung, sich auf Grund des polnischen Visums in Deutschland aufzuhalten, erfüllt waren.

    Da der Ausgang des Rechtsstreits somit derzeit nicht sicher zu beurteilen sei, überwiege bei der erforderlichen Abwägung der betroffenen Belange das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da eine gleichwohl durchgeführte Aufenthaltsbeendigung nur schwer wieder rückgängig gemacht werden könnte.

    Quelle: Verwaltungsgericht Oldenburg

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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