Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Asylverfahrensgesetz (AsylVfG)

  1. Asylrecht: Schwere Eingriffe in die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit stellen eine Verfolgung wegen der Religionsausübung dar

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    Europäischer Gerichtshof, 05.09.2012, Az.: C-71/11, C-99/11

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    In Deutschland wird die Gewährung von Asyl durch das Grundgesetz und das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) geregelt.

    Nach Artikel 16a des Grundgesetzes genießen politisch Verfolgte in Deutschland Asyl. Als politisch verfolgt gilt, wer wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung im Fall der Auslieferung in seinem Heimatstaat Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt wäre.

    Artikel 16a GG regelt insofern das Folgende:

    • Politisch Verfolgte genießen Asylrecht (Art. 16a Abs. 1 GG)
    • Asylsuchende für Einreisende aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften und sicheren Drittländern haben keinen grundsätzlich keinen Asylanspruch (Art. 16a Abs. 2 GG)
    • Durch zustimmungspflichtiges Gesetz kann der Gesetzgeber „sichere Drittstaaten“ und „sichere Herkunftsstaaten“ definieren (Art. 16a Abs. 3 GG).
    • Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bei der Einreise aus „sicheren“ Staaten (Art. 16a Abs. 4 GG).
    • Regelung der Konkurrenz des Art. 16a GG in Bezug auf völkerrechtliche Verträge bei der Prüfung von Asylbegehren (Art. 16a Abs. 5 GG)

    Mit der Aufnahme in das Grundgesetz ist das Asylrecht als individuell einklagbarer Rechtsanspruch mit Verfassungsrang ausgestaltet worden.

    Für die Prüfung der Asylanträge ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig. Ein Asylantragsteller kann eine ablehnende Entscheidung des BAMF auf dem Verwaltungsrechtsweg überprüfen lassen.

    Art. 16a GG gilt allein für politisch Verfolgte, welche staatliche Verfolgung erlitten haben bzw. denen eine solche nach einer Rückkehr in das Herkunftsland konkret droht.

    Dabei wird der Begriff „politische Verfolgung“ im Grundgesetz nicht näher definiert. Die Bestimmung dieses Begriffes oblag somit der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte.

    Bei dieser Bestimmung orientierten sich die Gerichte insbesondere an der Definition des Flüchtlingsbegriffes der Genfer Flüchtlingskonvention.

    Die Genfer Flüchtlingskonvention definiert einen Flüchtling als eine Person, die „…aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.“

    In der oben genannten Entscheidung hat der EuGH entschieden, dass bei hinreichend schweren Eingriffen in die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit eine Verfolgung wegen der Religion vorliegen kann, so dass die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden muss.

    Sachverhalt: Die aus Pakistan stammenden und in Deutschland lebenden Y und Z beantragten in Deutschland Asyl und Schutz als Flüchtlinge.

    Hintergrund dieses Antrags war die Tatsache, dass Y und Z der Ahmadiyya-Gemeinschaft angehörten und nach ihren Angaben wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft gezwungen gewesen seien, Pakistan zu verlassen.

    Y gab an, dass er sei in seinem Heimatdorf von einer Gruppe von Leuten mehrmals auf dem Gebetsplatz geschlagen und mit Steinen beworfen worden sei. Darüber hinaus wäre er mit dem Tode bedroht und bei der Polizei wegen Beleidigung des Propheten Mohammed angezeigt worden.

    Z führte aus, er sei wegen seiner religiösen Überzeugung misshandelt und inhaftiert worden.

    Trotz dieser Ausführungen lehnten die deutschen Behörden die Asylanträge von Y und Z mit der Begründung ab, dass die Beschränkungen der öffentlichen Betätigung des Glaubens für Ahmadis in Pakistan ihrer Auffassung nach keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellen würden.

    Gegen diese Ablehnung klagten Y und Z Klage beim Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht wiederum legte dem EuGH im Rahmen dieses Rechtsstreits die Frage vor, welche Beschränkungen der Glaubensbetätigung eine Verfolgung darstelle, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertige.

    Europäischer Gerichtshof: Der EuGH entschied, dass immer dann die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden müsse, wenn feststehe, dass der Flüchtling nach der Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen werde, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen werden.

    Somit könnten die nationalen Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf bestimmte Glaubensbekundungen oder -betätigungen zu verzichten, um eine Gefahr der Verfolgung zu vermeiden.

    Als eine schwerwiegende Verletzung des Rechts auf Glaubensfreiheit müsse insofern nicht nur die Einschränkung des Betroffenen, seinen Glauben im privaten Kreis praktizieren zu können, angesehen werden, sondern auch die Einschränkung, diesen Glauben öffentlich leben zu können.

    Ob eine Verletzung des Rechts auf Glaubensfreiheit als Verfolgung anzusehen sei, richte sich deshalb nach Ansicht des EuGH nicht danach, ob der Glaube öffentlich oder privat, gemeinsam oder allein bekundet und gelebt werde, sondern danach, wie gravierend die Maßnahmen und Sanktionen seien, die gegenüber dem Betroffenen ergriffen werden oder ergriffen werden können.

    Quelle: Europäischer Gerichtshof

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Behörde ist auch dann für das Existenzminimum eines Asylbewerbers verantwortlich, wenn Angehörige die Leistung verweigern

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    Sozialgericht Dortmund, 11.05.2011, S 47 AY 58/11 ER

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    Mittellose ausländische Zuwanderer und Flüchtlinge erhalten in aller Regel Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Zu diesem Grund beinhaltet das AsylbLG – neben den Leistungssystemen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und der Sozialhilfe – ein eigenständiges existenzsicherndes Leistungsrecht.

    Gegenüber dem Leistungsniveau der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) oder auch der Hilfe zum Lebensunterhalt (SGB XII) ist das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes allerdings deutlich eingeschränkt.

    Der Regelfall der Hilfegewährung nach dem AsylbLG ist somit die Gewährung von Sachleistungen oder Wertgutscheinen.

    Geldleistungen sind nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände sowie in Gestalt eines Barbetrages zur persönlichen Verfügung zulässig.

    Das Sozialgericht Dortmund hatte nun darüber zu entscheiden, ob einem Asylbewerber auch dann Leistungen zu gewähren sind, wenn sich ein Angehöriger nach dem Ausländerrecht zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Asylbewerbers verpflichtet hat, dann tatsächlich aber keinen Unterhalt leistet.

    Sachverhalt: Der ehemalige deutsche Schwiegersohn einer mit einem Besuchsvisum aus Simbabwe nach Deutschland eingereisten 64-jährigen Asylbewerberin hatte sich verpflichtet, die Kosten für den Lebensunterhalt und für die Ausreise der Antragstellerin zu tragen. Diese Leistungen verweigerte er aber nach Ablauf des Besuchsvisums.

    Die Stadt Hamm war insofern der Auffassung, dass sich die Antragstellerin zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts weiterhin an den Schwiegersohn wenden müsse.

    Sozialgericht Dortmund: Das SG Dortmund widersprach dieser Ansicht. Die Verpflichtungserklärung des Angehörigen stehe dem Leistungsanspruch nur dann entgegen, wenn der Verpflichtete den Lebensunterhalt tatsächlich sichere.

    Nur dies sei mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf staatliche Sicherung des Existenzminimums zu vereinbaren.
    Insofern sei es der Stadt Hamm unbenommen, aus der Verpflichtungserklärung gegen den Angehörigen der Antragstellerin vorzugehen.

    Die Stadt Hamm könne sich ihrer Verpflichtung zur Existenzsicherung auch nicht dadurch entziehen, dass sie die Antragstellerin auf ein bereit liegendes Rückreiseticket nach Simbabwe verweise.

    Eine etwaige Ausreiseverpflichtung der Antragstellerin dürfe nur in Anwendung ausländerrechtlicher Bestimmungen durchgesetzt werden.

    Quelle: Sozialgericht Dortmund

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  3. Ausländerrecht: Islamistischem Hetzprediger kann die Asylanerkennung widerrufen werden

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    Oberverwaltungsgericht Münster, 09.03.2011, Az.: 11 A 1439/07.A

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    Das deutsche Asylrecht für politisch Verfolgte ist in Deutschland ein Grundrecht, welches in Art. 16a GG festgelegt und im Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) spezifiziert wird.

    Die Entscheidung darüber, ob ein Antragsteller als Asylberechtigter qualifiziert wird, liegt beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg.

    Auch die Entscheidung, ob die Gewährung von Asyl aufgehoben wird, ist Aufgabe des Bundesamtes (§§ 73 f. AsylVfG).

    Gem. § 73 Abs. 1 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.

    Dies ist nach § 73 f. AsylVfG insbesondere dann der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er als Staatenloser in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

    Gem. § 73 Abs. 2 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter zurückzunehmen, wenn sie auf Grund unrichtiger Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden ist und der Ausländer auch aus anderen Gründen nicht anerkannt werden könnte.

    Die Prüfung ob Gründe für die Rücknahme oder den Widerruf der Asylberechtigung vorliegen, erfolgt im Rahmen einer sogenannten Regelprüfung, welche alle drei Jahre für den jeweiligen Asylanten vorzunehmen ist.

    Allerdings bedeutet eine Aufhebung nicht, dass der Asylberechtigte Deutschland umgehend verlassen muss, da die Entscheidung über eine Rückkehr ins Heimatland einschließlich aufenthaltsbeendender Maßnahmen nämlich nicht beim Bundesamt, sondern bei der jeweiligen Ausländerbehörde eines Bundeslandes liegt.

    Daher werden hinsichtlich der Verpflichtung zum Verlassen von Deutschland auch weitere Aspekte berücksichtigt, die nichts mit dem Widerruf zu tun haben; z.B. familiäre Bindungen und Aufenthaltsdauer.

    In der oben genannten Entscheidung hatte das OVG Münster nun darüber zu entscheiden, ob einem asylberechtigten Imam die Asylberechtigung widerrufen werden kann, weil dieser Hetzpredigten gegen Juden und Christen gehalten hat.

    Sachverhalt: Der Kläger war 1999 als Asylberechtigter anerkannt worden. Im April 2006 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanerkennung mit der Begründung, dass der als Imam muslimischer Gemeinschaften in Münster und Minden tätig gewesene Kläger „Hetzpredigten“ gegen „Ungläubige“ gehalten habe. Dabei habe der Imam unter Anderem gepredigt, „dass Gott den Rücken der Juden, Christen und ihrer Unterstützer brechen möge“.

    Darüber hinaus habe der Imam Verbindungen zu der islamistischen Terrororganisation „Al-Jihad Al-Islami“ gehabt, so dass nach Ansicht des Bundesamtes die Voraussetzungen für gesetzlich geregelte Asylausschlussgründe erfüllt gewesen seien.

    Gegen diese Entscheidung klagte der Imam daraufhin beim Verwaltungsgericht Minden, welches der Klage stattgab und den Widerrufsbescheid des Bundesamtes aufhob.

    OVG Münster: Das OVG Münster bestätigte allerdings nun die Ansicht des Bundesamtes und wies die Klage unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union, 09.11.2010 (C-57/09 und C-101/09) ab.

    Nach diesem Urteil kann eine Person von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden, wenn sie individuell für Handlungen verantwortlich ist, die von einer sich terroristischer Methoden bedienenden Organisation begangen wurden.

    Die Flüchtlingsanerkennungs-Richtlinie 2004/83/EG zielt auf die Festlegung von Mindestnormen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen, die Anspruch auf internationalen Schutz haben, sowie des Inhalts des zu gewährenden Schutzes.

    Nach dieser Richtlinie kann eine Person von der Anerkennung als Flüchtling u. a. dann ausgeschlossen werden, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass sie eine „schwere nichtpolitische Straftat“ begangen hat oder dass sie sich „Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen“, zuschulden kommen ließ.

    Quelle: Oberverwaltungsgericht Münster

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