Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen

  1. Ausländerrecht: Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung des Umgangsrechts mit einem deutschen Sohn nur bei tatsächlicher Eltern-Kind-Beziehung

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    Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 26.09.2016, Az.: 10 B 13.1318

    Auch im Ausländerrecht ist das Recht des Vaters oder der Mutter auf Umgang mit dem Kind zu berücksichtigen

    Art. 6 Abs. 2 und 3 GG garantieren den Vorrang der Eltern, ihre Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung der Kinder, bestellen aber zugleich die staatliche Gemeinschaft zum Wächter. Das Umgangsrecht eines Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge demnach unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Beide Rechtspositionen erwachsen aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Verantwortung der Eltern und müssen von den Rechtsinhabern (den beidem Elternteilen) im Verhältnis zueinander respektiert werden.

    Der deutsche Staat darf nur zum Vorteil des Kindes in das Umgangsrecht der Eltern eingreifen

    Daraus folgt, dass auch der Staat nur zum Wohle des Kindes das Umgangsrecht der Eltern begrenzen darf. Eine Berücksichtigung hat insbesondere im Bereich der Jugendhilfe, aber auch im Bereich der Aufenthaltsregelungen zu erfolgen. So hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei seinen Bescheiden bezüglich Aufenthaltserlaubnissen zu prüfen, ob ein Sorgerecht oder Umgangsrecht besteht und ob in diesem Zuge von einer familiären Eltern-Kind-Beziehung auszugehen ist.

     

    Im gleichen Zuge ist Art. 8 EMRK zu berücksichtigen, der ebenfalls ein Umgangsrecht der Eltern gewährt und einen besonderen Schutz der Familie vorsieht.

    Im nachfolgenden Urteil hat sich der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn gewandt.

    Sachverhalt des Falles

    Kläger reiste erst als sudanesischer Staatsangehöriger und dann als nigerianischer Staatsangehöriger ein

    Der Kläger beantragte unter falscher Identität beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 26.05.1997 Asyl. Hierbei gab er an, dass er sudanesischer Staatsangehöriger sei und sein Herkunftsland bereits Ende März 1955 verlassen habe. Auf Anfrage bei der sudanesischen Botschaft in Bonn wurde festgestellt, dass er kein sudanesischer Staatsangehöriger sei und er erhielt danach einen Ablehnungsbescheid, woraufhin er untertauchte.

    Am 25.03.2004 reiste der am 01.10.1964 geborene Kläger erneut nach Deutschland ein. Diesmal als nigerianischer Staatangehöriger mit einem spanischen Aufenthaltstitel und beantragte sodann am 29.03.2004 die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung aufgrund einer in Dänemark vollzogenen Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen. Dem Kläger wurde daraufhin am 18.05.2004 eine zunächst bis 17.05.2005 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AuslG erteilt. Diese wurde dann bis 17.05.2007 als Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG verlängert.

    Nach der Geburt des Sohnes beantragte der Kläger Niederlassungserlaubnis

    Am 06.01.2007 kam sein Sohn zur Welt, woraufhin der Kläger am 18.05.2007 einen unbefristeten Aufenthaltstitel beantragte. Da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht vorlagen, nahm er am 27.09.2007 seinen Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zurück. Er erhielt daraufhin am 29.10.2007 eine bis 11.02.2009 gültige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG.

    Seit Oktober 2007 lebt der Kläger von seiner Ehefrau getrennt, was er auch am 06.12.2007 anzeigte. Am 11.02.2009 beantragte er bei der Beklagten die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG. Zur Ausübung des Umgangsrechts mit seinem Sohn wurde ihm daraufhin eine bis 24.06.2010 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG erteilt.

    Kläger kümmert sich allerdings nicht um seinen Sohn

    Die Ehe des Klägers wurde am 21.09.2009 geschieden. Die geschiedene Ehefrau gab an, dass der Kläger die vereinbarten Besuchstermine nicht einhielte und zudem keinen Unterhalt zahle. Daher sei der Stiefvater der eigentliche Vater.

    Am 22.04.2010 beantragte der Kläger eine  Aufenthaltserlaubnis für einen Sprachkurs. Den Antrag nahm er jedoch zurück, weil er wegen des laufenden Sozialleistungsbezugs offensichtlich erfolglos war. In der Folgezeit wurden ihm Fiktionsbescheinigungen ausgestellt. Schließlich erteilte ihm die Beklagte am 18.07.2011 eine bis 17.06.2012 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG.

    Ausländerbehörde lehnte neue Aufenthaltserlaubnis wegen fehlenden Umgangs ab.

    Am 01.03 2012 beantragte der Kläger erneut eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und gab als Aufenthaltszweck völkerrechtliche, humanitäre und politische Gründe an. Inzwischen hatte er einen Arbeitsplatz gefunden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.11.2012 jedoch ab. Und begründete dies damit, dass der Kläger nicht die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 S. 1 AufenthG erfüllen würde, da zwischen ihm und seinem Sohn keine familiäre Lebensgemeinschaft bestehe, was unter anderem aus den Ausführungen seiner Exfrau hervorgingen. Der Kläger habe sich zudem nicht um Kontakt zu seinem Sohn bemüht, vielmehr seien die anfänglichen Kontakte auf fünfminütige Treffen am Nürnberger Hauptbahnhof beschränkt gewesen. Der Kläger habe nicht auf Einladungen reagiert. Seit dem Wegzug der geschiedenen Frau und des Sohnes aus Nürnberg habe es seitens des Klägers überhaupt keinen Kontakt mehr mit dem Sohn gegeben.

    Nach Mitteilung des Jugendamts W. hätten am 10.02.2012 sowie am 02.11.2012 Umgangskontakte des Klägers mit seinem Sohn stattgefunden. Die anderen beiden geplanten Termine hätten abgesagt werden müssen, da der Sohn einen Termin bei einem Kindertherapeuten gehabt habe, einen Termin am 05.10.2012 habe der Kläger abgesagt. Der erste Kontakt im Februar habe auf Initiative der Mutter stattgefunden. Der Sohn sei hierauf zunächst durch das Jugendamt vorbereitet worden. Bei dem Kontakt sei ein Dolmetscher anwesend gewesen, da der Kläger nur sehr schlecht Deutsch spreche. Der Termin habe nur eine Stunde gedauert und sei ohne nennenswerte Probleme verlaufen. Der zweite Termin sei jedoch nach dreißig Minuten durch den Sohn abgebrochen worden. Dies habe an der großen Barriere zwischen den beiden gelegen, da zwischen den Terminen keinerlei Kontakt stattgefunden habe.

    Auch seinen Lebensunterhalt kann der Kläger nicht selbst sichern

    Im Weiteren führte die Behörde aus, dass auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG nicht erfüllt seien, da der Lebensunterhalt nicht gesichert sei (§ 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG).

    Erste Instanz weist Klage auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ab

    Mit Urteil vom 5. März 2013 wies das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg die Klage des Klägers ab. Im Klageverfahren hatte dieser beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, hilfsweise unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Das VG Augsburg hat in seinem Urteil ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und § 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG habe, weil er nicht die Personensorge für seinen Sohn ausübe und auch nicht mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebe. Er habe sich von seiner Ehefrau im Oktober 2007 getrennt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Sohn erst neun Monate alt gewesen. Eine häusliche Gemeinschaft habe somit nie über einen längeren Zeitraum bestanden. Das alleinige Sorgerecht für das gemeinsame Kind sei durch gerichtliche Entscheidung vom 30.10.2008 auf die Mutter übertragen worden. Die wesentliche Verantwortung für das Kind liege somit seit der Trennung der Eltern bei der Mutter. Darüber hinaus lebe die Mutter mit dem Kind weit vom Kläger entfernt und er würde keinen nennenswerten Beitrag bei der Kindeserziehung leisten. Ein problemloses und geordnetes Umgangsrecht sei kaum möglich gewesen und es habe nur geringfügige Kontakte gegeben. Darüber hinaus habe das Kind nach einiger Zeit zunehmend zu erkennen gegeben, nicht beim Vater bleiben zu wollen.

    Die Kammer gehe insofern insgesamt davon aus, dass der Kläger über die seltenen Besuche hinaus keinen ernsthaften Anteil am täglichen Leben des Kindes nehme wollte oder Interesse am Leben des Sohnes habe. Die beiden sprächen nicht einmal dieselbe Sprache.

    Im Weiteren habe der Kläger bis auf drei Zahlungen in Höhe von jeweils 100 Euro noch niemals Unterhalt für seinen Sohn bezahlt. Er sei überwiegend keiner geregelten Arbeit nachgegangen. Aber auch in den Zeiten, in denen er bei der Firma A. beschäftigt gewesen sei, habe er keinen Unterhaltsbeitrag geleistet.

    Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergebe sich auch nicht aus § 25 Abs. 5 AufenthG. Zwischen dem Kläger und dem Sohn bestehe keine schützenswerte Beziehung.

    Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein und legte dar, dass das VG Augsburg das Umgangsrecht falsch eingeschätzt habe. Der Kläger habe Interesse am Leben seines Kindes und würde sich um einen Umgang mit seinem Sohn bemühen. Es sei eine Umgangspflegerin bestellt worden, um einen begleiteten Umgangskontakt zur Anbahnung weiterer Kontakte zwischen dem Kläger und seinem Sohn zu ermöglichen und durchzuführen. Das Umgangsrecht ergebe sich direkt aus Art. 6 Abs. 1 GG und dürfe daher nicht von weiteren Voraussetzungen wie z.B. Unterhaltszahlungen abhängig gemacht werden. Darüber hinaus könnten fehlende Unterhaltszahlungen nicht die Annahme von fehlendem Interesse begründen. Im Weiteren lägen die aufgetretenen Probleme mit seinem Sohn an der Beeinflussung durch die Mutter, die ein Umgangsrecht nicht wünsche und hoffe, dass er das Land verlasse. Der Kläger beabsichtige nunmehr, in die Nähe seines Sohnes zu ziehen um sein Umgangsrecht besser ausüben zu können.

    Die zum Berufungsverfahren eingereichte Stellungnahme der Umgangspflegerin legt dar, dass der Sohn zur Zeit keinen Kontakt mit seinem Vater haben möchte und nur unter Gewaltanwendung zu einem Umgang gebracht werden könne, was jedoch nicht dem Kindeswohl entspreche, sodass das Umgangsrecht für ein Jahr auszusetzen sei.

    Der Kläger nahm mit Schriftsatz vom 23.07.2014 hierzu Stellung und teilte mit, er habe sich mit seiner geschiedenen Ehefrau darauf geeinigt, dass zunächst keine Umgangskontakte zwischen ihm und dem Sohn stattfänden. Er werde vor März 2015 keinen neuen Umgangsantrag stellen. Die Exfrau habe sich bereit erklärt, auf Vermittlung des Jugendamtes in eine systemische Familienberatung zu gehen. Er sei der Ansicht, dass seine weitere Anwesenheit erforderlich sei, um zu einem Therapieerfolg zu kommen und an den Identitätsproblemen des Sohnes zu arbeiten.

    Mit Schreiben vom 24.03.2016 legte die Beklagte im Zuge des Berufungsverfahrens nochmals dar, dass der Bescheid vom 29.11.2012 rechtmäßig sei, da der Kläger nach § 31 Abs. 1 S. 1 AufenthG keinen Anspruch auf die Erteilung einer ehegattenunabhängigen Aufenthaltserlaubnis habe. Auch der Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 AufenthG scheide schon deswegen aus, da er nicht das Sorgerecht für seinen Sohn habe. Ebenso bestünde keine schutzwürdige Lebensgemeinschaft oder familiäre Bindung zu seinem Sohn.

    Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs München

    Auch die Berufungsinstanz sieht keinen Anspruch des Klägers auf Aufenthaltstitel

    Die Berufung sei zulässig aber unbegründet. Das Bayrische Verwaltungsgericht Augsburg habe die Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 29.11.2012 und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. auf Neubescheidung des Antrags vom 01.03.2012 zu Recht abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels bzw. auf Neubescheidung seines Antrags aufgrund seiner Beziehung zu seinem Sohn (§ 113 Abs. 5 S. 1 und 2 VwGO).

    Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus familiären Gründen nach §§ 27 ff. AufenthG habe.

    Der Kläger habe zunächst keinen Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG sei nur bei vorangegangener Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 S. 1 AufenthG möglich. Eine solche Aufenthaltserlaubnis wurde dem Kläger jedoch nie erteilt. Vielmehr habe der Kläger nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft auf seinen Antrag vom 11.02.2009 am 25.02.2009 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG erhalten. Im Zeitpunkt der Antragstellung am 01.03.2012 bestand jedoch kein Anspruch auf Verlängerung der dem Kläger zur Ausübung der Personensorge für seinen Sohn erteilten Aufenthaltserlaubnis als Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG. Denn diese Regelung ließe nur die Verlängerung einer zuvor erteilten akzessorischen Aufenthaltserlaubnis nach § 27, § 30 oder § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG als eigenständiges Aufenthaltsrecht zu, nicht jedoch nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG.

    Kein Aufenthaltstitel, da die familiäre Gemeinschaft nicht gelebt wird

    Im Weiteren scheide auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG aus. Alleinige Inhaberin des Sorgerechts für den minderjährigen Sohn des Klägers sei dessen geschiedene Ehefrau.

    Ebenso bestehe kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG. Nach dieser Regelung kann dem nicht sorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. Der Kläger hat jedoch – trotz Bemühen – gerade keinen Kontakt mit seinem Sohn und erst Recht keine familiäre Gemeinschaft mit ihm. Das letzte Treffen fand 2012 statt und darüber hinaus wurde bei einem familiengerichtlichen Vergleich festgehalten, dass der Kläger bis März 2015 keinen weiteren Umgang mit seinem Sohn haben werde. Es erfolge lediglich Schriftwechsel per Brief und Paket, wobei die Antwort lediglich durch die Mutter erfolgte, da der Sohn weiterhin keinen Kontakt wünsche. Daher sei nach Einschätzung der Jugendhilfe der Briefkontakt ausreichend und das Umgangsrecht sollte zum Kindeswohl nicht ausgeübt werden. Hieraus ergebe sich, dass eine durch Art. 6 GG geschützte Eltern-Kind-Beziehung gerade nicht bestünde. Eine kontinuierliche emotionale Bindung bestünde nicht. Auch könne der Kläger keinen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nehmen.

    Einer erweiternden Auslegung des Begriffes der familiären Gemeinschaft i.S.d. § 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 21.12.2010 (Rs. 20578/07 – juris) bedürfe hingegen vorliegend nicht. Nach Auffassung des EGMR könne zwar die Versagung des Umgangs des leiblichen Vaters mit seinem Kind einen Eingriff in das gemäß Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens oder zumindest des Privatlebens darstellen, auch wenn der leibliche Vater noch keine sozial-familiäre Beziehung zu seinem Kind aufbauen konnte. Jedoch könne der Vater hieraus lediglich ein Umgangsrecht herleiten, nicht jedoch ein Aufenthaltsrecht, sofern dies nicht zum Kindeswohl erforderlich sei.

    Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts und der Weigerung des Sohnes mit seinem Vater außer über vierteljährliche Briefe Kontakt aufzunehmen, sei der Eingriff in Art. 8 EMRK, der mit der Ausreise verbunden sei, gerechtfertigt.

    Auch ein Anspruch aus § 28 Abs. 3 S. 1 AufenthG i.V.m. § 31 Abs. 1 AufenthG scheide aus, da der Kläger noch keine drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenhG gewesen sei.

    Kläger hat auch keinen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen

    Letztlich scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung bzw. Herstellung des Umgangsrechts mit seinem Sohn nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK aus. Die Ausreise des Klägers sei nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich. Auch bei einer Ausreiseverpflichtung läge kein unverhältnismäßiger Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familien- und Privatleben und damit ein Ausreisehindernis nach § 25 Abs. 5 AufenthG vor, da wie bereits zuvor ausgeführt kein Umgangsrecht zum Wohle des Kindes stattfindet.

    Letztlich bleibe auch der Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, ohne Erfolg, da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Anspruchsnormen nicht vorlägen. Auf eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung käme es demnach nicht mehr an.

     

    Fazit: Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen eines deutschen Kindes setzt voraus, dass der Elternteil auch tatsächlich den Kontakt mit seinem Kind sucht und auch hält. Erfolgen die Besuche nur sporadisch kann daraus auch kein Aufenthaltstitel folgen.

    Quelle: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Die verschiedenen Aufenthaltszwecke aus familiären Gründen

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    Aktualisiert September 2021

    Die verschiedenen Aufenthaltszwecke aus familiären Gründen sind in Abschnitt 6 des deutschen Aufenthaltsgesetzes festgelegt.

    So können die Kinder oder die Ehepartner von in Deutschland lebenden ausländischen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen bekommen.

    Mit einer solchen Aufenthaltserlaubnis dürfen die Drittstaatsangehörigen nach Deutschland nachziehen und grundsätzlich eine Arbeit in demselben Umfang auszuüben, wie sie dem bereits in Deutschland lebenden Familienmitglied gestattet ist.

    Auch gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, also eingetragene Lebenspartnerschaften im Sinne des deutschen Lebenspartnerschaftsgesetzes oder der deutschen eingetragenen Lebenspartnerschaft ähnliche ausländische Lebenspartnerschaften können die Rechte nach Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes geltend machen.

    Eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen können auch Kinder und Eheleute von deutschen Staatsangehörigen sowie sorgeberechtigte Eltern von minderjährigen ledigen Deutschen und in besonderen Härtefällen auch sonstige Familienangehörige bekommen.

    Im Einzelnen sieht das Aufenthaltsgesetz die folgenden Möglichkeiten vor, Ausländern aus familiären Gründen den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen:

    – Aufenthaltserlaubnis für ausländische Ehegatten eines Deutschen gem. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für ausländische minderjährige ledige Kinder von Deutschen § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für ausländische Elternteile eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für nichtsorgeberechtigte Elternteile eines minderjährigen ledigen Deutschen § 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für Nachzug sonstiger Familienangehöriger zu Deutschen § 28 Abs. 4 AufenthG

    – Niederlassungserlaubnis bei Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seit 3 Jahren bei Fortdauer der familiären Lebensgemeinschaft § 28 Abs. 2 S. 1 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug ohne § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3g § 30 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug § 30 Abs. 1 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug § 30 Abs. 2 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug § 30 Abs. 3 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem Inhaber einer Blauen Karte EU § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3g AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis – Verlängerung als eigenständiges Ehegattenaufenthaltsrecht § 31 Abs. 1, 2, 4 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis – Verlängerung als eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten § 31 Abs. 1 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis – Verlängerung als eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten § 31 Abs. 2 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis – Verlängerung als eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten § 31 Abs. 4 AufenthG

    – Niederlassungserlaubnis eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten, wenn der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis besitzt und der Lebensunterhalt gesichert ist. § 31 Abs. 3 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für minderjährige ledige Kinder von Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder 2 oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG besitzen § 32 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für minderjährige ledige Kinder von Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis o. Niederlassungserlaubnis oder eine Daueraufent­haltserlaubnis EG besitzen und den gemeinsamen Lebensmittelpunkt ins Bundesgebiet verlegt haben § 32 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für mind. 16-jährige minderjährige ledige Kinder von Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis oder eine Daueraufenthaltserlaubnis EG besitzen § 32 Abs. 2 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für minderjährige ledige Kinder von Ausländern im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38 a § 32 Abs. 2a S. 1 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für unter 16-jährige minderjährige ledige Kinder von Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis oder eine Daueraufenthaltserlaubnis EG besitzen § 32 Abs. 3 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für minderjährige ledige Kinder zur Vermeidung besonderer Härte  § 32 Abs. 4 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für minderjährige ledige Kinder eines Inhabers einer Blauen Karte EU § 32 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für im Bundesgebiet geborene Kinder § 33 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für im Bundesgebiet geborene Kinder, wenn ein Elternteil im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis oder eine Daueraufenthaltserlaubnis EG besitzt § 33 Satz 1 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für im Bundesgebiet geborene Kinder von Amts wegen, wenn beide Elternteile oder der allein sorgeberechtigte Elternteil im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis oder einer Daueraufenthaltserlaubnis EG ist § 33 Satz 2 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht von Kindern § 34 Abs. 2 AufenthG

    – Niederlassungserlaubnis für minderjährige Ausländer § 35 AufenthG

    – Niederlassungserlaubnis für minderjährige Ausländer, die bei Vollendung des 16. Lebensjahres seit 5 Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen sind § 35 Abs. 1 S. 1 AufenthG

    – Niederlassungserlaubnis für minderjährige Ausländer, die bei Vollendung des 18. Lebensjahres seit 5 Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen sind § 35 Abs. 1 S. 2 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für Eltern von minderjährigen Ausländern § 36 Abs. 1 AufenthG

    – Aufenthaltserlaubnis für sonstige Familienangehörige von Ausländern zur Vermeidung außergewöhnlicher Härte § 36 Abs. 2 AufenthG

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  3. Ausländerrecht: Auswirkungen der rechtlichen Unsicherheit des Spracherfordernisses beim Ehegattennachzug zu Deutschen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren

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    Verwaltungsgericht Oldenburg, 10.05.2012, Az.: 11 B 3223/12

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    Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen abgelehnt und die Abschiebung angedroht, kann gegen diesen Verwaltungsakt Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht eingelegt werden.

    Grundsätzlich haben eingelegte Rechtsbehelfe im Verwaltungsrecht aufschiebende Wirkung, wie sich aus § 80 I S.1 VwGO ergibt.

    Aufschiebende Wirkung bedeutet, dass die Behörde die von ihr erlassene Verfügung so lange nicht vollstrecken kann, wie über den eingelegten Rechtsbehelf noch nicht entschieden wurde.

    Bei einigen Verwaltungsakten können die eingelegten Rechtsbehelfe allerdings schon von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung entfalten bzw. kann die Behörde den sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes anordnen.

    Auch können die Länder gem. § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO bestimmen, dass Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

    Bei der Androhung der Abschiebung handelt es sich um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

    In Ländern, die von der Ermächtigung in § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben, müssen betroffene Ausländer somit jederzeit mit der Vollziehung der Abschiebung rechnen, obwohl ein Rechtsbehelf gegen die Ablehnung und die Androhung der Abschiebung eingelegt
    wurde.

    In diesen Fällen können betroffene Ausländer allerdings beantragen, dass die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO im vorläufigen Rechtsschutzverfahren wieder hergestellt wird.

    In diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren prüft das Gericht dann überschlägig die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs um den Ausländer vor den negativen Folgen einer schnellen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu schützen.

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    In der oben genannten Entscheidung des VG Oldenburg begehrte eine Ukrainerin erfolgreich gem. § 80 Abs. 5 VwGO, dass die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid der Ausländerbehörde, mit welchem ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen abgelehnt und die Abschiebung in die Ukraine angedroht wurde, wiederherzustellen.

    Dabei prüfte das Verwaltungsgericht Oldenburg insbesondere, ob die fehlenden Deutschkenntnisse der Antragstellerin den Nachzug zu ihrem Ehemann verhindern würden.

    Sachverhalt: Die Antragstellerin beantragte den Familiennachzug zu ihrem deutschen Ehemann bei der zuständigen Ausländerbehörde. Diesen hatte sie im Februar 2012 in Dänemark geheiratet.

    Die Antragstellerin war in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu sichern, ihre Identität war geklärt und die Passpflicht erfüllt.

    Allerdings konnte sie sich nicht zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen (§§ 28 Abs. 1 Satz 5, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).

    Verwaltungsgericht Oldenburg: Das VG Oldenburg gab der Antragstellerin Recht und urteilte, dass das Interesse der Antragstellerin vorläufig in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben zu dürfen das öffentliche Interesse an einer baldigen Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde.

    Nach Ansicht des VG Oldenburg sei zwar in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zunächst geklärt gewesen, dass das für den Familiennachzug erforderliche Spracherfordernis mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 7 Abs. 2 der Familiennachzugsrichtlinie 2003/86/EG des Rates vereinbar sei.

    An dieser Vereinbarkeit seien jedoch neuerdings berechtigte Zweifel entstanden.

    So habe das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 28. Oktober 2011 – 1 C 9.10 – InfAuslR 2012, 59) im Rahmen einer Kostenentscheidung nach Erledigung des Rechtsstreits die Auffassung vertreten, dass die Frage, ob das Spracherfordernis gegen die genannte Bestimmung der Familiennachzugsrichtlinie verstoße, zweifelhaft geworden sei und bei Fortführung des Verfahrens dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung hätte vorgelegt werden müssen.

    Dabei sei auf eine Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 4. Mai 2011 gegenüber dem Europäischen Gerichtshof im Verfahren C-155/11 PPU verwiesen worden.

    Hierin werde unter Berücksichtigung des Wortlauts des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86 EG, des systematischen Zusammenhangs mit Abs. 1 der Bestimmung, der Zielsetzung der Richtlinie und des Art. 8 EMRK, wonach der Familiennachzug nicht unangemessen erschwert werden dürfe, die auch nach Meinung des Verwaltungsgerichts Oldenburg gut nachvollziehbare Auffassung vertreten, dass eine Verweigerung der Einreise und des Aufenthalts nicht wegen einer nicht bestandenen Eingliederungsprüfung im Ausland erfolgen dürfe.

    Vielmehr erlaube Art. 7 Abs. 2 der Familiennachzugsrichtlinie lediglich, Integrationsmaßnahmen nach der Aufenthaltsgewährung zu fordern.

    Das angeführte Verfahren beim Europäischen Gerichtshof sei mit Beschluss vom 10. Juni 2011 ohne Entscheidung zur Sache beendet worden, weil sich der zu Grunde liegende Rechtstreit in der Hauptsache erledigt hatte.

    Die mithin ungeklärte Rechtsfrage könne wegen ihrer Schwierigkeit und weitreichenden Bedeutung nicht in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren geklärt werden, sondern bedürfe einer sorgfältigen Beurteilung im Hauptsacheverfahren, in dem auch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV in Erwägung zu ziehen sei.

    Auch könne nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Oldenburg die aufgeworfene europarechtliche Frage hier nicht deshalb unbeantwortet bleiben, weil die Familiennachzugsrichtlinie nach ihrem Art. 1 nur für den Nachzug zu Drittstaatsangehörigen gelte, nicht aber für die hier angestrebte Familienzusammenführung mit einem deutschen Staatsangehörigen.

    Denn durch die in § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG angeordnete entsprechende Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG habe der Gesetzgeber die Bestimmungen für den Nachzug zu Deutschen von dem Bestand der Regelungen über den Nachzug zu Drittstaatsangehörigen abhängig gemacht.

    Dass die Antragstellerin nicht mit dem gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderlichen nationalen deutschen Visum eingereist sei, wäre unschädlich, wenn die Antragstellerin das Spracherfordernis nach § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG nicht erfüllen müsste.

    Denn nach § 39 Nr. 6 AufenthV könne ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besäße und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt sei, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt wären.

    Alle sonstigen gesetzlichen und regelhaften Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG würde die Antragstellerin erfüllen, so dass diese dann zwingend zu erteilen wäre.

    Nach den nicht zweifelhaften Angaben der Antragstellerin, die auch von dem Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden seien, sei sie bei Beantragung der Aufenthaltserlaubnis im Besitz eines nationalen polnischen Visums der Kategorie D gewesen.

    Dieses Visum stelle einen Aufenthaltstitel im Sinne des § 39 Nr. 6 AufenthV dar und berechtige nach Art. 21 Abs. 2 a des Schengener Durchführungsabkommens zum Aufenthalt in den anderen Schengen-Staaten für die Dauer von insgesamt drei Monaten und sei nicht wie nach der vorherigen Regelung in Art. 18 Satz 2 SDÜ lediglich einem Schengen-Visum, welches der speziellen Regelung des § 39 Nr. 3 AufenthV unterfalle, gleichgestellt.

    Wäre das Spracherfordernis unwirksam, müsse nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Oldenburg auch davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bereits bei der Einreise und damit während der Berechtigung, sich auf Grund des polnischen Visums in Deutschland aufzuhalten, erfüllt waren.

    Da der Ausgang des Rechtsstreits somit derzeit nicht sicher zu beurteilen sei, überwiege bei der erforderlichen Abwägung der betroffenen Belange das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da eine gleichwohl durchgeführte Aufenthaltsbeendigung nur schwer wieder rückgängig gemacht werden könnte.

    Quelle: Verwaltungsgericht Oldenburg

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  4. Ausländerrecht: Drittstaatsangehörige Eltern von Unionsbürgern haben Recht auf Aufenthaltserlaubnis und Arbeitserlaubnis

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    Europäischer Gerichtshof, 08.03.2011, Az.: C – 34/09

    Gem. Art. 20 Abs. 1 AEUV („Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“) besteht in der Europäischen Union eine Unionsbürgerschaft. Danach ist Unionsbürger, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt dabei zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht.

    Gem. Art. 20 Abs. 2 AEUV haben Unionsbürger die in den Verträgen der EU vorgesehenen Rechte und Pflichten. Nach Abs. 2 haben Sie unter anderem

    a) das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten

    b) in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei den Kommunalwahlen, wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats;

    c) im Hoheitsgebiet eines Drittlands, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht vertreten ist, Recht auf Schutz durch die diplomatischen und konsularischen Behörden eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates;

    d) das Recht, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten und sich an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden, sowie das Recht, sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe und die beratenden Einrichtungen der Union zu wenden und eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten.

    Diese Regelung war nun Gegenstand des oben genannten gerichtlichen Verfahrens des Europäischen Gerichtshofes.

    Betroffen war das drittstaatsangehörige Ehepaar Zambrano (Kolumbien) dem in Belgien Asyl gewährt wurde.
    Während ihres Aufenthalts in Belgien bekam das Paar zwei Kinder, welche aufgrund der dortigen Gesetze mit ihrer Geburt belgische Staatsangehörige wurden.

    Das Gericht hatte deswegen zu entscheiden, ob den drittstaatsangehörigen Eltern aufgrund der Unionsbürgerschaft des Kindes ein Aufenthaltsrecht und Arbeitsrecht in Belgien zu gewähren war.

    Sachverhalt: Während seines Aufenthaltes in Belgien schloss der Vater trotz fehlender Arbeitserlaubnis mit einem belgischen Unternehmen einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

    Durch diese Tätigkeit war der Lebensunterhalt der Familie gesichert und die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge wurden ordnungsgemäß einbehalten und die entsprechenden Arbeitgeberbeiträge ordnungsgemäß entrichtet.

    Als der Vater arbeitslos wurde, stellte er Anträge auf Arbeitslosengeld, welche von den belgischen Behörden mit der Begründung abgelehnt wurden, dass er keine Arbeitserlaubnis habe.

    Das Ehepaar Zambrano stellten darüber hinaus als Verwandte eines belgischen Staatsangehörigen (des Kindes) einen Antrag auf Niederlassungserlaubnis in Belgien.

    Auch diesen Antrag wiesen die belgischen Behörden ab, mit der Begründung, dass die Eheleute es bewusst unterlassen hätten, die kolumbianische Staatsangehörigkeit für ihre Kinder in Kolumbien zu beantragen.

    Gegen beide ablehnenden Entscheidungen erhob Herr Zambrano Klage, mit der Begründung, daß er als Verwandter aufsteigender Linie eines minderjährigen belgischen Kindes einen Anspruch darauf habe, sich in Belgien aufhalten und dort arbeiten zu können.

    Das belgische Gericht legte dem Europäischen Gerichtshof daraufhin die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Eheleute sich in Belgien aufhalten und arbeiten dürfen.

    Damit sollte auch insbesondere die Frage geklärt werden, ob das Unionsrecht trotz der Tatsache anwendbar ist, dass die belgischen Kinder von ihrem Recht auf Freizügigkeit im Gebiet der Mitgliedstaaten niemals Gebrauch gemacht hatten.

    Europäischer Gerichtshof: Der EuGH entschied, dass der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt sei, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten der EU zu sein. Insofern stünde Art. 20 AEUV grundsätzlich nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird.

    Eine solche verwehrende nationale Maßnahme sei aber dann gegeben, wenn einer einem Drittstaat angehörenden Person in dem Mitgliedstaat, in dem ihre minderjährigen Kinder, die diesem Mitgliedstaat angehören und denen sie Unterhalt gewährt, der Aufenthalt und die Arbeitserlaubnis verweigert werden.

    Insofern vermittle Art. 20 AEUV ein auf dem Unionsbürgerstatus beruhendes eigenständiges Aufenthaltsrecht.

    Quelle: Europäischer Gerichtshof

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