Aufenthaltsrecht mit Schengenvisum Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Aufenthaltsrecht mit Schengenvisum

  1. Ehegattennachzug: Für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis muss der Ehegatte mit dem richtigen Visum eingereist sein.

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    Verwaltungsgericht München, 02.08.2018, Az.: M 12 K 18.3

    Für Personen, die nicht aus der EU kommen und die nicht Staatsangehörige eines Visumsbefreiten Landes sind, ist der Aufenthalt in Deutschland visumpflichtig. Die Botschaften und Generalkonsulate (Auslandsvertretung) der Bundesrepublik Deutschland sind für die Visumerteilung verantwortlich, § 71 Absatz 2 AufenthG. Örtlich zuständig ist die Auslandsvertretung, in deren Amtsbezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. seinen Wohnsitz hat. Sachlich zuständig ist die Auslandsvertretung desjenigen Schengen-Staates, in dessen Hoheitsgebiet das alleinige oder hauptsächliche Reiseziel liegt. Der Antrag auf das Visum ist außerdem grundsätzlich persönlich bei der Auslandsvertretung an seinem Wohnsitz mit allen erforderlichen Unterlagen einzureichen.

    Seit dem 5. April 2010 bildet die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) die in allen Schengen-Staaten unmittelbar geltende europarechtliche Grundlage für die Erteilung von Visa für die Durchreise durch das Schengen-Gebiet oder für kurzfristige Aufenthalte im Schengen-Gebiet von höchstens 90 Tagen je 180 Tagen. Ein genereller Anspruch auf Erteilung eines Schengen-Visums besteht nicht. Die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit des Reisezwecks in Deutschland, Finanzierung der Lebenshaltungs- und Reisekosten aus eigenem Vermögen bzw. Einkommen, Bereitschaft des Visumsinhabers vor Gültigkeitsablauf des Visums wieder aus dem Schengen-Raum auszureisen sowie die Vorlage einer für den gesamten Schengen-Raum und für die gesamte Aufenthaltsdauer gültigen Reisekrankenversicherung mit einer Mindestdeckungssumme von 30.000€ müssen von der Auslandsvertretung bei jedem einzelnen Visumsantragsteller positiv festgestellt werden. Das Visum für einen geplanten längerfristigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland muss grundsätzlich bereits vor der Einreise bei der zuständigen Auslandsvertretung beantragt werden.

    Wenn der Drittstaatangehörige bereits in der Absicht einreist, sich dauerhaft und somit nicht maximal für 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen in Deutschland aufzuhalten, ist die Einreise sowie der Aufenthalt ohne ein nationales Visum gem. Art. 21 Absatz 1 SDÜ nicht rechtmäßig. Ausnahmen von der Pflicht des Visums sind prinzipiell eng auszulegen. Dies bedeutet für die Auslegung des Ausnahmetatbestands des Vorliegens eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis, dass sich ein solcher aus der typisierten gesetzlichen Regelung ergeben muss und Ausnahmetatbestände insoweit unberücksichtigt bleiben müssen.

    Sachverhalt: Eingereist ist der vietnamesische Kläger im Oktober 2017 und heiratete auch in Oktober 2017 in der der Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam in der Bundesrepublik Deutschland die ebenfalls vietnamesische Staatsangehörige Frau. Nach der Eheschließung hat er das Bundesgebiet wieder verlassen und reiste erneut Ende November 2017 zurück ein. Daraufhin wurde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Kläger beantragt. Als Begründung wurde hauptsächlich die Hochzeit angegeben, gefolgt von vielen Einzelheiten zu der Ehefrau. Diese befand sich in einer Ausbildung und die Ehegatten wohnten derzeit in einer Wohngemeinschaft. Zusammengefasst erfüllte der Kläger sowie seine Ehefrau laut seines Antrags alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Absatz 1 Nr. 3 lit. d AufenthG, § 39 Nr. 6 AufenthV. Dennoch wurde eine Ablehnung erteilt.

    Aufgrund dessen wurde eine Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und erneut beantragt, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Streitig zwischen den Beteiligten sei lediglich, ob ein Visumverfahren vor der Aufenthaltserteilung durchgeführt werden müsse. Nach allgemeiner Rechtsprechung sei § 5 Absatz 2 Nr. 1 AufenthG auf die § 99 AufenthG i.V.m. § 39 bis 41 AufenthV nämlich nicht anwendbar. § 39 Nr. 6 AufenthV sei eine Spezialregelung, wobei die Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise ins Bundesgebiet einzuholen ist. Somit erfülle der Kläger alle zwingenden und regelhaften Rechtsanspruchsvoraussetzungen gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 3 lit. d AufenthG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 39 Nr. 6 AufenthV.

    Die beklagte Ausländerbehörde wiederum führte an, dass im vorliegenden Fall kein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Absatz1 Satz 1 AufenthG vorliege. Die hinsichtlich des Lebensunterhalts der Ehefrau gemachten Angaben widersprächen der Lebenswirklichkeit, sodass der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert wäre. Auch hinsichtlich der in Bezug auf den Wohnraum gemachten Angaben gäbe es Zweifel, dass ausreichender Wohnraum vorhanden sei, § 20 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG. Insgesamt sei fraglich, ob es sich überhaupt um eine schützenswerte eheliche Lebensgemeinschaft zwischen den Kläger und seiner Ehefrau handeln würde. Ferner lägen Ausweisungsinteressen vor, weil der Kläger von Anfang an einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigt, zuvor jedoch nicht das erforderliche nationale Visum eingeholt habe. In Anbetracht der schnellen zeitlichen Abfolge von Einreise, Eheschließung und Beantragung der Aufenthaltserlaubnis werde deutlich, dass im vorliegenden Fall gerade keine begründete, spontane Umentscheidung nach einem eigentlich geplanten visumfreien Kurzaufenthalt vorliege, sondern vielmehr eine unerlaubte Einreise im Sinne des § 14 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG. Schlussendlich stehe noch der Visumverstoß an sich dem Vorliegen des Rechtsanspruchs entgegen.

    Verwaltungsgericht München: Entschieden wurde, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Absatz 1 Satz 1 AufenthG habe (§ 113 Absatz 5 Satz 1 VwGO). Erfüllt wurden zwar die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 30 Absatz 1 Satz 1 AufenthG, dennoch scheitert der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug an dem § 5 Absatz 2 Satz 1 AufenthG. Vorausgesetzt wird danach, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und bereits im Visumantrag für die Erteilung maßgeblichen Angaben gemacht hat. Unabhängig von der im Verfahren umstrittenen Frage der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Absatz 1 Nr. 1 AufenthG) liegt im vorliegenden Fall bereits deshalb kein gesetzlicher Anspruch vor, da ein Ausweisungsinteresse gem. § 5 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG besteht und somit nicht alle regelhaften Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Wird in das Bundesgebiet ohne den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel eingereist, so ist man unerlaubt i.S.d. § 14 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG eingereist worden.

    Vorliegend bedarf der Kläger als vietnamesischer Staatsangehöriger gem. § 4 Absatz 1 AufenthG für die Einreise grds. eines Aufenthaltstitels. Nach § 6 Absatz 3 Satz 1 AufenthG ist für längerfristige Aufenthalte ein (nationales) Visum für das Bundesgebiet erforderlich, welches vor der Einreise erteilt wird. Der Aufenthalt des Klägers stellt unstreitig einen längerfristigen Aufenthalt i.S.v. § 6 Absatz 3 Satz 1 AufenthG dar, wobei eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug mit abgezielt wurde, um damit mit dieser auf Dauer die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu führen.

    Einreise sowie der Aufenthalt ohne nationales Visum sind gem. Art. 21 Absatz 1 SDÜ nicht rechtmäßig, wenn der Drittstaatsangehörige bereits mit der Absicht einreist, sich dauerhaft und nicht nur wie vorgesehen für maximal 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen im Bundesgebiet aufzuhalten. Dies ergibt sich systematisch aus dem Verweis von Art. 21 Absatz 1 SDÜ auf Art. 6 Absatz 1 SGK. Gemäß Art. 6 Absatz 2 SGK enthält der Anhang I eine nicht abschließende Liste von Belegen, die sich der Grenzschutzbeamte von dem Drittstaatsangehörigen vorlegen lassen kann, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 6 Absatz 1 Buchst. c) SGK erfüllt sind. Zu diesen gehören bei touristischen oder privaten Reisen etwa Belege betreffend den Reiseverlauf und die Rückreise (Anhang I, Buchst. c) ii) und iii)). Art. 6 Absatz 3 Satz 1 SGK sieht zudem eine Berechnung des notwendigen Lebensunterhalts anhand der Dauer des Aufenthalts, insbesondere der „Zahl der Aufenthaltstage“ vor. Diese Regelungen ergeben nur Sinn, wenn sie sich auf einen von vornherein als solchen beabsichtigten Aufenthalt von begrenzter Dauer beziehen (vgl. OVG Hamburg, B.v. 1.6.2018 – a.a.O.; B.v. 23.9.2013 – 3 Bs 131/13 – juris). Ebenso der Sinn und Zweck der durch Art. 21 Absatz 1 SDÜ gewährten Privilegierungen von Drittausländern beschränkt sich auf Fälle, in denen die Einreise nicht von vornherein zum Zwecke des Daueraufenthalts erfolgt. Art. 21 Absatz 1 SDÜ dispensiert lediglich für kurze Aufenthalte vom Erfordernis des Visumverfahrens. Bei solchen Aufenthalten ist das Interesse der Mitgliedstaaten an einer präventiven Einreisekontrolle nicht in dem Maße betroffen wie bei einem längerfristigen Aufenthalt im Sinne von § 6 Absatz 3 AufenthG. Wird von dem Ausländer beabsichtigt bereits bei der Einreise einen Daueraufenthalt zu bekommen, so ist das Interesse des Mitgliedstaates, mit dem Instrument des Visumverfahrens die Zuwanderung in sein Gebiet wirksam zu steuern und zu begrenzen, bereits zum Zeitpunkt der Einreise und nicht erst nach Ablauf eines Aufenthalts von 90 Tagen berührt. Denn das nationale Visumverfahren kann seine Kontrollfunktion nur erfüllen, wenn es vor der Einreise des Ausländers durchgeführt wird.

    Freilich kann von dem Visumerfordernis nach § 5 Absatz 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abgesehen werden, sobald die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind. Ein Anspruch auf die Erteilung ist aber auch nur dann gegeben, wenn das Aufenthaltsgesetz oder ein anderes Gesetz einen strikten Rechtsanspruch verleihen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat. Allgemein sind Ausnahmen von der Visumspflicht prinzipiell sehr eng auszulegen. Dies bedeutet, dass für die Auslegung des Ausnahmetatbestands des Vorliegens eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis, dieses sich ein solcher aus der typisierten gesetzlichen Regelung ergeben muss und Ausnahmetatbestände insgesamt unberücksichtigt bleiben müssen (Samel in Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, § 5 AufenthG Rn. 140, beck-online; BVerwG, U.v. 10.12.2014 – 1 C 15/14 – juris).

    Quelle: Verwaltungsgericht München

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  2. Ausländerrecht: Erteilung einer ausländerrechtlichen Fiktionsbescheinigung für Inhaber eines Schengen-Visums.

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    Verwaltungsgericht Stuttgart, 19.10.2017, Az.: 9 K 6090/15

    Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG wird ein Aufenthaltstitel als Visum  im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3, Aufenthaltserlaubnis, Blaue Karte EU, ICT-Karte, Mobiler-ICT-Karte, Niederlassungserlaubnis oder als Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt.

    Ein Aufenthaltstitel wird gemäß § 81  Absatz 1 AufenthG einem Ausländer nur auf Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 81 AufenthG regelt dabei sowohl die Wirkung der Antragsstellung durch einen bereits im Besitz eines Aufenthaltstitels befindlichen Ausländers, als auch die eines Ausländers ohne Aufenthaltstitel im Zeitpunkt der Antragsstellung. Gemäß § 81 Absatz 3 AufenthG gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, bei Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Hingegen gilt gemäß Absatz 4 des § 81 AufenthG der bisherige Aufenthaltstitel, eines Ausländers, der vor Ablauf des Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels begehrt, vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nach Satz 2 des Absatzes 4 jedoch nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Gemäß dem § 6 Absatz 1 kann einem Ausländer nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum) oder ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen erteilt werden. Diese Visa berechtigen jedoch nur zum zeitweisen Aufenthalt.

    Nach Antragsstellung ist dem Ausländer gemäß § 81 Absatz 5 AufenthG eine Bescheinigung über die Wirkung dieser (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

    Das nachstehende Urteil beschäftigt sich mit der Frage, ob bei Innehaben eines Schengen-Visums eine Fiktionsbescheinigung erteilt werden kann.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Kläger war afghanischer Staatsangehöriger und war mit Schengenvisum eingereist

    Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, der seit 17.02.2015 mit einer afghanischen Staatsangehörigen verheiratet ist. Ihr ist im Bundesgebiet die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuerkannt. Sie lebt hier mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Das Paar hat zwei gemeinsame Kinder, die am 06.02.2014 und 10.10.2015 im Bundesgebiet geboren sind.

    Der Lebensmittelpunkt des Klägers lag zunächst in Afghanistan. Er war mit Besucher-Visa mehrfach nach Deutschland gekommen und reiste zuletzt am 23.11.2015 mit einem von der spanischen Botschaft ausgestellten, vom 23.11.2015 bis zum 17.12.2015 gültigen Schengen-Visum direkt aus Kabul in das Bundesgebiet nach Frankfurt am Main ein.

    Am 26.11.2015 beantragte der Kläger durch seinen Verfahrensbevollmächtigten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 i.V.m. § 29 Abs. 2 S. 1 AufenthG, hilfsweise nach § 36 AufenthG (Bl. 58, 60 der Behördenakte), wobei er auch die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 AufenthG begehrte. Der Aufenthalt im Bundesgebiet sei auf Grund der Einreise am 21.11.2015 mit einem spanischen Schenken-Visum rechtmäßig.

    Die Beklagte traf keine Entscheidung bezüglich des Antrages, teilte dem Kläger jedoch mit Schreiben vom 11.12.2015 mit, dass sie beabsichtige, das durch die spanische Botschaft erteilte Schengen – Visum zu annullieren. Zudem wies sie darauf hin, dass die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung und die Zulassung der Ausübung einer Beschäftigung abzulehnen gedenke und den Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auffordern wolle. Ferner trug die Beklagte vor, dass einem Familiennachzug schon früher nicht zugestimmt worden sei, weil die Ehefrau und das Kind Leistungen des Jobcenters erhielten. Es wurde zudem ausgeführt, dass das Visum der spanischen Botschaft gemäß § 34 Abs. 1 S.1 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 zu annullieren sei, weil der Kläger gewusst habe, dass er kein Visum zum Familiennachzug erhalten könne und er dieses durch arglistige Täuschung erlangt habe, indem er am 23.11.2015 über Frankfurt am Main mit dem Visum der spanischen Botschaft auf direktem Wege von Kabul nach Deutschland eingereist sei. Erst dann habe er die auf einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland gerichteten Anträge gestellt. Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe er daher nicht.

    Dagegen führte der Kläger am 15.12.2015 aus, dass das spanische Visum beachtlich sei, da es nicht widerrufen wurde. Auch seien dem Kläger mehrfach aus geschäftlichen Gründen Visa unterschiedlicher europäischer Staaten ausgestellt worden, unter anderem auch durch die deutsche Botschaft. Er habe daher „schon oft“ neben seiner geschäftlichen Tätigkeit die Möglichkeit genutzt, seine Frau zu besuchen. Der Kläger meint, die Beklagte entziehe der Ehefrau den Ehemann, der gesamten Familie die Familieneinheit und den Unterhalt durch den Vater.

    Kläger klagte auf rückwirkende Erteilung einer Fiktionsbescheinigung

    Gegen dieses Vorgehen erhob der Kläger am 23.12.2015 Klage zum Verwaltungsgericht und beantragte die Beklagte zu verpflichten, ihm rückwirkend auf den 27.11.2015 eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 S. 1 AufenthG dahingehend zu erteilen, dass sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt.  Zur Begründung trug er vor, dass § 81 Abs. 4 AufenthG  für Schengen-Visa anderer Mitgliedstaaten nicht anwendbar sei. Da das spanische Visum zu geschäftlichen Zwecken notwendig gewesen sei, komme eine Annullierung nicht in Betracht. Trotz Fristsetzung zur Erteilung der Fiktionsbescheinigung durch Anwaltsschreiben vom 09.12.2015  habe weder die Beklagte noch die Deutsche Botschaft bislang in verfassungswidriger Weise die Familienzusammenführung nicht zugelassen.

    Ausländerbehörde argumentierte, dass die Fortgeltungsfiktion für Schengenvisa nicht gelte

    Die Beklagte beantragte die Klageabweisung und erklärte, dass die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nicht möglich sei, da der Kläger mit einem spanischen Schengen-Visum eingereist sei. Denn die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 S.1 AufenthG gelte gemäß § 81 Abs.4 S.2 AufenthG insbesondere nicht für ein Schengen- Visum nach § 6 Abs. 1 AufenthG. Über den vom Kläger gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei noch nicht entschieden.

    Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart

    Die zulässige Klage sei unbegründet.

    Da über den Antrag auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung vom 26.11.2015 bisher nicht entschieden wurde sei die Klage als Untätigkeitsklage nach § 75 S. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

    Gericht sah keinen Anspruch des Klägers auf Fiktionsbescheinigung

    Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung zu, wodurch die Unterlassung der Erteilung rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze.

    Nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 S. 1 AufenthG erhielte ein Ausländer eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung), wenn er sich im Zeitpunkt seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne (bereits) einen Aufenthaltstitel zu besitzen.

    Dabei seien nach der Systematik der Norm des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG nur solche Ausländer gemeint, bei denen im Zeitpunkt der Einreise –von Rechts wegen – auf eine vorgeschaltete Prüfung der Tatbestände des Kapitels 2 Abschnitt 2 der AufenthV verzichtet werden konnte und unter dieser Voraussetzung einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellen.

    Unstreitig sei, dass Fälle in denen eine vorgeschaltete Prüfung notwendig sei, also bei Einreise mit Visum alleine dem Abs. 4 der Norm unterfiele, zusammengefasst mit denjenigen Fällen, in denen bereits in der Vergangenheit durch Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels eine Sachprüfung stattgefunden hatte. Ein Antrag auf Aufenthaltstitel führte bei diesem Personenkreis  zur Fortgeltungswirkung des bisherigen Titels, vorausgesetzt ein solcher war im Zeitpunkt der Antragsstellung vorhanden.

    Eine andere Betrachtung folge auch nicht aus der Einführung des neuen Satz 2 in § 81 Abs. 4 AufenthG, welcher durch den Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern v. 29.08.2013 (BGBl. I S. 3484) mit Wirkung zum 06.09.2013 eingefügt wurde. Dadurch seien Schengen- und Flughafentransitvisa entsprechend § 6 Abs. 1 AufenthG von der Möglichkeit der Fortgeltungswirkung nun gerade ausgeschlossen und können erst recht nicht unter Berücksichtigung der Systematik des Gesetzes in Abs. 3 einbezogen werden.

    Fiktionswirkung sei schon nicht notwendig, da Schengenvisum als Aufenthaltstitel gilt

    Darüber hinaus unterfiele der Kläger der Regelung des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG ohnehin nicht, da er im Zeitpunkt der Antragstellung einen Aufenthaltstitel (vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG) in Form eines Schengen-Visums der spanischen Botschaft nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, besitze.

    Denn auch das durch einen anderen Mitgliedstaat erteilte Schengen-Visum stelle einen Aufenthaltstitel im Sinne des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG dar. Demnach sei der Beurteilung über die Fiktionswirkung  § 81 Abs. 4 und nicht § 81 Abs. 3 AufenthG zu Grunde zu legen, da sich die Regelungen ausschließlich alternativ verstünden.

    Die Rechtsprechung habe die, durch einen anderen Mitgliedstaat erteilte Schengen-Visa, weitgehend dem Begriff des Aufenthaltstitels in § 81 Abs. 4 AufenthG alter Fassung zugeordnet, was sich auch durch die Einführung des § 81 Abs. 4 S. 2 AufenthG nicht geändert habe. Durch die Gesetzesänderung könne dem Begriff des Aufenthaltstitels in § 81 Abs. 3 S. 1 keine andere Bedeutung als bislang beigemessen werden.

    Es könne sachlich nicht gerechtfertigt werden warum die Regelung des § 81 Abs.4 S.2 AufenthG nur auf die durch deutsche Behörden erteilte Schengen-Visa keinerlei Fiktionswirkung auslösen können sollen, während Schengen-Visa, die durch die Behörden anderer Mitgliedstaaten erteilt würden, zumindest die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG auslösen könnten. Dies entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, der sich gegen eine Fiktionswirkung von Schengen-Visa ausgesprochen habe.

    Unter europarechtlichen Gesichtspunkten ergebe sich keine andere Beurteilung, den Schengen-Visa anderer Mitgliedstaaten nach ihrem Ablauf eine weitergehende Rechtswirkung zuzubilligen. Zudem stehe bereits der durch die Vorläufigkeit und die eingeschränkte Zweckrichtung geprägte Status eines Schengen-Visums einer fiktiven Fortwirkung entgegen, da das Schengen-Visum kein allgemeines Aufenthaltsrecht erlaube. Es diene prinzipiell nur einem Aufenthalt zu vorübergehenden Zwecken.

    Eine analoge Anwendung des § 81 Abs. 3 AufenthG kommt wegen des klaren Wortlaut des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG, „ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen“ nicht in Frage.

    Da von deutschen Behörden ausgestellte  Schengen-Visa unstreitig Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG darstellen und  mit § 81 Abs. 4 S. 2 AufenthG n.F. gesichert sein soll, dass die Fiktionswirkung von Visa nach § 6 Abs. 1 AufenthG ausgeschlossen würden, würde eine ersatzweise Anwendung des Abs. 3 diese klare gesetzgeberische Intention unterlaufen. Der Gesetzgeber wolle absichern, dass die „ einzig sachlich richtige“ Beschränkung der Fortgeltungsfunktion auf nationale Visa nach § 6 Abs. 3 AufenthG durchsetzbar bleibe.

    § 81 abs. 3 Aufenthg sei nicht, auch nicht rückwirkend, anwendbar

    Somit sei § 81 Abs. 3 AufenthG dann anwendbar, wenn Ausländer bei Antragsstellung zunächst vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit seien, (vgl. § 4 Abs. 1 AufenthG) und die Aufenthaltserlaubnis gem. §§ 39, 40 AufenthV nach der Einreise beantragen können.

    Das Gericht führt aus, dass der Verweis des § 81 Abs. 4 S. 2 AufenthG auf Visa nach § 6 Abs. 1 AufenthG ausschließlich als Verweis auf die in § 6 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AufenthG aufgeführten Visaarten auszulegen seien und nicht als Komplettverweis auf § 6 Abs. 1 AufenthG verstanden werden dürfe. Dieser könne der Natur der Sache nach nur die Erteilung der genannten Visa durch deutsche Behörden regeln, was darauf folgt, dass § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG nicht die Erteilung eines Visums, sondern die Wirkungen bereits erteilter Visa regele. Dafür spräche auch der Wortlaut des § 81 Abs. 4 S. 2 AufenthG, denn „Visum“ nach § 6 Abs. 1 AufenthG verweise gerade auf die in § 6 Abs. 1 aufgeführten Visa und nicht auf den gesamten § 6 Abs. 1 AufenthG.

    Etwas anderes ergebe sich auch nicht  aus § 4 Abs. S. 2 AufenthG. Gerade der Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit spreche dafür Schengen-Visa anderer Staaten als von dem Begriff des Aufenthaltstitels des § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG umfasst zu sehen. Denn die in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG unter Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aufgeführten Schengen-Visa würden ausweislich § 6 Abs. 1 AufenthG nach Maßgabe der VO (EG) Nr. 810/2009 ausgestellt, welcher in allen Schengen- Staaten gleich angewendet würde.

    Per Definition nach Art. 2 Nr. 2 lit. a der VO (EG) 810/2009  sei ein „“Visum“ die von einem (egal welchem) Mitgliedstaat erteilte Genehmigung im Hinblick auf die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder einen geplanten Aufenthalt in diesem Gebiet von höchstens 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen und schließt daher eine „Aufenthaltsgenehmigung“ für diesen Zeitraum mit ein. Dies Entspräche damit auch dem Wortlaut des § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG („Aufenthaltstitel“).

    Daher habe der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Funktionsbescheinigung und die Klage sei als unbegründet abzuweisen.

    Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart

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