Behörde verweigert die Einbürgerung Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Behörde verweigert die Einbürgerung

  1. Prozesskostenhilfeantrag für die Klage gegen die Ablehnung der Einbürgerung

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    VG Ansbach, Beschluss vom 06.09.2023 – AN 14 K 21.895

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Einbürgerungsantrag der Klägerin war wegen fehlender Deutschkenntnisse abgelehnt worden

    Die Klägerin hatte die Einbürgerung beantragt. Unter Vorlage fachärztlicher Atteste beantragte sie zugleich eine Ausnahme gemäß § 10 Abs. 6 StAG vom Nachweis hinreichender Deutschkenntnisse und von Kenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung. Dieser Antrag wurde mit dem Hinweis abgelehnt, der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 6 StAG greife nicht ein, da es an der Vorlage eines den Mindestanforderungen entsprechenden fachärztlichen Gutachtens fehle. Nun wollte die Klägerin im Klageverfahren die Einbürgerung durchsetzen. Dafür hatte die Klägerin Prozesskostenhilfe beantragt.

    Hiergegen klagte die Klägerin und wollte Prozesskostenhilfe für das Verfahren

    Mit Beschluss vom 06.09.2023 hatte das Verwaltungsgericht den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Ein Absehen von den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG gemäß § 10 Abs. 6 StAG komme vorliegend nicht in Betracht. Die von der Klägerin vorgelegten fachärztlichen Gutachten würden nicht die inhaltlichen Mindestanforderungen und seien daher nicht geeignet, die Behauptung der Klägerin, sie sei aufgrund einer Erkrankung daran gehindert, sich die fehlenden bzw. unzureichenden Kenntnisse der deutschen Sprache anzueignen, zu substantiieren.

    Wegen angeblich mangelhafter Attest lehnte das Gericht den PKH Antrag ab

    Bei Fehlen eines aussagekräftigen ärztlichen Attests bestehe für das Gericht keine Veranlassung, den Sachverhalt von Amts wegen weiter zu erforschen und ein Sachverständigengutachten einzuholen. Sei danach die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung zu den tatsächlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 StAG nicht gegeben, könne der Prozessausgang auch nicht als offen bezeichnet werden.

    Hiergegen reichte die Klägerin Beschwerde ein.

    Beschluss des Verwaltungsgericht Ansbachs

    Verwaltungsgericht gewährt der Klägerin doch Prozesskostenhilfe

    Das Verwaltungsgericht Ansbach entschied nun anders und beschloss, dass die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bieten würde.

    Hierfür würde eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen, die bereits gegeben sei, wenn ein Obsiegen ebenso in Frage komme wie ein Unterliegen. Vorliegend bestünde zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Klägerin ein Einbürgerungsanspruch gemäß § 10 StAG zustehen könnte. Zwar habe sie nicht nachgewiesen, dass sie entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sowie über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt. Es erscheine jedoch als offen, ob in ihrem Fall von diesen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 6 StAG abzusehen sei, weil sie diese wegen einer Krankheit nicht erfüllen könne.

    Es bestünde zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin doch gewinnt

    Es erscheine als offen, ob die Klägerin die Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG wegen der in den vorgelegten Attesten beschriebenen Krankheit nicht erfüllen könne und deshalb gemäß § 10 Abs. 6 StAG von diesen Voraussetzungen abzusehen sei.

    Nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin sei es nicht ausgeschlossen, dass sie im Hauptsacheverfahren entsprechend ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 37 Abs. 1 StAG i.V.m. § 82 Abs. 1 AufenthG) substantiiert darlegen könne, auf welcher Grundlage die behandelnden Fachärzte ihre Diagnose gestellt hätten und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstelle. Nach der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten obergerichtlichen Rechtsprechung gehörten dazu etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden habe, welche Art von Befunderhebung stattgefunden habe und ob die vom Patienten geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden würden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben.

    Zwar seien die Attest tatsächlich lückenhaft, die Klägerin könne aber noch nachlegen

    Den Attesten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie T.M. vom 13. September 2016, 9. November 2016 und 9. Mai 2017 sei insbesondere zu entnehmen, dass sich die Klägerin mehrmals in der fachärztlichen Sprechstunde vorgestellt habe, erstmals am 24. Mai 2012 und jedenfalls bis Mai 2017. Der Facharzt habe seinen psychopathologischen Befund auf die im Gespräch mit der Klägerin durchgeführte Anamnese und die Verhaltensbeobachtung in der Praxis gestützt. Dabei seien u.a. eine starke Antriebsreduzierung und deutliche Konzentrationsstörungen festgestellt worden. Aufgrund des Befundes sei vom Bestehen sehr schwerer krankheitsbedingter Beeinträchtigungen auszugehen (kognitive Einschränkungen), die es der Klägerin unmöglich machen würden, an den für die Einbürgerung erforderlichen Prüfungen teilzunehmen. Durch die starken kognitiven Störungen sei der Erwerb einer Fremdsprache extrem stark beeinträchtigt; ein Eigenstudium oder VHS-Kurs erscheine aussichtslos, die Teilnahme an einem Test werde dadurch von vornherein sinnlos. Diagnostisch sei von einer rezidivierenden depressiven Störung (damals schwere Episode) und einer dysthymen Störung auszugehen. Aus psychiatrischer Sicht sei eine intensive pharmakotherapeutische Behandlung erforderlich; eine stationäre Klinikbehandlung sei zu überlegen.

    Es erscheine als offen, ob das Verwaltungsgericht aufgrund fachärztlicher Atteste und gegebenenfalls einer ergänzenden Sachverhaltsermittlung zur Bewertung gelangen könnte, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen die Kenntnisse gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG nicht erwerben und nachweisen könne. Aus den bisherigen fachärztlichen Feststellungen und Bewertungen würden sich gewisse Anhaltspunkte für ein mögliches krankheitsbedingtes Unvermögen der Klägerin zum Erwerb und Nachweis hinreichender Kenntnisse gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG ergeben. Allerdings würden die bislang vorgelegten Atteste nicht alle erforderlichen Angaben zur jeweiligen Grundlage der Diagnose und zur Krankheit der Klägerin enthalten; die Ausführungen seien zu knapp und lückenhaft (z.B. bzgl. Untersuchungsfrequenz bei Arzt T.M.; Befunderhebung bzgl. depressiver Erkrankung durch Ärzte Dr. H. M. und Dr. K. Z.; Entwicklung des Krankheitsbildes und der Therapie im Behandlungsverlauf, Art und Umfang etwaiger Auswirkungen der Krankheit auf die Fähigkeit zum erforderlichen Kenntniserwerb).

    Da somit im Ergebnis zumindest eine gewisse Wahrscheinlicht für das Obsiegen der Antragstellerin bestünde, war der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Analphabetismus ist kein Grund für Einbürgerung ohne ausreichende Sprachkenntnisse

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    Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, 28.03.2022, Az.: 19 A 2172/20

    In dem vorgenannten Urteil hatte die Klägerin Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt. Das Verwaltungsgericht Aachen hatte entschieden, dass der Analphabetismus der Klägerin keine Entschuldigung dafür sei, dass diese im Rahmen der Einbürgerung keine ausreichenden Sprachkenntnisse und Kenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung vorweisen konnte.

    Welche Arten von Einbürgerung gibt es?

    Bei der Überprüfung dieses erstinstanzlichen Urteils kam das Oberverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Aachen bestünden:

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Die Klägerin hatte die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband bei der Einbürgerungsbehörde beantragt. Dass sie keine ausreichenden Deutschkenntnisse und keine Kenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung vorweisen konnte, entschuldigte sie damit, dass sie Analphabetin sei und wegen Angtsstörungen, Depressionen und Persönlichkeitsstörungen nicht in der Lage sei, sich diese Kenntnisse anzueignen.

    Klägerin reicht Atteste in Bezug auf Depression, Angststörungen und Persönlichkeitsstörung ein

    Hierzu reichte sie ein Attest vom 23.03.2022 ein, indem ihre Ärztin bescheinigte, dass die Bewältigung der Teilnahme an einem Sprachkurs und einer Prüfungssituation erschwert und ein rasches Erlernen und sicheres Anwenden einer Fremdsprache nicht möglich seien.

    In einem späteren Attest vom 15.07.2020 bescheinigte die Ärztin dann, dass die Klägerin vollständig außerstande sei, an einem Sprach- oder Integrationskurs teilzunehmen.

    Einbürgerungsbehörde beharrt dennoch auf ausreichende Deutschkenntnisse

    Nachdem die Einbürgerungsbehörde die Einbürgerung wegen der fehlenden Kenntnisse abgelehnt hatte, klagte die Klägerin beim Verwaltungsgericht Aachen. Nachdem das VG Aachen der Einbürgerungsbehörde und nicht der Klägerin Recht gegeben hatte, beantragte die Klägerin die Zulassung ihrer Berufung beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen.

    Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Aachen:

    Das Oberverwaltungsgericht entschied nun, dass die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen die Würdigung des Verwaltungsgerichts Aachen nicht schlüssig in Frage gestellt habe.

    Das Verwaltungsgericht habe zu Recht entschieden, dass im Fall der Klägerin nicht von den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG abzusehen sei. § 10 Abs. 6 StAG verpflichte zu einem Absehen von diesen Einbürgerungsvoraussetzungen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen könne.

    Klägerin habe keine aussagekräftigen Atteste eingereicht

    Dabei obliege es dem Einbürgerungsbewerber aufgrund seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 StAG i. V. m. § 82 Abs. 1 AufenthG, das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen nach § 10 Abs. 6 StAG hinreichend substantiiert darzulegen. Berufe er sich auf ein krankheitsbedingtes Unvermögen, so müsse dies regelmäßig durch ein fachärztliches Attest nachgewiesen werden. Aus dem Attest müsse sich nachvollziehbar mindestens ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt habe und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstelle, insbesondere inwieweit sie die Fähigkeit des Einbürgerungsbewerbers zum Erlernen der deutschen Sprache beeinträchtige. Zu den mitzuteilenden ärztlichen Erkenntnisgrundlagen gehörten insbesondere Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden habe, welche Art von Befunderhebung stattgefunden habe und ob die vom Patienten geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden würden.

    Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben.

    Diesen Anforderungen würden die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste nicht genügen. Mit den zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nehme, setze sich die Klägerin nicht auseinander. Das mit dem Zulassungsantrag vorgelegte Attest der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. N. -C. vom 15. Juli 2020 enthalte außer dem Hinweis auf ihre erstmalige Vorstellung am 20. März 2020 ebenfalls keine Angaben dazu, wann und wie häufig sich die Klägerin in ärztlicher Behandlung befunden habe und auf welcher Grundlage die Ärztin ihre Diagnose gestellt habe. So fehlten etwa Ausführungen dazu, in welchen zeitlichen Abständen Gespräche mit der Klägerin und Arztbesuche stattgefunden und inwieweit die Feststellungen auf den Angaben der Klägerin, ihres Ehemanns oder auf eigenen ärztlichen Untersuchungen beruhen würden. Zudem habe die Ärztin nicht erläutert, wie genau die diagnostizierte Angststörung, chronifizierte Depression und Persönlichkeitsstörung die Klägerin beim Erlernen der deutschen Sprache beeinträchtigen würde.

    Atteste der behandelnden Ärzte widersprechen sich

    In ihrem früheren Attest vom 23. März 2020 habe die Ärztin bescheinigt, dass die Bewältigung der Teilnahme an einem Sprachkurs und einer Prüfungssituation erschwert und ein rasches Erlernen und sicheres Anwenden einer Fremdsprache nicht möglich seien. Auf welcher Grundlage sie in dem Attest vom 15. Juli 2020 zu der weitergehenden Schlussfolgerung gelangt sei, dass die Klägerin vollständig außerstande sei, an einem Sprach- oder Integrationskurs teilzunehmen, lasse sich dem Attest nicht entnehmen, zumal die Ärztin eingangs erklärt habe, dass die Anamneseerhebung mit der nur assyrisch sprechenden Klägerin kaum möglich sei, und abschließend wiederum nur als „fraglich“ bezeichnet, ob die Klägerin in der Lage sei, eine Fremdsprache zu lernen. Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt habe, erfordere § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StAG weder ein rasches Erlernen der deutschen Sprache noch deren sichere Beherrschung noch die Teilnahme an einem Sprachkurs, sondern lediglich ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, die den Anforderungen des § 10 Abs. 4 StAG entsprechen würden.

    Fehle es danach an einem aussagekräftigen ärztlichen Attest, aus dem sich das geltend gemachte krankheitsbedingte Unvermögen der Klägerin zum Erwerb ausreichender Deutschkenntnisse ergebe, bestünde keine Veranlassung für eine Beweiserhebung zu den tatsächlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 StAG und die entsprechenden Beweisanträge oder -anregungen der Klägerin seien unsubstantiiert.

    Auch dies habe das Verwaltungsgericht entgegen dem Einwand der Klägerin bereits zutreffend ausgeführt. Die Klägerin müsse zur Substantiierung des Vortrags zu ihren krankheitsbedingten Einschränkungen auch kein ärztliches Gutachten einholen, sondern lediglich aussagekräftige Bescheinigungen der behandelnden Ärzte vorlegen.

    Fehlende Schulbildung und Analphabetismus generell kein Entschuldigungsgrund

    Die fehlende Schulbildung und der Analphabetismus der Klägerin würden es nicht rechtfertigen, von den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG abzusehen. Analphabetismus sei als solcher keine Krankheit oder Behinderung im Sinn des § 10 Abs. 6 StAG.

    Die Klägerin habe auch nicht substantiiert dargelegt, dass sie wegen einer geistigen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sei, Lesen und Schreiben zu lernen. Insoweit würden im Hinblick auf das vorgelegte Attest der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 15. Juli 2020, in dem die Ärztin bescheinigt, dass „von einer ungünstigen Prognose für eine Alphabetisierung ausgegangen werden“ müsse, die obigen Ausführungen zum Erlernen der deutschen Sprache entsprechend gelten.

    § 10 Abs. 6 StAG sei auch nicht zu Gunsten von Einbürgerungsbewerbern entsprechend anzuwenden, die Analphabeten sind. Das Gleiche gelte für die mit dem Zulassungsantrag unspezifisch als Hinderungsgrund angeführten persönlichen und familiären Verhältnisse. Es sei keine Regelungslücke gegeben, die durch Analogie oder erweiternde Auslegung zu schließen wäre. § 10 Abs. 6 StAG enthalte im Gegensatz zu § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG gerade keine Regelung, nach der zur Vermeidung einer Härte auch in Fällen, in denen keine Krankheit oder Behinderung vorliege, von ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache und der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Deutschland abgesehen werden könne

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  3. Einbürgerung: Klage eines Ausländers auf Einbürgerung wegen Untätigkeit der Behörde scheitert wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit

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    Verwaltungsgericht München, 13.05.2020, Az.: M 25 K 19.573

    Wer von der Einbürgerungsbehörde eine Entscheidung über seinen Einbürgerungsantrag haben möchte, braucht manchmal einen langen Atem, weil die Behörde zu langsam oder gar nicht arbeitet.

    Nach dem Gesetz sollten Einbürgerungsverfahren höchstens 3 Monate dauern

    Das Verwaltungsrecht, zu welchem auch das Ausländerrecht oder das Einbürgerungsrecht gehört, bietet hier allerdings Möglichkeiten, die Behörde zur Bearbeitung zu zwingen. Dabei handelt es sich um die Untätigkeitsklage, die in § 75 VwGO geregelt ist. Die sog. „Untätigkeitsklage“ ist keine eigenständige Klageart, sondern bezeichnet lediglich eine Sonderform der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, bei denen wegen Untätigkeit Behörde die Klage ohne (abgeschlossenes) Vorverfahren zulässig ist.

    Behörde ragiert nicht, was kann ich machen

    In dem vorliegenden Fall verklagte der Einbürgerungsbewerber die Einbürgerungsbehörde, weil diese den Einbürgerungsantrag nicht bearbeitete. Da der Kläger während des Gerichtsverfahrens allerdings umzog, wurde die Untätigkeitsklage letztendlich durch das Gericht wegen örtlicher Unzuständigkeit abgewiesen.

    Sachverhalt der Gerichtsentscheidung

    Der Kläger in diesem Fall war ägyptischer und österreichischer Staatsangehöriger. Er beantragte am 12.11.2013 die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband bei der Beklagten u.a. unter Vorlage einer Bestätigung der ägyptischen Botschaft aus dem Jahr 2012, dass der Kläger aus der ägyptischen Staatsangehörigkeit entlassen werde, sobald er die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe.

    Einbürgerungsverfahren dauert bereits 3 Jahre

    Mit Schreiben vom 19.06.2016 sicherte die Beklagte die Einbürgerung für den Fall zu, dass der Verlust der ägyptischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Die Einbürgerungszusicherung gelte bis zum 18.01.2018. Sie werde unter dem Vorbehalt erteilt, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage bis zum Ablauf dieser Frist nicht ändere.

    Mit E-Mail vom 16.08.2016 teilte die Beklagte dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers mit, dass die vorgelegte Bescheinigung aus dem Jahr 2012 bezüglich der Aufgabe der ägyptischen Staatsangehörigkeit laut Generalkonsulat zeitlich unbegrenzt gültig sei. Das Einbürgerungsverfahren könne fortgesetzt werden. Es werde um Übersendung von zwei aktuellen Gehaltsabrechnungen gebeten.

    Kläger erhebt Untätigkeitsklage wegen überlangem Einbürgerungsverfahrens

    Mit Schreiben vom 25.09.2016 erhob der Kläger Untätigkeitsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern.

    Der Kläger habe einen Anspruch auf Einbürgerung, da alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt seien. Er habe alle geforderten Unterlagen vorgelegt.

    Mit Schreiben vom 14.12.2016 teilte die Beklagte mit, dass sie auf ihre Sicherheitsanfragen hin vom Polizeipräsidium München zwei noch anhängige Strafverfahren mitgeteilt bekommen habe. Das Einbürgerungsverfahren sei daher nach § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG auszusetzen. Es sei beabsichtigt, den Kläger einzubürgern, falls sich aus dem Strafverfahren keine schädlichen Strafen ergäben und auch sonst alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt seien.

    Die Parteien vereinbarten daraufhin das Ruhen des Verfahrens, das mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 25. Januar 2017 angeordnet wurde. Mit Schreiben vom 4.02.2019 nahm der Bevollmächtigte des Klägers das Verfahren wieder auf.

    Kläger zieht während des Verfahrens um

    Mit Schreiben vom 26.03.2019 teilte die Beklagte mit, dass der Kläger zum 01.09.2017 verzogen sei und dort melderechtlich mit Hauptwohnsitz gemeldet sei und aus seiner alten Wohnung abgemeldet sei. Die Beklagte sei daher für die Einbürgerung nicht mehr zuständig.

    Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte daraufhin mit Schreiben vom 29.04.2019, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger einzubürgern, hilfsweise festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch auf Einbürgerung gehabt hätte.

    Zur Begründung wurde weiter ausgeführt, das letzte noch anhängige Strafverfahren sei inzwischen beendet worden. Der Kläger sei mit Urteil des LG München I vom 07.05.2018 lediglich zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt worden, so dass eine strafrechtliche Verurteilung seiner Einbürgerung nicht entgegenstehe. Die Beklagte sei für die Einbürgerung weiterhin örtlich zuständig, da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach wie vor in der alten Stadt habe, auch wenn er in der neuen Stadt mit Wohnsitz gemeldet sei.

    Die Anmeldung nach Melderecht sei nicht mit dem gewöhnlichen Aufenthalt gleichzusetzen. Sollte die Beklagte nicht mehr örtlich zuständig sein, so habe der Kläger ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung, da er gegen die Beklagte im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses vorgehen möchte.

    Entscheidung des Verwaltungsgerichts München

    Das VG München urteilte nun, dass die Klage zwar zulässig, aber nicht begründet sei. Der Hilfsantrag sei unzulässig.

    Klage zwar zulässig aber unbegründet, da Kläger verzogen ist

    Die Klage sei als Untätigkeitsklage i.S.d. § 75 VwGO zulässig, da die Beklagte über den im Jahr 2013 gestellten Einbürgerungsantrag bislang nicht entschieden habe. Die Klage sei jedoch nicht begründet, da die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung für die Einbürgerung nicht mehr zuständig sei und ihr damit die Passivlegitimation nach § 78 VwGO fehle. Maßgeblich für den vom Kläger mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch auf Einbürgerung sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 5 C 17.05 – juris Rn. 12; BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 2/14 – juris Rn. 10; NdsOVG, B.v. 27.2.2013 – 19 E 205/13 – beckonline).

    In diesem Zeitpunkt sei die Beklagte für eine Entscheidung über den Einbürgerungsantrag des Klägers nicht mehr örtlich zuständig gewesen. Ziehe ein Einbürgerungsbewerber in den Bezirk einer anderen Einbürgerungsbehörde eines anderen Bundeslandes um, so erlange diese nach § 3 Abs. 1 Nr. 3a des VwVfG des jeweiligen Bundeslandes die örtliche Behördenzuständigkeit für das Einbürgerungsverfahren (NdsOVG, B.v. 27.2.2013 – 19 E 205/13 – beckonline). In Bezug auf die Beklagte richte sich die örtliche Zuständigkeit nach Art. 3 BayVwVfG.

    Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a BayVwVfG sei örtlich für das Einbürgerungsbegehren eines Ausländers die Behörde zuständig, in deren Bezirk er seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.

    Eine Definition des Begriffs des „gewöhnlichen Aufenthalts“ werde weder im BayVwVfG noch im VwVfG des Bundes gegeben, doch könne hier auf die Legaldefinition in § 9 AO und in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zurückgegriffen werden (vgl. BVerfG B.v. 13.7.2011 – 2 BvR 742, 10 – beckonline). Diese laute: „Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.“ Als gewöhnlicher Aufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Eine Person habe einen gewöhnlichen Aufenthalt damit dort, wo sie nicht nur vorübergehend lebt, sondern auf unabsehbare Zeit, weil die Beendigung des Aufenthalts ungewiss sei (vgl. Schmitz Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage, 2018, zu § 3 VwVfG, Rn. 24). Entscheidend sei der tatsächliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse (Lebensmittelpunkt; OVG MV B.v. 27.3.2017 – 1 M 487/16 – beckonline).

    Nach diesen Grundsätzen habe der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Dafür spreche, dass er nach seinen Angaben in der Berufungshauptverhandlung umgezogen sei. Auch gebe der Kläger gegenüber Gerichten und Behörden als Wohnadresse seine neue Wohnung an, so dass davon auszugehen sei, dass er sich dort auch gewöhnlich und dauernd aufhalte. Auch beim Verwaltungsgericht München sei auf Grund seiner zahlreichen Verfahren als Wohnadresse des Klägers seine neue Adresse hinterlegt. Für einen dauernden, nicht nur vorübergehenden Aufenthalt an seiner neuen Adresse spreche auch, dass der Kläger am Verwaltungsgericht Berlin eine Klage gegen die dortige Einbürgerungsbehörde erhoben habe, was für den anwaltlich vertretenen Kläger nur Sinn mache, wenn er die dortige Behörde auch für zuständig halte, sprich der Kläger selbst davon ausgehe, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nunmehr in Berlin habe.

    Aus dem Vortrag des Bevollmächtigten des Klägers ergibt sich nichts anderes. Es sei zwar richtig, dass die melderechtliche Lage allein keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen würde. Gleichwohl unterscheide das Melderecht in § 21 BMG zwischen Hauptwohnung und Nebenwohnung, wobei Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung sei, das heiße, wo sich der Einwohner überwiegend auch aufhalte. Insofern würden die obigen Ausführungen durch die vom Kläger vorgenommenen Anmeldungen bestätigt: Hauptwohnung in Berlin, Nebenwohnung in München. Denn wenn der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in München hätte, müsste die melderechtliche Lage genau umgekehrt sein. Dazu im Widerspruch stünde auch nicht das Protokoll über die öffentliche Sitzung des Landgerichts München I zum Verfahren 31 S 7134/17 vom 12.04.2018. Dort gebe der Kläger zwar als Wohnung, seine bisherige Wohnung in München an und der Vermieter bestätige auch das Bestehen eines Mietvertrages. Ob sich der Kläger auch tatsächlich in der Wohnung aufhalte, bestätige der Vermieter indes nicht. Aber nur ein tatsächlicher Aufenthalt könnte einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Die reine Anmietung einer Wohnung führe hingegen nicht zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts.

    Daher gehe das Gericht davon aus, dass der Kläger in München keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr habe. Eine örtliche Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG liege unabhängig von der Frage der Zweckmäßigkeit der Fortführung des Verfahrens durch die Beklagte allein schon deswegen nicht vor, weil die Zustimmung der Stadt Berlin nicht vorliege.

    Da die Beklagte und die Stadt Berlin eigenständige, verschiedene Körperschaften seien, fehle mit der örtlichen Zuständigkeit auch die Passivlegitimation der Beklagten nach § 78 VwGO. Die Klage sei somit unbegründet.

    Der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog sei unzulässig.

    Gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO spreche das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt habe, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig sei, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung habe. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO sei auf erledigte Verpflichtungsbegehren bzw. Untätigkeitsklagen, wie vorliegend, entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.1987 – 1 C 32/84 – juris Rn. 25 ff; Schübel-Pfister in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 113 VwGO, Rn. 127).

    Durch den Umzug des Klägers hat sich dessen ursprüngliches Begehren erledigt

    Das ursprüngliche Begehren des Klägers, durch die Untätigkeitsklage die Beklagte zu seiner Einbürgerung zu bewegen, habe sich durch den Umzug des Klägers erledigt. Mit Schreiben vom 29.04.2019 teilte der Rechtsanwalt des Klägers mit, dass beantragt werde festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger einzubürgern.

    Nach den oben dargestellten Grundsätzen sei die Fortsetzungsfeststellungsklage im vorliegenden Fall zwar statthaft. Jedoch habe der Kläger das erforderliche berechtigte Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

    Der Kläger habe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Handelns der Beklagten. Die vom Vertreter des Klägers vorgetragene Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses vor den ordentlichen Gerichten möge zwar grundsätzlich ein berechtigtes Feststellungsinteresse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage begründen. Jedoch müssten zu dem (zu erwartenden) Schaden substantielle Ausführungen gemacht werden. Konkrete Angaben seien insofern erforderlich (Schübel-Pfister in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 113 VwGO Rn. 116; NdsOVG B.v. 23.1.2003 – 13 A 4859/00 – beckonline).

    Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Der Bevollmächtigte des Klägers habe nur pauschal angegeben, dass die fortgesetzte Klage der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses gegen die Beklagte diene. Weitere Ausführungen zu etwaigen Schäden habe der Bevollmächtigte nicht gemacht.

    Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet. Der Kläger habe im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses auf Grund der Regelung des § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG keinen Anspruch auf Einbürgerung gegen die Beklagte, da im Herbst 2017 gegen den Kläger noch ein Strafverfahren lief und das Einbürgerungsverfahren somit gem. § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG auszusetzen gewesen sei.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  4. Ausländerrecht: Weigert sich die Behörde die Einbürgerung vorzunehmen, kann man nach einiger Zeit Untätigkeitsklage einreichen

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    Verwaltungsgericht Saarlouis, 23.06.2017, Az. 2 K 1999/15

    Möchte ein Ausländer eingebürgert werden, muss er zunächst einige Voraussetzungen erfüllen. Dies legen das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) und das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) fest. Darüber hinaus darf auch nichts explizit gegen die Einbürgerung sprechen. In § 11 S. 1 Nr. 1 StAG ist beispielsweise festgelegt, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen zum Ausschluss der Einbürgerung führen. Die Verfassungsfeindlichkeit muss auch nicht bewiesen werden. Es reicht aus, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Verfassungsfeindlichkeit rechtfertigen. Wann dies also wirklich angenommen werden kann ist nicht immer klar. Ob eine langzeitige verfassungsfeindliche Aktivität Voraussetzung ist oder bereits das einmalige Konsumieren verfassungsfeindlicher Inhalte, ist nicht detailliert vorgeschrieben.

    Behörde ragiert nicht, was kann ich machen

    Im nachstehenden Urteil hat das Verwaltungsgericht Saarlouis klargestellt, dass ein Facebook-Foto mit einem Salafisten-Prediger und das zusätzliche zeigen das Tauhid-Fingers noch nicht grundsätzlich die Annahme rechtfertigen, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Einbürgerung eines kosovarischen Einbürgerungsbewerbers wurde wegen terroristischer Bestrebungen abgelehnt

    Im vorliegenden Fall streiten die Parteien um das Vorliegen eines Ausschlussgrundes der Einbürgerung. Kläger ist ein Einbürgerungsbewerber.

    Der aus dem Kosovo stammende Einbürgerungsbewerber lebt seit 1991 in Deutschland und verfügt über eine Niederlassungserlaubnis.

    Er stellt im Jahr 2013 einen Einbürgerungsantrag und reicht hierfür unter anderem eine Bescheinigung nach, in der die Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit bestätigt wird.

    Allerdings erhält der Beklagte im November 2015 Informationen vom Landesamt für Verfassungsschutz, nach denen der Mann salafistische Bestrebungen verfolge. Dies habe die Auswertung seines Facebook-Profils ergeben. Er hatte 2013 ein Bild gepostet, auf dem er mit einem salafistischen Prediger zu sehen ist und den auch von Salafisten gebrauchten Tauhid-Finger zeigt. Daraus wird eine Einbindung des Mannes in salafistische Strukturen geschlossen. Noch bevor die Behörde den Mann über diese Erkenntnisse informiert, erhebt er die Untätigkeitsklage auf Einbürgerung gegen den Beklagten.

    Als ihm die Salafismusvorwürfe mitgeteilt werden, erklärt der Mann, keine einbürgerungsschädlichen Verhaltensweisen praktiziert zu haben. Er erklärt das Zustandekommen des Fotos so, dass er sich näher mit dem Islam beschäftigen wollte und auch einmal einen Prediger live sehen wollte. Das Foto selbst habe keine größere Bedeutung für ihn und von der Interpretation des erhobenen (Tauhid-)Fingers als verfassungsfeindliche Geste habe er nichts gewusst. Viel mehr sei die Geste eine im Islam gängige, ähnlich der Bekreuzigung der Christen. Auch habe sie 2013 noch nicht in der Kritik gestanden, da es den IS noch nicht gegeben habe. Jedenfalls habe der Kläger selbst nie verfassungsfeindliche Bestrebungen gehabt und solche könnten nicht an einem Bild festgemacht werden. Der Verfassungsschutz bestätigt, dass keine weiteren Erkenntnisse vorliegen, der Prediger selbst jedoch einem salafistischen Netzwerk zuzuordnen sei.

    Distanzierung des Klägers sei nach Ansicht der Behörde nicht erfolgt

    Daraufhin wird der Einbürgerungsantrag im Juli 2016 abgelehnt. Zur Begründung wird angeführt, dass eine Einbürgerung nach § 11 S. 1 Nr. 1 StAG aufgrund verfassungsfeindlicher Bestrebungen zwingend ausgeschlossen sei. Es glaubt dem Mann nicht, die Verfassungsfeindlichkeit des Predigers nicht erkannt zu haben. Durch das Hochladen eines Fotos mit ihm bei Facebook habe er sich öffentlichkeitswirksam und nachhaltig als Anhänger und Unterstützer präsentiert. Auch das Zeigen des Tauhid-Fingers sei nicht als Ausübung der Glaubensfreiheit zu verstehen. Viel mehr sei auch der IS 2013 schon bekannt gewesen und das Zeigen daher als Unterstützung zu verstehen.

    Eine Distanzierung davon sei nicht erfolgt, der bloße Zeitablauf von nur drei Jahren reiche hierfür nicht aus.

    Kläger reicht Klage auf Einbürgerung ein

    Die von dem Mann erhobene Klage richtet sich darauf, den Beklagten zu seiner Einbürgerung zu verpflichten. Er führt zu dem Vorwurf des Fingerzeigs noch aus, dass er auf einem anderen Foto im Rahmen einer Boxgala eine geballte Faust zeige. Beide Fotos seien jeweils im Rahmen eines Events entstanden und dürften daher nicht anders bewertet werden.

    Der Beklagte beantragt Abweisung der Klage unter Verweis auf den Ausschließungsgrund der Einbürgerung.

    Urteil des Verwaltungsgerichts Saarlouis

    Verwaltungsgericht verurteilt Einbürgerungsbehörde zur Einbürgerung

    Das VG Saarlouis hält die zulässige Klage für begründet und verpflichtet den Beklagten zur Einbürgerung des Mannes. Es spricht ihm einen Anspruch nach § 10 I StAG zu, da der Ausschlussgrund des § 11 S. 1 Nr. 1 StAG nicht greife.

    Zunächst stellt das Gericht fest, dass die Voraussetzungen der Einbürgerung nicht bezweifelt wurden, sondern nur das Vorliegen des Ausschlussgrundes strittig war. Dieser läge nach § 11 S. 1 Nr. 1 StAG vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt (hat) oder unterschützt (hat), die gegen die freiheitliche-demokratische Grundordnung […] gerichtet sind […], es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung  derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Anschließend definiert es Verfolgen als das eigene Hinwirken auf die Ziele der Bestrebung. Auch definiert es Unterstützen als das Mitwirken an einem fremden Hinwirken auf diese Ziele. Als Beispiel nennt es finanzielle Unterstützung oder die Teilnahme an verfassungsfeindlichen Aktivitäten. Es nimmt auch an, dass der Prediger verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt.

    Gericht konnte keine terroristischen Bestrebungen des Klägers erkennen

    Dass der Mann solche Bestrebungen persönlich verfolgt hat, kann das Gericht allerdings nicht erkennen. Es ist nicht davon überzeugt, dass die salafistische Ausrichtung des Predigers für ihn erkennbar war und rechnet ihm das Verhalten des Predigers deshalb nicht zu. Viel mehr glaubt es dem Mann, dass er sich im Internet lediglich über den Islam informieren wollte und so auf den Prediger gestoßen ist. Dass er sich mit ihm fotografieren ließ und dabei den Tauhid-Finger zeigt, tut das Gericht als Naivität ab. Es geht davon aus, dass sich der Mann einer weiteren Bedeutung und dahingehenden Interpretationen nicht bewusst war.

    Darüber hinaus führt es aus, dass man bei angenommenen salafistischen Bestrebungen des Mannes von einer diesbezüglichen Abwendung ausgehen muss. Hierzu stellt das Gericht zunächst klar, dass an den Nachweis der Abwendung keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen, als an den Ausschlussgrund selbst. Je stärker das verfassungsfeindliche Verhalten also war, desto mehr muss dafür getan werden, dass eine Abwendung davon glaubhaft ist. Es muss äußerlich erkennbar sein, dass sich seine innere Einstellung wirklich positiv verändert hat und eine Veränderung nicht etwa nur für das Einbürgerungsverfahren vorgetäuscht wird.

    Kläger habe sich persönlich geändert und seine Veränderung glaubhaft gemacht

    Im Fall des Klägers stellt das Gericht zunächst fest, dass er die Klage auf Einbürgerung bereits vor der Mitteilung, beim Verfassungsschutz bekannt zu sein, erhoben hat. Er hatte also keine Kenntnis von der Beobachtung als er die Klage erhob und konnte sich deshalb nicht davon leiten lassen und etwaige verfassungsfeindlichen Tätigkeiten nur aus diesem Grund unterlassen. Des Weiteren distanzierte sich der Mann von dem Prediger und versicherte, eine Veranstaltung von ihm mit seinem heutigen Wissen nicht mehr zu besuchen. Dies nimmt ihm das Gericht auch vor dem Hintergrund ab, dass er mit einer Deutschen verheiratet ist, drei Kinder hat und einen normalen Beruf ausübt. Eine solche Distanzierung reicht nach Ansicht des Gerichts aus, um die aufgrund eines Fotos vermutete Verfassungsfeindlichkeit für die Zukunft auszuschließen.

    Es lehnt damit das Vorliegen eines Ausschlussgrundes der Einbürgerung ab und verpflichtet den Beklagten den Mann einzubürgern.

    Quelle: VG Saarlouis

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