Eigenbedarfskündigung Köln Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Eigenbedarfskündigung Köln

  1. Mietrecht: Kündigung im Räumungsrechtsstreit per Schriftsatz über beA unwirksam wegen mangelnder Schriftform

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    Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 25.02.2022, Az.: 48 C 304/21

    Unstreitig kann in einem laufenden mietrechtlichen Rechtstreit auch eine Kündigung erklärt werden. Die Kündigung genügt dann der Schriftform nach § 568 Abs. 1 BGB, wenn dem Kündigungsadressaten (Mieter) bzw. seinem Anwalt eine vom Anwalt der Vermieters selbst beglaubigte Abschrift des die Kündigung beinhaltenden Schriftsatzes zugeht.

    Wie ist es aber wenn die Schriftsätze durch den Anwalt des Vermieters per beA an das Gericht versendet werden und das Gericht diese dann an den Gegner weiter leitet. Seit dem 01.01.2022 besteht die aktive Nutzungspflicht des besonderen Anwaltspostfachs (beA)

    In dem hier besprochenen Fall hat das Amtsgericht Hamburg entschieden, dass die Kündigung in einem per beA an das Gericht versendeten und an den Mieter weitergeleiteten Schriftsatz nicht der Schriftform nach § 568 Abs.1 BGB genüge.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Klägerin in war die Vermieterin, Beklagte die Mieterin Die Klägerin hatte der Beklagten eine Wohnung mit Vertrag vom 6.1.2016 vermietet. Die zuletzt geschuldete Nettokaltmiete betrug Euro 540,00 monatlich. Obwohl die Miete nach dem Mietvertrag pünktlich bis zum 3. Werktag zu entrichten war, zahlte die Beklagte immer wieder unpünktlich.

    Vermieterin mahnt wegen unpünktlicher Mietzahlung ab und kündigt dann erst außergerichtlich

    Mit Schreiben vom 2.4.2021 mahnte die Klägerin die Beklagte daher wegen Zahlungsverzugs und verspäteter Mietzahlungen ab und drohte die Kündigung des Mietverhältnisses an. In der Folgezeit gingen die Mietzahlungen der Beklagten bei der Klägerin erneut unpünktlich ein Mit anwaltlichem Schreiben vom 9.11.2021 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten das Mietverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß kündigen und forderte die Beklagte zur Herausgabe der Wohnung auf. Die Kündigung wurde mit dem Zahlungsverhalten der Beklagten trotz Erhalt der Abmahnung, insbesondere mit der bis dahin nicht gezahlten Oktobermiete begründet.

    In den Schriftsätzen lässt die Vermieterin ihren Anwalt dann noch per beA kündigen

    Mit der Klageschrift vom 22.11.2021 sowie im Schriftsatz vom 27.1.2022 ließ die Klägerin erneut Kündigungen des Mietverhältnisses aussprechen. Die Klageschrift und der Schriftsatz wurden bei Gericht per beA eingereicht und der Beklagten per Post zugestellt.

    Die Klägerin beantragte daraufhin die Räumung der Beklagten aus der Mietswohnung.

    Urteil des Amtsgerichts Hamburg:

    Das Amtsgericht Hamburg urteilte nun dass der Räumungsanspruch nach §§ 546 Abs. 1, 985, 986 BGB nicht schlüssig vorgetragen worden sei. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis sei durch die mit Schreiben vom 9.11.2021 ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden. Ein nach § 543 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigender wichtiger Grund liege hinsichtlich des Zahlungsverhaltens der Beklagten nicht vor.

    Amtsgericht Hamburg sieht in dem Zahlungsverhalten der Mieterin keinen ausreichenden Grund für die fristlose Kündigung

    Zwar könne eine fortdauernde Zahlungsunpünktlichkeit als Ausdruck mangelnder Zahlungswilligkeit und -fähigkeit geeignet sein, die vertragliche Vertrauensgrundlage schwer zu erschüttern (BGH, Urteil vom 14.9.2011 – VIII ZR 301/10). Erforderlich sei, dass die Zahlungsunpünktlichkeit einen längeren Zeitraum umfasse, mögen die unpünktlichen Mietzahlungen auch teilweise vor und teilweise nach der gemäß § 543 Abs. 3 BGB erforderlichen Abmahnung liegen (LG Berlin, Urteil vom 28.1.2014 – 29 O 323/13). Das Zahlungsverhalten des Mieters müsse in einer Weise vertragswidrig sein, welche dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses unzumutbar mache.

    Die rechtliche Bewertung erfordere eine Gesamtabwägung, welche unter anderem die Anzahl der Verspätungen, die betroffenen Zeiträume, die zwischen den Verspätungen liegenden Zeiträume, die Höhe der (kumulierten) verspäteten Beträge, eine dem Mieter bekannte besondere Angewiesenheit der Vermieterpartei auf pünktliche Zahlungseingänge und den bisherigen Verlauf des Mietverhältnisses berücksichtige. Dabei komme wegen der Warnfunktion der Abmahnung dem Verhalten des Mieters nach deren Erhalt hervorgehobene Bedeutung zu. Bei der Abwägung zu berücksichtigen sei ebenfalls das von Art. 14 GG geschützte Recht des Mieters, seinen Lebensmittelpunkt und schutzwürdigen Rückzugsraum nicht zu verlieren.

    Nach diesem Maßstab trage das Zahlungsverhalten der Beklagten die Annahme eines zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes nicht.

    Die Mieterin habe nach der Abmahnung gezeigt, dass die die Abmahnung respektiert

    Das Zahlungsverhalten der Beklagten vor Ausspruch der Abmahnung sei allerdings über einen längeren Zeitraum, namentlich von ca. 11 Monaten, von regelmäßiger und anhaltender Unpünktlichkeit gekennzeichnet gewesen. Ab Mai 2020 sei praktisch keine Mietzahlung pünktlich eingegangen.

    Jedoch sei auch festzustellen, dass die Zahlungen zumeist in zeitlichem Zusammenhang mit deren Fälligkeit nachgeholt worden seien. Nur vereinzelt seien Zahlungen über Monate ausgeblieben. Letztlich seien aber sämtliche Beträge stets restlos beglichen worden.

    Entscheidend gegen die Annahme eines wichtigen Grundes spreche überdies, dass nach der Abmahnung vom 2.4.2021, von deren Eintreffen bei der Beklagten entsprechend § 270 S. 2 ZPO am 6.4.2021 auszugehen sei, die Beklagte eine sofortige Besserung ihres Zahlungsverhaltens für geraume Zeit erkennen habe lassen.

    Bei gebotener Gesamtwürdigung lasse das Zahlungsverhalten erkennen, dass die Beklagte die mit der Abmahnung geltend gemachten Belange der Klägerin ernst genommen habe sowie willens und fähig gewesen sei, ihr künftiges Verhalten der vertraglichen Absprache gemäß auszurichten. In diesem Lichte erscheine die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Klägerin trotz erheblicher Verzögerung der Oktobermiete zumutbar.

    Vorstehende Erwägungen würden unabhängig von der Frage gelten, ob die Rechtzeitigkeitsklausel des Mietvertrags gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB verstoße, weil sie das Risiko einer durch Zahlungsdienstleister verursachten Verzögerung des Zahlungsvorgangs entgegen der gesetzlichen Regelung des § 556b Abs. 1 BGB dem Mieter auferlege (BGH, Urteil vom 5.10.2016 – VIII ZR 222/15

    Die per Schriftsatz über das beA an das Gericht versendeten Kündigungen würden der Schriftform nicht genügen.

    Auch die mit der Klageschrift und dem weiteren Schriftsatz ausgesprochenen Kündigungen hätten das Mietverhältnis nicht beendet.

    Denn diese hätten weder der nach § 568 Abs. 1 BGB einzuhaltenden Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB) noch der gemäß § 126 Abs. 3 BGB ersatzweise zulässigen elektronischen Form (§ 126a Abs. 1 BGB) genügt.

    Nach letztgenannter Vorschrift müsse dann, wenn die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden soll, der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Darüber hinaus sei notwendig, dass das signierte elektronische Dokument mit der Signatur in den Empfangsbereich des Adressaten gelange. Dies folge aus den in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB verankerten allgemeinen Grundsätzen zum Wirksamwerden von Willenserklärungen durch Zugang. Solle eine formbedürftige Willenserklärung durch Zugang wirksam werden, so muss sie dem Adressaten in der entsprechenden Form tatsächlich zugehen. Es sei allgemein anerkannt, dass bei einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen – wie einer Kündigung – die Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB nur dann eingehalten sei, wenn die den Anforderungen dieser Formvorschrift entsprechende Erklärung im Original dem Adressaten tatsächlich zugehe. Der Zugang einer Kopie reiche auch dann nicht aus, wenn eine der Formvorschrift entsprechende Erklärung tatsächlich existiere.

    Keine anderen Grundsätze würden für die Einhaltung der elektronischen Form nach § 126a Abs. 1 BGB, da diese eine gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form lediglich ersetze, mithin an deren Stelle trete, ohne die im Übrigen anwendbaren Grundsätze zu berühren, welche für schriftliche Erklärungen gelten. Substituiert werde bei einer elektronischen Erklärung lediglich die sonst erforderliche eigenhändige Namensunterschrift bzw. das notariell beglaubigte Handzeichen, weil diese mangels gegenständlicher Verkörperung einer elektronischen Erklärung faktisch nicht damit unterzeichnet werden könne. Dementsprechend sei es zur Wahrung der elektronischen Form erforderlich, dass die mit gültiger Signatur versehene elektronische Erklärung mit dieser Signatur an den Adressaten abgesandt werde und diesem zugehe.

    Wegen der Weiterleitung durch das Gericht an den Empfänger sei die Schriftform nicht eingehalten

    Bei Einreichung eines mit gültiger Signatur des Absenders versehenen Schriftsatzes bei Gericht und Übermittlung dieses Schriftsatzes durch das Gericht an einen dritten Empfänger werde die elektronische Form im Verhältnis zwischen Absender und Empfänger nicht eingehalten. Denn die Legitimationswirkung der Absendersignatur bestünde nur gegenüber dem Gericht. Der vom Gericht per Postzustellung übersandte Ausdruck genüge weder der Schriftform noch der elektronischen Form.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie macht es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Mietrecht: Krankheit des Mieters kann die Kündigung unwirksam werden lassen

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    Amtsgericht Münster, 27.10.2020, Az.: 4 C 3363/19

    Zahlt der Mieter die Miete nicht, kann dies zu einer fristlosen und fristgemäßen Kündigung durch den Vermieter führen. Hinsichtlich der fristlosen Kündigung hat der Mieter bis zu zwei Monate Zeit, um auch noch nach Erhalt einer Räumungsklage die ausstehende Miete zurückzuzahlen. Dann wird zumindest die fristlose Kündigung unwirksam.

    Dies gilt aber nicht für eine ebenfalls erklärte ordentliche (fristgemäße) Kündigung. Diese kann nur dann ebenfalls unwirksam werden, wenn weitere Umstände hinzutreten, die die Nichtzahlung der Miete durch den Mieter in einem „milden Licht“ erscheinen lassen und es dem Vermieter zuzumuten ist, das Mietverhältnis weiter zu führen.

    Zu diesem Umständen zählt auch eine Krankheit des Mieters, die ihn davon abgehalten hat, seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen. In dem hier besprochenen Fall hatte der Mieter Depressionen, die ihn von einer ordentlichen Haushaltsführung abhielten.

    Sachverhalt

    Mieter zahlt mehrere Monate die Miete nicht

    Klägerin in diesem Fall war die Vermieterin, Beklagter war der Mieter. Der Beklagte hatte von der Klägerin eine Wohnung für zuletzt 400,00 Euro für die Grundmiete sowie 190,00 Euro als Heiz- und Nebenkostenvorauszahlungen, mithin insgesamt 590,00 Euro, angemietet.

    Für den Monat März 2019 zahlte der Beklagte 140,00 Euro, für die Monate August, September, Oktober 2019 wurden keinerlei Zahlungen erbracht. Mit Schreiben vom 08.10.2019 kündigte der Verwalter der Klägerin mit dem Betreff „fristlose Kündigung vom 08.10.2019; fristgerechte Kündigung (…)“  und wies auf die vorgenannten Zahlungsrückstände sowie darauf hin, dass damit „der Tatbestand der fristlosen Kündigung erfüllt“ sei.

    Auch die Miete für November 2019 wurde zunächst nicht gezahlt. Am 06.11.2019 zahlte der Beklagte sodann einen Betrag von 1.745,00 Euro. Zudem wurden von dem Jobcenter am 27.11.2019 weitere 25,00 Euro und am 29.11.2019 590,00 Euro gezahlt. Am 30.12.2019 ging die Zahlung eines Betrages von 590,00 Euro und am 14.01.2020 die Zahlung eines Betrages von 1.080,00 Euro ein, nachdem auch die Dezembermiete und die Januarmiete zunächst nicht gezahlt worden waren.

    Schonfristzahlung des Mieter lässt fristlose Kündigung entfallen

    Dennoch reichte die Klägerin Klage beim Amtsgericht Münster ein mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, die streitgegenständlichen Wohnung sofort zu räumen. Die Klägerin war der Ansicht, das Schreiben vom 08.10.2019 sei nach seinem Erklärungsinhalt eindeutig als fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges zu verstehen. Sie behauptet, der Verwalter sei zur Kündigung von Mietverhältnissen bevollmächtigt. Nachdem der Beklagte sämtliche Mietrückstände innerhalb der Schonfrist ausgeglichen habe, sei er aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung dennoch zur Räumung der Mietwohnung verpflichtet.

    Mieter führt Depressionen als Grund für die Nichtzahlung an

    Der Beklagte behauptet, der Kündigung des Verwalters habe keine Originalvollmacht der Klägerin beigelegen, weswegen diese unwirksam sei. Weiter behauptet der Beklagte, dass er im Jahr 2019 unter einer schweren depressiven Episode erkrankt sei, wegen der er seit Juni 2019 an starker Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Ängsten, geminderter Konzentrationsfähigkeit etc. gelitten habe. Deswegen sei er außerstande gewesen, seiner freiberuflichen Tätigkeit als Journalist nachzukommen. Dies habe ihn auch daran gehindert, Aufstockungsleistungen beim Jobcenter zu beantragen. Er habe daher nicht schuldhaft gehandelt. Weiter ist er der Ansicht, die ordentliche Kündigung sei wegen des langen Mietverhältnisses ohnehin nur mit einer Kündigungsfrist von 9 Monaten zu kündigen gewesen.

    Urteil des Amtsgerichts Münster

    Das Gericht prüft die Krankheit des Mieters

    Das Amtsgericht Münster wies die Klage ab und urteilte, dass der Räumungsanspruch nicht gegeben sei. Das Mietverhältnis sei nicht aufgrund der erklärten fristlosen Kündigung beendet worden. Die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB sei gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden. Der Beklagte bzw. das Jobcenter habe sämtliche Rückstände innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit des Räumungsanspruches beglichen.

    Kündige der Vermieter ein Wohnraummietverhältnis nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) BGB wegen Zahlungsverzugs des Mieters fristlos und hilfsweise auch fristgemäß, lasse der nachträgliche Ausgleich der Rückstände innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB jedoch nicht auch ohne weiteres die fristgemäße Kündigung entfallen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04). So könne den Mieter im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB, der eine schuldhafte Pflichtverletzung voraussetzt, eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit entlasten. Die Vorschrift eröffne dem Mieter im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen und so sein etwaiges Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04).

    Nach dieser Maßgabe sei das Mietverhältnis auch nicht aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB beendet worden. Insoweit könne dahinstehen, wovon das Gericht jedoch ausgehe, ob der die Kündigung erklärende Verwalter mit entsprechender Vollmacht gehandelt hat und ob die Erklärung der Kündigung auch unter Übersendung der Originalvollmacht erfolgte bzw. dass die fehlende Übersendung nicht rechtzeitig gerügt worden sei. Denn jedenfalls habe der Beklagte seine vertragliche Pflicht zur Zahlung des monatlichen Mietzinses nicht schuldhaft im Sinne der Vorschrift verletzt.

    Dies steht nach Einholung des schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie nach Anhörung des Beklagten zur Überzeugung des Gerichts fest.

    Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne jedenfalls festgestellt werden, dass der Beklagte in der betreffenden Zeit der aufgelaufenen Zahlungsrückstände aufgrund seiner psychischen Erkrankung sowohl in seiner Erwerbsfähigkeit wie auch in der Fähigkeit, sich um Hilfestellung zu bemühen, erheblich eingeschränkt gewesen sei. Der Sachverständige G, der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie sei und damit über die erforderliche Sachkunde verfüge, habe in seinem Gutachten auf Grundlage seiner eigenen Untersuchung des Beklagten am 30.06.2020 sowie unter Auswertung der ihm vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen/Behandlungsberichte/Entlassungsberichte sowie auf Grundlage von Telefonaten mit den den Beklagten behandelnden Ärzten (psychologische Psychotherapeutin Frau M und Hausarzt T) die Feststellung getroffen, dass der Beklagte vom Sommer bis in den Herbst 2019 diagnostisch an einer schweren depressiven Episode gelitten habe. Dies habe sich in die jahrelange Krankheitsgeschichte des Betroffenen eingefügt. Er habe hierzu ausgeführt, dass infolge der depressiven Episode eine schwere Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit und kognitive Verzerrung seines Selbstbildes vorgelegen habe. Der Beklagte sei hoffnungslos bis hin zur Suizidalität erschienen, er habe in einer depressiven Passivität verharrt. Weiterhin habe er Konzentrations- und Gedächtnisstörungen gehabt, wie sie auch bei depressiven Episoden häufig anzutreffen seien. Der Sachverständige habe zusammen gefasst, dass es dem Beklagten daher krankheitsbedingt nicht möglich gewesen sei, seine Angelegenheiten zu regeln oder adäquat auf Anforderungen von außen zu reagieren. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte krankheitsbedingt in den Sommermonaten bis zum frühen Herbst hinein nicht in der Lage gewesen sei, seiner freiberuflichen Tätigkeit als Journalist nachzugehen oder, wie sonst üblich, Redaktionsvertretungen in anderen Bereichen durchzuführen. Es könne mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Beklagte im oben genannten Zeitraum vollständig arbeitsunfähig gewesen sei und krankheitsbedingt aufgrund seiner empfundenen Ausweglosigkeit auch nicht in der Lage gewesen sei, Aufstockungsleistungen beim Jobcenter zu beantragen oder seine Angelegenheiten selbstständig und unter Realisierung der tatsächlichen Notwendigkeiten zu regeln.

    Das Gericht urteilt, dass auch die ordentliche Kündigung wegen der Krankheit des Mieters unwirksam ist.

    Dies lasse nach Ansicht des Gerichts die Pflichtverletzung des Beklagten aus dem Mietvertrag mit der Klägerin in einem „milderen Lichte“ erscheinen. Insofern stelle sich die von dem Beklagten begangene Pflichtverletzung der Nichtzahlung der Mieten im Sommer 2019, die Grundlage der erklärten Kündigung waren, auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin als nicht derart gravierend dar, dass dies die Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertige. Das gegenständliche Mietverhältnis bestünde bereits seit dem Jahr 2004. Bislang habe der Beklagte die Mietzahlungen wie auch seine anderweitigen Pflichten aus dem Mietverhältnis offensichtlich ohne Beanstandungen geleistet bzw. erfüllt, dies sogar, obwohl er bereits seit der Jugend an einer Depression erkrankt sei. Die streitgegenständliche Verfehlung stelle mithin die erste im Laufe des langjährigen Mietverhältnisses dar. Der Beklagte habe es im Ergebnis – bei Besserung seiner gesundheitlichen Lage -vermocht, die Rückstände relativ zügig auszugleichen. Offensichtlich sei es seit dem Januar 2020 auch nicht mehr zu Zahlungsrückständen gekommen. Das Gericht halte daher die Fortsetzung des Mietverhältnisses angesichts dieser erstmaligen Pflichtverletzung des Beklagten der Klägerin noch für zumutbar.

    Quelle: Amtsgericht Münster

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  3. Mietrecht: Eigenbedarfskündigung unwirksam bei gleichzeitiger Verkaufsabsicht des Vermieters

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    Landgericht Berlin, 22.06.2016, Az.: 65 S 386/15

    Eine Eigenbedarfskündigung ist unwirksam, wenn es sich nur um einen vorgeschobenen Eigenbedarf handelt. Oftmals will ein Vermieter seinen Mieter nämlich nur loswerden, um das eigene Haus oder die Wohnung dann teuer verkaufen zu können.

    Für wen darf ich Eigenbedarf anmelden?

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Vermieter hatte die Eigenbedarfskündigung erklärt, aber gleichzeitig versucht, das Haus zu verkaufen

    Der Vermieter klagte in diesem Fall auf Räumung der Wohnung mittels Eigenbedarfskündigung. Die Wohnungsmieter geben an, dass der Eigenbedarf nicht vorhanden sei und die Gründe dafür nur vorgeschoben. Der Vermieter habe die Eigenbedarfskündigung am 02.10.2014 erklärt und die Wohnung schon Anfang Oktober 2014 verkaufen wollen. Der geplante Umzug des Vermieters, um näher bei seinen Töchtern zu wohnen, sei keine Rechtfertigung für den Umzug des Vermieters, da er nur gelegentlichen Umgang zu den Töchtern hätte.

    Urteil des Landgerichts Berlin

    Im Gegensatz zur ersten Instanz hob das Landgericht Berlin das Ausgangsurteil auf und wies die Klage ab. Das Gericht kam zu der Auffassung, dass es sich um eine unzulässige Vorratskündigung handeln würde. Weiterhin vertrat das Gericht die Auffassung, dass das erstinstanzliche Gericht den Einwänden der Mieter hätte nachkommen müssen. Der Eigenbedarfswunsch sei demnach von den Mietern nicht grundlos bestritten worden.

    Das Gericht sah konkrete Anhaltspunkt der Mieter die Zweifel an der Version des Vermieters begründen würden

    Die Mieter verfügten vielmehr über konkrete Anhaltspunkte, die vorgetragen wurden und einen erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der vom Vermieter vorgebrachten Gründe für die Kündigung begründeten. Das Landgericht Berlin führe daher eine Beweisaufnahme durch und kam zu dem Ergebnis, dass ein berechtigtes Interesse beim Vermieter i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht gegeben war. Der Vermieter habe vielmehr die Absicht, die Wohnung zu veräußern. Zum anderen sei der Eindruck gewonnen worden, dass das Verhältnis zu den Töchtern belastet sei und nicht als Begründung für einen Umzug ausreiche.

    Quelle: Landgericht Berlin

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  4. Mietrecht: Eigenbedarfskündigung unwirksam, wenn Alternativwohnung im selben Haus nicht angeboten wurde.

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    Amtsgericht Köln, 16.12.2015, Az.: 221 C 282/15

    Auch in Köln werden die verschiedenen Wohnviertel durch stadtplanerische Optimierung und durch Sanierung der Wohngebäude in den letzen Jahren immer weiter aufgewertet.

    Dies hat zur Folge, dass viele Vermieter versuchen, ihre alteingesessenen Mieter durch Eigenbedarfskündigung und letztendlich durch Räumungsklage loszuwerden, weil die bestehenden Mietverträge unrentabel geworden sind. Dieser Prozess, der als Gentrifizierung bezeichnet wird, beschäftigt immer öfter die Gerichte auch in Köln und Umgebung.

    Sowohl Vermieter als auch Mieter sollten allerdings darauf achten, dass eine Eigenbedarfskündigung oftmals schwer durchzusetzen ist und viele formelle Eigenheiten zu beachten sind.

    In dem hier besprochenen Fall des Amtsgerichts Köln hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die Eigenbedarfskündigung durch eineWohnungseigentümerin rechtens war, obwohl diese der verklagten Mieterin keine Alternativwohnung in dem Wohnhaus angeboten hatte.

    Sachverhalt: Die Klägerin in diesem Fall war Miteigentümerin eines Mehrfamilienhauses in Köln Dadurch war sie in den Mietvertrag vom 16.06.1983 über eine Wohnung  in der 1. Etage mit vier Zimmern, einer Küche, einem Bad und einer Toilette mit einer Wohnfläche von ca. 80 qm eingetreten. Mieterin der Wohnung war die Beklagte. Mit Schreiben vom 15.04.2015 kündigte die Klägerin zusammen mit dem anderen Eigentümer den Mietvertrag mit der Beklagten zum 31.01.2016 und berief sich zur Begründung auf Eigenbedarf. Hierzu führte sie im Wesentlichen aus, dass sie aus einer derzeit bewohnten 3-Zimmerwohnung, die sie zur Miete bewohnen würde, ausziehen wolle und in dem erworbenen Anwesen die Wohnung im Erdgeschoss und die von der Beklagten bewohnte Wohnung im 1. Obergeschoss verbinden möchte, um für sich und ein gemeinsames Kind sowie ein weiteres Kind ausreichend Platz zu haben. Ein Widerspruch gegen diese Kündigung erfolgte von der Beklagten zunächst nicht.

    Bei dem fraglichen Gebäude handelte es sich um ein Mehrfamilienhaus mit insgesamt vier Wohneinheiten, je eine im Erdgeschoss, im 1. und 2. Obergeschoss sowie eine im Dachgeschoss. Die Wohnung im Dachgeschoss hatte ca. 70 qm Wohnfläche. Sie wurde zum 28.02.2015 und nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der vormaligen Mieterin, die einen unbefristeten Mietvertrag hatte, von dieser geräumt und zum 28.02.2015 verlassen.

    Zum 31.03.2015 wurde diese Wohnung dann mit befristetem Mietvertrag bis zum 31.03.2016 erneut vermietet. Die Wohnung im 2. Obergeschoss war bereits vor Eigentumserwerb der Klägerin unbefristet vermietet worden. Die Wohnung im Erdgeschoss stand bei Eigentumserwerb durch die jetzigen Vermieter leer. Auch diese wurde zum 31.03.2015 mit befristetem Mietvertrag bis zum 31.03.2016 vermietet. Bereits seit dem 14.01.2014 hatten die Klägerin und der andere Vermieter mit der Beklagten über den vorgetragenen Eigenbedarf gesprochen. Der andere Vermieter hatte der Beklagten dabei unter anderem Wohnungsvorschläge für Drittwohnungen außerhalb des Hauses unterbreitet.

    Amtsgericht Köln: Das AG Köln urteilte, dass der Klägerin kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung an sich und den anderen Vermieter gegen die Beklagte nach §§ 546 Abs. 1, 985 BGB zustünde, da das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 15.04.2015 nicht beendet worden sei.

    Insbesondere könne in diesem Zusammenhang dahin stehen, ob die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen, die den Kündigungsgrund des Eigenbedarfs i. S. d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB tragen sollen,  zutreffend seien und von ihnen bewiesen werden könnten. Denn die streitgegenständliche Kündigung sei als rechtsmissbräuchlich anzusehen, da die Vermieter ihre Pflichten insoweit verletzt hätten, als dass sie der Beklagten eine Alternativwohnung im Dachgeschoss im selben Haus nicht angeboten hätten.

    Bei der Kündigung einer Mietwohnung wegen Eigenbedarfs sei zwar grundsätzlich die Entscheidung des Vermieters, wie er eine ihm gehörende Wohnung nutzen will, zu respektieren. Es könne jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kündigung von Wohnraum in die Lebensführung eines Mieters besonders stark eingreife. Der Vermieter sei deshalb gehalten, diesen Eingriff abzumildern, soweit ihm dies möglich sei. Ausnahmsweise sei eine Eigenbedarfskündigung daher dann rechtsmissbräuchlich, wenn dem Vermieter eine vergleichbare andere Wohnung im selben Anwesen oder in derselben Wohnlage zur Verfügung stünde und er diese dem Mieter nicht anbieten würde, obwohl er die Wohnung erneut vermieten wolle (BGH, Urteil v. 13.10.2010, VIII ZR 78/10). Dies gelte nach Ansicht der Rechtsprechung auch dahin, wenn die Wohnung objektiv für die Wohnbedürfnisse des Mieters nicht geeignet erscheine. Denn es sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.01.1992 (1 BvR 1045/91) Sache des Mieters zu entscheiden, inwieweit er damit verbundene Nachteile in Kauf nehmen wolle (LG Berlin, Urteil v. 03.02.2009, 65 S 303/08). Somit wäre es vorliegend der Beklagten zu überlassen gewesen, ob sie die etwas geringere Größe der Dachgeschosswohnung in Kauf genommen hätte. Da die Vermieter hier der Beklagten die Dachgeschosswohnung nicht angeboten hätten, hätten sie gegen die ihnen obliegende Anbietpflicht verstoßen.

    Quelle: Amtsgericht Köln

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