Einbürgerung trotz Straftat Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Einbürgerung trotz Straftat

  1. Einbürgerung: Muss ein laufendes Ermittlungsverfahren bei der Einbürgerung abgewartet werden?

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    Verwaltungsgericht München, Urteil vom 11.05.2023, Az.: M 27 K 22.1811

    Straftaten können gegen die Einbürgerung eines Ausländers verhindern. So wird ein Einbürgerungsantrag grundsätzlich immer dann abgelehnt, wenn die Strafverurteilung des Ausländers die Unbedenklichkeitsgrenze von 90 Tagessätzen in § 12a Abs. 1 StAG mehr als nur geringfügig überschreitet. Aber müssen auch Ermittlungsverfahren gegen den Ausländer grundsätzlich abgewartet werden, bis diese abgeschlossen sind? Damit hatte sich dieser Fall des Verwaltungsgerichts München zu beschäftigen.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    US Amerikaner beantragt seine Einbürgerung in Deutschland

    Der 62-jährige Kläger war US amerikanischer Staatsangehöriger. Seit den 60er Jahren lebte der Kläger in Deutschland. Der Kläger verfügt über eine Niederlassungserlaubnis.

    Der Kläger hatte beim US-Amerkanischen Generalkonsulat einen Passantrag gestellt, dieser war aufgrund des Vorwurfs des Betrugs und Nichterscheinens aus dem Jahr 1994 abgelehnt worden. Danach stellte der Kläger beim örtlich zuständigen Landratsamt einen Antrag auf Einbürgerung. Dabei gab er insbesondere einen USA-Aufenthalt von Februar 1988 bis Mai 1988 sowie ein im Jahr 1988 in den USA wegen des Vorwurfs von Betrug eingeleitetes Verfahren an.

    Gegen ihn lief in den USA ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges

    In der Folge wurde das Verwaltungsverfahren mehrmals ausgesetzt, der Kläger versuchte unter Beauftragung von Rechtsanwälten Nachweise zum Haftbefehl sowie zum Stand des Ermittlungsverfahrens in den USA beizubringen. Diese Informationen erhielt der Kläger. So handelte es sich bei dem Verfahren um Diebstahl durch Täuschung oder falsche Darstellung gem. § 3922 Buchst. a Nr. 1 des Kapitel 18 der Zusammenfassungsgesetze des US-Bundesstaates. Beim Grad des Deliktes handele es sich um ein Verbrechen dritten Grades, der niedrigsten Stufe eines Verbrechens. Das Verfahren habe den Status „nicht aktiv“. Die maximal zu erwartende Freiheitsstrafe für das verfahrensgegenständliche Delikt betrage 7 Jahre. Eine Verjährung war nicht möglich.

    Einbürgerungsbehörde lehnt Einbürgerungsantrag wegen Ermittlungsverfahren ab

    Daraufhin lehnte die Beklagte (Einbürgerungsbehörde) die Einbürgerung des Klägers ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nicht vorlägen. Eine Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG sei, dass keine Verurteilung zu einer Strafe aufgrund einer rechtswidrigen Tat erfolgt sei. Gegen den Kläger sei durch die US-Behörden ein Haftbefehl erlassen worden, sodass nach § 12a Abs. 3 StAG das Einbürgerungsverfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen sei.

    Daraufhin klagte der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte, die Beklagte zur Einbürgerung zu verpflichten.

    Urteil des Verwaltungsgerichts München:

    Gericht sagt Voraussetzung sei strafrechtliche „Unbescholtenheit“

    Das Verwaltungsgericht urteilte, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einbürgerung habe. Auch wenn er nicht rechtskräftig verurteilt sei, müsse die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag nach § 12a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 StAG ausgesetzt werden

    § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG gelte grundsätzlich auch für ausländische strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Voraussetzung für eine Einbürgerung sei grundsätzlich eine strafrechtliche „Unbescholtenheit“.

    Dies sei angesichts des Ermittlungsverfahrens bei dem Kläger nicht zu erwarten

    Tatbestandlich sei § 12a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 StAG somit aufgrund des in den USA nach wie vor bestehenden offenen Haftbefehls sowie des damit zusammenhängenden Strafverfahrens gegeben. In der Rechtsfolge des § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG sei somit – zwar nicht das Einbürgerungsverfahren als solches, aber – die Entscheidung über die Einbürgerung auszusetzen.

    Nach § 12a Abs. 2 StAG seien ausländische Verurteilungen zu Strafen zu berücksichtigen, wenn (1.) die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, (2.) die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und (3.) das Strafmaß verhältnismäßig ist.

    Insofern kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Ermittlungsverfahrens auch im Inland als strafbar anzusehen sei. Die vorgeworfene Tat eines Diebstahls durch Täuschung oder falsche Darstellung gem. § 3922 Buchst. a Nr. 1 des Kapitel 18 der Zusammenfassungsgesetze des US-Bundesstaates entspräche im Wesentlichen einem Diebstahl gem. § 242 Abs. 1 StGB bzw. einem Betrug gem. § 263 Abs. 1 StGB.

    Das gerichtliche Verfahren in den USA sei auch als rechtsstaatlich einzustufen

    Stichhaltige Anhaltspunkte für den klägerseitigen Einwand, dass eine Verurteilung des Klägers in den USA in einem rechtsstaatswidrigen Verfahren ergehen und damit außer Betracht bleiben könnte, seien nicht ersichtlich. Insbesondere führe allein der Umstand, dass nach den klägerseitig beigebrachten Informationen eine Verfolgungsverjährung im Fall des Klägers nach Anklageerhebung und Ausreise nicht eintrete, nicht zu einer Rechtsstaatswidrigkeit.

    Auch eine Unverhältnismäßigkeit des (zu erwartenden) Strafmaßes kommt nicht in Betracht. Dass für eine diebstahls- bzw. betrugsähnliche Tat (Strafrahmen nach § 242 Abs. 1 StGB bzw. § 263 Abs. 1 StGB bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe) eine Strafe von bis zu 7 Jahren Freiheitsstrafe angedroht werde, lasse nicht erwarten, dass die Strafe dem Unrechts- und Schuldgehalt in keiner Weise gerecht werden würde.

    Somit kam das Verwaltungsgericht München zu dem Ergebnis, dass eine Einbürgerung des Klägers derzeit nicht in Betracht komme. Weiteres zu dem Thema finden Sie hier: https://www.mth-partner.de/auslaenderrecht-anwalt/einbuergerung-wann-fuehren-verurteilungen-zu-einer-straftat-zur-ablehnung-der-einbuergerung/

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  2. Einbürgerung: Rücknahme der Einbürgerung wegen Extremismus oder Antisemitismus

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    Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 16.05.2022, Az.: 9 K 1741/17

    Eine Einbürgerung kann nach § 35 Absatz 1 StAG zum Beispiel wegen fehlender Verfassungstreue der eingebürgerten Person aufgrund von Antisemitismus oder Extremismus erfolgen. Dies ist aber immer nur dann möglich, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Dabei ist zu beachten, dass nach § 35 Abs. 3 StAG die Rücknahme nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung erfolgen darf.

    In dem hier besprochenen Fall wurde die Einbürgerung eines deutschen Staatsangehörigen syrischer Herkunft wegen extremistischer Besprebungen wieder zurückgenommen.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Der 1991 geborene Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner im Jahr 2012 vollzogenen Einbürgerung.

    Der Kläger hatte am 01.12.2011 einen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gestellt. Dabei hatte er angegeben, die marokkanische Staatsbürgerschaft zu besitzen, sich seit seiner Geburt Deutschland aufzuhalten und seinen schulischen Werdegang in Deutschland absolviert zu haben. Zum Zeitpunkt der Antragstellung absolvierte er ein Informatikstudium an der Fachhochschule und bezog Leistungen nach dem BAföG.

    Kläger hatte bei Einbürgerung die Loyalitätserklärung unterschrieben

    Bei Antragsabgabe hatte der Kläger ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, das mit „Loyalitätserklärung“ überschrieben war, abgegeben: „Ich erkläre, dass ich keine Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.“ Auf der gleichen Seite des Antrags leistete der Kläger seine Unterschrift.

    Die Sicherheitsabfragen ergaben keine Bedenken, die Einbürgerung erfolgt dann unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit.

    Am 02.05.2012 wurde dem Kläger nach Leistung des nach § 16 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) vorgesehenen feierlichen Bekenntnisses die Einbürgerungsurkunde ausgehändigt.

    Im September 2012 reiste der Kläger nach Alexandria in Ägypten und im Februar 2013 von dort aus nach Syrien.

    Den Behörden wurde bekannt, dass der Kläger Mitglied einer extremistischen Vereinigung war

    Am 07.10.2013 kontaktierte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK) erstmals das Ausländeramt des Beklagten hinsichtlich des Klägers und bat unter Bezugnahme auf einen „Ausreisesachverhalt“ um Mitteilung der Grundpersonalien und des Einbürgerungsdatums.

    Schließlich wurde gegen den Kläger durch den Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung eingeleitet. Dies hatte den Grund, dass der Kläger bereits im Jahr 2012 Mitglied der in Euskirchen ansässigen muslimischen Gruppierung „DAWA EU“ gewesen sei. Es bestehe der Verdacht, dass die Einbürgerung aufgrund der Abgabe einer „falschen Loyalitätserklärung“ erfolgt sei. Der Kläger sei Domaininhaber der Internetseite www.dawaeu.de gewesen, die unter der Rubrik „Partnerlinks“ unter anderem auf die Seiten www.EinladungzumParadies.de, www.diewahrereligion.de,www.diewahrheitimherzen.net sowie www.salaf.de verwiesen habe.

    Mit Schreiben vom 13.03 2017 teilte der Beklagte dem Kläger schließlich mit, dass beabsichtigt sei, die Einbürgerung zurückzunehmen, weil sie sowohl durch arglistige Täuschung als auch durch vorsätzliche unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden sei. Der Kläger sei bereits zum Zeitpunkt der Einbürgerung aktives Mitglied in einer radikalislamistischen Organisation gewesen.

    Die Behörde nimmt die Einbürgerung wegen arglistiger Täuschung zurück

    Mit Bescheid vom 30.03.2017 nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers in den deutschen Staatsverband schließlich zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es lägen zwischenzeitlich Tatsachen vor, wonach die Behörde berechtigt sei, die Einbürgerung nach § 35 Abs. 1 2. HS 1. Alt. StAG zurückzunehmen. Die Einbürgerung sei rechtswidrig gewesen, weil sie durch arglistige Täuschung erwirkt worden sei.

    Kläger klagt gegen die Rücknahme der Einbürgerung

    Gegen diese Rücknahmeverfügung hat der Kläger am 03.04.2017 Klage erhoben.

    In der Klage argumentierte der Kläger, dass der Beklagte beweispflichtig für die Täuschung über die Verfassungstreue sei, jedoch keine Beweise vorgelegt habe. Der Kläger habe den Beklagten nicht getäuscht. Er sei keiner besonderen Befragung seitens des Beklagten unterzogen worden, sondern habe lediglich den gesamten Einbürgerungsantrag, der auch die vorgedruckte „Loyalitätserklärung“ enthalte, unterschrieben. Der Beklagte verkenne zudem die Reichweite der Religions- und Meinungsfreiheit.

    Im Übrigen könne aus der Rückkehr des Klägers nach Deutschland der Schluss gezogen werden, dass er sich ideologisch von den dortigen Gruppierungen abgewandt habe. Auch distanziere er sich ausdrücklich von einer salafistischen Ausrichtung des Islam und seiner Interpretation in kriegerischer Form. Er nehme regelmäßig am Aussteigerprogramm Islamismus des Landes Nordrhein-Westfalen teil und beginne im September 2022 eine Ausbildung.

    Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen

    Das Verwaltungsgericht Aachen sah die Rücknahme der Einbürgerung als rechtmäßig an.

    Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung sei § 35 Abs. 1 Alt. 1 StAG. Danach könne eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden sei.

    Die Einbürgerung des Klägers sei rechtswidrig gewesen, weil sie gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verstoßen habe.

    Kläger habe Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen

    Nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG sei die Einbürgerung u.a. ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen würden, dass der Ausländer Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, es sei denn, der Ausländer habe glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt habe.

    Nach Überzeugung des Gerichts würden tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen seitens des Klägers vorliegen. Dieser sei Mitglied einer Gruppierung, die – jedenfalls teilweise – salafistisches Gedankengut vertreten habe und habe als solches entsprechende, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen unterstützt.

    Kläger sei Mitglied einer salafistischen Gruppierung gewesen

    Politisch- und jihadistischsalafistische Bestrebungen seien zu den gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen zu zählen.

    Jedenfalls einige Mitglieder der Gruppierung DAWA EU, darunter der Kläger, hätten nach den vorliegenden Erkenntnissen eine salafistische Ideologie vertreten.

    Der Begriff „Dawa“ (Aufruf oder Einladung zum Islam) werde von extremistischen Salafisten zur Bezeichnung ihrer Missionierungstätigkeiten genutzt und stelle das grundlegende Betätigungsfeld der Szene dar. Der Zusatz „EU“ stellt den Bezug zur Region Euskirchen her.

    Von einem Mittragen durch den Kläger im vorbenannten Sinne sei vorliegend auszugehen. Die salafistische Ausrichtung der Gruppierung bzw. der Teilgruppierung, der der Kläger zuzurechnen war, ergebe sich insbesondere aus deren Betätigungsfeldern sowie deren Beziehung zu anderen Personen und Gruppierungen der salfistischen Szene. Zudem habe auch der Bruder des Klägers, der Zeuge E. , in seiner Einlassung während des gegen ihn und den Kläger gerichteten Strafverfahrens angegeben, dass die Ideologie innerhalb der Moschee und DAWA EU als salafistisch betrachtet werden könne.

    Die Problematik seiner Handlungen war für den Kläger erkennbar und es sei auch anzunehmen, dass er zum Vorteil der verfassungsfeindlichen Ziele handeln wollte, die bei DAWA EU propagiert worden sind. So sei insbesondere davon auszugehen, dass dem Kläger die salafistische Ausrichtung sowohl der Gruppierung DAWA EU als auch der „Partnerorganisationen“ bekannt und von diesem gewünscht gewesen waren.

    Kläger habe sich auch nicht glaubhaft von den extremistischen Bestrebungen abgewandt

    Dass der Kläger sich zum Zeitpunkt der Einbürgerung oder zu einem späteren Zeitpunkt von dieser Unterstützung abgewandt hat, habe er ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.

    An das Sich-Abwenden im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG würden keine strengeren Beweisanforderungen als an den Ausschlussgrund selbst gestellt. Denn die Glaubhaftmachung bezeichne ein herabgesetztes Beweismaß. Hinsichtlich der an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen seien Art, Gewicht, Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt des einbürgerungsschädlichen Verhaltens zu beachten. Die Anforderungen seien in der Regel umso höher, je stärker das Gewicht des einbürgerungsschädlichen Verhaltens sei und je näher dieses Verhalten zeitlich an die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag heranreiche. Es sei eine Gesamtschau der für und gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren vorzunehmen. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genüge nicht. Erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert habe und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von – wie hier – sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen sei. Der Ausländer müsse in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben. Er müsse aber nicht seine in der Vergangenheit liegenden Handlungen bedauern, als falsch bzw. irrig verurteilen oder ihnen abschwören.

    Unter Zugrundlegung dieses Maßstabs scheitere die Annahme des Abwendens durch den Kläger bereits daran, dass er die salafistische Ausrichtung der Gruppierung und seine Unterstützungshandlungen nach wie vor bestreite und insbesondere die Veranstaltungen zur Koranverteilung lediglich als beabsichtigte Aufklärungsarbeit verharmlose. Vor diesem Hintergrund bestünde schon rein logisch kein Raum für eine Abkehr.

    Darüber hinaus zeige der weitere Verlauf seiner Entwicklung mit den Aufenthalten in Ägypten und Syrien, dass er weiterhin radikalislamische Ansichten vertrete.

    Die rechtswidrige Einbürgerung sei seitens des Klägers durch arglistige Täuschung erwirkt worden.

    Mit dem Tatbestandsmerkmal der arglistigen Täuschung knüpfe § 35 Abs. 1 StAG an den entsprechenden Begriff im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht an (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Der Adressat eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes begehe eine arglistige Täuschung in diesem Sinn, wenn er den maßgeblichen Bediensteten der Behörde in seiner Entscheidung beeinflusse, indem er bei diesem einen Irrtum über entscheidungserhebliche Tatsachen hervorrufe, deren Unrichtigkeit der Adressat kenne oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kenne.

    Mit der Loyalitätserklärung habe der Kläger den deutschen Staat arglistig getäuscht

    Nach diesem Maßstab habe der Kläger mit seiner Unterschrift unter seine Loyalitätserklärung vom 1. Dezember 2011 die objektiv unzutreffende Erklärung abgegeben, keine Bestrebungen zu unterstützen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet seien. Soweit er die Unterstützungshandlungen erst nach Abgabe der Erklärung, aber noch vor Vollzug der Einbürgerung vorgenommen habe, hätte er den Beklagten darüber aufklären müssen. Für die Begehungsform der arglistigen Täuschung in der Alternative des Verschweigens von Tatsachen reiche es, dass der Betreffende Tatsachen verschweigt und dabei weiß oder in Kauf nimmt, dass diese verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können.

    Auch die zum Zeitpunkt der Rücknahme der Einbürgerung in § 35 Abs. 3 StAG i.d.F. vom 5. Februar 2009 normierte maßgebliche Frist von fünf Jahren nach Bekanntgabe der Einbürgerung, die mit Aushändigung der Einbürgerungsurkunde beginne, sei mit der Rücknahmeverfügung vom 30. März 2017, ausgehändigt am 1. April 2017, eingehalten worden.

    Auch die Frist des § 35 StAG stünde der Rücknahme nicht entgegen

    Dass dieser Zeitpunkt inzwischen mehr als fünf Jahre zurückliege, sei unerheblich. Denn die Rücknahmefrist in § 35 Abs. 3 StAG konkretisiert den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Begriff der „zeitnahen“ Rücknahme, der sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme, also bis zur Bekanntgabe des Rücknahmebescheides verstrichenen Zeitraum beziehe. Mit der Bekanntgabe des Rücknahmebescheides entfalle die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Eingebürgerten in den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit.

    Schließlich habe der Beklagte sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt. Er habe dem öffentlichen Interesse an der Rückgängigmachung der rechtswidrigen Einbürgerung des Klägers ohne Ermessensfehler den Vorrang vor dessen privatem Interesse am Erhalt seiner deutschen Staatsangehörigkeit eingeräumt. Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO seien nicht ersichtlich.

    So habe der Beklagte insbesondere das ihm von § 35 Abs. 1 StAG eingeräumte Ermessen erkannt und von diesem Gebrauch gemacht. Die Behörde habe im Falle der Rücknahme einer Einbürgerung die privaten Belange des Eingebürgerten und die öffentlichen Interessen gegeneinander abzuwägen.

    Bei der Identifizierung der schutzwürdigen privaten Belange sei neben der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet die Integration des Betroffenen in die deutschen Lebensverhältnisse in die Ermessenserwägungen einzustellen. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet sei regelmäßig – und dies gelte in besonderem Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet werde – ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung sei.

    Diese Umstände habe der Beklagte ausreichend berücksichtigt und mit den öffentlichen Interessen abgewogen. So habe er ausgeführt, der Kläger sei in Deutschland geboren und habe seinen schulischen Werdegang in Deutschland durchlaufen. Eine Integration sei jedoch mangels Erwerbstätigkeit und aufgrund der terroristischen Vergangenheit nicht gelungen. Zudem seien die Verstöße des Klägers schwerwiegend. So lehne er die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ab, sei aktives Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen und schwerstkriminell geworden.

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  3. Einbürgerung: Wann führen Verurteilungen zu einer Straftat zur Ablehnung der Einbürgerung?

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    Will ein ausländischer Staatsangehöriger in den deutschen Staatsverband eingebürgert werden, muss er besondere Voraussetzungen erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass sowohl der Anspruch auf Ermessens- als auch der Anspruch auf Anspruchseinbürgerung voraussetzen, dass der Ausländer nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist.

    Einbürgerungsbehörde muss und darf keine eigene Prüfung der Straftat durchführen

    Eine rechtswidrige Tat ist eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. Siehe § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Insofern ist zu beachten, dass eine eigenständige Prüfung durch die Einbürgerungsbehörde ausgeschlossen ist. Das heißt, dass sich die Einbürgerungsbehörde voll und ganz auf die Entscheidung des Strafgerichts verlassen darf. Der Einbürgerungsbewerber sollte es also auf jeden Fall unterlassen, seine strafrechtliche Verurteilung gegenüber der Behörde als geringfügig darzustellen und zu verharmlosen.

    Alle Straftaten und Ermittlungsverfahren müssen angegeben werden

    Ganz besonders wichtig ist auch, im Einbürgerungsverfahren sämtliche Vorstrafen und laufende Ermittlungsverfahren anzugeben, denn die Einbürgerungsbehörde wird selbstständig eine Anfrage beim Bundeszentralregister stellen, um herauszufinden, ob der Ausländer eine Vorstrafe hat. Stellt sich heraus, dass dies der Fall ist und dass der Einbürgerungsbewerber bei dem Antrag auf Einbürgerung gelogen hat, ist alleine diese Lüge ein Ablehnungsgrund für die Einbürgerung.

    Welche Straftaten hindern die Einbürgerung nicht?

    Zu beachten ist auch, dass nicht jede Vorstrafe zur Ablehnung der Einbürgerung führt. Nach § 12a StAG bleiben Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen und Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt worden sind, außer Betracht. Liegt die Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat nur geringfügig über den Grenzen von 90 Tagessätzen bzw. bei einer Freiheitsstrafe geringfügig über drei Monaten, hat die Einbürgerungsbehörde einen Ermessensspielraum. Das heisst, sie kann die Einbürgerung trotz der Vorstrafe vornehmen, kann dies aber auch unterlassen. Die Grenze darf aber nicht zu weit überschritten sein. Bei einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen ist dieser Ermessensspielraum bereits nicht mehr gegeben.

    Genügt ein sauberes Führungszeugnis?

    Wichtig ist auch, dass es für die Einbürgerung nicht darauf ankommt, dass nichts mehr im polizeilichen Führungszeugnis auftaucht. Denn nicht alle Verurteilungen werden in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen, § 32 BZRG. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 6 BZRG dürfen Eintragungen, die in ein Führungszeugnis nicht aufgenommen werden, den Einbürgerungsbehörden für das Einbürgerungsverfahren zur Kenntnis gebracht werden. Es kommt für die Einbürgerung somit einzig und allein darauf an, ob die Eintragung noch im Bundeszentralregister steht. Die dahingehenden Tilgungsfristen liegen zwischen fünf und 20 Jahren, vergleiche § 46 BZRG. Insofern bestimmt § 51 BZRG, dass die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person erst dann im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden darf, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist.

    Hassverbrechen gegen Juden oder Israel führen ebenfalls zur Ablehnung der Einbürgerung

    Immer wieder führen auch Hassverbrechen gegen Juden (Antisemitismus) oder die Verherrlichung der Herrschaft des Nationalsozialismus dazu, dass Ausländer nicht eingebürgert werden. Dazu gibt es schon ausreichende Möglichkeiten im Strafgesetzbuch sowie im Staatsangehörigkeitsgesetz. So kann nach § 130 StGB ein Ausländer, der gegen Juden oder Israel hetzt, zu einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe verurteilt werden. Wie oben beschrieben würde dies ab einem gewissen Rahmen dann dazu führen, dass er wegen dieser Verurteilung nicht eingebürgert werden kann.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  4. Einbürgerung: Bei laufenden (auch ausländischen) Ermittlungsverfahren wird die Einbürgerung pausiert

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    VG München, Urteil v. 11.05.2023 – M 27 K 22.1811

    Grundsätzlich ist eine Einbürgerung ausgeschlossen, wenn der Einbürgerungsbewerber wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sofern diese nicht gemäß § 12a Staatsangehörigkeitsgesetz außer Betracht bleibt (z.B. Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen).

    Was passiert aber bei Ermittlungsverfahren und insbesondere ausländischen Ermittlungsverfahren? Damit hatte sich das Verwaltungsgericht München in dem vorliegenden Fall zu beschäftigen.

    Welche Arten von Einbürgerung gibt es?

    Sachverhalt des Falles:

    Kläger war US Amerikanischer Staatsangehöriger

    Der in den USA geborene, 62-jährige Kläger war US-Amerikanischer Staatsangehöriger. Er reiste in den 1960er Jahren gemeinsam mit seinen Eltern, einer deutschen Staatsangehörigen und einem US-Amerikanischen Soldaten, ins Bundesgebiet ein.

    Seither lebte der Kläger – abgesehen von zwei etwa dreimonatigen USA-Aufenthalten in den Jahren 1988 und 1994 – in der Bundesrepublik. Er verfügte bis zuletzt über eine Niederlassungserlaubnis.

    Nachdem ein Passantrag des Klägers vom US-Amerikanischen Generalkonsulat in München unter Verweis auf einen Haftbefehl aufgrund des Vorwurfs des Betrugs und Nichterscheinens aus dem Jahr 1994 abgelehnt worden war, stellte der Kläger beim zu diesem Zeitpunkt örtlich zuständigen Landratsamt einen Antrag auf Einbürgerung. Dabei gab er insbesondere einen USA-Aufenthalt von Februar 1988 bis Mai 1988 sowie ein im Jahr 1988 in den USA wegen des Vorwurfs von Betrug eingeleitetes Verfahren an.

    In der Folge wurde das Verwaltungsverfahren mehrmals ausgesetzt, der Kläger versuchte unter Beauftragung von Rechtsanwälten Nachweise zum Haftbefehl sowie zum Stand des Ermittlungsverfahrens beizubringen. Nach einem vom Kläger beigebrachten Dokument hatte das Verfahren gegen den Kläger nach einem Gerichtsprotokoll im Jahr 1993 begonnen.

    Gegen den Kläger lief in den USA ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahl durch Täuschung

    Gegenstand der Beschuldigung war ein Diebstahl durch Täuschung oder falsche Darstellung gem. § 3922 Buchst. a Nr. 1 des Kapitel 18 der Zusammenfassungsgesetze des US-Bundesstaates. Beim Grad des Deliktes handele es sich um ein Verbrechen dritten Grades, der niedrigsten Stufe eines Verbrechens. Das Verfahren habe den Status „nicht aktiv“. Die maximal zu erwartende Freiheitsstrafe für das verfahrensgegenständliche Delikt betrage 7 Jahre. Nach einer weiteren Mitteilung der USA sei eine Verjährung der gegen den Kläger erhobenen Anklage nicht möglich, da dieser das Gebiet der USA verlassen habe.

    Aufgrund eines Umzugs des Klägers wechselte im August 2019 die Zuständigkeit auf ein anderes Landratsamt.

    Der Kläger wurde durch das Landratsamt mit Schreiben vom 22. Juni 2020 sowie vom 9. August 2021 zu einer beabsichtigten Ablehnung angehört. Nach der zweiten Anhörung erfolgte keine Äußerung mehr.

    Das Landratsamt lehnte die Einbürgerung schließlich wegen des Ermittlungsverfahrens ab

    Mit Bescheid des Landratsamts vom 23. Februar 2022, wurde der Antrag auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG abgelehnt und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nicht vorlägen. Eine Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG sei, dass keine Verurteilung zu einer Strafe aufgrund einer rechtswidrigen Tat erfolgt sei.

    Gegen den Kläger sei durch die US-Behörden ein Haftbefehl erlassen worden, sodass nach § 12a Abs. 3 StAG das Einbürgerungsverfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen sei. Nach Aktenlage gebe es keine Möglichkeit des Klägers, das Verfahren selbst zu klären, da er befürchte, bei Einreise festgenommen zu werden. Auch durch die beauftragten Rechtsanwälte sei ein Verfahrensabschluss nicht zu erwirken gewesen. Nach der Mitteilung des bereits außergerichtlich Bevollmächtigten sehe das USamerikanische Recht eine Verjährung nicht vor. Da es dem Kläger innerhalb von vier Jahren seit der Antragstellung nicht gelungen sei, dass Strafverfahren in den USA abzuschließen und eine Verjährung nicht erfolgt sei, lägen die Voraussetzungen einer Einbürgerung nicht vollständig vor und könnten auf absehbare Zeit auch nicht erfüllt werden.

    Gegen die Ablehnung klagte der Kläger beim VG München

    Hiergegen klagte der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und ließ zunächst hauptsächlich beantragen, die Beklagte unter Bescheidsaufhebung zur Einbürgerung zu verpflichten.

    Zuletzt ließ er beantragen,

    1. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern;
    2. hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen;
    3. weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

    Zur Begründung der Klage führte der Kläger aus, dass hinsichtlich der Einbürgerungsvoraussetzungen einzig § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG streitig sei.

    Das seit dem 1994 in den USA anhängig Strafverfahren sei jedoch nicht durch Verhängung einer Strafe im Sinne der Norm rechtskräftig geworden. Die Aussetzungsregelung des § 12a Abs. 3 StAG sei nicht anwendbar. Denn das Ermittlungsverfahren sei durch Anklageerhebung beendet, sodass sich das Verfahren nach deutschem Verfahrensrecht im Zwischenverfahren befinde.

    Eine Ermittlung im Sinne des Gesetzes liege somit nicht mehr vor. Auch eine Verurteilung in den USA werde in Abwesenheit des Klägers nicht erfolgen. Mangels eines rechtsstaatlichen Verfahrens sei dem Kläger eine Anwesenheit nicht zumutbar. Mangels Verjährung nach Anklageerhebung werde eine Verfolgungsverjährung nicht eintreten.

    Entscheidung des Verwaltungsgerichts München:

    VG München bestätigte die ablehnende Entscheidung des Landratsamtes

    Das VG München hat nun entschieden, dass der Kläger weder den mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG, noch den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) oder den Anspruch auf ermessensfehlerfreie (Neu-)Entscheidung über seinen Einbürgerungsantrag (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) hat.

    Wir gegen einen Ausländer ermittelt ist das Einbürgerungsverfahren auszusetzen

    Wenn gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt wird, ist gem. § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle einer Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen.

    Daran gemessen hat der Kläger keinen Anspruch auf Einbürgerung. Auch wenn bei ihm die negative Voraussetzung § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG nicht vorliegt, ist dem Antrag nicht stattzugeben, sondern die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag nach § 12a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 StAG auszusetzen.

    Die Aussetzungsregel gilt auch für ausländische Ermittlungsverfahren

    Die Vorschrift ist entgegen der klägerseitigen Auffassung auf den Fall anwendbar.

    Es kann dahinstehen, ob der Verfahrensstand in den USA mit dem deutschen Zwischenverfahren gem. §§ 199 ff. StPO vergleichbar ist. Denn sowohl nach dem Wortlaut als auch dem Gesetzeszweck ist eine Aussetzung auch nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens im engeren Sinne erforderlich. Abzustellen ist auf den Abschluss des Strafverfahrens insgesamt, nicht lediglich auf das Ermittlungsverfahren. Maßgeblich ist somit das Strafverfahren im Ganzen.

    Dies ergibt sich systematisch in Zusammenschau mit dem zweiten Halbsatz des § 12a Abs. 3 Satz 1 AufenthG, der die Aussetzung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung vorschreibt, somit über das Ermittlungsverfahren hinaus auch im Zwischen- und Hauptverfahren.

    Desweiteren gilt § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG grundsätzlich auch für ausländische strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Voraussetzung für eine Einbürgerung ist grundsätzlich eine strafrechtliche „Unbescholtenheit“. Folgerichtig steht deshalb gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG unter anderem die Verurteilung zu einer Strafe wegen einer rechtswidrigen Tat einem Anspruch auf Einbürgerung entgegen.

    Tatbestandlich ist § 12a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 StAG somit aufgrund des in den USA nach wie vor bestehenden offenen Haftbefehls sowie des damit zusammenhängenden Strafverfahrens gegeben. In der Rechtsfolge des § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG ist somit – zwar nicht das Einbürgerungsverfahren als solches, aber – die Entscheidung über die Einbürgerung auszusetzen.

    Nichts anderes ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 12a Abs. 1 und 2 StAG.

    Nach § 12a Abs. 2 StAG sind ausländische Verurteilungen zu Strafen zu berücksichtigen, wenn (1.) die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, (2.) die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und (3.) das Strafmaß verhältnismäßig ist.

    Eine solche Verurteilung kann dann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Für ausländische Verurteilungen gilt § 12a Abs. 1 StAG entsprechend, sodass geringfügige Verurteilungen außer Betracht bleiben können.

    Es kann offenbleiben, ob insoweit eine vergleichbare Interessenlage zwischen einer schon ergangenen und einer noch ausstehenden ausländischen Verurteilung vorliegt, wenn hinreichend sicher zu erwarten ist, dass auch nach Ergehen des Urteils das abgeurteilte Verhalten im Inland als nicht strafbar, das Verfahren nicht als rechtsstaatlich, das Strafmaß als unverhältnismäßig oder als Bagatellverurteilung anzusehen wäre, somit eine Aussetzung aufgrund der absehbaren Unbeachtlichkeit leerlaufen und deshalb ausnahmsweise vom Abwarten der Verfahrensbeendigung abgesehen werden könnte. Denn dies kommt im konkreten Fall jedenfalls nicht in Betracht.

    Nach der Strafhöchstandrohung von 7 Jahren Freiheitsstrafe im Verfahren gegen den Kläger kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine spätere Verurteilung in jedem Fall nach § 12a Abs. 1 und 2 Satz 3 StAG außer Acht bleiben kann.

    Die Handlungen des Klägers in den USA wären auch in der BRD als strafbar anzusehen

    Der Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist auch im Inland als strafbar anzusehen. Die vorgeworfene Tat eines Diebstahls durch Täuschung oder falsche Darstellung gem. § 3922 Buchst. a Nr. 1 des Kapitel 18 der Zusammenfassungsgesetze des US-Bundesstaates … entspricht im Wesentlichen einem Diebstahl gem. § 242 Abs. 1 StGB bzw. einem Betrug gem. § 263 Abs. 1 StGB.

    Stichhaltige Anhaltspunkte für den klägerseitigen Einwand, dass eine Verurteilung des Klägers in den USA in einem rechtsstaatswidrigen Verfahren ergehen und damit außer Betracht bleiben könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere führt allein der Umstand, dass nach den klägerseitig beigebrachten Informationen eine Verfolgungsverjährung im Fall des Klägers nach Anklageerhebung und Ausreise nicht eintritt, nicht zu einer Rechtsstaatswidrigkeit.

    Das Verfahren in den USA ist auch nicht als rechtsstaatswidrig anzusehen

    Als Maßstab für die Beurteilung der Rechtsstaatlichkeit kann nicht ausschließlich auf die in der Bundesrepublik geltenden materiellen und verfahrensrechtlichen Erfordernisse abgestellt werden, die das Rechtsstaatsgebot des Grundgesetztes konkretisieren. Vielmehr ist maßgeblich, ob die strafgerichtliche Verurteilung auch unter Berücksichtigung abweichender materieller und prozessualer Normen den im europäischen Rechtsraum geltenden Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit genügen, wie sie auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 EMRK – Recht auf ein faires Verfahren) und der EU-Charta der Grundrechte (Art. 49 GRCh – Grundsätze der Gesetzesmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit) niedergelegt sind.

    Grundsätzlich besteht für die Regelung der Verjährung als Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Allgemeinheit an bestimmten Eingriffen und des Einzelnen an Rechtssicherheit ein weiter Gestaltungspielraum, der dadurch begrenzt ist, dass berechtigte Interssen der vom Eingriff belasteten Bürger nicht völlig unberücksichtigt bleiben dürfen und ganz von einer Regelung abgesehen wird, die dem Eintritt der Belastung eine bestimmte zeitliche Grenze setzt. Allein daraus ergibt sich jedoch nicht, dass ein Strafrecht, das gesetzgeberisch intendiert für bestimmte Konstellationen eine Unverjährbarkeit der Strafverfolgung vorsieht, rechtsstaatswidrig wäre.

    Das in den USA zu erwartende Strafmaß ist auch nicht als unverhältnismäßig anzusehen

    Auch eine Unverhältnismäßigkeit des (zu erwartenden) Strafmaßes kommt nicht in Betracht. Dass für eine diebstahls- bzw. betrugsähnliche Tat (Strafrahmen nach § 242 Abs. 1 StGB bzw. § 263 Abs. 1 StGB bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe) eine Strafe von bis zu 7 Jahren Freiheitsstrafe angedroht wird, lässt nicht erwarten, dass die Strafe dem Unrechts- und Schuldgehalt in keiner Weise gerecht werden wird.

    Auch ein Zeitablauf seit der (vorgeworfenen) Tatbegehung, Verfahrenseinleitung, Anklageerhebung sowie Haftbefehlserlass kann eine Beendigung der Entscheidungsaussetzung nicht begründen. Solches ist gesetzlich nicht vorgesehen.

    Im Hinblick auf die für die Einbürgerung grundsätzlich geforderte Unbescholtenheit sind die nach § 51 Abs. 1 BZRG getilgten Vorverurteilungen einbürgerungsunschädlich.

    Die Tilgungsvorschriften des BZRG sind auf Ermittlungsverfahren nicht anzuwenden

    Die Tilgungsvorschriften des § 51 Abs. 1 BZRG sind jedoch auf laufende Ermittlungsverfahren nicht entsprechend anzuwenden. Denn Sinn und Zweck der Norm ist die Tilgung des Makels der Verurteilung und die Erleichterung der Resozialisierung, eine solche ohne Verurteilung nicht erforderlich. Die Unbescholtenheit des Einbürgerungsantragstellers kann somit erst dann durch Zeitablauf wiederhergestellt sein, wenn das Strafverfahren zu einem Abschluss gekommen ist.

    Es ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass dies im konkreten Fall des Klägers aufgrund einer dauerhaft gehemmten Verfolgungsverjährung in den USA dazu führt, dass für den Kläger allein durch Zeitablauf eine Klärung der Unbescholtenheit im Sinne des Staatsangehörigkeitsrechts nicht eintreten kann, ohne dass er sich aktiv um eine anderweitige Beendigung des Strafverfahrens in den USA bemüht.

    Art. 116 Abs. 1 Var. 1 GG verfügt über einen weitreichenden Gesetzesvorbehalt, sodass die Regelung der Staatsangehörigkeit ohne weitere Vorgaben durch den nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG ausschließlich zuständigen Bundesgesetzgeber erfolgen kann. Das heißt, dass sich der Erwerb und – vorbehaltlich des Art. 16 Abs. 1 GG – der Verlust der Staatsangehörigkeit grundsätzlich nach dem einfachgesetzlichen Staatsangehörigkeitsgesetz der jeweils geltenden Fassung richtet. Abgesehen von einem Willkürverbot und der institutionellen Garantie der Staatsangehörigkeit kann der Gesetzgeber den Zugang zum verfassungsrechtlichen Status des Deutschen sowohl erweiternd als auch einengend frei steuern.

    Dass der Kläger aufgrund der Unverjährbarkeit des Ermittlungsverfahrens in den USA ohne eine anderweitige Beendigung gegebenenfalls auf Dauer nicht einzubürgern ist, führt weder zu einer Abschaffung der Institution der deutschen Staatsangehörigkeit noch besteht insoweit eine gesetzgeberische Willkür. Das gesetzgeberische Ziel einer Suspendierung des Einbürgerungsanspruchs aufgrund von im Ausland geführte Ermittlungs- und Strafverfahren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Durch den Erwerb der Staatsangehörigkeit wird ein besonderes, zu wechselseitigem Schutz und Treue verpflichtendes Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger mit demokratischer Teilhabefunktion begründet.

    Die gesetzgeberische Entscheidung, dieses Rechtsverhältnis bis zur Klärung der Unbescholtenheit des Einbürgerungsantragstellers nicht zu begründen, ist sachlich und damit willkürfrei.

    Da somit derzeit eine Entscheidung über den Einbürgerungsantrag des Klägers nicht in Betracht kommt, bedarf es auch keiner hilfsweise begehrten, zur Aufgabe der früheren Staatsangehörigkeit erforderlichen Einbürgerungszusicherung.

    Da als Folge des § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag auszusetzen ist, kommt auch eine Verpflichtung des Beklagten zur Neuentscheidung nicht in Betracht.

    Quelle VH München

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