Geburtsortprinzip vs Abstammungsprinzip Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Geburtsortprinzip vs Abstammungsprinzip

  1. Ausländerrecht: Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach dem Geburtsortprinzip

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    Bundesverwaltungsgericht, 26.04.2016, Az.: BVerwG 1 C 9.15

    Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht kennt sowohl das Abstammungsprinzip als auch das Geburtsortprinzip.

    abstammungsprinzip_geburtsortprinzip

    Nach dem Abstammungsprinzip erwirbt ein Kind mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn die Mutter oder der Vater oder beide deutsche Staatsbürger sind.

    Seit dem 01.01.2000 gilt neben dem Abstammungsprinzip allerdings auch das Geburtsortsprinzip (ius soli) nach § 4 Abs. 3 StAG.  Danach erwerben Kinder, deren beide Elternteile nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, unter bestimmten Voraussetzungen mit der Geburt in Deutschland automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland hat. 4 Abs. 3 StAG lautet:

     Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

        • seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und
        • ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.

    Immer wieder strittig ist die Frage, welche Aufenthaltszwecke zu einem „rechtmäßigen“ Aufenthalt nach § 4 Abs. 3 StAG führen. In dem hier besprochenen Fall des Bundesverwaltungsgerichts hatte dieses im Rahmen der Revision darüber zu entscheiden, ob auch Aufenthalte zu Studienzwecken dazugehören.

    Der Fall

    Die Eltern der im Mai 2013 im Bundesgebiet geborenen Klägerin waren israelische Staatsangehörige.

    Ihr Vater war im Jahre 1999 zu Studienzwecken nach Deutschland gekommen. Nach Heirat mit einer Deutschen hatte er im Jahre 2004 eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erhalten, 2006 nach Trennung von seiner deutschen Ehefrau eine Aufenthaltser­laubnis zu Studienzwecken und 2010 nach erfolgreichem Abschluss seines Medizinstudiums eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung.

    Eltern waren der Ansicht, dass die Tochter die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe

    Seit September 2011 war er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Als die Eltern dann für die Tochter der Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit durch die beklagte Behörde feststellen lassen wollten, stellte die Beklagte dann im Jahre 2013 fest, dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt im Inland erworben habe, weil der Aufenthalt ihres Vaters zeitweilig nur zu Studienzwecken erlaubt gewesen sei und dies für § 4 Abs. 3 StAG nicht reichen würde.

    Hiergegen reichte die Klägerin Klage ein und hatte in den Vorinstanzen beim Verwaltungsgericht Ansbach und beim Bayrischen Verwaltungsgerichtshof Erfolg. Gegen das letzte Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes reichte die Klägerin dann Revision zum Bundesverwaltungsgericht ein.

    Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

    Das BVerwG sah wie die Vorinstanzen das Geburtsortsprinzip als anwendbar an

    Auch das Bundesverwaltungsgericht folgte den vorhergehenden Instanzen und urteilte, dass die Klägerin nach dem in § 4 Abs. 3 S. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) verankerten Geburtsortsprinzip die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe. Nach dem Geburtsortsprinzip (ius soli) erwerbe ein Kind ausländischer Eltern durch Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil hier über einen verfestigten Aufenthalt verfüge.

    Dieser verfestigte Aufenthalt setzte u.a. voraus, dass der Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Ein gewöhnlicher Aufenthalt liege vor, wenn der Ausländer sich im Inland nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit aufhalte.

    Die Rechtmäßigkeit des gewöhnlichen Aufenthalts könne sich auch aus einer Aufenthaltserlaubnis zu Ausbildungszwecken ergeben. Dem stünde nicht entgegen, dass diese nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Aufenthaltszweck erteilt werde. Denn seit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes im Jahre 2005 könnten auch Aufenthaltstitel zu Ausbildungszwecken in einen Daueraufenthalt münden. Damit genügten sie den an die Rechtmäßigkeit eines gewöhnlichen Aufenthalts zu stellenden Anforderungen im Staatsangehörigkeitsrecht, wenn sie dem Ausländer einen Zugang zu einer dauerhaften Aufenthaltsposition eröffnet hätten.

    Der gesamte Aufenthalt des Vaters sei seit über 8 Jahren rechtmäßig

    Vorliegend habe der Vater der Klägerin bei deren Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit über acht Jahren im Inland, da trotz wechselnder Aufenthaltszwecke ein Ende seines Aufenthalts zu keinem Zeitpunkt abzusehen gewesen sei. Der gewöhnliche Aufenthalt sei in dieser Zeit auf der Grundlage der ihm erteilten Aufenthaltstitel auch bis auf eine Unterbrechung von wenigen Tagen im Jahre 2008 rechtmäßig gewesen. Auch die auf einer verspäteten Antragstellung beruhende Unterbrechung sei nach § 12b Abs. 3 StAG unbeachtlich.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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