Gleichbehandlungsgrundsatz Arbeitsrecht Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Gleichbehandlungsgrundsatz Arbeitsrecht

  1. Mietrecht: Schadensersatz wegen Diskriminierung eines türkischen Interessenten bei Wohnungsvermietung

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    Amtsgericht Charlottenburg, 14.01.2020, Az. 203 C 31/19

    Nach dem im Privatrecht geltenden Grundsatz der Privatautonomie, der sich aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 GG ableitet, kann sich jeder seinen Vertragspartner frei aussuchen und ablehnen. Der Gesetzgeber hat jedoch mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ein Gesetz erlassen, dass Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern oder beseitigen soll. Dies gilt nach § 2 I Nr.8 AGG insbesondere auch für den Zugang zu öffentlich angebotenem Wohnraum. Wird gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, stehen dem Benachteiligten verschiedene Ansprüche zu. Nach § 21 AGG kann er die Beseitigung der Benachteiligung (§ 21 I 1 AGG) und das zukünftige Unterlassen (§ 21 I 2 AGG) verlangen. Ebenso steht ihm ein Schadensersatzanspruch zu (§ 21 II 1 AGG). Ist der erlittene Schaden kein Vermögensschaden, sondern etwa die Verletzung des Persönlichkeitsrechts, kann der Benachteiligte auch dies in Geld entschädigt verlangen. Sicherlich ist eine Diskriminierung nicht immer leicht nachzuweisen.

    Im nachstehenden Urteil stellt das Amtsgericht Charlottenburg jedoch klar, dass hinreichende Indizien auf ethnische Diskriminierung im Bewerbungsverfahren für eine Wohnung einen Schadensersatzanspruch begründen.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Ein abgewiesener türkischer Wohnungsbewerber macht Ansprüche wegen Diskriminierung geltend

    Im vorliegenden Fall streiten die Parteien darüber, ob die eine Partei die andere beim Wohnungsvergabeverfahren wegen ihres Namens diskriminiert hat. Kläger ist ein Wohnungsbewerber mit türkisch klingendem Namen, Beklagte eine Vermieterin, die über 100.000 Wohnungen in Berlin anbietet.

    Im Oktober 2018 bewirbt sich der Kläger um die Besichtigung einer von der Beklagten inserierten Wohnung, wobei die Bewerbung außer Namen und Kontaktdaten keine persönlichen Daten des Klägers enthält. Die Bewerbung wird jedoch mit Verweis auf die zahlreichen anderen Bewerber abgelehnt. Am Tag der Ablehnung bewirbt er sich unter fiktivem (deutschklingendem) Namen erneut auf dieselbe Wohnung, woraufhin er am Tag danach eine Einladung zur Besichtigung erhält. Er fährt daher zum Servicepoint der Beklagten und gibt seine Bewerbungsunterlagen ab. Trotz der Einladung teilt ihm eine Mitarbeiterin der Beklagten mit, dass die Wohnung bereits vergeben sei. Daraufhin bittet der Kläger einen sonst nicht involvierten Arbeitskollegen, sich als der Mann mit dem fiktiven Namen der zweiten Bewerbung auszugeben und nach dem Stand der Wohnung zu erkundigen. Die Mitarbeiterin der Beklagten am Telefon teilt daraufhin mit, dass er die Wohnung gerne besichtigen könne.

    Kläger hatte sich bei Wohnungsunternehmen auf mehrere Wohnungsinserate beworben

    Im November wiederholt sich dasselbe für eine andere von der Beklagten inserierten Wohnung. Daraufhin wendet sich der Kläger an die Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, welche die Beklagte mit dem geschilderten Sachverhalt konfrontiert. Die Fachstelle wies die Beklagte auf das Vorliegen einer Diskriminierung iSd. § 21 AGG hin. Darüber hinaus macht der Kläger seine Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung, Schadensersatz und Entschädigung geltend. Die Beklagte weist den Diskriminierungsvorwurf mit der Begründung zurück, dass ein Fehler bei der Bearbeitung von einer Vielzahl von Bewerbungen aufgetreten sei.

    Der Kläger berichtet außerdem davon, dass seine E-Mail-Adresse für Onlineanfragen auf der Seite der Beklagten gesperrt wurde, nachdem das Schreiben von der Fachstelle bei der Beklagten zuging.

    Er beantragt, dass das Gericht die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung verurteilt.

    Die Beklagte behauptet dagegen, dass die Verteilung von Einladungen und Absagen auf dem Zufallsprinzip beruhe. Ihre Mitarbeiter ließen sich auch nicht von einem deutsch oder türkisch klingenden Nachnamen leiten. Auch sei die E-Mail-Adresse des Klägers nicht gesperrt worden, sondern nur in einen Modus versetzt worden, in dem keine automatisch generierten Antworten versendet würden. Dies wurde getan, um sich zunächst intern mit den Vorwürfen des Klägers auseinanderzusetzen. Des Weiteren gingen die Mitarbeiter der Beklagten davon aus im Einklang mit den Bestimmungen des AGG zu handeln, sodass kein Verschulden vorliege.

    Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

    Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg

    Amtsgericht Charlottenburg verurteilte das Wohnungsunternehmen auf Zahlung von EUR 3.000,00

    Das Amtsgericht Charlottenburg hält die Klage für zulässig und begründet und verurteilt die Beklagte zur Zahlung von 3000 € an den Kläger.

    Das Gericht legt zunächst dar, dass der Anwendungsbereich des AGG eröffnet ist, da es sich in dem Rechtsstreit um das öffentliche Zurverfügungstellen von Wohnraum iSd. § 2 I Nr.8 AGG handelt. Ferner führt es aus, dass die Indizien dafürsprechen, dass die Ablehnung aufgrund des türkisch klingenden Namens erfolgt seien und die Beklagte Gegenteiliges nicht Beweisen konnte. Es bejaht daher einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aufgrund der ethnischen Herkunft gemäß § 19 II AGG. Die Benachteiligung sei in der weniger günstigen Behandlung in vergleichbarer Situation aus einem der in § 1 AGG genannten Gründen, hier die ethnische Herkunft, zu sehen. Dies gelte auch bereits im Vorfeld der Vermietung während des Bewerbungsverfahrens.

    Ein Wohnungsbewerber mit deutschem Namen sei günstiger behandelt worden

    Ein Bewerber mit deutsch klingendem Namen sei günstiger behandelt worden als ein Bewerber mit türkisch klingendem Namen. Hierfür konnte der Kläger ausreichende Indizien darzulegen. Insbesondere sei auch das durchgeführte „Testing-Verfahren“ zulässig gewesen, im Rahmen dessen der Kläger bzw. sein Kollege am Telefon unter falschem Namen aufgetreten ist. Die aussagekräftigen Indizien konnte die Beklagte nicht widerlegen. Nach Überzeugung des Gerichts könne zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass die Ablehnung aufgrund der ethnischen Herkunft erfolgte. So gibt eine Mitarbeiterin in der Vernehmung an, bei der Vermietung auf eine „gesunde Mischung“ im Wohnhaus zu achten, wobei die Herkunft der Bewerber eine Rolle spiele. Später relativiert sie dies zwar, woran das Gericht erhebliche Zweifel hegt und zudem weitere Unstimmigkeiten erkennt. Die gesunde Mischung könne zwar eine Ungleichbehandlung gemäß § 19 III AGG rechtfertigen, jedoch nur zum Zweck von „positiven Maßnahmen“ iSd. § 5 AGG. Hierbei beruft sich das Gericht auf eine Entscheidung des AG Hamburg-Barmbek vom 3.02.2017 (Az. 811b C 273/15). Diesen Zweck konnte die Beklagte allerdings nicht nachweisen.

    Gericht stellte fest, dass die Diskriminierung zumindest fahrlässig erfolgt sei

    Auch lehnt das Gericht die Auffassung ab, dass ein Anspruch des Klägers nach § 21 II 3 AGG nur bei vorsätzlicher Diskriminierung bestehe, da eine solche Einschränkung nicht ersichtlich sei. Es stellt außerdem fest, dass die Diskriminierung zumindest fahrlässig erfolgte. Dies begründet es damit, dass die Beklagte nicht ansatzweise zu verhindern versucht habe, solche Diskriminierungen zu verhindern. So habe es beispielsweise keine Schulungen der Mitarbeiter gegeben, was hinsichtlich der vielen vermieteten Wohnungen (über 100.000) zu erwarten gewesen wäre.

    Die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe macht das Gericht von der Genugtuung des Opfers, der Intensität der Persönlichkeitsverletzung und des Präventionsgedankens abhängig. Auch den Verschuldensgrad und den Benachteiligungsvorsatz lässt es in die Berechnung mit einfließen. Es ermittelt einen Betrag von 3000 € als angemessen, wobei es auf die Tatsache hinweist, dass dem Kläger aufgrund der Größe der Beklagten ein erheblicher Anteil des Wohnungsmarktes in Berlin abgeschnitten wurde.

    Zuletzt weist es auf die zweimonatige Frist des § 21 V AGG hin, innerhalb derer der Kläger seinen Anspruch bei der Klägerin geltend machen muss.

    Quelle: Amtsgericht Charlottenburg

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Arbeitsrecht: Mitbringen von Hunden in Diensträume – Rechtswidrigkeit eines ausgesprochenen Verbots

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    Arbeitsgericht Bonn, 09.08.2017, Az.: 4 Ca 181/16

    Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz besagt, dass der Arbeitgeber bei begünstigenden Maßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern keinen einzelnen Arbeitnehmer aus willkürlichen Gründen schlechter als andere, mit ihm vergleichbare Arbeitnehmer behandeln darf. Dieser Grundsatz leitet sich aus Art. 3 GG (Gleichheitsgrundrecht), aus dem zivilrechtlichen Prinzip von „Treu und Glauben“ oder aus der „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers her. Er gilt unabhängig vom allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 2 Abs. 3 AGG).

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Kläger wollten Schäferhund in die Diensträume bringen

    Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit des seitens des Beklagten Landes ausgesprochenen Verbots an die Kläger, einen weiteren Schäferhund in die Diensträume mitbringen zu dürfen. Die Kläger arbeiten für den Landesbetrieb X. des beklagten Landes. Die Kläger besaßen bei Klageerhebung bereits seit über acht Jahren einen Schäferhund, den sie – ebenfalls wie die vorherige Hündin über zwölf Jahre – täglich zur Arbeit in die Diensträume mitbrachten und weiterhin mitbringen. Darüber hinaus bringt der Leiter des Regionalforstamtes S., Herr T., seine Bracke sowie seinen Gebirgsschweißhund mit in die Diensträume. Der Mitarbeiter T. brachte seine Kopov-Bracke, welche 2016 verstarb, mit in die Diensträume. Schließlich bringt der Mitarbeiter X. sehr selten seinen Dackel mit. Mit Ausnahme des Schäferhundes der Kläger gehören die benannten Hunde zu den Jagdhunderassen.

    In anderen Forstämtern der Beklagten wird das Mitbringen von Hunden, die nicht zu den Jagdhunderassen gehören, geduldet. Der Mitarbeiter Q. nimmt zwei Berner Sennenhunde mit zu seinem Arbeitsplatz im Waldinformationszentrum I. in X.; eine Mitarbeiterin des Regionalforstamts K. bringt ihren Chow Chow mit zur Arbeit.

    Kläger begehrten Feststellung, dass das gegenüber ihnen ausgesprochene Verbot rechtswidrig ist

    Wenige Wochen vor Klageerhebung schafften sich die Kläger einen zweiten Schäferhund an, den sie ebenfalls mit in die Diensträume bringen wollten. Dieses untersagte ihnen der Dienstherr unter dem Hinweis, dass nur das Mitbringen von Jagdhunden zulässig sei. Das Mitbringen des Schäferhundes sei eine Ausnahme gewesen.

    Der eine Schäferhund verstarb während der Klage, jedoch wollen sich die Kläger nunmehr einen neuen Hund zulegen, den sie ebenfalls mit in die Diensträume bringen wollen.

    Daher begehren die Kläger, die Feststellung, dass das gegenüber ihnen ausgesprochene Verbot rechtswidrig ist, da es gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

    Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn

    Gericht entscheidet, dass das Verbot gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG verstoße

    Das Arbeitsgericht Bonn urteilte nun, dass die Klage zulässig und begründet sei. Die Versagung des Mitbringens des zweiten Schäferhundes verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG und sei damit rechtswidrig.

    Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete es dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Dem Arbeitgeber sei nicht nur eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe untersagt; bildet er Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss auch die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Die Gruppenbildung sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck diene und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen sei. Eine Gruppenbildung sei sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung der Personenkreise keine billigenswerten Gründe gäbe (BAG, Urt. v. 12.12.2007 – 10 AZR 24/07, juris, Rn. 21). Im Bereich der Privatwirtschaft gelte: Einzubeziehen in den Vergleich sind alle Arbeitnehmer des Unternehmens, nicht allein des Betriebs (BAG, Urt. v. 22.12.2009 – 3 AZR 136/08, NZA-RR 2010, 541).

    Nach den vorgenannten Kriterien zum allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz seien jegliche Dienststellen des Landes zu berücksichtigen und nicht nur jene der jeweiligen Dienststellen einer Gemeinde.

    Differenzierung zwischen Jagd- und sonstigen Hunderassen sei nicht nachvollziehbar

    Die durch das beklagte Land ausgesprochene Versagung sei rechtswidrig, da die Differenzierung zwischen Jagd- und sonstigen Hunderassen nicht nachvollziehbar sei und insbesondere nicht in allen Dienststellen vollzogen werde. Für die Rechtmäßigkeit wäre es erforderlich gewesen, dass das beklagte Land substantiiert darlege, welche sachlichen Gründe die Ungleichbehandlung rechtfertige. Dies sei vorliegend unterblieben.

    Folglich sei die Ungleichbehandlung rechtswidrig. Die Klage war daher begründet.

    Quelle: Arbeitsgericht Bonn

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