Kann ich mit deutschem Kind ausgewiesen werden? Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Kann ich mit deutschem Kind ausgewiesen werden?

  1. Ausländerrecht: Kann eine wohl missbräuchlich anerkannte Vaterschaft durch einen Deutschen zu einem Aufenthaltsrecht einer ausländischen unverheirateten Mutter führen?

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    Verwaltungsgerichtshof München, 11.03.2019, Az. 19 BV 16.937

    Es kommt vor, dass Ehen oder sonstige Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Deutschen und (nicht-EU-)Ausländern nur zu dem Zweck geschlossen werden, dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verschaffen. Wann sich ein Ausländer in Deutschland legal aufhalten darf, bestimmt das Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Nach § 28 AufenthG wird ein Nachzug der Familie zu Deutschen ermöglicht. In § 27 Ia AufenthG sind allerdings Fälle normiert, in denen der Familiennachzug nicht zugelassen ist. Dies gilt neben erzwungenen Ehen auch für missbräuchlich geschlossenen Ehen oder sonstigen Verwandtschaftsverhältnissen. Der Missbrauch ist darin zu sehen, dass das Verwandtschaftsverhältnis nur zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltsrechts des Ausländers geschlossen wurde, ein richtiges Verwandtschaftsverhältnis also gar nicht vorliegt. Neben einer Scheinehe sollen also auch sog. Zweckpartnerschaften oder Zweck-Adoptionen verhindert werden. Nicht klar ist, inwieweit auch die Anerkennung der Vaterschaft eines deutschen Kindes oder gar die Zeugung eines Kindes zum Zweck eines Aufenthaltsrechts umfasst ist. Denn wenn das Kind die deutsche Staatsbürgerschaft innehat, haben auch die Eltern ein Aufenthaltsrecht, um für das Kind zu sorgen.

    Im nachstehenden Urteil stellt der Verwaltungsgerichtshof München (VGH München) klar, dass die wohl missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft für ein Kind einer ausländischen Mutter durch einen Deutschen keinen Fall des § 27 Ia Nr.1 AufenthG darstellt.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Klägerin verklagte Ausländerbehörde auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen eines deutschen Kindes

    Im vorliegenden Fall streiten die Parteien darüber, ob der Entzug einer Aufenthaltsgenehmigung rechtmäßig war bzw. ob ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung besteht. Klägerin ist die Mutter eines Kindes mit deutscher Staatsangehörigkeit, Beklagte eine Ausländerbehörde.

    Die Klägerin ist vietnamesische Staatsangehörige und hält sich seit dem Jahr 2005 ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland auf. Im September 2006 bringt sie ein Kind zur Welt, für das der deutsche Staatsangehörige W. bereits am 18.5.2006 die Vaterschaft anerkennt, womit es ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt. Die Mutter erhält in den Folgejahren immer neue Aufenthaltsgenehmigungen, die immer wieder verlängert werden. Einmal setzt die Beklagte jedoch das Aufenthaltserlaubnisverfahren mit der Begründung aus, dass die biologische Vaterschaft zweifelhaft sei.

    Wegen Zweifeln an der biologischen Vaterschaft wurde diese durch die Ausländerbehörde angefochten

    Einen DNA-Test lehnt die Klägerin ab. Die Vaterschaft W.‘s wird daraufhin angefochten. Aufgrund der Verfassungswidrigkeit der entscheidenden Norm wird die Anfechtung der Vaterschaft zurückgezogen. Daraufhin beantragt die Klägerin eine Wiederaufnahme des Aufenthaltserlaubnisverfahrens, da sie nach § 28 I Nr.3 AufenthG einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis habe. Den zwischenzeitlich eingeführten Versagungsgrund gemäß § 27 Ia AufenthG hält sie für nicht anwendbar, da nicht feststehe, dass das Verwandtschaftsverhältnis nur zum Erhalt eines Aufenthaltstitels geschlossen wurde.

    Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht wies die Klage ab

    Am 24.3.2016 weist das Verwaltungsgericht ihre Klage ab, da es den Versagungsgrund des § 27 Ia AufenthG für gegeben sieht. Hiergegen legt die Klägerin Berufung ein und beantragt daher die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts und die Ausländerbehörde zu verpflichten, ihr eine Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 28 I Nr. 3 AufenthG zu erteilen.

    Daraufhin legt die Klägerin Berufung ein

    Die Ausländerbehörde beantragt Abweisung der Klage. Sie hält § 27 Ia Nr.1 AufenthG für anwendbar, da sie die Vaterschaft des W. nicht anerkennt.

    Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes München

    VGH München verpflichtete die Ausländerbehörde zur Einbürgerung der Klägerin

    Der VGH München gibt der Berufung der Klägerin statt, ändert das Urteil des Verwaltungsgerichts ab und verpflichtet die Ausländerbehörde die erwünschte Aufenthaltsgenehmigung aufgrund des Anspruchs aus § 28 I 1 Nr.3 AufenthG zu erteilen. Das Gericht führt dazu aus, dass die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage nie bestritten wurden und keine sonstigen Bestimmungen entgegenstehen.

    Hierzu stellt es zunächst fest, dass § 1597a BGB und § 85a AufenthG, die zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht zwecks Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen geschaffen wurden, nicht mehr anwendbar sind. Dies begründet es mit der bereits erfolgten Beurkundung der Vaterschaft und der Länge des verstrichenen Zeitraums von immerhin über 10 Jahren. Die Vaterschaft selbst könne somit nicht mehr rechtswirksam abgesprochen werden.

    Für den VGH bleibt somit allein klärungsbedürftig, ob § 27 Ia Nr.1 AufenthG den Anspruch vereiteln kann, oder ob dieser unanwendbar ist. So wäre die Aufenthaltsgenehmigung zu versagen, wenn feststeht, dass das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, der Mutter den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Für die Norm kommt es also nicht mehr auf die Wirksamkeit des Verwandtschaftsverhältnisses an. Sie setzt die Wirksamkeit voraus und betrachtet nur den Zweck, zu dem das Verwandtschaftsverhältnis geschlossen wurde. Das Gericht hält die streitgegenständliche Konstellation für nicht von § 27 Ia Nr.1 AufenthG umfasst, womit diese nicht anwendbar sei.

    Zunächst stellt es klar, dass die Anerkennung der Vaterschaft grundsätzlich ein Verwandtschaftsverhältnis begründet, diese missbräuchlich vorgenommen werden kann und sich auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels auswirken kann. Anschließend differenziert es in zwei verschiedene Konstellationen, in denen diese Auswirkungen eintreten können.

    So kann einerseits ein ausländischer Vater die Vaterschaft für ein deutsches Kind anerkennen, um einen Aufenthaltstitel zu erhalten.

    Andererseits kann ein Deutscher die Vaterschaft für das Kind einer ausländischen unverheirateten Mutter anerkennen, wodurch das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt und die Mutter gegebenenfalls ein Aufenthaltsrecht zur Personensorge (vorliegende Konstellation).

    Der VGH München sieht § 27 Ia Nr.1 AufenthG nur für erste Konstellation anwendbar, da gerade durch die Anerkennung der Vaterschaft das Verwandtschaftsverhältnis entstehe. Im vorliegenden Fall entstehe das Verwandtschaftsverhältnis allerdings nicht durch die Anerkennung der Vaterschaft, sondern durch die gelebte Mutter-Kind-Beziehung. Die Mutter begehrt auch keinen Aufenthaltstitel, um zu Herrn W. zu ziehen. Sie will in Deutschland bleiben, um für ihr deutsches Kind zu sorgen.

    Gericht sah Regelungslücke und forderte Gesetzgeber zum Handeln auf

    Dass der Gesetzgeber auch ein missbräuchlich begründetes Mutter-Kind-Verhältnis umfassen wollte, hält das Gericht für zweifelhaft. Zur Klärung der Frage untersucht es ausführlich die Gesetzgebungsmaterialien, das Urteil des Verwaltungsgerichts und die Stellungnahme der Landesanwaltschaft Bayern, kann dem jedoch diesbezüglich nichts entnehmen. Es stellt lediglich fest, dass der Gesetzgeber Missbrauch bei der Anerkennung der Vaterschaft zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts verhindern wollte, dies für die vorliegende Konstellation jedoch nicht mit § 27 Ia Nr.1 AufenthG geschafft hat.

    Somit prüft es anschließend, inwieweit die Norm dennoch direkt, notfalls analog anzuwenden ist, um der unspezifischen Absicht der Verhinderung von Missbrauch gerecht zu werden.

    Eine direkte Anwendung verstoße jedoch gegen den Grundsatz, dass eine wirksame Vaterschaftsanerkennung nur dann unberücksichtigt bleiben könne, wenn sie erfolgreich angefochten ist.

    Eine analoge Anwendung scheitert am Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke. So könne das Aufenthaltsrecht der Mutter nur durch Herbeiführen der Unwirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung verhindert werden, dies sei jedoch nicht Zweck des § 27 Ia Nr.1 AufenthG.

    Für eine direkte oder analoge Anwendung der Norm sucht es außerdem vergeblich in Rechtsprechung und Literatur.

    Der VGH München erklärt § 27 Ia Nr.1 AufenthG für die streitgegenständliche Konstellation für unanwendbar und fordert den Gesetzgeber zum Tätigwerden auf, sofern er die Konstellation umfasst sehen will.

    Quelle: VGH München

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  2. Ausländerrecht: Anspruch auf Familiennachzug zum deutschen Kind kann auch bei mißbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung bestehen.

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    Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, 23.08.2012, Az.: 18 A 537/11

    Zum 01.07.1998 wurde das neue Kindschaftsrechtsreformgesetz eingeführt, in welchem festgelegt wurde, dass die gemeinsame elterliche Sorge und der enge Kontakt zu beiden Elternteilen für das gesunde Aufwachsen eines Kindes erforderlich sind. Dadurch hat sich auch die aufenthaltsrechtliche Situation für binationale Paare mit gemeinsamen Kindern entscheidend verändert.

    Dabei unterscheidet das Aufenthaltsgesetz eindeutig zwischen dem Recht des sorgeberechtigten ausländischen Elternteils auf Familiennachzug (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG) und dem Recht des nichtsorgeberechtigten ausländischen Elternteils auf Familiennachzug (§ 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG).

    Während der ausländische sorgeberechtigte Elternteil eines deutschen Kindes nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG einen Anspruch auf die Einreise und Aufenthalt hat, steht dem nichtsorgeberechtigten Elternteil nach § 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG nur einen Ermessensanspruch zu, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. Der Begriff der familiären Gemeinschaft ist dabei identisch mit dem der familiären Lebensgemeinschaft.

    Somit bringt das Innehaben des Sorgerechts für das Kind eine aufenthaltsrechtliche Privilegierung mit sich.

    In dem hier besprochenen Fall des OVG NRW hatte dieses darüber zu entscheiden, ob der ausländischen Mutter eines deutschen Kindes eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen war, obwohl die Vaterschaftsanerkennung durch den deutschen Vater nur deswegen erfolgt war, um der ausländischen Mutter ein Aufenthaltsrecht zu ermöglichen.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Klägerin kam aus Sierra Leone gab vor Mutter eines Kindes mit einem deutschen Vater zu sein

    Die in Sierra Leone geborene Klägerin war sierra-leonische Staatsangehörige. Sie war nach eigenen Angaben im Jahre 1999 ohne Personalpapiere ins Bundesgebiet eingereist. Ende September 1999 war die Klägerin in Abschiebehaft genommen worden. Ein von ihr aus der Abschiebehaft heraus betriebenes Asylverfahren blieb erfolglos.

    Nach ihrer Entlassung aus der Abschiebehaft im April 2000 wurde der Aufenthalt der Klägerin aufgrund fehlender Personaldokumente geduldet.

    Am 08.08.2002 legte die Klägerin dem Beklagten eine Bescheinigung über ihre Schwangerschaft vor. Die Frage, wer der Vater sei, konnte die Klägerin nicht beantworten, sagte jedoch aus, dass es sich möglicherweise um einen deutschen Staatsangehörigen handeln würde.

    Ausweislich der Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft mit Zustimmungserklärung nach § 1595 BGB vom 14.10.2002 erklärte dann der deutsche Staatsangehörige U. I. Q vor dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien der Stadt N. die Vaterschaftsanerkennung.

    Die Klägerin erklärte hierauf: „Als Mutter des Kindes stimme ich der Anerkennung der Vaterschaft zu diesem Kind durch Herrn U. I. Q. hiermit zu.“ Mit weiterer Urkunde vom 14.10.2002 gaben die Klägerin und Herr U. I. Q. eine Erklärung über die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge ab. Anschließend wurde das Kind geboren.

    Klägerin beantragte dann eine Aufenthaltserlaubnis, Ausländerbehörde stellt Strafanzeige

    Am 04.08.2003 beantragte die Klägerin unter Vorlage ihres von der Republik Sierra Leone am 03.03.2003 ausgestellten Reisepasses beim Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis

    Am 06.11.2003 erstattete der Beklagte dann bei der Staatsanwaltschaft N. Strafanzeige gegen Herrn Q. und die Klägerin wegen Verstoßes gegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Zur Begründung führte er sinngemäß an, Herr Q. habe die Vaterschaft im Hinblick auf den Sohn der Klägerin nur deshalb anerkannt, um der Klägerin einen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu ermöglichen. Herr Q. sei Betäubungsmittelkonsument und einschlägig vorbestraft, so dass davon auszugehen sei, dass er für die Vaterschaftsanerkennung entlohnt worden sei. Die Klägerin habe einvernehmlich mit Herrn Q. gehandelt.

    Mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom selben Tag führte der Beklagte aus: Es bestünden ernsthafte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der für ihren Sohn vorliegenden Vaterschaftsanerkennungsurkunde. Sofern die Klägerin keinen Vaterschaftstest durchführen lassen wolle, werde er ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnen. Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG stünde die Erteilung der von ihr beantragten Aufenthaltserlaubnis in seinem Ermessen. Er gab der Klägerin sodann Gelegenheit zur Stellungnahme.

    Gutachten des LKA verneint biologische Vaterschaft des deutschen Staatsangehörigen

    Ein dann im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen Herrn Q. und die Klägerin eingeholtes Gutachten des Landeskriminalamtes vom 1. September 2004 ergab, dass Herr Q. nicht der biologische Vater des Kindes E. N. Q. war.

    Daraufhin wurde die Klägerin durch Urteil des Amtsgerichts N. wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro und Herr Q. wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

    Der Klägerin wurden in der Folgezeit weiterhin Duldungen erteilt.

    Mit Schreiben vom 12.01.2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten unter Hinweis darauf, dass sie Mutter eines deutschen Kindes sei, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Mit weiterem Schreiben vom 15.12.2009 beantragte sie, ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG rückwirkend ab dem 22.01.2003 zu erteilen.

    Nach erneuter Anhörung der Klägerin lehnte der Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 15.06.2010 den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ab. Zur Begründung führte er u.a. Folgendes aus: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG lägen zwar vor. Die Vaterschaftsanerkennung des Herrn Q. sei wirksam, so dass das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG stünde aber die Bestimmung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegen. Die zweite Alternative dieser Vorschrift („Verwandtschaftsverhältnis“) sei sowohl auf sogenannte Zweck- oder Scheinadoptionen als auch auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen anwendbar.

    Vaterschaftsanerkennung sei mißbräuchlich erfolgt, um Klägerin die Aufenthaltserlaubnis zu ermöglichen

    Missbräuchlich sei die Vaterschaftsanerkennung, wie § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG zu entnehmen sei, wenn sie ausschließlich erklärt werde, um dem Nachziehenden den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, sie also weder zur Anerkennung der biologischen Vaterschaft erfolge noch einer sozialfamiliären Vater-Kind-Beziehung diene. Eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung im dargelegten Sinne liege vor. Denn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Herrn Q. und E. N. Q. sei ausschließlich zu dem Zweck begründet worden, der Klägerin den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Eine rückwirkende Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis komme nicht in Betracht. Möglich sei bei rechtzeitiger Antragstellung die rückwirkende Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis. Im Übrigen habe im Fall der Klägerin auch nach alter Rechtslage mit Rücksicht auf § 17 Abs. 5 AuslG 1990 kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorgelegen.

    Gegen diese ablehnende Entscheidung reichte die Klägerin zunächst Klage beim Verwaltungsgericht ein. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung zum Oberverwaltungsgericht ein.

    Entscheidung des Berufungsgerichts OVG NRW:

    Das OVG NRW urteilte, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen habe.

    Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sei die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe.

    Das am 22.01.2003 geborene Kind habe nach der mit Zustimmung der Klägerin nach §§ 1598 Abs. 1, 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB am 14.10.2002 erfolgten (form-)wirksamen Anerkennung der Vaterschaft für dieses Kind durch den deutschen Staatsangehörigen U. I. Q. vor dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien der Stadt N. gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG durch seine Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Das Kind sei auch minderjährig und ledig und habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet, so dass der Klägerin als sorgeberechtigter Mutter dieses Kindes, mit dem sie in familiärer Lebensgemeinschaft im Sinne des § 27 Abs. 1 AufenthG leben würde, zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen sei.

    Der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis stünde auch nicht der Ausschlusstatbestand des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegen, wonach ein Familiennachzug nicht zugelassen werde, wenn feststünde, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet worden sei, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.

    Zwar lasse der Wortlaut der Vorschrift mit seiner zweiten Alternative eine Erstreckung des Ausschlusstatbestandes auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen – sogenannte Scheinvaterschaften – zu.

    Ausländerbehörde durfte Aufenthaltstitel nicht versagen, sondern hätte Vaterschaft anfechten müssen

    Eine solche Auslegung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG, wonach mit dem Begriff Verwandtschaftsverhältnis nicht nur Adoptionen, sondern auch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen erfasst werden sollen, würde jedoch dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widersprechen. Denn nach der Vorstellung des Gesetzgebers sei das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit, allein durch Gewährung eines entsprechenden Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch zu lösen, da die Behörde insofern ein Anfechtungsrecht habe.

    Einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels würde der sorgeberechtigte Elternteil nach dem Willen des Gesetzgebers somit nicht nach 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG, sondern allein durch eine erfolgreiche zivilrechtliche Anfechtungsklage verlieren.

    Auch die weiteren allgemeinen Erteilungsvoraussetzung für die begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG würden vorliegen.

    Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sei die Aufenthaltserlaubnis unter anderem im Fall des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, d.h. der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts, zu erteilen.

    Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen

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