Krankenkasse verweigert Ersatz Eigenanteil Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
Rechtsanwalt Tieben

Rechtsanwalt Helmer Tieben
Beratung unter:
Tel.: 0221 - 80187670

Tag Archive: Krankenkasse verweigert Ersatz Eigenanteil

  1. Krankenversicherungsrecht: Zur Übernahmeverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung hinsichtlich des Eigenanteils

    1 Comment

    Sozialgericht Oldenburg, 01.06.2011, Az.: S 61 KR 354/09

    Banner4

    Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung müssen bei Inanspruchnahme von ärztlich verordneten Heilbehandlungen oftmals Zuzahlungen leisten, § 61 SGB V.

    Pro Familie beträgt die jährlich zugemutete Belastungsgrenze derzeit zwei Prozent des Familienbruttoeinkommens. Bei Versicherten, die wegen einer schwerwiegenden chronischen Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt die zugemutete Belastungsgrenze nur ein Prozent.

    Von den Zuzahlungen zu unterscheiden ist die Zahlung des Eigenanteils durch den Versicherten. Hintergrund dieses Eigenanteils ist die Tatsache, dass manche ärztlich verordnete Hilfsmittel Gebrauchsgegenstände sind, die auch gesunde Menschen benutzen. Für diesen Anteil des Hilfsmittels ist dann der Eigenanteil durch den Versicherten zu zahlen. Bei orthopädischen Schuhen sind beispielsweise die Schuhe ein Gebrauchsgegenstand, die orthopädische „Zurichtung“ jedoch das Hilfsmittel.

    In der oben genannten Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die beklagte Krankenkasse zur Übernahme des Eigenanteils des Klägers für sogenannte Orthesenschuhe verpflichtet war.

    Sachverhalt: Der am 28.08 2006 geborene und über seine Eltern bei der Beklagten versicherte Kläger war wegen einer Behinderung im Bereich der unteren Gliedmaßen auf Orthesenschuhe angewiesen.

    Aufgrund ärztlicher Verordnungen bewilligte die Beklagte die Übernahme der Kosten für jeweils ein Paar Orthesenschuhe nebst Zurüstung um 0,5 cm abzüglich eines dem Kläger obliegenden Eigenanteils in Höhe von jeweils 45,- EUR (insgesamt 90 EUR).

    Daraufhin wandte sich die Mutter des Klägers an die Beklagte und bat um Überprüfung, ob der Eigenanteil von jeweils 45,- EUR tatsächlich vom Versicherten zu zahlen sei. Sie verwies darauf, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung häufig Schuhe benötige.

    Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 17.06.2009 mit, dass auch nach erneuter Prüfung eine vollständige Kostenübernahme für die Versorgung mit Orthesenschuhen durch die Krankenkasse nicht in Betracht komme.

    Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 zurück. Zur Begründung verwies sie darauf, dass bei Hilfsmitteln, die in Verbindung mit einem Gebrauchsgegenstand verwendet werden, sich die Leistungspflicht der Krankenkasse auf das eigentliche Hilfsmittel beschränke.

    Den auf den Gebrauchsgegenstand entfallenen Kostenanteil habe der Versicherte selbst zu tragen. Nach der gemeinsamen Empfehlung der Spitzenverbände zu den Eigenanteils- bzw. Zuschussregelungen bei der Versorgung mit Hilfsmitteln sei bei orthopädischen Straßenschuhen für Kinder ein Eigenanteil von 45,- EUR in Abzug zu bringen.

    Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Klage beim Sozialgericht Oldenburg mit der Begründung ein, dass es sich bei seinem Fall um einen Rehabilitationsfall gemäß den Bestimmungen des SGB IX handele und die Beklagte somit zu Unrecht seinen Fall nur nach den Vorschriften des SGB V geprüft habe.

    Gegebenenfalls hätte die Beklagte den Vorgang gemäß § 14 SGB IX an den zuständigen Sozialhilfeträger weiterleiten müssen. Da sie dies nicht getan habe, müsse sie seinem Begehren im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf der Grundlage der Eingliederungshilfevorschriften entsprechen.

    Sozialgericht Oldenburg: Das Sozialgericht Oldenburg folgte der Ansicht der beklagten Krankenkasse und urteilte, dass die mit der Klage angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien.

    Als Anspruchsgrundlage für die Übernahme des Eigenanteils habe hier allein § 13 Abs. 3, 2. Alt. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Betracht kommen können.

    Nach dieser Vorschrift habe die Krankenkasse, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dadurch dem Versicherten Kosten für eine selbst beschaffte Leistung entstanden seien, die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig gewesen sei.

    Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, da die Ablehnung der Leistung in Höhe des Eigenanteils zu Recht erfolgt sei.

    Der Kläger habe zwar einen Primäranspruch auf Versorgung mit den Orthesenschuhen als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung auf Grundlage des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V, er müsse sich aber den allgemeinen Gebrauchsvorteil anrechnen lassen, da Schuhe auch von Gesunden erworben werden würden.

    Sobald ein Hilfsmittel einen Gebrauchsgegenstand darstelle, sei eine wirtschaftliche Trennung vorzunehmen und dem Versicherten ein entsprechender Eigenanteil an den Kosten der Versorgung aufzuerlegen (BSG, Urteil vom 28. September 1976, 3 RK 9/76).

    Dem doppelten Nutzungszweck – als Hilfsmittel einerseits und als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens andererseits – sei dadurch Rechnung zu tragen, dass der wirtschaftliche Wert als allgemeiner Gebrauchsgegenstand nicht von der Versichertengemeinschaft, sondern vom Versicherten selbst getragen werde.

    Der Versicherte solle nicht aufgrund seiner Behinderung von solchen Aufwendungen entlastet werden, die jedermann zur Bestreitung seines Lebensbedarfs aufbringen müsse.

    Er habe deshalb einen angemessenen Eigenanteil zu tragen, der dem Wert des durch das Hilfsmittel ersetzten allgemeinen Gebrauchsgegenstandes entspreche (SG Dresden, Urt. v. 28.07.2005 – S 18 KR 398/02).

    Dieser Leistungsausschluss trage dem Gedanken der Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Kausalität zwischen Funktionsverlust und Hilfsmittel Rechnung.

    Die Verbindung von Kleidungsstück und Hilfsmittel sei hier nur aus technischen Gründen notwendig.

    Die fehlende reale Trennbarkeit sei kein Hindernis, Orthesenschuhe als Hilfsmittel und als Bekleidungsstück wirtschaftlich zu unterscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 1976, 3 RK 9/76).

    Daher müsse der Kläger für die Kosten von Normalschuhen selber aufkommen. Dies gelte auch, wenn der Kläger infolge seines Gehfehlers häufiger Schuhe benötige, als ein Gesunder.

    Denn zu dem durch die Krankenversicherung nicht erfassten Lebensbereich gehörten auch etwaige Mehrausgaben für allgemeine Gebrauchsgüter, die infolge Krankheit oder Behinderung erforderlich würden. Solche Mehrausgaben seien, wenn sie nicht der Eigenverantwortung überlassen sind, allenfalls von anderen Leistungsträgern zu übernehmen. (BSG, Urteil vom 28. September 1976, 3 RK 9/76).

    Die Höhe des Eigenanteils hat sich dabei am üblichen Preis für Gebrauchsgegenstände in nicht speziell auf die Bedürfnisse Behinderter zugeschnittener Ausführung zu bemessen (SG Dresden, Urt. v. 28.07.2005 – S 18 KR 398/02).

    Wenn die Beklagte entsprechend der gemeinsamen Empfehlung der Spitzenverbände zu den Eigenanteils- bzw. Zuschussregelungen bei der Versorgung mit Hilfsmittel bei orthopädischen Straßenschuhen für Kinder einen Eigenanteil von 45,- EUR in Abzug bringe, dann sei dies nach Auffassung des Gerichtes angemessen und nicht zu beanstanden. Die Höhe entspreche – wie gerichtsbekannt sei – den Kosten von Kinderschuhen, sie liege eher am unteren Rand der üblichen Kosten.

    Ein Anspruch des Klägers auf vollständige Übernahme der ihm zur Verfügung gestellten orthopädischen Schuhe gegen die Beklagte ergäbe sich auch nicht aus § 14 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i. V. m. den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) oder des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II).

    Die Beklagte habe in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass sie der für die beantragte Leistung, nämlich die Versorgung mit orthopädischen Schuhen zuständige Rehabilitationsträger sei und deswegen auch keine Veranlassung bestanden habe, den Leistungsantrag an den Sozialhilfeträger weiterzuleiten.

    Bei einer teilweisen Ablehnung (hier durch Abzug des Eigenanteils) sei der Antrag auch nicht im Übrigen weiterzuleiten, wenn der Leistungsträger grundsätzlich zuständig sei. Vielmehr wäre es Sache des Klägers gewesen, sich wegen der Übernahme der Eigenanteilkosten an den zuständigen Sozialhilfeträger oder SGB II-Träger zu wenden.

    Quelle: Sozialgericht Oldenburg

    Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Sie im Sozialrecht.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

    Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de

    Banner4