Kündigung Messie Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Kündigung Messie

  1. Mietrecht: Bei Vermüllung durch Messie kann die Kündigung wegen Gefährdung der Mietsache und Störung des Hausfriedens gerechtfertigt sein.

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    Amtsgericht München, 08.08.2018, Az.: 416 C 5897/18

    Wohnt ein Messie in der Wohnung eines Vermieters, kann dies schlimme Folgen für den Vermieter haben. Durch die Ansammlungen von Müll und Unrat kann die Bausubstanz gefährdet werden, es wird Ungeziefer angezogen und es entsteht ein ganz erheblicher Gestank.

    In dem hier besprochenen Fall war die Wohnung vollständig vermüllt, wodurch sich ein ganz erheblicher Gestank gebildet hatte, welcher in die Nachbarwohnungen zog.  Trotz Kündigung wollte die Mieterin nicht ausziehen, so dass der Vermieter auf Räumung klagte.

    Welche Rechte bei Störung des Hausfriedens

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Klägerin ist Vermieterin, Beklagte ist Mieterin einer Wohnung

    Die Parteien in diesem Fall streiten über die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung, sowie des zugehörigen Stellplatzes und des zugehörigen Kellerabteils.

    Mit Mietvertrag vom 04.11.1996 hatte die Beklagte eine Wohnung von der Klägerin, einer GmbH & Co. KG angemietet. Die Beklagte bewohnt die streitgegenständliche Wohnung seit dem 15.01.1997 und zahlt aktuell für die Wohnung und den Stellplatz eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 841,00 Euro. Mit Schreiben vom 30.01.2018 erhielt die Hausverwaltung der Klägerpartei ein Schreiben nebst 2 Fotos, welches eine Beschwerde über unerträgliche Geruchsbelästigung ausgehend von der Wohnung der Beklagten enthielt. Beigelegt waren 2 Fotos, die den vermüllten und verwahrlosten Zustand der Küche der streitgegenständlichen Wohnung darstellten.

    Mieterin lässt Wohnung vollständig vermüllen und verdrecken

    Nachdem die Hausverwaltung die Klägerpartei entsprechend informiert hatte, forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 09.02.2018 unter Fristsetzung auf, bis spätestens 19.02.2018 die Wohnung in einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen und die Vermüllung und die vorhandenen Schäden zu beseitigen. Am 22.02.2018 fand ein Besichtigungstermin in der streitgegenständlichen Wohnung statt, an welchem die Beklagte, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und eine weitere Zeugin anwesend waren. Mit Erlaubnis der Beklagten wurde eine Fotodokumentation über den Zustand der streitgegenständlichen Wohnung erstellt. Der Zustand der Wohnung stellte sich wie folgt dar:

    Zustand der Wohnung konnte nur als katastrophal bezeichnet werden

    Der Flur der Wohnung war mit Müll, Papier und Schutt (Teppichreste usw.) knöcheltief bedeckt. In einer Kiste lagen angebrochene Katzenfutterdosen. Die Decke war mit Insektennestern überzogen.
    Der Türbereich des Schlafzimmers war mit Papier und Müll auf dem Boden angefüllt. Es befand sich dermaßen viel Unrat auf dem Boden, dass man das Schlafzimmer nicht weiter betreten konnte. Die Wand unter der Balkontür wies Abplatzungen und Wasserschäden auf. An der Decke hingen große Spinnweben. Der Boden des Wohnzimmers war in Teilen ebenfalls mit Müll, Papier und Teppichresten usw. bedeckt. Die Wand unter der Balkontür wies Abplatzungen und Wasserschäden auf. Die Küche war stark vermüllt. Das Spülbecken war voller Schmutzwasser gelaufen und mit schmutzigen Geschirr und sonstigen Gegenständen angefüllt. Aus dem Wasserhahn lief fortwährend ein dünner Wasserstrahl in das Becken. Die Arbeitsplatte war durchfeuchtet und hinter dem Spülbecken eingebrochen. Es waren Schimmelschäden erkennbar. Im Badezimmer war der Boden feucht und verdreckt. Müll und Unrat quoll aus dem Flur in das Badezimmer hinein. Der Balkon war ebenfalls vermüllt. Auf dem Balkon hielten sich zahlreiche Tauben auf. Der Parkettfußboden der streitgegenständlichen Wohnung war teilweise stark durchnässt und verschmutzt. Zum Teil waren Geldstücke in den Holzfußboden eingetreten. Von der streitgegenständlichen Wohnung ging ein starker Geruch aus.

    Mit E-Mail vom 08.06.2018 teilte die Mieterin der Wohnung welche direkt unter der streitgegenständlichen Wohnung lag, an die Hausverwaltung mit, dass sie einen Wasserfleck in ihrer Wohnung an der Decke festgestellt habe. Diesbezüglich übersandte die Nachbarin 2 Fotos an die Hausverwaltung.

    Vermieterin kündigt der Mieterin fristlos wegen Gefährdung des Mietobjektes und reicht Räumungsklage ein

    Mit außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigung vom 23.02.2018 kündigte die Klägerin daraufhin das Mietverhältnis und gab als Kündigungsgrund die Verwahrlosung und Vermüllung der Wohnung, sowie die erheblichen Schäden an.

    In der Klageschrift wurde nochmals vorsorglich die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung durch die Klagepartei erklärt.

    Die Beklagte wiederum beantragte, die Klage abzuweisen, da die Kündigung unwirksam sei. Der Zustand der Wohnung rechtfertige sich dadurch, dass es sich hier lediglich um Vorarbeiten zu umfassenden Renovierungsarbeiten handeln würde. Die Unordnung sei ein vorübergehender Zustand. Wenn sich ihre Wohnung in Unordnung befände, sei das ihr gutes Recht. Allerdings habe sie das Ausmaß des Aufräumens unterschätzt. Für den Wasserfleck in der Küche habe sie bereits die Haftung übernommen.

    Urteil des Amtsgerichts München:

    Amtsgericht München verurteilt die Mieterin zur Räumung und Herausgabe

    Das Amtsgericht München urteilte nun, dass die Klägerin von der Beklagten Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 546 I BGB verlangen könne, da die Kündigungen wirksam gewesen sei.

    Gemäß § 543 I BGB könne jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigen Grund außerordentlich fristlos kündigen. Gemäß § 543 II liege ein wichtiger Grund insbesondere dann vor, wenn der Mieter die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährden würde. Die streitgegenständliche Wohnung sei nicht nur unordentlich und stark vermüllt, von ihr gehe eine unangenehme Geruchsbelästigung aus und es seien inzwischen Substanzschäden eingetreten. So weise das Parkett im Eingangsbereich starke Beschädigungen (insbesondere auch durch Eintreten von Geldstücken) auf. Es befinde sich ein Wasserschaden im Deckenbereich der unter der streitgegenständlichen Wohnung befindlichen Wohnung.

    Wohnung hatte nachweislich bereits erhebliche Schäden davongetragen

    Der Herd in der Küche sei insofern beschädigt, als die Verankerung der Ofentür herausgerissen sei. Des Weiteren sei die Arbeitsplatte in der Küche stark beschädigt. Insoweit habe die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2018 einen Wasserschaden in der Küche eingeräumt und insoweit eine Haftungsübernahme bestätigt.

    Des Weiteren stünde nach Überzeugung des Gerichts fest, dass sich in Folge der Verwahrlosung und Vermüllung der Wohnung Ungeziefer in der streitgegenständlichen Wohnung eingenistet habe. Insbesondere würden sich zahlreiche Tauben auf dem Balkon befinden. Im Schlafzimmer, sowie im Wohnzimmer würden die Wände unter der Balkontür Abplatzungen und Wasserschäden aufweisen. Die Behauptung der Beklagten, die Wohnung sei deswegen so unordentlich, weil es sich lediglich um Vorarbeiten zu großen Renovierungsarbeiten handele, sei nicht nachvollziehbar. Hierbei handele es sich um eine Schutzbehauptung. Vielmehr sei die Beklagte nach Auffassung des Gerichts nicht bzw. nicht mehr in der Lage, die streitgegenständliche Wohnung in einem vertragsgemäßen Zustand zu halten. Bei den geschilderten Beschädigungen handele es sich keineswegs um normale Abnutzungserscheinungen. Insbesondere die Wasserschäden, die Schäden an der mitvermietenden Küche und am Parkett seien durch grob vertragswidrigen Gebrauch entstanden. Es handele sich keineswegs um eine vertragsgemäße Abnutzung in Folge eines langjährigen Mietverhältnisses.

    Die Pflichtverletzungen der Beklagten würden vorliegend nach umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Vermieters führen. Auch in Rechtsprechung und Literatur sei das außerordentliche Kündigungsrecht wegen Gefährdung der Mietsache gem. § 543 II Nr. 2 BGB unstreitig dann anerkannt, wenn die Wohnung nicht nur unordentlich und erheblich verschmutzt sei, sondern eine Gefährdung der Bausubstanz eingetreten sei (siehe Blank in Blank/Börstinghaus, Mietrechtkommentar, 5. Auflage, § 543 Rn. 115 m.w.N.; Blank in Schmitt/Futterer Mietrechtskommentar 13. Auflage § 543 Rn. 60 m.w.N.).

    Vermüllung und Demolierung der Wohnung stellen Vertragsverletzungen dar

    Die Vermüllung der Wohnung sowie die Verursachung der dargestellten Substanzschäden würden schuldhafte Pflichtverletzungen der Beklagten darstellen, die eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 543 I iVm II Nr. 2 BGB rechtfertigen würden.

    Mit Schreiben vom 09.02.2018 habe die Klägerpartei die Beklagtenpartei mit einer Fristsetzung bis zum 19.02.2018 erfolglos abgemahnt gem. § 543 III S1 BGB (K6).

    Zudem sei vorliegend die außerordentliche Kündigung auch nach §§ 569 II, 543 I BGB gerechtfertigt. Nach § 569 II BGB liege bei einem Wohnraummietverhältnis ein solcher wichtiger Grund unter anderem dann vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stören würde, sodass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Die Verursachung des extremen Geruchs in Folge der Vermüllung der streitgegenständlichen Wohnung sowie die Verursachung der Wasserschäden, die bereits die Substanz an der Wohnung unter der streitgegenständlichen Wohnung geschädigt habe, würden eine nachhaltige und schuldhafte Störung des Hausfriedens darstellen. Insbesondere müsse die Klägerpartei damit rechnen, dass sie für die Haftung der Wasserschäden, die unter der streitgegenständlichen Wohnung entstanden seien, einstehen muss.

    Die Pflichtverletzungen der Beklagten würden vorliegend nach umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (§§ 543 I, 569 II BGB) führen.

    Da die Kündigung eines Mietverhältnisses regelmäßig einen sehr schweren Eingriff in den persönlichen Lebensbereich des Mieters darstellen würde, seien zwar an deren Voraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen, jedoch sei auch auf dieser Grundlage die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung gegeben. Bei der erforderlichen Interessenabwägung seien alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verschulden der Vertragsparteien, aber auch die Auswirkungen der Vertragsverletzung, die Folgen des Wohnungsverlustes für den Mieter, die persönlichen Verhältnisse der Parteien und die Dauer des Mietverhältnisses zu berücksichtigen (Vergleiche Schmitt/Futterer, Mietrechtskommentar, 13. Auflage, § 569 Rn. 23 m.w. N).

    Interessenabwägung geht zulasten der Mieterin

    Vorliegend seienbei der Interessenabwägung insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen:

    Zu Gunsten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass es sich in diesem Fall um ein langjähriges Mietverhältnis handeln würde und dass die Ersatzwohnraumsuche in Folge des angespannten Wohnungsmarktes in München sehr schwierig sei. Des Weiteren habe das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass die Beklagte eigenverantwortlich und aus eigener Kraft in der Lage sei, den vermüllten und beschädigten Zustand der streitgegenständlichen Wohnung zu beseitigen.

    Zu Lasten der Beklagten spreche die langwierige nachhaltige Vertragsverletzung über einen langen Zeitraum hinweg, die Schulduneinsichtigkeit, die Gefahr, dass sich die vorhandenen Substanzschäden weiter verschlimmern. Des Weiteren sei hier die fehlende Mitwirkung der Beklagten zur Schadensbegrenzung anzuführen: Sie habe entsprechenden Zutritt zu ihrer Wohnung zur Klärung der Wasserschäden durch einen entsprechenden Sachverständigen bisher verweigert. Des Weiteren sei durch das Verhalten der Beklagten der Hausfrieden nachhaltig gestört. Es stünden eventuelle Minderungsrechte anderer Mieter gegenüber deren Vermieter anderer Wohnungen im Raum. Des Weiteren habe die Beklagte die Klägerpartei mit Vorwürfen beleidigenden Charakters im Laufe des Verfahrens überzogen. So werfe sie der Klägerpartei unseriöses Verhalten, eine hemmungslose Verdrehung von Tatsachen, sowie Mobbing, „Entmietung“ und ähnliches vor.

    Die Pflichtverletzungen der Beklagten seien derart schwerwiegend, dass nach umfassender Abwägung der gegenseitigen Interessen der Parteien eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung würden daher vorliegen.

    Quelle: Amtsgericht München

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Wohnraummiete: Fristlose Kündigung bei verdreckter und vermüllter Wohnung durch depressiven Mieter

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    Landgericht Berlin, 19.01.2018, Az.: 66 S 230/17

    Gemäß § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei ein Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Gemäß Absatz 2 des § 543 BGB liegt ein wichtiger Grund insbesondere dann vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

    Nach 543 Abs.2 Nr.2 BGB kann der Vermieter also auch kündigen, wenn Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet. Ob die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt sind, ist nach Schwere und Häufigkeit der Vertragsverletzung zu beurteilen. Ein Indiz kann hierbei sein, wie sich der Vermieter in vergleichbaren Situationen früher verhalten hat. Bei der Auslegung dieses Rechtsbegriffes ist zu berücksichtigen, dass eine „schuldhaft nicht unerhebliche“ Pflichtverletzung Grund bereits für eine ordentliche Kündigung nach § 573 ist. Dies zeigt, dass die hier gemeinte Pflichtverletzung besonders schwer sein muss.

    Der vertragswidrige Gebrauch muss trotz einer hierauf bezogenen Abmahnung durch den Mieter fortgesetzt worden sein. Die Kündigung ist auch gegenüber einem schuldlos handelnden Mieter möglich. Hierbei ist jedoch eine Abwägung der beiderseitigen, grundrechtlich geschützten Interessen geboten.

    Das Landgericht Berlin musste in dem nachstehenden Fall beurteilen, ob die außerordentliche Kündigung wegen Vermüllung und der Verunreinigung der Wohnung gegen einen episodenhaft depressiven Mieter zulässig war und dieser zuvor ausreichend abgemahnt wurde. Dabei geht es im Ergebnis davon aus, dass eine solche Verschmutzung zur Kündigung berechtige und bestätigt die Feststellungen des Amtsgerichts. Es führt dabei aus, dass gem. § 286 Abs. 1 ZPO nach freier Überzeugung zu entscheiden sei, ob das Gericht eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für unwahr erachtet. Dabei seien Denk- und Naturgesetze, Erfahrungssätze und die gesetzlichen Beweisregeln zu beachten. Der Richter habe die im Verlauf des Rechtsstreits gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten. Insbesondere bei der Feststellung ob dem Mieter die Abmahnungen der Vermieterin zugegangen sei, dürfe der Richter sich durch eine glaubhafte Zeugenaussage leiten lassen, auch wenn die Zeugin sich nicht mehr an den genauen Tag der Zustellung erinnere. Könne sie glaubhaft darlegen, wie die Umstände einer solchen Zustellung gewesen seien genüge dies zur Überzeugungsbildung.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Mieter hatte Wohnung mit Fäkalien, Schmutz, Abfall und Essensresten verdreckt

    Das Amtsgericht Tempelhof hatte den Beklagten zur Räumung und Herausgabe seiner Mietwohnung verurteilt. Dabei hatte das Amtsgericht festgestellt, dass eine fristlose Kündigung der Klägerin vom 23. Januar 2017 das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis beendet habe.

    Amtsgericht Tempelhof verurteilte Mieter zur Räumung – Mieter legt Berufung ein

    Die Kündigung sei formal ordnungsgemäß, nämlich gemäß § 568 Abs. 1 BGB schriftlich erfolgt und ausreichend im Sinne des § 569 Abs. 4 BGB begründet. Grund für die Kündigung sei gewesen, dass  der Beklagte die Wohnung in großem Ausmaß mit Fäkalien, Schmutz, Abfall und Essensresten verdreckt habe. Gegen dieses Urteil wendete sich der Kläger mit seiner Berufung.

    Urteil des Landgerichts Berlin:

    Durch Beschluss teilte das Landgericht Berlin mit, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch einstimmigen Beschluss mangels Erfolgsaussichten gemäß § 522 Abs.2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Zwar sei die Berufung statthaft, die erforderliche Mindestbeschwer gemäß § 511 Abs. 2 ZPO erreicht und die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO gewahrt, jedoch habe die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg

    Landgericht bestätigt Entscheidung – Kündigung sei wirksam

    Der Kündigung fehle es nicht an einer hinreichend substantiierten Darlegung der Kündigungsgründe. Die Klägerin habe den Zustand der Mietsache umfassend und detailreich geschildert. Das Maß und die Art der Verunreinigung seien ausreichend dargelegt.

    Die Kammer geht wie das Amtsgericht davon aus, es liege ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung im Sinne des § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB vor. Die Wohnung sei durch Vernachlässigung der dem Beklagten obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet. Der Beklagte habe den Zustand, welcher auf den eingereichten Fotos deutlich erkennbar war, nicht hinreichend bestritten. Etwaige Versuche, wie dass der Schmutz durch Betreten des Bades mit Straßenschuhen verursacht wurde, seien unglaubwürdig.

    Die Verschmutzung stelle eine Gefährdung der Mietsache dar, die zur Kündigung berechtigt

    Der Beklagte habe die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, indem er die Wohnung nicht pfleglich behandelt, sondern in erheblichem Ausmaß mit Fäkalien, Schmutz, Abfall und Essensresten verdreckt habe. Dies stelle eine Gefährdung der Mietsache dar, welche dann vorliege, wenn sie durch die Sorgfaltspflichtverletzung bereits geschädigt worden ist oder wenn der Eintritt eines Schadens nach der Sachlage signifikant höher als bei einem vertragsgerechten Verhalten ist.

    Die Vertragsverletzung sei von derart hohem Gewicht, dass die Kündigung gerechtfertigt sei.

    Der Zustand der Wohnung sei nicht mehr hinnehmbar und die Substanz des Hauses und die Gesundheit der anderen Bewohner unmittelbar gefährdet. Man sähe in dem Zustand nicht mehr nur Unordnung oder Reinigungsbedürftigkeit, sondern einen Angriff auf die Substanz der Mietsache.

    Insbesondere seien trotz nunmehr vorgenommener Reinigung Substanzschäden am WC-Becken und am Spülkasten noch immer sichtbar.

    Größere Mengen von Fäkalien und Essensresten lagen über längere Zeit in der Wohnung

    Ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts sei gewesen, dass die unstreitig über einen langen Zeitraum vorhandenen größeren Mengen von Fäkalien und Essensresten in der Wohnung für Ungeziefer einen idealen Nährboden bildeten und somit die Gefahr gegeben war, dass sich dieses über das gesamte Haus ausbreiten. Es erscheint für die Kammer naheliegend, dass derart großflächig in der Wohnung verschmierte Fäkalien und offen stehende Essensreste zumindest in den Sommermonaten zu einer Geruchsentwicklung bis in den Hausflur geführt haben.

    Der Beklagte habe diesen Zustand auch schuldhaft herbeigeführt. Daran ändere auch eine nachgewiesene depressive Störung nichts.  Diese trete episodenhaft auf. Der Beklagte sei in der Lage in „normalen“ Phasen selbst ein Schreiben an das Amtsgericht zu verfassen, um seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen und die Soziale Wohnhilfe beim Bezirksamt, das Jobcenter und eine unterstützende Einrichtung für „Messies“ aufzusuchen, um sich Hilfe zu holen. In diesen Phasen sei es ihm daher auch möglich gewesen seine  Wohnung zu putzen und aufzuräumen oder sich zumindest Hilfe für die Aufgaben holen können.

    Mieter reinigte die Wohnung auch nach der Abmahnung nicht, sondern hauste weiter

    Es wiege besonders schwer, dass der Beklagte auch nach Erhalt der Abmahnung am 1. August 2016 untätig blieb, obwohl ihm die Unhaltbarkeit des Zustands seiner Wohnung deutlich vor Augen geführt wurde.

    Zudem ging der Kündigung eine weitere Abmahnung vom   29. Juli 2016 im Sinne des § 543 Abs.3 Satz 1 BGB voraus.

    Das Amtsgericht sei richtigerweise davon ausgegangen, dass die Abmahnung dem Beklagten auch zugegangen sei. Dazu sei eine Zeugin vernommen worden. Diese Feststellungen habe die Kammer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

    Es sei zu prüfen, ob die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wesentliche Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt gelassen habe und ob eine sachgemäße Beweisbewertung stattgefunden habe. Solche Verstöße seien nicht ersichtlich.

    Auch wenn die Zeugin bekundet habe an den konkreten Tag und die Umstände der Zustellung keine Erinnerung mehr zu haben, konnte sie dennoch konkret Bezug auf den von ihr selbst angefertigten Zustellungsnachweis vom 1. August 2016 nehmen. Sie habe erklärt wie und wann die Ausfüllung dieses Zustellungsnachweises erfolgt sei.

    Das Amtsgericht durfte aus der Schilderung der Abläufe, der Eintragung auf dem hiesigen Zustellungsnachweis und der Angabe der Zeugin, dass sie Schreiben nicht in beschädigte oder nicht mit einem Namen des Mieters versehene Briefkästen einwerfe, auf eine Zustellung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO schließen.

    Denn nach § 286 Abs. 1 ZPO sei nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob das Gericht eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für unwahr erachtet. Dabei seien Denk- und Naturgesetze, Erfahrungssätze und die gesetzlichen Beweisregeln zu beachten. Der Richter habe die im Verlauf des Rechtsstreits gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten. Es genügt die persönliche Gewissheit des Richters, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Die objektive Wahrheit ist dabei anzustreben, darf aber nicht alleiniger Maßstab sein.

    Die Berufungsbegründung vermöge die richterliche Überzeugung nicht zu erschüttern. Die fehlende Erfolgsaussicht sei offensichtlich, es seien insbesondere keine neuen Aspekte in der Berufung zu berücksichtigen. Es fehle an streitigen Rechtsfragen oder einer grundsätzlichen Bedeutung.  Auch weitere Berufungsgründe seien nicht ersichtlich. Eine mündliche Verhandlung sei nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

    Das Berufungsgericht führte weiter aus, dass es beabsichtige, dem Beklagten aufgrund seiner Erkrankung und der langen Dauer des Mietverhältnisses eine etwa viermonatige Räumungsfrist zu gewähren, § 721 Abs. 1 ZPO. Das Interesse der Klägerin an der baldigen Rückerlangung der Wohnung sei  wegen der vorgenommenen Grundreinigung der Küche und des Bads durch den Beklagten nicht mehr vorrangig.

    Dem Beklagten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme und Rücknahme der Berufung eingeräumt.

    Quelle: Landgericht Berlin

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