Kündigung als billigenswert und angemessen Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Kündigung als billigenswert und angemessen

  1. Arbeitsrecht: Führt das Unterlassen einer Sozialauswahl zur Unwirksamkeit der Kündigung?

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    Arbeitsgericht Köln, 14.11.2019, Az. 8 Ca 4564/19

    Geht es einem Unternehmen wirtschaftlich schlecht, kann es zur Ausgliederung gewisser Abteilungen kommen. Dies kommt insbesondere oft vor, wenn ein Unternehmen mit einem anderen fusioniert oder sonst von diesem übernommen wird. Kommt es im Rahmen einer solchen Fusion zu Massenentlassungen, besteht immer die Frage, wie die restlichen Arbeitsplätze verteilt werden. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) enthält dabei einige Regelungen, wann eine Kündigung unwirksam wird. So darf sie nach § 1 I KSchG nicht sozial ungerechtfertigt sein. Aus Sicht des Unternehmens sollen jedoch im besten Fall nur die leistungsstärksten Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden. Bei der sozialen Rechtfertigung ist allerdings nicht primär auf die Leistung abzustellen, sondern auf Kriterien wie Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Grad der Behinderung, Unterhaltspflichten (vergleiche § 1 III KSchG). Für das Unternehmen entsteht daher der Konflikt, die Leistungsträger behalten zu wollen aber auch die sozial besonders bedürftigen weiterbeschäftigen zu sollen. Die Leistungsstarken werden jedoch oftmals nicht zu den sozial Bedürftigsten gehören. In einer Sozialauswahl würde es daher vielen Leistungsträgern kündigen müssen. Daher hat der Gesetzgeber die Möglichkeit in § 1 III 2 KSchG geschaffen, die besonderen Leistungsträger aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Es stellt sich dennoch die Frage, nach welchen Kriterien eine Herausnahme möglich ist.

    welche Kündigungsgründe gibt es

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    Im nachstehen Urteil hat das Arbeitsgericht Köln klargestellt, dass eine Sozialauswahl nicht vollkommen unterbleiben darf und nicht rein nach dem Leistungsprinzip entschieden werden darf. Ebenso muss eine Planung über die Neuverteilung von Aufgaben einer betriebsbedingten Kündigung vorausgehen. Es darf nicht erst gekündigt werden und dann geplant werden. Viel mehr muss sich aus einer Neuplanung von Aufgaben ergeben, dass eine Arbeitskraft nicht mehr benötigt wird und die Kündigung aufgrund dessen ausgesprochen werden.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Arbeitgeberin hatte die Arbeitnehmerin aus betriebsbedingten Gründen gekündigt

    Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Klägerin ist eine Arbeitnehmerin, Beklagte die Arbeitgeberin.

    Die Klägerin ist seit 1990 bei der Beklagten in Köln beschäftigt. Im Januar 2019 gibt die Arbeitgeberin bekannt, dass das Unternehmen von einem anderen übernommen werden soll und daher der Großteil aller Arbeitsplätze in Köln verloren gehen. Die meisten Arbeitsverhältnisse sollen zum 31.12.19 gekündigt werden, lediglich ein kleiner Teil soll darüber hinaus beschäftigt werden. Bezüglich der Abwicklung finden Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat zu einem Interessenausgleich und der Aufstellung eines Sozialplans statt. Die Verhandlungen enden erfolgreich im Mai 2019.

    Mit dem Gesamtbetriebsrat wurde ein Sozialplan und Interessenausgleich ausgearbeitet

    In den Regelungen zum Interessenausgleich wird festgehalten, welche Betriebsteile nicht geschlossen werden. Für die Mitarbeiter der restlichen Betriebsteile wird festgestellt, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit dauerhaft entfällt und ab wann Kündigungen ausgesprochen werden dürfen. Ebenso wird festgelegt, nach welchen Kriterien eine Sozialauswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer erfolgt. Kriterien sind unter anderem die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, der Grad der Behinderung und das Bestehen von Unterhaltsverpflichtungen. Es wird festgelegt, dass die Herausnahme von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl gem. § 1 III 2 KSchG weiterhin zulässig ist.

    Ebenso werden die Beteiligungsrechte der Betriebsräte geregelt. Jedoch unterschreibt der örtliche (Kölner) Betriebsrat den Interessenausgleich nicht. Außerdem ist in dem Interessenausgleich keine Namensliste iSd. § i V KSchG enthalten.

    Im Juni 2019 informiert die Beklagte den Betriebsrat und die Mitarbeiter über die Kündigungen. Außerdem leitet sie ein Konsultationsverfahren gegen den Gesamtbetriebsrat und den örtlichen Betriebsrat ein. Da der örtliche Betriebsrat erst am 28.06.19 Zeit hat, bricht die Beklagte das Verfahren wieder ab und beruft sich darauf, dass das Verfahren mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossen sei. Dennoch wird der örtliche Betriebsrat am 19.06.2019 schriftlich angehört und ihm wird eine Namensliste der Arbeitnehmer übermittelt, die gekündigt werden sollen und derer die nicht gekündigt werden sollen. Außerdem wird mitgeteilt, dass zwischen den Mitarbeiter, die gekündigt werden sollen und denen, die nicht gekündigt werden sollen keine Sozialauswahl vorgenommen wird. Die Mitarbeiter, die nicht gekündigt werden sollen, sollen aufgrund besonderer Fähigkeiten und Kenntnisse weiterbeschäftigt werden. Die klagende Arbeitnehmerin gehört zu den gekündigten Mitarbeitern.

    Betriebsrat widersprichtd er Kündigung, da die fetsgelegte Frist nicht eingehalten wurde

    Daraufhin widerspricht der örtliche Betriebsrat der Kündigung der Klägerin, da die im Interessenausgleich festgelegte Drei-Wochen-Frist zwischen Unterrichtung des Betriebsrats und Kündigung nicht gewahrt ist. Ferner bestünde die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung.

    Ebenfalls im Juni 2019 meldet die Beklagte der Bundesagentur für Arbeit die Massenentlassung wegen Schließung des Kölner Standorts und beruft sich auf Abschluss des Konsultationsverfahrens.

    Die Arbeitnehmerin erhebt daraufhin Kündigungsschutzklage bezüglich der am 27.06.2019 ihr zugegangenen Kündigung.

    Sie führt für sich an, dass die Kündigung aufgrund des verfrühten Zugangs unwirksam sei. Die dreiwöchige Frist ab Information des Betriebsrats und der Mitarbeiter sei nicht eingehalten worden. Ferner sei die Anzeige der Massenentlassung bei der Arbeitsagentur unwirksam, da das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat noch nicht abgeschlossen sei und damit die Voraussetzung des § 17 III 3 KSchG nicht erfüllt sei.

    Außerdem liege kein betriebliches Kündigungserfordernis vor, da der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin nicht am 31.12.19 entfalle. Zumindest sei eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen möglich.

    Die Arbeitgeberin hatte keine Sozialauswahl durchgeführt

    Zuletzt hätte die Arbeitgeberin auch eine Sozialauswahl mit den weiterbeschäftigten Mitarbeitern durchführen müssen, zumal sie selbst hätte weiterbeschäftigt werden müssen.

    Sie beantragt daher Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin nicht durch die Kündigung vom 27.06.2019 beendet wurde.

    Die Arbeitgeberin behauptet dagegen, dass die Kündigung der Arbeitnehmerin erst am 28.06.2019 zugegangen sei. Daher sei die dreiwöchige Frist gewahrt. Selbst wenn sie nicht gewahrt sein sollte, führe das jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.

    Außerdem entfalle der Beschäftigungsbedarf aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung, ihre Abteilung zu schließen. Ferner sei auch keine Sozialauswahl durchzuführen gewesen, da allen vergleichbaren Mitarbeitern gekündigt wurde. Eine Beschäftigung der Klägerin über den 31.12.19 hinaus scheide aus, da diese nicht über hierfür erforderliche Kenntnisse verfüge. Eine Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz komme aus Mangel an Stellen nicht in Betracht.

    Auch ist sie der Meinung, dass das Konsultationsverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurde, da der Gesamtbetriebsrat und nicht der örtliche Betriebsrat hierfür zuständig sei.

    Die Arbeitgeberin beantragt daher Abweisung der Klage.

    Urteil des Arbeitsgerichts Köln:

    Arbeitsgericht Köln sieht die Kündigung als unwirksam an, da nicht sozial gerechtfertigt

    Das Arbeitsgericht Köln gibt der Arbeitnehmerin Recht und erklärt die Kündigung für unwirksam. Es gibt der Klage statt, da die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG ist.

    Zunächst stellt es die Anwendbarkeit des KSchG fest, womit die Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss.

    Anschließend führt es aus, dass weder die Voraussetzungen einer betrieblichen bedingten Kündigung vorliegen noch eine ordnungsgemäße Sozialauswahl nach § 1 III KSchG durchgeführt wurde.

    Bezüglich der Voraussetzungen einer betrieblich bedingten Kündigung führt es aus, dass grundsätzlich die Ausgliederung einer Abteilung eine solche Kündigung rechtfertigen kann. Es sei auch nicht Aufgabe des Gerichts, die Zweckmäßigkeit einer solchen Ausgliederung zu überprüfen, da dies eine unternehmerische Entscheidung ist. Das Gericht könne jedoch überprüfen, ob durch die unternehmerische Entscheidung der tatsächliche Beschäftigungsbedarf für die Arbeitnehmerin entfällt. Hierzu darf die Aufgabe der gekündigten Arbeitnehmerin nicht einfach auf andere Mitarbeiter übertragen werden, sodass diese mehrbelastet werden. Der Arbeitgeber müsse daher auflisten, welche Aufgaben der gekündigte Arbeitnehmer hatte und wie diese Aufgaben künftig auf andere Personen verteilt werden sollen. Dies muss nach § 1 KSchG bereits zum Kündigungszeitpunkt möglich sein, da die Kündigung aufgrund der unternehmerischen Entscheidung beruhen soll.

    Bei der Kündigung der Arbeitgeberin handele es sich um eine unzulässige Vorratskündigung

    Eine ausgesprochene „Vorratskündigung“, in deren Nachgang die Neuverteilung der Aufgaben als unternehmerische Entscheidung geplant wird, sei nicht zulässig. Solch eine Planung konnte die Arbeitgeberin allerdings nicht nachweisen. Vielmehr legt sie nach Auffassung des Gerichts den Schluss nahe, dass eine solche Planung erst im November 2019 stattfinden sollte und somit zum Zeitpunkt der Kündigung im Juni 2019 noch keine unternehmerische Entscheidung vorlag, die eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen würde. Es wurde erst die Kündigung ausgesprochen und dann die unternehmerische Entscheidung konkretisiert, was gegen den Gesetzeswortlaut verstoße. Die „Vorratskündigung“ ist damit unwirksam.

    Auch die fehlende Sozialauswahl würde die Kündigung unwirksam werden lassen

    Des Weiteren sei die Kündigung unwirksam, da keine Sozialauswahl von der Arbeitgeberin durchgeführt wurde. Sie hätte nach Auffassung des Gerichts eine Sozialauswahl hinsichtlich der weiterbeschäftigten Mitarbeiter durchführen müssen. Dies gelte auch dann, wenn diese nur kurzzeitig länger beschäftigt werden. Denn auch die Auswahl, wer länger beschäftigt wird, habe nach sozialen Auswahlkriterien gemäß § 1 III KSchG zu erfolgen.

    Dies sei jedoch vorliegend nicht erfolgt, da die Arbeitgeberin allein nach Leistungskriterien und nicht nach sozialen Kriterien entschieden habe. Nach § 1 III 2 KSchG darf die Arbeitgeberin zwar besondere Leistungsträger aus der Sozialauswahl herausnehmen. Dies sei jedoch eine Ausnahme und nicht die gesetzliche Regel. Die Arbeitgeberin habe jedoch ausschließlich nach dem Leistungsprinzip entschieden und so gegen das Regel-Ausnahme Verhältnis verstoßen. So hat sie auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Weiterbeschäftigten besondere Leistungsträger sind. Allein die pauschale Erklärung, diese hätten besondere Fähigkeiten und Kenntnisse reiche hierfür nicht ansatzweise aus. Die Anlage aus, der die Auswahl laut der Arbeitgeberin hervorgehen soll, weist das Gericht als unzureichend zurück. So sei sie zum einen aufgrund der viel zu geringen Schriftgröße unleserlich. Zum anderen sei sie auch inhaltlich unzureichend, da der Vermerk „Sonderaufgabe“ keine detaillierte Darlegung der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten iSd. § 1 III 2 KSchG darstelle. So kommt das Gericht zu dem Schluss, dass keine ordnungsgemäße Sozialauswahl stattgefunden hat.

    Es prüft dennoch, ob die Kündigung dennoch aus anderen Gründen sozial gerechtfertigt erscheint. Hierzu stellt es jedoch fest, dass die Beklagten keine besonderen Gründe vorgetragen hat. Dass die Arbeitnehmerin wie von der Beklagten behauptet auch mit Sozialauswahl gekündigt worden wäre, überzeugt das Gericht nicht. Es hält dies nicht für ersichtlich. Viel mehr hält es für wahrscheinlich, dass die Beklagte nur die Leistungsträger weiterbeschäftigen wollte. Dass diese nach ihren Sozialdaten schützenswerter gewesen wären, vermag das Gericht nicht zu erkennen.

    Somit sei eine Sozialauswahl völlig unterblieben, da sie nicht nach den Kriterien des § 1 III KSchG oder nach dem im Interessenausgleich Vereinbarten stattgefunden hat.

    Dies führt dazu, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam ist.

    Auch verringerte Anforderungen an die Sozialauswahl nach § 1 V KSchG vermag das Gericht nicht zu bejahen, da der Interessensausgleich eine vorausgesetzte Namensliste nicht enthalte.

    Daher stellt das Gericht ausdrücklich fest, dass soziale Gesichtspunkte zwingend zu berücksichtigen gewesen wären, was durch das Unterbleiben zu einer evident unwirksamen Kündigung führt.

    Es gibt damit der Arbeitgeberin recht, die Kündigung ist unwirksam.

    Quelle: Arbeitsgericht Köln

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Arbeitsrecht: Eine Verdachtskündigung ist nur bei der Erfüllung strenger Voraussetzungen möglich

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    Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 17.02.2012, Az.: 17 Sa 252/11

    Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (fristlose Kündigung) gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage somit in zwei Stufen zu prüfen.

    1. Zunächst ist zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist.

    2. In der zweiten Stufe bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

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    Insbesondere bei einer Verdachtskündigung ist allerdings eine besondere Vorgehensweise des Arbeitgebers nötig, damit die fristlose Kündigung wirksam wird.

    Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn demArbeitnehmer wegen des Verdachts auf eine im Betrieb begangene Verfehlung gekündigt wurde.

    In den allermeisten Fällen geht es dabei um Diebstahl oder Unterschlagung.

    In dem oben genannten Urteil stritten sich die Parteien über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, hilfsweise fristgerechten Kündigung mit einer Auslauffrist zum 31.12.2010 wegen Unterschlagung bzw. des dringenden Verdachts einer Unterschlagung.

    Sollten Sie ein arbeitsrechtliches Problem haben oder Partei eines Kündigungsstreites sein, unterstützen wir Sie gerne. Rufen Sie uns an, damit wir Ihnen ein Angebot unterbreiten können. Senden Sie uns entweder eine Email an info@mth-partner.de oder wählen Sie 0221 – 80187670.

    Sachverhalt: Der 1972 geborene verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.09.1997 bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.239,70 € unter Anderem als Kassenführer beschäftigt.

    Bei der beklagten Arbeitgeberin bestand hinsichtlich des vom Kläger zu führenden Kassenbuches die Geschäftsanweisung, dass für jeden Geldein- und ausgang der Kasse durch den Kassenführer eine Quittung auszustellen sei.

    Im Rahmen der Kündigung warf die Beklagte dem Kläger vor, von einem Kunden 14,99 € entgegengenommen zu haben, diesem darüber aber keine Quittung erteilt und den Betrag für sich einbehalten zu haben.

    In einer darauf folgenden Anhörung wies die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aufgrund des Vorfalls hin. Weiterhin erfolgte eine Anhörung des Betriebsrates.

    Mit Schreiben vom 15.06.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende zum 31.12.2010.

    Gegen die Kündigung legte der Kläger Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein.

    Das Arbeitsgericht folgte der Ansicht des Klägers und führte im Wesentlichen aus, dass der Kläger als Wahlbewerber den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 S. 2 KSchG genieße würde und deswegen nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne.

    Die Beklagte habe aber die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nicht darlegen können.

    Gegen das Urteil legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein.

    Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Auch das LAG Düsseldorf folgte der Ansicht des klagenden Arbeitnehmers. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 15.06.2010 noch durch die hilfsweise ausgesprochene fristlose Kündigung mit sozialer Auslauffrist bis zum 31.12.2010 beendet worden.

    Die Beklagte habe die Kündigung auf eine Unterschlagung, hilfsweise den Verdacht einer Unterschlagung gestützt. Die Voraussetzungen für eine Tatkündigung hätten aber nicht vorgelegen.

    Die Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, dass sich der Kläger am 01.06.2010 einen zwischen 8:45 Uhr und 9:00 Uhr kassierten Betrag von 14,99 € zugeeignet hatte, da keine Person benannt worden sei, die gesehen habe, dass der Kläger einen solchen Betrag eingesteckt habe.

    Die Kündigung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtskündigung wirksam erfolgt.

    Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch der Verdacht einer strafbaren Handlung einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellen.

    Eine Verdachtskündigung könne aber nur gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen würden, die Verdachtsmomente geeignet seien, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen habe, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe.

    Der Verdacht müsse auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung sei die strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend.

    Ein Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen, selbst wenn es nur um geringe Werte ginge.

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe die Beklagte aber keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, die den dringenden Verdacht begründen würden, dass sich der Kläger den Geldbetrag in Höhe von 14,99 € rechtswidrig zugeeignet habe.

    Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf

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  3. Arbeitsrecht: Verhaltensbedingte Kündigung ist nur bei vorwerfbarer Pflichtverletzung gerechtfertigt.

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    Bundesarbeitsgericht, 03.11.2011, Az.: 2 AZR 748/10

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine verhaltensbedingte Kündigung dann gerechtfertigt, wenn Umstände im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die bei verständiger Würdigung – in Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber – die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen.

    Verhaltensbedingte Kündigungen können aufgrund verschiedenster Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers erfolgen.

    Nur beispielhaft seien die folgenden Vertragsverletzungen genannt:

    – alkoholbedingtes Fehlverhalten
    – verspätete oder fehlende Krankmeldung
    – eigenmächtiger Urlaubsantritt bzw. unentschuldigtes Fernbleiben
    – allgemeine Schlechtleistung des Arbeitnehmers
    – Tätlichkeiten im Betrieb

    Um eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen, muss neben der festgestellten Vertragsverletzung, der negativen Prognose und der fehlenden
    Weiterbeschäftigungsmöglichkeit eine umfassende Interessenabwägung durch den Arbeitgeber erfolgen.

    Im Rahmen der Kündigungsschutzklage prüft das Gericht dann, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zugemutet werden kann.

    Bei der Abwägung werden dann zum Beispiel die Stärke der Pflichtverletzung oder das frühere Verhalten des Arbeitnehmers gewichtet.

    In dem oben genannten Urteil hatte das Bundesarbeitsgericht nun darüber zu entscheiden, ob eine verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung darauf gestützt werden konnte, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit unzureichend angezeigt und den Schlüssel eines Dienstfahrzeugs sowie das dazugehörige Fahrtenbuch nicht im Betrieb hinterlegte hatte.

    Sachverhalt: Der 1969 geborene, ledige Kläger war seit 1985 bei der Beklagten beschäftigt. Seit 2008 war er in dem Ressort „OnSiteService“ als Kundendiensttechniker im Außendienst im Einsatz.

    Zuletzt bezog er ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.000,00 Euro. Dem Kläger stand als alleinigem Nutzer ein Dienstfahrzeug ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung.

    Von dem Arbeitgeber war er angewiesen, vor Urlaubsantritt oder bei Arbeitsunfähigkeit den Fahrzeugschlüssel und das Fahrtenbuch im Betrieb abzugeben.

    Weil er dem anlässlich einer Arbeitsunfähigkeit und eines Urlaubs in der Zeit vom November 2002 bis Februar 2003 nicht nachgekommen war, hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihn abgemahnt und im Februar 2003 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen.

    Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers hatte Erfolg, da die Beklagte nicht zu beweisen vermochte, dass das Abmahnungsschreiben dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung zugegangen war.

    Vor dem Antritt eines erneuten Urlaubs Ende Oktober 2008 hatte der Kläger den Schlüssel des Dienstfahrzeugs und das Fahrtenbuch wiederum nicht im Betrieb hinterlegt.

    In einem Gespräch im November 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass durch sein Fehlverhalten ein einem anderen Ressort zugeordneter Parkplatz in der Tiefgarage über drei Wochen lang durch sein Fahrzeug belegt gewesen sei.

    Die Beklagte wies den Kläger schließlich an, seine Fahrtenbuchmappe inklusive Tankkarte und Fahrzeugschlüssel ab sofort abends in seinem Fach zu hinterlegen sowie sich bei dem Vorgesetzten bei Arbeitsbeginn an- und bei Arbeitsende abzumelden.

    Mit Schreiben vom Januar 2009 ermahnte die Beklagte den Kläger nochmals, die Anweisungen einzuhalten und kündigte gleichzeitig an, weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, wenn er die Anweisungen weiterhin missachte.

    Der Kläger erhielt das Schreiben am 6. Februar 2009 von seinem Vorgesetzten. Am selben Abend nahm er die Kfz-Utensilien nach einer Spätschicht mit nach Hause.

    Zu diesem Zeitpunkt war der Vorgesetzte nicht mehr im Betrieb anwesend.

    Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger ein Fach zur Verfügung stand, in dem er die Fahrzeugschlüssel hätte hinterlegen können.

    Vom 9. Februar 2009 an war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig, zeigte seine Arbeitsunfähigkeitszeiten aber nicht nahtlos an.

    Auch während seiner Erkrankung gab der Kläger die Fahrzeugutensilien weder heraus, noch teilte er der Beklagten mit, wo sie sich befänden und wie eine Herausgabe sichergestellt werden könne. Den auf seinem Diensthandy hinterlassenen Rückrufbitten der Beklagten kam er nicht nach.

    Mit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 18. Februar 2009 mahnte die Beklagte den Kläger wegen unzureichender Anzeige und fehlenden Nachweises seiner Arbeitsunfähigkeit sowie wegen mangelnder Herausgabe der Utensilien für das Dienstfahrzeug ab. Im Schreiben vom 16. Februar 2009 forderte die Beklagte den Kläger unter Anderem. auf, die Utensilien für das Dienstfahrzeug spätestens am 18. Februar 2009 abzugeben.

    Mit Schreiben vom 2. März 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach dem, dennoch kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Oktober 2009.

    Das zunächst mit der Kündigungsschutzklage angerufene Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht wiederum wies die Klage auf die Berufung der Beklagten ab. Mit der Revision beim Bundesarbeitsgericht begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

    Bundesarbeitsgericht: Das BAG folgte der Ansicht des Klägers nun und urteilte, dass das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen durfte, dass die Kündigung vom 9. März 2009 aus verhaltensbedingten Gründen gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt sei.

    Das Landesarbeitsgericht habe die Anwendbarkeit von § 1 KSchG unterstellt, ohne Feststellungen zur Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG getroffen zu haben. Dies werde es im Fall des Fehlens einer sozialen Rechtfertigung nachzuholen haben.

    Die Begründung des Berufungsurteils halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

    Eine Kündigung sei aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt habe, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten stehe und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheine.

    Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stelle eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermöge.

    Ebenso könne eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen.

    Im vorliegenden Fall könne offen bleiben, ob eine verhaltensbedingte Kündigung unter besonderen Umständen auch dann berechtigt sein könne, wenn das Verhalten dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar sei.

    Die Beklagte habe derartige besondere Umstände nicht behauptet. Sie werfe dem Kläger ausschließlich Ordnungsverstöße ohne besondere, schwerwiegende Folgen vor. Unter diesen Umständen setze eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses voraus, dass die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten dem Kläger vorwerfbar sei.

    Gemessen an diesen Grundsätzen habe das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, dass der Kläger in vorwerfbarer Weise erhebliche Nebenpflichtverletzungen begangen habe.

    Der Kläger habe hinreichend substantiiert dargelegt, in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu einem pflichtgemäßen Verhalten nicht in der Lage gewesen zu sein.

    Auf der Grundlage seines Vorbringens sei ihm die Erfüllung seiner Pflichten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv unmöglich und deren Nichterfüllung daher nicht vorwerfbar gewesen.

    Eine beharrliche Weigerung, die Pflichten zu erfüllen, habe unter den behaupteten Umständen nicht vorgelegen.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

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