Landgericht München I 03.06.2014 Az.: 33 O 4149/14 Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Landgericht München I 03.06.2014 Az.: 33 O 4149/14

  1. Internetrecht: Unterlassungsanspruch wegen fehlendem Xing-Profil im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

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    Landgericht München I, 03.06.2014, Az.: 33 O 4149/14

    In den meisten wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten geht es in erster Linie um die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Das gilt auch bei Streitigkeiten wegen fehlender Anbieterkennzeichnungen (Impressum) von Webseiten.

    Diese Ansprüche sollten im ersten Schritt außergerichtlich durch eine Abmahnung eingefordert werden. Werden die erhobenen Forderungen (strafbewehrte Unterlassung- und Verpflichtungserklärungen) dann trotz der Aufforderung nicht freiwillig oder nur unzureichend vom Abgemahnten abgegeben, muss der Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden.

    Dies ist dann möglich mittels einer Unterlassungsklage oder im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes. Der vorläufige Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Verfügung dient dazu, einen Streitfall vorläufig zu regeln

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    In dem hier dargestellten Fall des Landgerichts München I hatte dieses im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber zu entscheiden, ob ein Rechtsanwalt verpflichtet war, eine Unterlassungserklärung gegenüber einem anderen Rechtsanwalt abzugeben, weil dieser auf seinem XING-Profil kein Impressum bereithielt.

    Sachverhalt: Der Antragsteller in diesem einstweiligen Verfügungsverfahren war Rechtsanwalt und Inhaber eines Profils bei der Internetplattform XING im Rahmen einer Premiummitgliedschaft. Der Antragsgegner war ebenfalls Rechtsanwalt. Auch der Antragsgegner unterhielt, jedoch nur im Rahmen einer Basismitgliedschaft, einen Internetauftritt bei „XING“.

    Die Internetplattform „XING“ bietet seinen Nutzern drei verschiedene Arten von Benutzerkonten an, nämlich ein „Employer Branding-Profil“, eine Premium-Mitgliedschaft und eine Basis-Mitgliedschaft. Kleinere Unternehmen und Verbraucher haben nur die Wahl zwischen der Premium- und der Basis-Mitgliedschaft. Die Basis-Mitgliedschaft erlaubt dabei nur die Nutzung der grundlegendsten Funktionen der Plattform. Geschäftlich relevante Funktionen wie die Möglichkeit, Benutzern, die nicht Kontakte sind, Nachrichten zu schreiben, bleiben der Premium-Mitgliedschaft vorbehalten. Unregistrierte Nutzer können u.a. bei einem Mitgliederprofil kein Foto und kein Unternehmen sehen Auch eine Kontaktaufnahme ist einem unregistrierten Benutzer nicht möglich. Nutzer von „XING“ müssen zwingend die von „XING“ zur Verfügung gestellten Profilfunktionen verwenden und eine geschäftliche Adresse angeben. Gibt der Nutzer seine private Adresse ein, weil er das Portal als Privatperson nutzen möchte, zeigt „XING“ diese gleichwohl als Geschäftsadresse an und verknüpft diese eigenmächtig mit der an anderer Stelle eingegebenen Firma, ohne dass der Nutzer hierauf irgendwelchen Einfluss haben würde.

    Wegen des Internetauftritts des Antragsgegners bei „XING“, welcher über kein Impressum verfügte, mahnte der Antragsteller den Antragsgegner mit Schreiben vom 04.02.2014 ab und forderte diesen erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

    Der Antragsteller war der Ansicht, eine Pflicht zur Vorhaltung eines Impressums auf XING ergebe sich aus den § 5 TMG und § 55 RStV. Das eingerichtete Internetprofil werde vom Antragsgegner nicht nur privat genutzt und erfülle zumindest Marketingzwecke.

    Der Antragsgegner wiederum war der Ansicht, dass es an einem Verfügungsanspruch fehlen würde. Es sei bereits zu verneinen, dass für „XING“-Profile eine Impressumspflicht nach § 5 TMG bestünde. Eine solche bestünde nur für „geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien“.

    Schließlich sei auch kein Verfügungsgrund ersichtlich, denn der Antragsteller habe erst durch die grob fahrlässige Einreichung des Antrags beim örtlich unzuständigen Gericht und dann durch ein Fristverlängerungsgesuch klar gezeigt, dass ihm die Sache nicht so eilig sei.

    Landgericht München I: Das Landgericht München I urteilte, dass der der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zwar zulässig, aber nicht begründet sei:

    Entgegen der Ansicht des Antragsgegners sei allerdings ein Verfügungsgrund gegeben:

    Die Dringlichkeit werde gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Zudem habe der Antragsteller mit eidesstattlicher Versicherung vom 03.03.2014 glaubhaft gemacht, auf das Internetprofil des Antragsgegners am 02.02.2014 aufmerksam geworden zu sein. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei am 06.02.2014 und mithin innerhalb der im OLG-Bezirk München maßgeblichen Monatsfrist bei Gericht eingereicht worden.

    Weder die Einreichung des Antrags beim Landgericht München II noch die Beantragung einer Fristverlängerung seien dringlichkeitsschädlich gewesen. Die Anrufung des Landgerichts München II sei aus Sicht der – an den Verweisungsbeschluss des Landgerichts München II gebundenen – Kammer keinesfalls grob fahrlässig gewesen. Die vom Antragsteller begehrte Fristverlängerung lange vor dem bereits anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung habe zum einen schon tatsächlich nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt und zum anderen seien kurze Erwiderungsfristen jedenfalls in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes üblich und hinzunehmen.

    Allerdings bestünde kein Verfügungsanspruch:

    Die Parteien seien Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, weil sie miteinander als Anbieter von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stünden:

    Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis sei dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen, mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten, den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören könne

    Vorliegend handele es sich zwar jedenfalls bei der Kanzlei, in der der Antragsgegner angestellt sei, unwidersprochen um eine Kanzlei mit regionaler Ausrichtung. Auch Privatleute würden aber heutzutage nach der Erfahrung der Kammer nicht in aller Regel nur ortsnah tätige Anwälte aufzusuchen und würden ortsfern ansässige „Spezialanwälte“ nicht nur ausnahmsweise in wirtschaftlich bedeutsamen Angelegenheiten in Anspruch nehmen.

    In der Veröffentlichung seines Profils bei „XING“ liege auch eine geschäftliche Handlung des Antragsgegners im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, denn die konkrete Ausgestaltung des Profils sei objektiv geeignet, den Absatz der vom Antragsgegner bzw. der ihn beschäftigenden Kanzlei angebotenen Dienstleistungen zu fördern, weil der Antragsgegner dort unter Hervorhebung seiner eigenen beruflichen Qualifikation seinen Arbeitgeber benennen würde. Es handele sich daher aus Sicht des angesprochenen allgemeinen Verkehrs, zu dem auch die Mitglieder der Kammer als durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Verbraucher gehören würden, nicht nur um ein rein privates Profil des Antragsgegners beim Internetportal „XING“, bei welchem es sich nach dem eigenen Vortrag des Antragsgegners um ein soziales Netzwerk für berufliche Kontakte handeln würde, welches es seinen Mitgliedern erlauben solle, geschäftliche und berufliche Kontakte zu knüpfen und mit anderen Mitgliedern auszutauschen.

    Auch verstoße das streitgegenständliche Profil des Antragsgegners bei „XING“ gegen § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 5 TMG:

    Die Impressumspflicht nach der Marktverhaltensregelung des § 5 TMG gelte für Diensteanbieter geschäftsmäßiger, in der Regel gegen Entgelt angebotener Telemedien. Gem. § 2 Nr. 1 TMG sei ein Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Teledienste zur Nutzung bereit halte oder den Zugang, zur Nutzung vermitteln würde. Bei Internetportalen seien die einzelnen Anbieter, sofern sie geschäftsmäßige Teledienste anbieten würden, für ihre Seiten impressumspflichtig. Der Begriff der kommerziellen Kommunikation setze Art. 2 f) der e-commerce-Richtlinie wörtlich um. Er sei weit zu verstehen und umfasse alle Arten von Werbung, wobei die im Wettbewerbsrecht entwickelten Begriffe der geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG und der Werbung herangezogen werden könnten.

    Im Hinblick auf das von ihm bei „XING“ unterhaltene Profil sei der Antragsgegner unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe Diensteanbieter eines geschäftsmäßigen Telemediums. Da das in Rede stehende Profil des Antraqsgegners bei „XING“ unstreitig über kein Impressum verfügen würde, verstoße dieser gegen § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 5 TMG.

    Eine nach § 4 Nr. 111 UWG unlautere geschäftliche Handlung sei allerdings nach § 3 UWG nur unzulässig, wenn sie geschäftliche Relevanz aufweisen würde. Es komme also darauf an, ob die Handlung geeignet sei, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen bzw. soweit es um die Verletzung von Informationspflichten gegenüber Verbrauchern ginge, die ihre Grundlage im Unionsrecht haben würden, ob sie dazu geeignet sei, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen würde, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Diese Eignung sei dann anzunehmen, wenn eine objektive Wahrscheinlichkeit bestünde, dass die konkrete Handlung zu einer solchen spürbaren Beeinträchtigung führen würde

    Grundsätzlich komme dem Fehlen eines Impressums in der Regel geschäftliche Relevanz zu. Vorliegend sei zwischen den Parteien allerdings unstreitig, dass die Internetplattform „XING“ dazu diene, Kontakte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. zwischen Berufstätigen untereinander zu knüpfen. Dass darüber hinaus über „XIING“ üblicherweise auch Geschäftsabschlüsse angebahnt und insbesondere Mandatsverhältnisse begründet werden, habe der Antragsteller nicht darzutun vermocht. Der Antragsteller habe insbesondere weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass gerade ein Basis-Profil wie dasjenige des Antragsgegners mit den entsprechenden rudimentären Angaben tatsächlich überhaupt von künftigen Mandanten genutzt werde, welche auf diese Weise einen Rechtsanwalt suchen würden. Unter Zugrundelegung und Würdigung des Sachvortrags der Parteien im vorliegenden Verfahren sei eine Vergleichbarkeit zwischen einem Basisprofil bei „XING“ und einem (Unternehmens-)Auftritt bei „Facebook“ oder „Google+“ nicht gegeben, mit der Folge, dass der Wettbewerbsverstoß des Antragsgegners im konkreten Streitfall wettbewerblich nicht relevant sei.

    Quelle: Landgericht München I

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen. Eine Rechtsberatung kann hierdurch nicht ersetzt werden.

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