Muss die Arbeitsvorbereitung bezahlt werden? Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Muss die Arbeitsvorbereitung bezahlt werden?

  1. Arbeitsrecht: Zulagen bilden Teil des Mindestlohns und Arbeitsvorbereitungszeiten sind als Arbeitszeiten zu charakterisieren.

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    Arbeitsgericht Magdeburg, 26.10.2016, Az.: 3 Ca 3220/15

    Nach § 1 Mindestlohngesetz hat jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. Seit dem 01.01.2017 beträgt der Mindestlohn 8,84 € je Zeitstunde.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Kläger wollte von seinem Arbeitgeber Geld für sogenannte Arbeitsvorbereitungszeiten

    Der Kläger ist Arbeitnehmer und seit 2013 bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger begehrt die Zahlung einer Zulage und die Gutschrift von Arbeitsvorbereitungszeiten (sog. „Rüstzeiten“). Bevor der Kläger seine Tätigkeit aufnehmen kann, muss dieser zunächst seinen Computer hochfahren, Programme öffnen und eine Reihe von Anmeldeprozeduren durchlaufen. Die hierfür benötigte Zeit beträgt nach Bestätigung des Projektleiters 9 Minuten und 20 Sekunden, wird jedoch nicht bei der Arbeitszeit berücksichtigt.

    In dem Arbeitsvertrag des Klägers ist zum einen eine Regelung enthalten, dass geleistete Mehrarbeit in einem Arbeitszeitkonto erfasst wird. Ein Ausgleich von Plus- und Minusstunden soll möglichst im Laufe des Jahres erfolgen.

    Zum anderen ist geregelt, dass der Kläger einen Bruttolohn von 7,50 €/Stunde enthält, wobei die Auszahlung unabhängig von den geleisteten Stunden 1/12 der vereinbarten regelmäßigen Jahresarbeitszeit von 1566 Stunden sein soll.

    Darüber hinaus begehrt der Kläger eine sogenannte Flexibilitätszulage

    Im Weiteren erhalten die Mitarbeiter darüber hinaus eine Flexibilitätszulage in Höhe von 0,25 € pro Anwesenheitsstunde.

    Letztlich enthält der Arbeitsvertrag noch eine Regelung über Ausschluss- und Verfallsfristen. Diese besagt, dass „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.“

    Seit Einführung des Mindestlohns erhält der Kläger einen Bruttostundenlohn in Höhe von 8,50 €, allerdings keine Flexibilitätszulage mehr. Hierzu teilte die Beklagte mit, dass mit der Erhöhung des Stundenlohns alle Zulagen und Sonderzulagen, die das Unternehmen zusätzlich ausgeschüttet und im Rahmen freiwilliger Leistungen erbracht hat, abgegolten seien.

    Der Kläger beantragt zum einen die Zahlung der angefallenen Flexibilitätszulage und anderseits die Berücksichtigung der angefallenen „Rüstzeiten“.

    Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg

    Die zulässigen Klage hat das Arbeitsgericht Magdeburg durch Urteil teilweise stattgegeben und teilweise wurde diese zurückgewiesen.

    Gericht sieht keinen Anspruch auf die sogenannte Flexibilitätszulage

    Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung der Flexibilitätszulage in Höhe von 0,25 € pro abgeleisteter Arbeitsstunde. Das Mindestlohngesetz verpflichte den Beklagten lediglich zur Zahlung von pro Stunde 7,50 € brutto (Arbeitsentgelt laut Vertrag) + 0,25 € brutto (Flexibilitätszulage) + 0,75 € (Differenz zum geschuldeten Mindestlohn).

    Denn grundsätzlich seien alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers würden nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung fehlen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, ZIP 2016, 1940).

    Die streitgegenständliche Flexibilitätszulage stelle eine im Synallagma stehende Geldleistung des Arbeitgebers dar, da diese im Hinblick auf eine tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers (Anwesenheitsstunde) gezahlt werde.

    Die Flexibilitätszulage sei damit Teil des Mindestlohns und daher nicht extra zu vergüten.

    Der Kläger habe jedoch einen Anspruch auf Entlohnung systembedingter Arbeitsvorbereitungszeiten

    Der Kläger habe jedoch einen Anspruch auf Entlohnung systembedingter Arbeitsvorbereitungszeiten als Arbeitszeiten bzw. deren Berücksichtigung als Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto.

    Auch systembedingte Arbeitsvorbereitungszeiten („Rüstzeiten“), wie die Versetzung des Arbeitsplatzcomputers in einen Zustand, der die Aufnahme der geschuldeten Arbeitsleistung ermöglicht (z.B. Hochfahren, etwaige Anmeldungen und Programmöffnungen) würden vergütungspflichtige Arbeit darstellen.

    Das Gericht legt dar, dass zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit alle Tätigkeiten gehören würden, die für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich seien, soweit sie einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen würden, wie etwa das An- und Ablegen von vorgeschriebener Schutzkleidung oder vorgeschriebener uniformer Firmenbekleidung sowie die Entgegennahme, Abgabe und Herstellung der Einsatzfähigkeit von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln (vgl. etwa BAG 12.11.2013 – 1 ABR 59/12, BAGE 146, 271; 19.09.2012 – 5 AZR 678/11, BAGE 143, 107; 22.04.2009 – 5 AZR 292/08, DB 2009, 1602). Der Kläger sei erst einsatzfähig nach Abschluss der systembedingten Arbeitsvorbereitungszeiten. Er ist verpflichtet, diese durchzuführen, um seine Arbeit aufnehmen zu können und diene damit ausschließlich einem fremden, nämlich dem Bedürfnis der Beklagten.

    Den Umfang habe der Kläger auch wie gefordert detailliert dargelegt und sei daher seiner Beweispflicht nachgekommen. Eine Berücksichtigung der Rüstzeiten habe daher zu erfolgen.

    Daher ist zusammenfassend zu sagen, dass Zulagen, die direkt zur Arbeitszeit gehören, unter den Mindestlohn fallen und nicht separat zu berücksichtigen sind. Im Weiteren gehören Rüstzeiten, die nur für den Arbeitgeber erfolgen, Teil der Arbeitszeit und sind dementsprechend zu vergüten.

    Quelle: Arbeitsgericht Magdeburg

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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