Muss die Kündigung dem Betreuer zugestellt werden? Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Muss die Kündigung dem Betreuer zugestellt werden?

  1. Mietrecht: Die mietrechtliche Kündigung ist bei Personenmehrheit an alle Mieter zu adressieren

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    Bundesgerichtshof, 10.12.2014, Az.: VIII ZR 25/14

    Sowohl im Wohnraummietrecht als auch im Gewerberaummietrecht sollte die Erklärung der Kündigung besonders sorgfältig vorgenommen werden.

    Dies gilt insbesondere für die folgenden Bereiche der Kündigung:

    • Bezeichnung der Parteien
    • Form der Kündigung
    • Begründung der Kündigung
    • Zugangsnachweis

    Gerade bei der Bezeichnung der Parteien in der Kündigung werden immer wieder kostenträchtige Fehler gemacht, denn die Kündigung muss von der richtigen Partei ausgesprochen und an die richtige Partei adressiert werden.

    Fehler passieren insbesondere immer dann, wenn entweder auf Vermieter- oder auf Mieterseite Personenmehrheiten beteiligt sind.

    In dem oben genannten Urteil des Bundesgerichtshofes hatte dieser über die Wirksamkeit einer Kündigung gegenüber einer Erbengemeinschaft zu entscheiden.

    Sachverhalt: Die beklagte Mieterin wurde von der klagenden Vermieterin auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung in Anspruch genommen. Die Beklagte und ihre Schwester Carolin waren Erbinnen nach ihrer am 07.01.2012 verstorbenen Mutter, welche die Wohnung als Mieterin innehatte.

    Nach dem Tod der Mutter zeigten die Beklagten und deren Schwester Carolin mit Schreiben vom 01.02.2012 den Tod ihrer Mutter bei der Beklagten an. Das Schreiben war mit den Absenderanschriften der Beklagten unter der streitgegenständlichen Wohnung und ihrer Schwester in D. versehen. Inhalt des Schreibens war unter anderem:

    „… Wir haben mit unserer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und sind nun nach § 563 Abs. 2 BGB per Gesetz an die Stelle unserer Mutter in das Mietverhältnis getreten. Hiermit erklären wir, dass wir das bestehende Mietverhältnis fortsetzen wollen. Weitere Erben oder Anspruchsberechtigte gibt es nicht. Die Miete wird in Zukunft von Sophie S. überwiesen. Im Schriftverkehr wenden Sie sich bitte auch an Sophie S. .“

    Trotz dieser Anzeige erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 29.02.2012 die Kündigung der Wohnung. Als Empfänger war in dem Kündigungsschreiben unter der Anschrift der streitgegenständlichen Wohnung angegeben: „Frau S. , Sophie“, der Vorname war von der Klägerin handschriftlich eingefügt worden.

    In dem Kündigungsschreiben hieß es weiter:

    „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit mache ich von meinem Sonderkündigungsrecht lt. BGB § 563 (Eintrittsrecht bei Tod des Mieters) Gebrauch, da Sie nicht im Haushalt Ihrer Mutter gelebt haben. Ich kündige zum nächstmöglichen Zeitpunkt fristgerecht …“.

    Auf dem Schreiben befand sich ein handschriftlicher Vermerk, der von der Beklagten unterschrieben war:

    „Am 29.02.12 erhalten: Diese Kündigung wird umgehend an die Schwester, Frau Carolin S. weitergeleitet“.

    Mit Schreiben vom 06.09.2012 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten und ihrer Schwester erneut die Kündigung und berief sich hierbei sowohl auf § 563 BGB als auch auf § 564 BGB. Es folgten weitere Kündigungsschreiben.

    20 Ziff. 2 des Mietvertrags lautete:

    „Für die Rechtswirksamkeit einer Erklärung des Vermieters genügt es, wenn sie gegenüber einem der Mieter abgegeben wird. Willenserklärungen eines Mieters sind auch für die anderen Mieter verbindlich. Die Mieter bevollmächtigten sich hiermit gegenseitig zur Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärungen, und zwar unter gegenseitiger Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Dies gilt nicht für die Kündigung eines Mieters.“

    Da die Beklagten die Wohnung trotz der Kündigungen nicht räumten, reichte die Klägerin Räumungsklage beim Amtsgericht ein. Dieses wies die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zum Landgericht Berlin wurde mit der folgenden Begründung des Landgerichts Berlin ebenfalls abgewiesen:

    Die Kündigung vom 29.01.2012 sei nicht gemäß § 564 BGB wirksam erfolgt. Würden mehrere Erben die Rechtsnachfolge des Verstorbenen antreten, müsse gegenüber sämtlichen Erben gekündigt werden. Die allein der Beklagten überreichte Kündigung vom 29.01.2012 habe insoweit nicht genügt, da diese nur an die Beklagte gerichtet worden sei.

    Die Klägerin habe selbst nicht behauptet, eine Adressierung auch an die Schwester der Beklagten vorgenommen zu haben. Die Aufforderung zur Weitergabe an diese – bei handschriftlich eingefügtem Namen der Beklagten im Adressfeld – würde eine an sie gerichtete Willenserklärung jedenfalls nicht ersetzen.

    Soweit die Kündigung nur an die Beklagte gerichtet worden sei, würde § 20 Ziff. 2 des Mietvertrags an der Nichtwirksamkeit der Kündigung ebenfalls nichts ändern. Denn eine vorformulierte Vertragsklausel, die bestimme, dass sich mehrere Vermieter oder Mieter gegenseitig bevollmächtigten, Erklärungen entgegenzunehmen, sei zwar wirksam; dies gelte auch dann, wenn sie den Empfang der Kündigung einschließe, während jedoch eine Klausel, wonach die Kündigung an einen Mieter die Kündigung des Mietverhältnisses mit Wirkung gegen alle Mieter bewirke, keine Bevollmächtigung enthalte, sondern entgegen § 425 Abs. 2 BGB die Wirkung gegen die Gesamtschuldner anordne und unwirksam sei. Eine Empfangsvollmacht besage nämlich nur, dass der Empfangsvertreter eine an den Mieter gerichtete Kündigung entgegennehmen könne.

    Eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 563 Abs. 4 BGB habe dem Schreiben nicht entnommen werden können.

    Die weiteren Kündigungen gegenüber der Beklagten und ihrer Schwester seien ebenfalls nicht nach § 564 BGB wirksam erklärt worden, weil sich die Klägerin nicht auf die fehlende Kenntnis von der Erbenstellung nach § 564 BGB habe berufen können.

    Auch seien sie nicht nach § 563 BGB gegenüber der Beklagten wirksam geworden, ohne dass es auf die streitige Frage der vorherigen gemeinsamen Haushaltsführung ankommen würde. Denn die Klägerin habe diese weiteren Kündigungen nicht innerhalb der Monatsfrist des § 563 Abs. 4 BGB aus wichtigem Grund erklärt, so dass die Beklagte und ihre Schwester als Erben das Mietverhältnis ihrer verstorbenen Mutter gemäß § 564 Satz 1 BGB fortgesetzt hätten.

    Gegen dieses Urteil des Landgerichts Berlin verfolgte die Klägerin ihr Räumungsbegehren mit der Revision beim Bundesgerichtshof weiter.

    Bundesgerichtshof: Der Bundesgerichtshof urteilte, dass diese Beurteilung des Landgerichts Berlin einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten würde.

    Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung könne der von der Klägerin mit der Kündigung vom 29.02.2012 geltend gemachte Räumungsanspruch gemäß § 546 Abs. 1, § 985 BGB nicht verneint werden.

    Die (formelle) Wirksamkeit der Kündigung vom 29..02.2012 scheitere jedenfalls nicht – wie vom Berufungsgericht angenommen – daran, dass sich die Kündigung nur an die Beklagte und nicht an deren Schwester Carolin S. gerichtet habe. Ob die Klägerin ihr Sonderkündigungsrecht mit Schreiben vom 29..02.2012 im Übrigen wirksam ausgeübt habe, könne auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beantwortet werden.

    Anders als die Revisionserwiderung meine, sei die Klage allerdings nicht bereits wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil die Klägerin nur die Beklagte, nicht aber deren Schwester als mögliche Mitmieterin auf Räumung in Anspruch genommen habe.

    Es sei unerheblich, dass die Klägerin Räumung der Wohnung (zunächst) nur der Beklagten gegenüber begehrt habe. Die Rückgabepflicht mehrerer Mieter sei eine Gesamtschuld, die gegen jeden der Schuldner besonders geltend gemacht werden könne.

    Zutreffend habe das Berufungsgericht angenommen, dass die Kündigungserklärung der Klägerin vom 29.02.2012 dahingehend auszulegen sei, dass sie (auch) eine Kündigung nach § 564 BGB enthalte.

    Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts habe die Klägerin durch die Formulierung „hiermit mache ich von meinem Sonderkündigungsrecht lt. BGB § 563 […] Gebrauch, da Sie nicht im Haushalt Ihrer Mutter gelebt haben“ den Eintritt der Beklagten in das Mietverhältnis gemäß § 563 BGB bestritten und ihr Räumungsverlangen in materieller Hinsicht auf die (nachrangig zu prüfende) Kündigungsregelung in § 564 BGB gegen die Beklagte als (Mit-)Erbin und Rechtsnachfolgerin nach ihrer verstorbenen Mutter als Mieterin gestützt.

    Auch sei dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Kündigung gemäß § 564 BGB gegenüber sämtlichen Erben als Rechtsnachfolgern des verstorbenen Mieters erfolgen müsse. Rechtsfehlerhaft sei jedoch die Würdigung des Berufungsgerichts, dieses sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt, da die Kündigung sich nur an die Beklagte gerichtet habe und die im handschriftlichen Zusatz zugesagte Weitergabe des Schreibens vom 29.02.2012 an deren Schwester nicht eine an diese gerichtete Kündigung ersetzen würde.

    Zwar handele es sich bei der Ermittlung des Sinngehalts einer von den Parteien abgegebenen Willenserklärung um eine in erster Linie dem Tatrichter obliegende Auslegung, die revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar sei, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen habe.

    Die Auslegung des Berufungsgerichts schöpfe den Wortlaut des Schreibens vom 29.02.2012 einschließlich der darauf vermerkten handschriftlichen Zusätze nicht aus und verkürze auf diese Weise unzulässig deren rechtsgeschäftlichen Bedeutungsgehalt. Insbesondere habe das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin ihre auf § 564 BGB gestützte Kündigung ersichtlich an beide Töchter als nach dem Tod der Mieterin in Betracht kommende Erben richten habe wollen, §§ 133, 157 BGB, und dies auch – wie allein schon der auf das Kündigungsschreiben gesetzte Weiterleitungsvermerk zeige – für alle Beteiligten ersichtlich gewesen sei.

    Eine empfangsbedürftige Willenserklärung – wie hier die Kündigungserklärung – sei gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen habe müssen. Der Erklärungsempfänger sei verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint habe. Entscheidend sei dabei der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden.

    Zwar sei ein entsprechender Wille der Klägerin aus der maßgeblichen Sicht der Schwester der Beklagten als Empfängerin – entgegen der Ansicht der Revision – nicht schon der allgemein gehaltenen Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ zu entnehmen gewesen, wohl jedoch dem Inhalt des handschriftlichen Zusatzes auf diesem Schreiben. Hiernach habe sich die Beklagte verpflichtet, die Kündigung umgehend an die namentlich genannte Schwester weiterzuleiten.

    Das Berufungsgericht, das dem Vermerk den Sinn beigemessen habe, die Schwester habe auf diesem Weg lediglich von der Kündigung gegenüber der Beklagten erfahren sollen, werde dem Erklärungsgehalt des Zusatzvermerks nicht gerecht. Eine derart beschränkende Erklärungsbedeutung hätte für die Klägerin in rechtlicher Hinsicht keinen Sinn ergeben. Ihr sei es ersichtlich nicht um eine Kenntnis der Schwester von der gegenüber der Beklagten erfolgten Kündigung gegangen, sondern um die Beendigung des Mietverhältnisses insgesamt. Dies sei nur durch die Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber beiden Töchtern der verstorbenen Mieterin als deren Erbinnen zu erreichen gewesen. Dieser objektive Erklärungsgehalt des Weiterleitungszusatzes konnte einem redlichen Erklärungsempfänger nicht verborgen bleiben.

    Mit diesem Inhalt sei das Kündigungsschreiben vom 29.02.2012 beiden Mieterinnen innerhalb der Monatsfrist des § 564 Satz 2 BGB auch rechtzeitig zugegangen.

    Es könne dahinstehen, ob die formularmäßige Vollmachtklausel in § 20 Satz 2 des Mietvertrags einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhalte. Denn in dem von der Beklagten und Carolin S. gemeinsam verfassten und unterzeichneten Schreiben vom 01.02.2012 sei die Klägerin ausdrücklich gebeten worden, den Schriftverkehr im Mietverhältnis an die Beklagte zu richten.

    Diese Erklärung, die der Senat, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten seien, selbst auslegen könne, enthalte eine Bevollmächtigung der Beklagten durch die Mitmieterin Carolin zur Entgegennahme von Willenserklärungen der Klägerin, die das Mietverhältnis betreffen würden. Dem Schreiben sei zu entnehmen, dass (nur) die Beklagte in der Wohnung wohnen werde, während Carolin in einer anderen Stadt wohnen werde. Zudem werde weiter mitgeteilt, dass die Miete in der Zukunft allein von der Beklagten gezahlt werden würde. Jedenfalls unter diesen Umständen, die es nahelegen, dass alle Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag im Innenverhältnis der Mieterinnen bei der Beklagten liegen sollten, sei die auch von Carolin geäußerte Bitte, den Schriftverkehr an die Beklagte zu richten, aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin als Erteilung einer Vollmacht zur Entgegennahme von Willenserklärungen aus dem Mietverhältnis auszulegen gewesen.

    Nach alledem könne das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es sei aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

    Quelle: Bundesgerichtshof

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Mietrecht: Außerordentliche Kündigung eines schuldunfähigen Mieters wegen massiver Störung des Hausfriedens wirksam.

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    Amtsgericht Hannover, 04.02.2014, Az.: 406 C 8685

    Seit der Einführung des Betreuungsrechtes im Jahre 1992 ist an die Stelle der Vormundschaft über Volljährige die gesetzliche Betreuung getreten.

    Gesetzlich betreute Menschen sind solche, welche aufgrund einer psychischen Erkrankung, einer geistigen Behinderung, Altersverwirrtheit oder Gebrechlichkeit oder aufgrund einer körperlichen Schwerbehinderung ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können.

    Um die Angelegenheiten des Betreuten regeln zu können, bekommt der gesetzliche Betreuer von dem zuständigen Betreuungsgericht sogenannte Aufgabenkreise zugewiesen.

    Ein solcher Aufgabenkreis ist zum Beispiel der Aufgabenkreis „Wohnungsangelegenheiten“. Im Rahmen dieses Aufgabenkreises hat der Betreuer für den Betreuten sämtliche Aufgaben zu erledigen, welche mietrechtlicher Natur sind.

    Steht der Mieter einer Wohnung unter Betreuung und hat dessen Betreuer den Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten, ergeben sich im Rechtsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter verschiedene Besonderheiten, die es für alle Parteien zu beachten gilt.

    Wenn der betreute Mieter zum Beispiel geschäftsunfähig ist, muss eine Abmahnung wegen vertragswidrigen Gebrauch oder eine Kündigung durch den Vermieter dem Betreuer und nicht dem Betreuten zugestellt werden, damit diese wirksam werden.

    Gemäß § 131 Abs. 1 BGB wird eine Willenserklärung nämlich nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter eines Geschäftsunfähigen zugeht.

    Welche Rechte bei Störung des Hausfriedens

     

    In dem oben genannten Fall des Amtsgerichts Hannovers hatte dieses über die Wirksamkeit der Kündigung eines unter Betreuung stehenden psychisch kranken zu entscheiden, welcher sich über einen längeren Zeitraum vertragswidrig verhalten hatte. Dabei musste bei der Abwägung der Interessen auch die Schuldunfähigkeit des Mieters berücksichtigt werden.

    Sachverhalt des Gerichtsverfahrens

    Geschäftsunfähiger Mieter stört immer wieder den Hausfrieden

    Der Beklagte zu 1) wohnte bereits seit einiger Zeit mit der Beklagten zu 2) in der Wohnung der Klägerin.

    Nach Aussage der Klägerin störte der Beklagte zu 1) über einen längeren Zeitraum immer wieder den Hausfrieden. So habe er in der Nacht vom 06.04.2013 und den 07.04.2013 mehrfach das Notdiensttelefon der im Haus befindlichen Apotheke angerufen und dabei wirres und unhöfliches Zeug geredet.

    Er habe zu allen Tages und Nachtzeitzeiten an den Türen der anderen Mieter geklingelt und diese dadurch aus dem Schlaf gerissen. Seit Anfang April habe er fast täglich die Ruhe im Haus massiv gestört, indem er die Bewohner beschimpft, verängstigt und tyrannisiert sowie bedroht habe.

    Mieter schreit im Treppenhaus, beleidigt und bedroht andere Mieter

    Er habe lautstarke Gespräche im Treppenhaus geführt und sei lautstark schreiend und mit irrem Blick im Treppenhaus weibliche Bewohner angesprungen. Ferner habe er häufig wirres und unverschämtes Zeug auf die Anrufbeantworter der Bewohner gesprochen. Am 15.04.2013 und am 22.6.2013 habe er von seinem Balkon aus Kinder im Garten angeschrien.

    Er habe eine Krähenattrappe von seinem Balkon auf den Balkon der Nachbarwohnung geworfen. Am 27.04.2013 habe er einen Mieter angegriffen und verletzt. Am 11.05.2013 habe er die Schwester einer Mieterin beschimpft und beleidigt. Am 25.06.2013 habe der Beklagte im Treppenhaus randaliert.

    Am 08.07.2013 habe er die Mutter einer Mieterin damit bedroht, dass sie vorsichtig sein solle und Heil die Stufen runter kommen solle, er wisse wie so etwas geht.

    Zudem habe er an diesem Tag die Mieterin bedroht, beschimpft und angeschrien. Am 14.07.2013 habe er sich um 18:45 Uhr gegenüber einem elfjährigen Kind im Hausflur nur mit Unterhose bekleidet gezeigt.

    In der Nacht vom 16.07. auf den 17.07.2013 habe er gegen die Wohnungstür einer Mieterin gepoltert. Dies habe bis 2:00 Uhr in der Nacht angehalten. Ab ca. 5:00 Uhr habe er im Garten gesessen und so laut lamentiert, dass die Bewohner im Hause davon geweckt worden seien.

    Am 17.7.2013 habe er eine Mieterin im Treppenhaus aggressiv angesprochen und habe gegen 21:30 Uhr gegen die Haustür der Mieterin gepoltert und diese mit den Worten bedroht „Komm her, ich hau Dir in die Fresse!“. Es habe am Oberkörper nichts angehabt.

    In der Nacht zum 25.07.2013 habe er gegen ca. 1:00 Uhr so laut unsinnige Selbstgespräche im Innenhof gehalten, dass andere Mieter davon wach geworden seien. Zudem habe er im Hof gebrüllt, ob jemand gewillt sei, ihm ein Telefon zu leihen.

    Gegen 6:45 Uhr habe er lautstark die Wohnungstür mehrfach geöffnet und zu geschmissen. Am 26.07.2013 habe er um ca. 9:15 Uhr mit nacktem Oberkörper ganz dicht hinter der Glasscheibe der Wohnungstür gestanden und habe eine andere Mieterin angestarrt und dabei gesagt: „Ihr werdet Euer Verhalten noch bereuen!“.

    Am 27.07.2013 habe der er ab ca. 7:00 Uhr morgens die Wohnungstür offen stehen gelassen und jeden, der vorbeiging, sehr laut angesprochen. Gegen ca. 18:00 Uhr habe er auf dem Balkon gestanden und lautstark geschimpft. In der Nacht zum 29.07.2013 habe er durch lautstarke Monologe viermal die Nachbarn geweckt.

    Mieter nennt andere Mieter „Arschloch“ und läuft nackt herum

    In der Nacht zum 04.08.2013 habe er die Wohnungstür geöffnet, als eine Mieterin das Treppenhaus leise betreten habe. Er sei laut geworden, als diese nicht auf seine Fragen eingehen wollte und habe lautstark seine Wohnungstür zugeknallt, diese wieder geöffnet und die Mieterin beleidigt und beschimpft. Dabei sei der Ausdruck „Arschloch“ gefallen. Er habe dann bei ihr Sturm geklingelt.

    Am 05.08.2013 sei er um ca. 7:15 Uhr laut lamentierend im Treppenhaus herumgelaufen und habe lautstark die Haustür zu geschmissen. Gegen ca. 14:00 Uhr habe er die Wohnungstür geöffnet, als die Mieterin mit ihren Töchtern gerade vorbei gegangen war und habe ihr nachgeschrien, dass er nur eine Unterhose tragen würde und ob er deshalb pervers sei.

    Gegen ca. 21:45 Uhr habe er gegen die Wohnungstür der Mieterin getreten und geklingelt und dabei versucht, gegen den Willen der Mieterin in die Wohnung einzudringen. Am 06.08.2013 habe er gegen 6:30 Uhr die Bewohner geweckt, weil er im Garten stehend sehr laute Selbstgespräche geführt habe.

    Am 09.08.2013 habe er abends an die Tür der Wohnung der Mieter Ketchup geschmiert und auch andere Bewohner mit den Worten bedroht: „Es könne auch dein Blut sein“.

    In der Nacht vom 09.08.2013 auf den 10.08.2013 sei der Betreuer des Beklagten zu 1) aus der Wohnung geflüchtet. Die Polizei habe an diesem Tag das Schloss der Wohnung ausbauen lassen, um den Beklagten zu 1) in Gewahrsam zu nehmen. Dadurch seien der Klägerin Kosten in Höhe von 141,57 EUR entstanden. Der Ersatz des Schlosses würde zudem nochmals 149,35 EUR kosten. Die Mieter hätten aufgrund des Verhaltens des Beklagten ihre Miete für den Monat August 2013 um 86,82 EUR gemindert.

    Wegen dieses Verhaltens mahnte die Klägerin den Beklagten zu 1) jeweils am 09.04.2013 und 11.07.2013 ab. Die Mahnung vom 11.07.2013 wurde dem Beklagten am 13.07.2013 und dem Betreuer des Beklagten zu 1) am 15.07.2013 zugestellt.

    Nach erfolgter Abmahnung kündigt die Vermieterin fristlos, hilfsweise fristgemäß

    Mit Schreiben vom 18.07.2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos. Die Kündigung wurde per E-Mail sowie per Post am 18.07.2013 durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt.

    Der Beklagte zu 1) befand sich seit dem 12.08.2013 in stationärer Behandlung in der Psychiatrie. Mit Schreiben vom 16.09.2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht.

    Gestützt hat die Klägerin ihre Kündigung sowohl auf ein Fehlverhalten des Beklagten zu 1) als auch auf Mietrückstände für den Monat Juni 2013 in Höhe von 140,- EUR und die Monate August und September 2013 in Höhe von jeweils 522,17 EUR.

    Der Mietrückstand wurde von den Beklagten bis zum 06.11.2013 vollständig zurückgeführt. Die Beklagte zu 2) hat während des Prozesses erklärt, dass sie die Wohnung verlassen habe und daher um die Rücknahme der Klage bezüglich ihrer Person gebeten.

    Nachdem die Beklagten die Wohnung nicht räumten, reichte die Klägerin Räumungsklage bei Gericht ein und stützte diese Klage auf das vertragswidrige Verhalten des Beklagten zu 1) sowie den aufgelaufenen Mietrückstand.

    Urteil des Amtsgerichts Hannover

    Trotz Geschäftsunfähigkeit des Mieter ist die Kündigung wirksam

    Das Amtsgericht Hannover urteilte nun, dass das Mietverhältnis jedenfalls durch die am 16.09.2013 ausgesprochene fristlose Kündigung der Klägerin nach § 543 BGB wirksam beendet worden sei.

    Die mit Schreiben vom 16.09.2013 ausgesprochene fristlose Kündigung sei wirksam gewesen. In dem Verhalten des Beklagten zu 1) habe ein wichtiger Grund gelegen, der die Klägerin zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt habe.

    § 543 Abs. 3 BGB setze kein Verschulden voraus, wohl aber, soweit der Kündigungsgrund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag bestünde, im Regelfall eine erfolglose Abmahnung.

    Vertragsverletzung setzt nämlich kein Verschulden des Mieters voraus

    Vorliegend habe die Abwägung der jeweiligen Interessen dazu geführt, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen sei.

    Der Beklagte zu 1) habe den Hausfrieden seit April 2013 massiv gestört. Sämtliche Zeugen hätten in der Vernehmung geschildert, dass der Beklagte zu 1) den Hausfrieden massiv stört.

    Unabhängig davon, ob bereits die fristlose Kündigung vom 18.07.2013 wirksam gewesen sei, habe darin zumindest eine Abmahnung der Beklagten gelegen. Diese sei gerechtfertigt gewesen, da es bereits im Vorfeld zu erheblichen Vorfällen gekommen sei.

    Die Kündigung sei auch nicht verspätet oder verwirkt gewesen. Der Ausspruch einer fristlosen außerordentlichen Kündigung nach § 569 Abs. 1 S. 1 BGB sei an sich an keine Frist gebunden.

    Quelle: Amtsgericht Hannover

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