Rechtsanwalt Köln Eigenbedarfskündigung Archive - Seite 2 von 6 - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Rechtsanwalt Köln Eigenbedarfskündigung

  1. Mietrecht: Abwehr einer Eigenbedarfskündigung durch Hinweis auf das hohe Alter der Mieter.

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    Landgericht Berlin, 12.03.2019, Az.: 67 S 345/18 (I. Instanz: Amtsgericht Berlin-Mitte, 26.11.2018, Az.: 20 C 221/16)

    Gemäß § 574 BGB kann der Mieter einer Eigenbedarfskündigung widersprechen, wenn die Kündigung für ihn eine Härte bedeuten würde

    Der wichtigste Härtegrund, auf den sich Mieter stützen können, ist bereits im Gesetz genannt. Der fehlende Ersatzwohnraum. Hierauf kann sich der gekündigte Mieter berufen, wenn er keine neue Wohnung zu zumutbaren Bedingungen findet.

    Weitere Härtegründe sind:

     

        • Krankheit des Mieters
        • Schwangerschaft der Mieterin
        • Kinder
        • Kurz bevorstehende Prüfung bzw. Examen
        • Fehlendes Einkommen
        • Hohes Alter der Mieter.
        • etc.

    In dem hier besprochenen Falle des Landgerichts Berlin hatte sich dieses mit der Frage zu beschäftigen, ob die Eigenbedarfskündigung der Vermieterin zur Beendigung des Mietverhältnisses mit dem 87 bzw. 84 jährigen Mietern geführt hatte.

    Für wen darf ich Eigenbedarf anmelden? Rechtsanwalt Kündigung Räumung

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Vermieterin will ein über 80 Jahre altes Ehepaar wegen Eigenbedarf aus der Wohnung haben

    Die Parteien in diesem Rechtsstreit streiten über die Räumung und Herausgabe einer von den Beklagten angemieteten Wohnung in Tiergarten in Berlin. Die Klägerin hatte die Wohnung am 17.07.2015 erworben. Zu diesem Zeitpunkt wohnten die 87 und 84-jährigen Beklagten bereits 18 Jahre in der Wohnung. Mit Schreiben vom 03.08.2015 erklärte die Klägerin die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum 31.07.2016 mit der Begründung, sie wolle zukünftig nicht mehr zusammen mit ihrem erwachsenen Sohn zur Miete, sondern stattdessen in der in ihrem Eigentum stehenden und von den Beklagten innegehaltenen Wohnung leben. Dieser Kündigung widersprachen die Beklagten unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel mit Schreiben vom 26.05.2016.

    Weitere Kündigungen unter Anderem wegen tätlichen Angriffs folgen

    In der Folge ließ die Klägerin am 26.09.2016 und am 05.12.2016 zwei weitere Eigenbedarfskündigungen sowie am 26.06.2016, 05.12.2016, 14.03.2017, 08.06.2017, 16.02.2018 und am 23.08.2018 sechs weitere verhaltensbedingte Kündigungen aussprechen, die überwiegend auf ein angeblich unredliches (Prozess-)Verhalten der Beklagten und in einem Fall auf eine angebliche Tätlichkeit der Beklagten zu 1) gestützt waren.

    Amtsgericht sieht Gründe für Fortsetzung des Mietverhältnisses

    Das zunächst erstinstanzlich angerufene Amtsgericht Berlin Mitte wies die von der Klägerin erhobene Räumungsklage ab, nachdem es zunächst ein Sachverständigengutachten über die für die Beklagten zu besorgenden Kündigungsfolgen hatte einholen lassen. Zwar seien die Eigenbedarfskündigungen begründet. Die mittlerweile erheblich eingeschränkte Gesundheit der Beklagten gebiete aber auch unter Würdigung der Interessen der Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses. Die verhaltensbedingten Kündigungen seien sämtlich unwirksam, da die behaupteten – und von den Beklagten bestrittenen – Pflichtverletzungen nicht hinreichend erheblich seien. Über eine von den Beklagten hilfsweise erhobene Widerklage auf Feststellung der Vertragsfortsetzung sei nicht zu befinden, da diese unter der innerprozessualen Bedingung der Stattgabe des Räumungsantrags stünde. Diese Bedingung sei nicht eingetreten.

    Vermieterin reicht Berufung zum Landgericht Berlin ein

    Gegen dieses Urteil reichte die Klägerin Berufung zum Landgericht Berlin ein mit der Begründung, dass der Gesundheitszustand der Beklagten nicht erheblich beeinträchtigt sei; die gegenteiligen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen seien unverwertbar, da das Gutachten verfahrensfehlerhaft erstellt worden sei.

    Entscheidung des Landgerichts Berlin:

    Das Landgericht Berlin folgte nun der Auffassung des Amtsgerichts Berlin-Mitte und urteilte, dass der Klägerin gegenüber den Beklagten der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch gemäß den §§ 985, 546 Abs. 1 und 566 Abs. 1 BGB nicht zustünde.

    Landgericht sieht keine wirksame Kündigung der Vermieterin

    Keine der streitgegenständlichen Kündigungen habe das Mietverhältnis beendet. Die am 03.08.2015, 26.09.2016 und 05.12.2016 ausgesprochenen Eigenbedarfskündigungen hätten nicht zu einer Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses geführt. Das Amtsgericht habe auf den Widerspruch der Beklagten zutreffend gemäß § 308a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 574a Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit angeordnet.

    Die Beklagten hätten den Kündigungen gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1, 574a Abs. 1 Satz 1 BGB jeweils form- und fristgerecht i.S.d. § 574b BGB widersprochen. Ausreichend sei bereits der gegen die zeitlich erste Eigenbedarfskündigung gerichtete schriftliche Widerspruch vom 26.05.2016. Auf die schriftsätzlich erklärten Wiederholungskündigungen sei kein neuerlicher Widerspruch zu erheben gewesen, da sich weder der Kündigungsgrund noch die geltend gemachten Widerspruchsgründe geändert hätten. Unabhängig davon hätten die Beklagten im gesamten Rechtsstreit an ihren im Widerspruch vom 26.05.2016 geltend gemachten Widerspruchsgründen festgehalten und damit zumindest konkludent einen neuerlichen Widerspruch erhoben.

    Sozialwidersprüche der Mieter würden Fortsetzung des Mietverhältnisses zur Folge haben

    Die Widersprüche der Beklagten würden auch einen Anspruch der Beklagten auf Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit begründen.

    Gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB könne der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei. Diese Voraussetzungen seien – wie das Amtsgericht im Ergebnis ebenfalls zu Recht erkannt habe – erfüllt.

    Bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der §§ 573 ff. BGB hätten die Zivilgerichte neben dem Erlangungsinteresse des Vermieters auch das Bestandsinteresse des Mieters zu berücksichtigen, diese widerstreitenden Belange gegeneinander abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (st. Rspr; vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 9. Oktober 2014 – 1 BvR 2235/14, NZM 2015, 161). Unter einer Härte i.S.d § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB seien davon ausgehend alle dem Mieter aus der Vertragsbeendigung erwachsenden Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die in Folge der Vertragsbeendigung auftreten können (vgl. Kammer, Urt. v. 7. Mai 2015 – 67 S 117/14, NJW-RR 2016, 18; Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 574 Rz. 20 m.w.N.). Dabei müssten die dem Mieter entstehenden Nachteile nicht mit absoluter Sicherheit feststehen; insbesondere bei gesundheitlichen Nachteilen würden bereits die ernsthafte Gefahr ihres Eintritts genügen(vgl. BGH, Urt. v. 16. Oktober 2013 – VIII ZR 57/13, NJW-RR 2014, 78; Kammer, a.a.O.; Blank, a.a.O.). Für die Annahme einer Härte sei es erforderlich, allerdings gleichzeitig auch ausreichend, dass sich die Konsequenzen, die für den Mieter mit einem Umzug verbunden wären, von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 15. März 2017 – VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474).

    Beendigung des Mietverhältnisses würde eine nicht zuzumutende Härte für die alten Mieter bedeuten

    Gemessen an diesen Grundsätzen würde die kündigungsbedingte Beendigung des Mietverhältnisses für beide Beklagten eine Härte bedeuten. Denn die kündigungsbedingte Beendigung des Mietverhältnisses stelle für beide Beklagten unabhängig von den gesundheitlichen Folgen der Vertragsbeendigung aus persönlichen Gründen nicht lediglich eine „Unannehmlichkeit“, sondern eine Härte dar. Sie liege darin begründet, dass die Beklagten den Besitz an ihrer Wohnung kündigungsbedingt zu einem Zeitpunkt aufgeben müssten, in dem sich beide bereits in einem hohen Lebensalter befinden.

    Ob das hohe Alter des Mieters zum Zeitpunkt der kündigungsbedingten Beendigung des Mietvertrages ausreicht, um eine nicht zu rechtfertigende Härte i.S.d. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB zu begründen, sei in Rechtsprechung und Literatur allerdings umstritten. Während allein das hohe Lebensalter des Mieters nach einer weit verbreiteten Auffassung nicht für ausreichend erachtet werde, um eine Vertragsfortsetzung gemäß den §§ 574 Abs. 1 Satz 1, 574a Abs. 1 Satz 1 BGB zu rechtfertigen (vgl. KG Urt. v. 6. Mai 2004 – 8 U 288/03, DWW 2004, 189; OLG Köln, Urt. v. 10. März 2003 – 16 U 72/02, ZMR 2004, 33; LG Berlin, Urt. v. 22. Juni 1999 – 64 S 32/99, MM 1999, 351; Kammer, Urteil v. 29. August 2011 – 67 S 15/09, ZMR 2012, 15; Blank, a.a.O., § 574 Rz. 41; Rolfs, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, § 574 Rz. 37 m.w.N.), genüge es nach der Gegenauffassung, um die §§ 574 ff. BGB zu seinen Gunsten zur Anwendung zu bringen (vgl. LG Hannover, Urt. v. 21. Januar 1988 – 3 S 341/87, WuM 1989, 298, juris Tz. 2; LG Köln, Urt. v. 1. Oktober 1991 – 12 S 181/91, WuM 1992, 247; AG Hanau, Urt. v. 25. Januar 1989 – 32 C 1671/88, WuM 1989, 239). Der letztgenannten Auffassung gebühre – zumindest im Grundsatz – der Vorzug. Sie stünde auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, der es nicht beanstandet, das hohe Alter des Mieters jedenfalls in dem auch hier gegebenen Falle der langjährigen Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache im Wege einer generalisierenden Wertung als Härte zu dessen Gunsten zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 20. Oktober 2004 – VIII ZR 246/03, NZM 2005, 143).

    Der kündigungsbedingte Verlust der gemieteten Wohnung stelle für Mieter hohen Alters grundsätzlich eine Härte dar, die im hier ebenfalls gegebenen Regelfall die Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß den §§ 574 ff. BGB gebieten würde. Soweit die Kammer in der Vergangenheit davon abweichend entschieden haben sollte, halte sie daran nicht weiter fest.

    Es entspriche der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des BGH, dass ein Mieter einen nicht zu ersetzenden Nachteil erleiden würde, wenn er den Besitz an der von ihm gemieteten Wohnung als Mittelpunkt seiner privaten Existenz verlieren würde (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Mai 2010 – VIII ZB 9/10, GE 2010, 1055). Dieser Nachteil ist für Mieter jedweden Lebensalters erheblich und unwiederbringlich (vgl. BGH, a.a.O.). Von den nachteiligen Folgen des unfreiwilligen Verlustes der eigenen Wohnung seien alte Menschen indes ungleich härter betroffen, da sie sich bereits in einer Lebensphase befinden würden, die zusätzlich von zahlreichen sonstigen Beeinträchtigungen beeinflusst sei.

    Die nachteiligen Veränderungen, die das Altern ausmachen und mitbestimmen, seien vielfältiger Natur. Auf biologischer Ebene gehe das Altern mit einer Vielzahl kumulativer molekularer und zellulärer Schäden einher, die im Laufe der Zeit zu einer allmählichen Minderung der physiologischen Reserven, einer höheren Anfälligkeit für zahlreiche Krankheiten und zu einem allgemeinen Nachlassen der individuellen Kapazitäten und schließlich zum Tode führen würde (vgl. World Health Organisation, in: World report on ageing andhealth,S.25,URL:https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/186463/9789240694811_eng.pdf?sequence=1 (Stand: 11. März 2019)). Bereits nach dem Erreichen des sechzigsten Lebensjahrs seien Behinderungen und Todesfälle weitgehend auf den altersbedingten Verlust des Gehörs, des Sehvermögens, der Mobilität sowie auf nichtübertragbare Krankheiten wie Herzerkrankungen, Schlaganfälle, chronische Atemwegserkrankungen, Krebserkrankungen und Demenz zurückzuführen. Im Alter bestünde zudem ein höheres Risiko der Multimorbidität; in Deutschland leide fast ein Viertel der 70- bis 85-Jährigen an fünf oder mehr Erkrankungen gleichzeitig. Über den allmählichen biologischen Niedergang hinaus sei das Alter aber auch von erheblichen psychosozialen Veränderungen gekennzeichnet. Dazu würden nicht nur die Veränderungen der Rolle des alten Menschen und seiner gesellschaftlichen Stellung gehören. Für einen alten Menschen bestünde die zusätzliche Notwendigkeit, den Verlust enger persönlicher Beziehungen und die damit verbundene Zunahme von sozialer Isolierung und Einsamkeit zu verkraften (vgl. World Health Organisation, a.a.O.).

    In dieser Lebensphase allgemein nachlassender Kräfte und zunehmender Beschränkung der persönlichen Möglichkeiten stelle der unfreiwillige Verlust der eigenen Wohnung für einen alten Menschen eine schwerwiegende Zäsur dar, die wegen der altersbedingt verengten und sich fortlaufend weiter verengenden Lebensperspektive die erfolgreiche neuerliche Begründung eines auf Dauer angelegten Lebensmittelpunktes unter gleichzeitigem Erhalt der bestehenden sozialen Strukturen in der verbleibenden Lebensspanne nicht nur ins Ungewisse rücken würde, sondern überwiegend unwahrscheinlich mache. Damit aber gingen die Nachteile, die für alte Menschen mit dem Verlust ihrer Wohnung verbunden seien, über die Unannehmlichkeiten, die für Menschen in einem jüngeren Alter typischerweise mit einem Wechsel der Wohnung einhergehen, bei Weitem hinaus.

    Artikel 25 der Charte der Grundrechte der Europäischen Union schützt Rechte älterer Menschen

    Diese Wertung stünde in Einklang mit dem in Art. 25 GrCh verbrieften Schutz älterer Menschen. Nach Art. 25 GrCh sei das Recht älterer Menschen auf ein würdiges und unabhängiges Leben sowie auf Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben anzuerkennen und zu achten. Der Schutzbereich des Art. 25 GrCh umfasse neben der materiellen auch die personale Unabhängigkeit alter Menschen, die eine selbstbestimmte Lebensführung trotz altersbedingter Einschränkungen ebenso wie die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben ermöglichen solle. Der besondere grundrechtliche Schutz sei dadurch gerechtfertigt, dass das Alter als selbstständiger Lebensabschnitt besondere Bedürfnisse und Einschränkungen mit sich bringen würde (vgl. Lemke, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 25 Rz. 1, 4). Dieses Schutzkonzept würde ohne hinreichende Rechtfertigung verfehlt, wenn jedes für die Begründung einer ordentlichen Kündigung genügende Erlangungsinteresse des Vermieters grundsätzlich zur abwägungsfesten Beendigung des mit einem alten Menschen bestehenden Mietvertrages führen würde und erst in den Fällen eine Vertragsfortsetzung auf Grundlage des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht käme, in denen der alte Mensch – auf Grund seines körperlichen oder geistigen Zustands – nicht mehr in der Lage wäre, eine Ersatzwohnung zu finden und dorthin umzuziehen oder sich sein Gesundheitszustand durch den Umzug erheblich verschlechtern würden (sog. Räumungsunfähigkeit, vgl. dazu Blank, a.a.O., Rz. 47 m.w.N.).

    Ob Art. 25 GrCh, der als sog. Grundsatz i.S.d. Art. 52 Abs. 5 GrCh ausgebildet sei (vgl. Jarass, in: ders., Charta der Grundrechte der EU, 3. Auflage 2016, § 25 Rz. 3), über Art. 51 Abs. 1 GrCH unmittelbaren Einfluss auf die Auslegung von § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB gewinne, da womöglich lediglich abstrakte Bezüge von mitgliedstaatlichen Regelungen zum Unionsrecht oder bloße mittelbar-faktische Auswirkungen für die Anwendung der GrCH ausreichen würden(vgl. EuGH, Urt. v. 26. Februar 2013 – C-617/10, NJW 2013, 1415 (Åkerberg Fransson)), oder der Anwendungsbereich der GrCH auf Grundlage der eingrenzenden Rechtsprechung des BVerfG erheblich enger zu ziehen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07, NJW 2013, 1499), kann hier dahinstehen.

    Das hohe Alter des Mieters stelle unabhängig von der Anwendbarkeit und Reichweite der Art. 25, 51 Abs. 1 GrCH einen tauglichen Härtegrund i.S.d. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, da zumindest die Ausstrahlungswirkung der in der nationalen Verfassung verankerten Grundrechte und damit auch das verfassungsrechtlich geschützte Interesse des Mieters am Bestand des Mietverhältnisses bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe – wie dem Tatbestandsmerkmal „Härte“ – gesonderte Berücksichtigung zu finden hätten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1 (zu § 564b BGB a.F.); Beschl. v. 6. Dezember 2005 – 1 BvR 1905/02, BVerfGE 115, 51 (zur Ausstrahlungswirkung im Allgemeinen); BGH, Urt. v. 9. Februar 2011 – VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135 (zu § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB); Kammer, Beschl. v. 25. April 2017 – 67 S 70/17, WuM 2017, 347 (zu § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB)). Damit sei auch dem Wesensgehalt von Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip sowie dem durch beide verkörperten Schutz der Menschenwürde, der den Staat zu einer würdefreundlichen Ausgestaltung der Gesamtrechtsordnung verpflichtet und ihn dafür Sorge tragen lässt, dass der Eigenwert des Einzelnen im Privatrecht einen angemessenen Platz findet, bei der Auslegung und Anwendung des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB im Wege unmittelbarer Drittwirkung Rechnung zu tragen. Letztere würden die die Gerichte verpflichten, die in Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip verkörperten Werte bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln und anderer wertausfüllungsbedürftiger Vorschriften des einfachen Rechts zur Geltung bringen (vgl. Dreier, in ders., GG, 3. Aufl. 2013, Art. 1 I Rz. 155 ff.; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 1 I Rz. 116 m.w.N).

    Art. 1 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip gebieten Rücksichtnahme auf das Alter der Mieter

    Gemessen an diesen Grundsätzen würde es Art. 1 Abs. 1 GG und das als Interpretationsmaßstab der Grundrechte heranzuziehende Sozialstaatsprinzip gebieten, die kündigungsbedingte Aufgabe der gemieteten Wohnung für Mieter vorgerückten Alters als eine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben würde:

    Art. 1 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip würden den Staat verpflichten, die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz zu erhalten. Der Staat habe deshalb jenes Existenzminimum zu gewähren, das ein menschenwürdiges Dasein überhaupt erst ausmache (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Urt. v. 21. Juni 1977 – 1 BvL 14/76, NJW 1977, 1525 (lebenslange Freiheitsstrafe); Urt. v. 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, NJW 2010, 505 (Sozialleistungen)). Dieser Grundsatz beanspruche eine herausgehobene Bedeutung im besonders grundrechtsintensiven Bereich der menschlichen Wohn- und Lebenssituation (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. Oktober 2017 – 1 BvR 617/14, NJW 2017, 3770). Mit einer so verstandenen Menschenwürde wäre es aber bereits dem Grunde nach nicht zu vereinbaren, wenn die Kontinuität der auf einem unbefristeten Mietvertrag beruhenden Wohn- und Lebenssituation für Menschen im Alter nicht weitestgehend gewahrt würde, sondern ihnen stattdessen die Wohnung als bisheriger Lebensmittelpunkt einschließlich ihres sozialen Kontextes entzogen werden könnte, ohne dass für die alten Menschen entweder eine konkrete und realisierbare Chance bestünde, ihre private Existenz anderen Ortes und unter Erhalt der am Ort der Mietsache bestehenden sozialen Strukturen ohne wesentliche Abstriche erneut und auf Dauer wieder aufzubauen oder ihr hohes Alter wenigstens im Rahmen einer gesetzlich angeordneten Interessenabwägung – über § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB – hinreichende Berücksichtigung finden zu lassen.

    An einer Chance zu einem auf Dauer angelegten und die bisherige Lebensqualität im Wesentlichen erhaltenden privaten Neuanfang fehle es bei Menschen hohen Alters bereits deshalb, weil ihre Restlebenserwartung zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses im Vergleich zu jüngeren Menschen erheblich reduziert oder – gemessen an der durchschnittlichen Lebenserwartung – sogar bereits aufgebraucht sei. Hinzutreten würde, dass die häufig – und auch hier – jahrzehntelange soziale Verwurzelung am Ort der Mietsache den Erhalt oder gleichwertigen Neuaufbau sozialer Strukturen andernorts behindere oder sogar ausschließeund angemessener Ersatzwohnraum – zumindest in den von den Landesregierungen auf Grundlage der §§ 556d Abs. 1, 558 Abs. 3 Satz 2, 577a Abs. 2 BGB bestimmten Gemeinden – nicht oder allenfalls unter erheblichen Schwierigkeiten zu beschaffen sei (vgl. dazu Kammer, Urt. v. 25. Januar 2018 – 67 S 272/17, NJW-RR 2018, 1034; LG Berlin, Urt. v. 9. Mai 2018 – 64 S 176/17, WuM 2018, 584). Ein gegenteiliges Auslegungsverständnis würde alte Menschen in einer späten Lebensphase – und häufig zum wiederholten Male – in einen Kampf um eine selbstbestimmte persönliche Existenz zwingen, der zusätzlich dadurch bestimmt und erschwert wäre, dass die Chancen zur erfolgreichen Behauptung am Wohnungsmarkt altersbedingt erheblich geringer ausgeprägt seien als in früheren Lebensphasen (vgl. Blank, a.a.O., Rz. 47). Es würde gleichzeitig zur Folge haben, dass das Leben alter Menschen im hier maßgeblichen Kontext in seinen letzten Jahren durch ein sich häufig über mehrere Instanzen und Jahre erstreckendes und in seinem Ausgang vollständig ungewisses Gerichtsverfahren über den Erhalt ihres bisherigen Lebensmittelpunktes geprägt wäre. In diesem obläge ihnen regelmäßig die zusätzliche Pflicht, zum Nachweis ihrer Räumungsunfähigkeit unter zusätzlicher Aufbürdung der Beweis- und Kostenlast die sachverständige Examination der eigenen Person unter Offenlegung sämtlicher höchstpersönlicher medizinischer und psychologischer Anknüpfungstatsachen zu erdulden, anstatt zur Abwägung mit dem Erlangungsinteresse des Vermieters auf ihr hohes Lebensalter verweisen zu dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2017 – VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474 (zur Erforderlichkeit einer Beweiserhebung bei einem bereits altersbedingt gebrechlichen 87-jährigen Mieter)). Beides aber würde dem durch Art. 1 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip verkörperten und garantierten Wert- und Achtungsanspruch alter Menschen nicht gerecht. Die von diesen Grundsätzen ausgehende Abwägung des Erlangungsinteresses der Klägerin gegen die mit dem Verlust der streitgegenständlichen Wohnung für die Beklagten verbundenen Härten falle gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB zu Lasten der Klägerin aus.

    Die Beklagten könnten sich so zunächst zu ihren Gunsten auf den Härtegrund hohen Alters berufen. Insoweit bedürfe es keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ob, gegebenenfalls ab welcher Grenze von einem hohen Lebensalter auszugehen ist, ebensowenig, ob eine solches – wie etwa im französischen Mietrecht – schon am Überschreiten des 65. Lebensjahr des Mieters (vgl. Article 15 III, loi n° 89-462 du 6 juillet 1989 tendant à améliorer les rapports locatifs et portant modification de la loi n° 86-1290 du 23 décembre 1986), der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Lebensversicherung, dem Ruhestandsalter für Beamte oder erst an den – allerdings uneinheitlichen – internationalen Einstufungen menschlichen Alters, der durchschnittlichen Lebenserwartung oder an der allgemeinen Verkehrsanschauung festzumachen sei. Die Beklagten würden sich bereits an dem für die zeitlich erste Eigenbedarfskündigung maßgeblichen Beendigungszeitpunkt in einem Alter von über 80 Jahren befinden; ein solches Lebensalter sei nach allen in Betracht kommenden Beurteilungsmaßstäben, insbesondere nach der allgemeinen Verkehrsanschauung, hoch.

    Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung komme dem Verlust der Wohnung im hohen Alter auch für die Beklagten das grundsätzlich aufgezeigte erhebliche Gewicht zu. Eine davon abweichende Beurteilung käme nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ein Mieter hohen Alters den Verlust der gekündigten Wohnung ohne Weiteres kompensieren könnte, indem er entweder über mehrere Wohnsitze verfügen würde oder es ihm unschwer möglich wäre, seine private Existenz auf dem freien Wohnungsmarkt in der Nähe zur bisherigen Mietsache und unter Erhalt der bestehenden sozialen Strukturen ohne wesentliche Abstriche wieder aufzubauen. Hier fehle es an beiden Ausnahmevoraussetzungen. Weder würden die Beklagten über eine weitere Wohnung verfügen noch erlaube der sich immer weiter verschließende Wohnungsmarkt in Berlin unschwer die erfolgreiche Anmietung angemessenen Ersatzwohnraums, erst recht nicht in der Nähe zur bisherigen Mietsache (vgl. Kammer, Urt. v. 25. Januar 2018 – 67 S 272/17, NJW-RR 2018, 1034; LG Berlin, Urt. v. 9. Mai 2018 – 64 S 176/17, WuM 2018, 584).

    Abwägung von Mieter- und Vermieterinteressen fällt zugunsten der Mieter aus

    Das hohe Alter des Mieters gebiete gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters in der Regel – und auch hier – die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Zwar seit auch dem Erlangungsinteresse der Klägerin ein beträchtliches Gewicht nicht abzusprechen, da sie während ihrer Aufenthalte in Berlin nicht mehr wie bislang gemeinsam mit ihrem erwachsenen Sohn in einer Mietwohnung, sondern stattdessen alleine in der streitgegenständlichen Wohnung und zudem „nicht mehr zur Miete“ wohnen möchte. Diese Lebensplanung sei zu respektieren. Das dadurch begründete Erlangungsinteresse bleibe aber weit hinter dem Interesse der Beklagten an einem Verbleib in der Mietsache zurück:

    Bei der Gewichtung des Vermieterinteresses an der Kündigung wegen Eigenbedarfs sei vor allem die Dringlichkeit des geltend gemachten Eigenbedarfs von Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2017 – VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474). Diese sei bei der Klägerin vergleichsweise gering ausgeprägt, da ihr Eigennutzungswunsch zum einen nicht auf eine ganzjährige Nutzung und zum anderen auf bloßen Komfortzuwachs sowie die Vermeidung etwaiger wirtschaftlicher Nachteile durch die Anmietung einer weiteren Wohnung gerichtet sei. Das reiche weder grundsätzlich noch hier aus, um dem Interesse eines Menschen hohen Alters an der Fortsetzung seines – zudem langjährigen – Mietverhältnisses mit Erfolg zu begegnen. Erforderlich seien vielmehr besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile des Vermieters für den Fall des Fortbestandes des Mietverhältnisses, die ein den Interessen des betagten Mieters zumindest gleichrangiges Erlangungsinteresse begründen. Ein solches müsse in seiner Bedeutung für den Vermieter über ein gewöhnliches „berechtigtes Interesse“ noch hinausgehen und an die Gründe heranreichen, die die Beendigung des Mietverhältnisses aus seiner Sicht berechtigterweise als geradezu notwendig erscheinen lassen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16. Oktober 2013 – VIII ZR 57/13, NJW-RR 2014, 78). Die auf Seiten des Vermieters dafür erforderlichen persönlichen oder wirtschaftlichen Ausnahmeumstände seien hier jedoch noch nicht einmal ansatzweise erfüllt.

    Auch könne sich die Klägerin zur Beendigung des Mietverhältnisses auch nicht mit Erfolg auf die von ihr ausgesprochenen verhaltensbedingten Kündigungen stützen. Sie seien sowohl als außerordentliche als auch als ordentliche Kündigungen unwirksam.

    Quelle: Landgericht Berlin

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  2. Mietrecht: Eigenbedarf entfällt vor Ablauf der Kündigungsfrist, Vermieter klagt vergeblich auf Räumung und Herausgabe der Wohnung

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    Landgericht Berlin, 29.01.2019, Az.: 67 S 9/18

    Entfällt der Kündigungsgrund wegen Eigenbedarfs nachträglich, aber noch vor Ablauf der Kündigungsfrist, heisst das nicht, dass der Vermieter dann einfach so auf Räumung und Herausgabe klagen kann, wenn die Mieter trotz der Eigenbedarfskündigung ausziehen können. Denn diesem Vorhaben kann § 242 BGB Treu und Glauben entgegenstehen.

    Über einen solchen Fall hatte das Landgericht Berlin in dem nachfolgenden Fall zu entscheiden:

    Sachverhalt (Nach Amtsgericht Berlin-Mitte, 30.11.2017, Az.: 121 C 51/17): Im Januar des Jahres 2016 hatten alle Mieter einer in Berlin gelegenen Wohnung eine Kündigung wegen Eigenbedarfs von der Vermieterin erhalten, welche selbst nicht in Berlin lebte. In der Kündigung forderte die Vermieterin die Mieter auf, bis spätestens Ende Januar 2017 ausgezogen zu sein.

    Die Vermieterin begründete den Eigenbedarf damit, dass sie wegen der Annahme eines Jobs als Stuntwoman und als Rettungssanitäterin die Wohnung in Berlin selbt benötigten würde. Mitte 2016 hatte die Vermieterin dann jedoch einen Arbeitsunfall und konnte deswegen die Jobs in Berlin nicht mehr annehmen. Auch war sie bis März 2018 dauerhaft krankgeschrieben. Außerdem hatte ihr Arzt ihr bescheinigt, dass sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden würde.

    Obwohl der iegentliche Kündigungsgrund somit entfallen war, klagte die Vermieterin weiter gegen ihre Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung, nachdem diese auch nach Ablauf der Kündigungsfrist im Januar 2017 in der Wohnung geblieben waren. Das erstinstanzlich angerufene Amtsgericht Berlin-Mitte gab der Vermieterin trotzdem Recht und verurteilte die Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Gegen diese Entscheidung reichten die Mieter Berufung beim Landgericht Berlin ein.

    Landgericht Berlin: Das Landgericht Berlin urteilte nun, dass die Berufung der Mieter Erfolg habe. Der Klägerin stünde der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch gegenüber den Beklagten gemäß §§ 985, 546 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB nicht zu. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf die Kündigung vom 14. Januar 2016 berufen. Insoweit könne dahinstehen, ob die zwischen den Parteien streitigen Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Zeitpunkt des Ausspruchs vorgelegen hätten. Danach habe der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

    Zwar handele es sich bei der zum Gegenstand der Kündigungserklärung erhobenen Begründung um einen für eine Beendigung des Mietverhältnisses geeigneten Grund i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Klägerin habe ihre Kündigung damit begründet, dass sie derzeit zwar noch woanders lebe, die von den Beklagten innegehaltene Wohnung aber für sich benötige, da sie sich mittlerweile beruflich nach Berlin umorientiert habe. Sie habe dort ein Engagement als Stuntwoman angenommen und werde nach Abschluss einer entsprechenden Ausbildung Ende 2016 zudem eine Festanstellung als Rettungssanitäterin in Berlin antreten.

    Selbst wenn der behauptete Eigenbedarf zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorgelegen haben sollte, ist es der Klägerin gemäß § 242 BGB verwehrt, sich ohne Ausspruch einer neuerlichen Kündigung auf die kündigungsbedingte Beendigung des Mietverhältnisses zu berufen. Denn der von ihr in der Kündigungserklärung vom 14. Januar 2016 geltend gemachte Kündigungsgrund sei vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Januar 2017 entfallen. Zwar lasse ein nachträglicher Wegfall des Nutzungswillens die Wirksamkeit der Kündigung unberührt; es sei allerdings nach von der Kammer geteilter Rechtsprechung des BGH rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter den aus der Vertragsbeendigung folgenden Räumungsanspruch gleichwohl weiterverfolge (vgl. BGH, Urt. v. 9. November 2005 – VIII ZR 339/04, NJW 2006, 220; Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 573 Rz. 73 m.w.N.). Ein zur Anwendung des § 242 BGB führender Wegfall des Kündigungsgrundes sei auch dann gegeben, wenn ein zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs hinreichend verdichteter Nutzungswunsch des Vermieters bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr von der konkreten Absicht zur alsbaldigen Umsetzung getragen werde.

    Gemessen daran seien die Voraussetzungen des § 242 BGB erfüllt. Der geltend gemachte Kündigungsgrund sei – zumindest für unabsehbare Zeit – im Juni 2016 entfallen, nachdem die Klägerin bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt worden und in der Folge nicht nur seit dem 8. Juni 2016 bis einschließlich zum 31. März 2018 dauerhaft krankgeschrieben gewesen sei, sondern auch ihren Beruf als Stuntwoman aufgeben habe müssen. Sie sei zudem gehindert, wie beabsichtigt ihre Ausbildung als Rettungssanitäterin bis Ende 2016 abzuschließen und im Anschluss daran eine Festanstellung in Berlin anzutreten. Stattdessen sei die Klägerin zunächst krankheitsbedingt zu ihrer Mutter nach Y verzogen und habe erst am 01.04.2018 – mehr als zwei Jahre nach Ausspruch der Kündigung und 14 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist – ihre Ausbildung als Rettungssanitäterin fortgesetzt. Noch im März 2018 sei der Klägerin ärztlich bescheinigt worden, dass sie nach ihrem Arbeitsunfall im Jahre 2016 an einer posttraumatischem Belastungsstörung leide und ihre Zukunft „unklar“ sei.

    Damit aber habe der von der Klägerin geltend Eigenbedarf, auch wenn er zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs tatsächlich bestanden haben sollte, bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr auf einem hinreichend verdichteten Nutzungswunsch beruht. Ein solcher sei – in Abgrenzung zu einer gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB unzureichenden Kündigung auf Vorrat – nur zu bejahen, wenn ein konkretes Interesse des Vermieters an der alsbaldigen Eigennutzung der Mietsache vorliege und dieses in einem absehbaren und zeitlich engen Zusammenhang mit der kündigungsbedingten Beendigung des Mietverhältnisses stünde (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 2017 – VIII ZR 243/16, NZM 2017, 756; Kammer, Urt. v. 20. September 2018 – 67 S 16/18, ZMR 2019, 21). Daran jedoch fehlte es, nachdem die weitere private und berufliche Zukunft der Klägerin aufgrund ihres Unfalls und der damit im Zusammenhang stehenden physischen und psychischen Folgebeeinträchtigungen seit Juni 2016 bis weit über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus auf unabsehbare Zeit ungewiss geworden sei.

    Vor diesem Hintergrund konnte dahinstehen, ob die Beklagten im Falle der kündigungsbedingten Beendigung des Mietverhältnisses wegen ihres vorgerückten Alters, der von ihnen dargetanen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, des bereits seit 1987 andauernden Mietverhältnisses und der damit verbundenen Verwurzelung am Ort der Mietsache sowie der von ihnen behaupteten Unmöglichkeit, Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen zu beschaffen (vgl. dazu Kammer, Urt. v. 25. Januar 2018 – 67 S 272/17, NJW-RR 2018, 1034), von der Klägerin gemäß §§ 574 Abs. 1, Abs. 2, 574a Abs. 1, Abs. 2 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit aus Härtegründen hätten verlangen können.

    Quelle: Landgericht Berlin

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  3. Mietrecht: Ordnungsgemäße Begründung und Nennung der Bedarfsperson bei Eigenbedarfskündigung erforderlich

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    Amtsgericht Düsseldorf, 07.08.2017, Az.: 25 C 447/16

    Nach § 573 Abs. 1, 2 BGB kann ein Vermieter nur aufgrund eines berechtigten Interesses ein Mietverhältnis ordentlich kündigen. Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

    Bei der sogenannten Eigenbedarfskündigung kündigt der Vermieter eine Wohnung um diese für sich, seine Familienangehörige oder Angehörige des Haushalts benötigt. Hierbei muss dieser konkret dartun und beweisen, dass ein Eigenbedarf tatsächlich vorliegt. Demnach muss er die Bedarfsperson, den Bedarfszweck und den Bedarfsgrund darlegen.

    Für wen darf ich Eigenbedarf anmelden?

    Eine Kündigung darf somit nur dann ausgesprochen werden, wenn die vorgenannten Voraussetzungen, die zu beweisen sind, tatsächlich bereits gegeben sind. Eine reine Vorratskündigung ist hingegen unzulässig.

    In dem vorliegenden Urteil geht es um die Frage, ob eine Eigenbedarfskündigung gegeben ist und ob diese hinreichend konkret begründet wurde.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Vermieter wollten mit ihren Kindern und der Mutter in das Haus einziehen

    Die Parteien streiten über die ordnungsgemäße Kündigung wegen Eigenbedarf. Die Kläger als Vermieter begehren mit der Klage die Räumung der streitgegenständlichen und von der Beklagten zum 01.10.2002 angemieteten Wohnung.

    Die Kläger kauften das Haus, in dem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet im Januar 2016 von der T. Grundstücksgemeinschaft. Mit Schreiben vom 15.03.2016 kündigten die Kläger der Beklagten die Wohnung zum 31.11.2016 wegen Eigenbedarf. Hierzu führten sie aus, dass die Kündigung aus § 573 Abs. 2 Ziff. 2 BGB wegen Eigenbedarf erfolgen würde. Sie benötigten das gesamte von ihnen erworbene Haus um dort gemeinsam mit ihren Kindern und der Mutter zu wohnen und zu arbeiten.

    Das Haus solle zu diesem Zwecke ab Januar 2017 umgebaut werden. Das 2. OG, wo sich auch die streitgegenständliche Wohnung befände, solle zu Schlafzimmern und Badezimmern werden.

    Mieter widersprachen der Kündigung und hielten den Eigenbedarf für vorgeschoben

    Mit Schreiben vom 03.08.2016, 19.10.2016 und 27.10.2016 widersprach die Beklagte der Kündigung und ließ durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen, dass sie von einem vorgeschobenen Eigenbedarf ausginge.

    Die Kläger erwiderten hierauf, dass das gesamte Haus umgebaut werden soll, da sie dort mit ihren drei Kindern und der Mutter einziehen wolle. Im Weiteren möchte die Familie in dem Haus ihrer freiberuflichen Tätigkeit nachgehen. Dies haben sie den Mietern gleich nach dem Erwerb des Hauses mitgeteilt und ihnen die Möglichkeit gegeben, sich die Umbaupläne anzusehen. So sollen aus der Wohnung der Beklagten die Kinderzimmer, das Elternschlafzimmer, sowie ein Bad entstehen. Im Weiteren solle es ein Gästezimmer für die älteste Tochter geben. Die Mutter des Klägers solle eine eigene Wohnung erhalten, welche sich über einen Teil des Erdgeschosses sowie des 1. Obergeschosses erstrecken solle. Hierzu begehrt der Kläger nunmehr die Räumung der streitgegenständlichen Wohnung.

    Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf

    Das Amtsgericht Düsseldorf sah die Eigenbedarfskündigung als unwirksam an

    Das Amtsgericht Düsseldorf urteilte, dass die Klage  zulässig aber unbegründet sei. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus §§ 546 Abs. 1, 985 BGB. Die Kündigung wegen Eigenbedarfs vom 15.03.2016 sei formell unwirksam und habe daher das Mietverhältnis nicht beendet.

    Nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB seien die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Dieser formalen Anforderung seien die Kläger mit ihrem Schreiben nicht hinreichend gerecht geworden, obwohl dies eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung bei der ordentlichen Kündigung sei.

    Der Vermieter habe weder die Bedarfspersonen namentlich benannt noch den Bedarfsgrund angegeben

    Das Begründungserfordernis solle dafür sorgen, dem Mieter schnellstmöglich konkret Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihm somit auch die Möglichkeit zu geben, alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu unternehmen. Hierfür sei es erforderlich, dass der Kündigungsgrund so bezeichnet sei, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden könne. Daher sei es bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs grundsätzlich erforderlich, dass die Person, die die Wohnung benötigt, benannt wird und die Interessen am Eigenbedarf dargelegt werden.

    Im Kündigungsschreiben der Kläger seien weder die Bedarfspersonen vollständig angegeben noch deren jeweiliger Bedarfsgrund genannt.

    Es seien weder die Anzahl der Personen, insbesondere der Kinder erkennbar noch seien die Begründung, dass das Haus zum Wohnen und Arbeiten dienen soll, ausreichend. Es fehle an vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen. Diese seien zwar nicht im Detail anzugeben, demnach seien keine überspannten Anforderungen an den Vermieter zu stellen.

    Die Kernthesen müssten im Kündigungsschreiben benannt werden

    Jedoch müssten die Kernthesen im Kündigungsschreiben genannt werden. Hierzu würden bei der Bedarfskündigung Angaben über: fehlende anderweitige Unterbringung am Ort, bisherige Wohnung wurde vom Vermieter gekündigt, bisherige Wohnung zu klein oder zu groß, gesundheitliche oder Altersgründe, berufliche oder schulische Gründe, statt zur Miete im Eigentum wohnen oder vermietete Wohnung für Zwecke des Vermieters besser geeignet als bisherige Wohnung zählen.

    Diesen Anforderungen werde das Kündigungsschreiben der Kläger nicht gerecht. Daher könne die Beklagte die Vernünftigkeit und Nachvollziehbarkeit der Kündigung nicht nachvollziehen.

    Im Weiteren genüge der Verweis auf ein zuvor nicht genau konkretisiertes Gespräch, in dem womöglich Einzelheiten näher erklärt worden sind, nicht aus. Insbesondere, da die Kläger nicht vorgetragen hätten, dass die Beklagte in Hinblick auf Treu und Glauben nach § 242 BGB sich nicht auf die fehlende Begründung hätte berufen dürfen. Vor allem da die Kläger selber vorgetragen hätten, dass die Beklagte von der Möglichkeit der Einsichtnahme in die Umbaupläne keinen Gebrauch gemacht habe und auch jeglichen Kontakt ablehne.

    Daher hätte das Kündigungsschreiben eine Begründung enthalten müssen und es hätte nicht nur ein Verweis auf ein Gespräch gemacht werden müssen. Mithin sei die Klage unbegründet.

    Quelle: Amtsgericht Düsseldorf

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  4. Mietrecht: Eigenbedarfskündigung, Vorliegen einer tauglichen Alternativwohnung bei lediglich befristeter Möglichkeit einer Zurverfügungstellung im Wege der Zwischenvermietung

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    Landgericht Köln,  29.07.2016, Az.: 10 S 15/16

    Der § 573 BGB stellt klar zu welchen Vorrausetzung die ordentlich Kündigung eines unbefristeten Mietvertrages erfolgen kann. Der Vermieter kann nämlich nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.  Dabei ist die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ausgeschlossen. Ein solches berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt dabei  außer Betracht. Der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

    Dass es dem Vermieter möglich sein muss, den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs zu kündigen ergibt sich schon aus seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 GG. Jedoch ist zu beachten, dass es rechtsmissbräuchlich sein kann, einem Mieter bei Kündigung wegen Eigenbedarfs eine vergleichbare, verfügbare Wohnung nicht als Ersatz anzubieten.

    Für wen darf ich Eigenbedarf anmelden?

    Im nachstehenden Urteil stellt das Landgericht Köln aber klar, dass eine solche  Alternativwohnung nicht gegeben sei, wenn die freistehende Wohnung im Rahmen der Gesamtsanierung des erworbenen Objektes umgebaut werden soll, die Umbaupläne mangels Auszug des Mieters zurückgestellt werden müssen und die Wohnung bis zum voraussichtlichen Beginn der Umbauarbeiten befristet vermietet werden. Das Nichtanbieten einer solchen Wohnung stellt damit keinen Rechtsmissbrauch dar und ist vielmehr von Art 14 GG gedeckt, wenn es dem Vermieter gerade darum geht, nicht irgendeinen Mieter in die Wohnung einziehen zu lassen, da er die Wohnung dem allgemeinen Markt entziehen möchte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Die Klägerin ist, gemeinsam mit Herrn N. G., zu jeweils ½ Miteigentümerin von Gebäude und Freifläche Istr., Köln. Durch Rechtsnachfolge traten damit beide in den Mietvertrag für Wohnräume mit Frau X. T. über die Wohnung 1. Etage, Istr., vier Zimmer, eine Küche, ein Bad, eine Toilette gemäß Mietvertrag vom 16.06.1983, mit einer Wohnfläche von ca. 80 qm ein.

    Vermieter kündigten dem Mieter wegen Eigenbedarf für sich und ihr Kind

    Die Vermieter kündigten daraufhin mit Schreiben vom 15.04.2015 den Mietvertrag mit der Beklagten zum 31.01.2016. Sie stützten die Kündigung auf Eigenbedarf und führten im Wesentlichen aus, dass sie aus einer derzeit bewohnten 3-Zimmerwohnung, die sie zur Miete bewohnen, ausziehen möchten und in dem erworbenen Anwesen die Wohnung im Erdgeschoss und die von der Beklagten bewohnte Wohnung im 1. Obergeschoss verbinden möchten, um für sich und ein gemeinsames Kind sowie ein weiteres Kind des Vermieters G. ausreichend Platz zu haben. Die Beklagte erklärte zunächst keinen Widerspruch.

    Bei dem streitigen Objekt handelte es sich um ein Mehrfamilienhaus

    Das streitige Objekt ist ein Mehrfamilienhaus mit derzeit insgesamt vier Wohneinheiten. Die Wohnung im Dachgeschoss wurde zum 28.02.2015 nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der vormaligen Mieterin, die einen unbefristeten Mietvertrag hatte, von dieser geräumt und zum 28.02.2015 verlassen. Es kam zu einer erneuten Vermietung vom 31.03.2015 bis zum 31.03.2016.

    Die Wohnung im 2. Obergeschoss war bereits vor Eigentumserwerb der Klägerin und des Herrn G. unbefristet vermietet und die Wohnung im Erdgeschoss stand bei Eigentumserwerb durch die jetzigen Vermieter leer. Zum 31.03.2015 wurde sie mit befristetem Mietvertrag bis zum 31.03.2016 vermietet. Bereits seit dem 14.01.2014 hatten die Klägerin und Herr G. mit der Beklagten über den vorgetragenen Eigenbedarf gesprochen. Herr G. hatte dabei unter anderem der Beklagten Wohnungsvorschläge für Drittwohnungen außerhalb des Hauses Istr. unterbreitet.

    Die Klägerin beantragte, die Beklagte zu verurteilen, die im 1. OG des Hauses Istr. Köln, gelegene Wohnung, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Bad und Toilette sowie den dazugehörigen Kellerraum, zu räumen und geräumt an die Klägerin sowie Herrn N. G., Hstr. Köln, zum 31.01.2016 herauszugeben.

    Die Klägerin trug vor, sie habe nach Erwerb des Grundstückes Istr. die dort befindliche Wohnung mit der von der Beklagten bewohnten Wohnung im 1. Obergeschoss zusammenzulegen wollen, um dort mit einem gemeinsamen Kind sowie einem weiteren Kind des Vermieters G. einziehen zu können.

    Zudem sei beabsichtigt gewesen, die Wohnung im Dachgeschoss für die Mutter der Klägerin, Frau L herzurichten. Für entsprechende Sanierungsarbeiten seien die erforderlichen Baugenehmigungen  inzwischen von der Stadt Köln erteilt.

    Eine Alternativwohnung stünde dem Mieter nicht zur Verfügung

    Daher  stehe eine Alternativwohnung für die Beklagte im vorhandenen Objekt  nicht zur Verfügung, die frei gewordenen Wohnungen seien vorübergehend befristet bis zum 31.03.2016 vermietet worden.

    Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

    Sie meinte, die Klägerin wolle ihren behaupteten Nutzungswunsch  tatsächlich nicht umsetzen, denn das bisherige Verhalten der Klägerin nach dem Erwerb des Mehrfamilienhauses würde dagegen sprechen, da zumindest zwei Wohnungen im Haus leer gestanden haben (Wohnung Erdgeschoss sowie im Dachgeschoss) und in der Folge neu vermietet worden seien.

    Das erstinstanzlich angerufene Amtsgericht wies die Klage mangels Eigenbedarfsanspruches ab

    Das Amtsgericht Köln hat die Klage abgewiesen, da es der Auffassung war, der Klägerin stehe ein solcher Anspruch nicht zu.

    Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.

    Entscheidung des Landgerichts Köln

    Die zulässige Berufung habe in der Sache Erfolg, denn die Klägerin habe einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB.

    Das Berufungsgericht urteilt nun, dass das Mietverhältnis ordnungsgemäß beendet worden sei

    Das Mietverhältnis sei  durch die mit Schreiben vom 15.04.2015 erklärte Kündigung der Klägerin wirksam zum 31.01.2016 beendet worden ist. Daher werde das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 16.12.2015 (221 C282/15) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt werde, die im 1. Obergeschoss des Hauses I-Straße, 50939 Köln, gelegene Wohnung, bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Bad und Toilette sowie den dazugehörigen Kellerraum zu räumen und geräumt an die Klägerin sowie Herrn G, H-Straße, 50672 Köln, herauszugeben.

    Der Beklagten werde eine Räumungsfrist bis zum 30. September 2016 bewilligt.

    Das nach 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erforderliche Interesse liege mit dem Eigenbedarf der Klägerin vor. Dieser sei zu bejahen, wenn für den Willen des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen oder eine begünstigte Person dort wohnen zu lassen, ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund bestehe.

    Die Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches des Vermieters sei zu prüfen gewesen, wozu der Vermieter selbst und ggfs. dessen Angehörige anzuhören gewesen seien. Dabei sei aber dem Vermieter selbst überlassen, welchen Wohnbedarf er für sich oder seine Angehörigen als angemessen sehe.

    An dem Eigenbedarfswunsch der Vermieter bestünden kein Zweifel

    Da die Klägerin konkret dargetan und bewiesen habe, dass sie die von der Beklagten bewohnte Wohnung als Wohnraum für sich und ihre Familie benötige, bestünden keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit.  Das Gericht sei überzeugt, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann das streitgegenständliche Objekt erworben habe, um ein Mehrgenerationenhaus für ihre Familie zu gründen. Man habe glaubhaft vorgebracht, dass im Erd- und Obergeschoss die Klägerin, ihr Ehemann, ihr im Oktober 2015 geborenes Kind sowie der sechsjährige Sohn ihres Mannes wohnen wollen. Dazu beabsichtige man, die Wohnung im Erdgeschoss mit der streitgegenständlichen Wohnung im ersten Obergeschoss zu verbinden. Im Dachgeschoss werde die Mutter der Klägerin einziehen und die Klägerin bei der Kinderbetreuung unterstützen.

    Man plane das Haus mit einem Aufzug auszustatten, dazu müsse die Beklagte ausziehen und das Dachgeschosses geräumt werden. Daher sei mit der ursprünglichen Mieterin des Dachgeschosses einen Aufhebungsvertrag zum 28.02.15 geschlossen worden.

    Nachdem der Beklagten ordentlich zum 31.01.2016 gekündigt worden war, vermieteten die Klägerin und ihr Ehemann die Dachgeschosswohnung und die Erdgeschosswohnung jeweils befristet bis zum 31.03.2016, da die Beklagte einen solchen Mietvertrag nicht eingehen wollte. Die Klägerin durfte aber die finanzielle Belastung während dieses Übergangszeitraums durch Eingehung befristeter Mietverträge reduzieren.

    Das Gericht entschied auf Grundlage der glaubhaften Aussagen der Zeugen G und L und der informatorischen Befragung der Klägerin. Die vorgelegten Mietverträge mit den Mietern M bezüglich der Erdgeschoss-Wohnung  und O bezüglich der Dachgeschoss-Wohnung stützten die Aussagen, durch die Befristungsabreden, wobei als Grund der vorgetragene Umbauplan genannt werde. Die Baugenehmigung bezüglich der Änderung des Wohngebäudes vom 28.05.2015 gelte ebenfalls als Indiz.

    Die Kündigungsfrist des § 573c BGB sei eingehalten worden.

    Es sei kein Rechtsmissbrauch ersichtlich, der dem geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch entgegengehalten werden könne. Es sei zwar ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter eine vermietete Wohnung wegen Eigenbedarfs kündige und dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder derselben Wohnanlage zur Verfügung stehende Wohnung nicht anbiete, dies gelte aber nicht, wenn der Vermieter diese andere Wohnung nicht bzw. nicht an beliebige Dritte vermieten wolle.

    Da die Dachgeschosswohnung künftig durch die Mutter der Klägerin bewohnt werden sollte, stand sie dem allgemeinen Mietmarkt nicht mehr zur Verfügung, sodass die Klägerin die Wohnung nicht anbieten musste. Das Eingehen des befristeten Mietvertrags mit dem Mieter O bis zum 31.03.2016 spreche nicht dagegen, denn es handele sich dabei nur um eine Zwischenvermietung, die allein dem Umstand geschuldet war, dass die Umbaupläne bezüglich des Hauses nicht vor einem Auszug der Beklagten realisiert werden konnten.

    Es sei widersinnig, würde man von der Klägerin, die das Ziel verfolge, sämtliche für den Umbau benötigte Wohnungen in einen geräumten Zustand zu verbringen, verlangen, der Beklagten anstelle der von dieser bewohnten Wohnung im 1. Obergeschoss nun die Dachgeschosswohnung anzubieten. Gerade auch weil diese den Eigenbedarf bestritten habe. Mit einem einvernehmlichen Auszug sei nicht zu rechnen gewesen.

    Auch § 574 BGB (Sozialgründe) stehe der Beendigung des Mietverhältnisses nicht entgegen.

    Danach kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

    Das  Widerspruchsschreiben vom 25.11.2015 stelle keine Umstände für derartige besondere Härte dar. Bei der erforderlichen umfassenden Interessenabwägung habe das Gericht zugunsten der 76 Jahre alten Beklagten eingestellt, dass sie die streitgegenständliche Wohnung bereits seit 33 Jahren (1983) bewohne und durch den Wohnungsverlust aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werde. Auch sei eine im Jahr 2014 erfolgte Operation wegen Brustkrebs und der Schwerbehinderungsgrad von 80 Prozent der Beklagten berücksichtigt worden, ebenso wie  das chronische Vorhofflimmern der Beklagten. Dies begründe eine Härte  für die Beklagte, welche aber letztlich nicht den von § 574 BGB vorausgesetzten Grad erfülle.

    Denn man müsse ebenso einsehen, dass  das Vorhofflimmern nach Auffassung der Kammer altersgerecht und gut behandelbar sei. Eine Reise Ende März 2015 in den Iran spreche für einen angemessenen Gesundheitszustand. Der Schwerbehinderungsgrad sei allein auf die Krebserkrankung der Beklagten bzw. die diesbezüglich durchgeführte Operation zurückzuführen. Zudem habe die Beklagte einen weiteren Wohnsitz in Arnsberg, unabhängig davon, dass der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Köln liege, verringere dies doch die Härte.

    Daher habe die Kammer nicht erkennen können, dass die berechtigten Interessen der Beklagten an der Fortsetzung des Mietverhältnisses die Interessen der Klägerin an der Räumung der Wohnung in den Hintergrund treten lassen würden.

    Ohne eine Räumung der von der Beklagten bewohnten Wohnung würde die mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Objekts verfolgten Interessen der Klägerin vollständig vereitelt, sodass diesem ein großes Gewicht an der Räumung der streitgegenständlichen Wohnung zukomme.

    Damit sei der Klage stattzugeben gewesen.

    Quelle: Landgericht Köln

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