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Tag Archive: Rechtsanwalt Köln Kündigungsschutzklage

  1. Arbeitsrecht: Auskunftsanspruch eines erfolglosen Bewerbers gegen den Arbeitgeber

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    Bundesarbeitsgericht, 25.04.2013, Az.:  8 AZR 287/08

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    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz setzt vier europäischen Gleichbehandlungsrichtlinien in Deutschland um. Dabei soll das AGG insbesondere Schutz vor Diskriminierung im Bereich des Berufs- oder Wirtschaftslebens bieten.

    Vor Verabschiedung des AGG im August 2006 waren Arbeitnehmer unter Anderem durch die folgenden Rechtsgrundlagen vor Diskriminierung im Arbeitsleben geschützt:

    – Der heute weggefallene § 611 a BGB sollte die Gleichbehandlung der Geschlechter im Arbeitsverhältnis sicherstellen.

    – Der ebenfalls weggefallene § 612 III BGB regelte, dass bei einem Arbeitsverhältnis für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden durfte als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts.

    – Der noch existente § 81 SGB IX stellt sicher, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber nicht behinderten Arbeitnehmern diskriminiert werden.

    Sämtliche dieser Schutzgüter werden seit 2006 von dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz umfasst:

    Geschützte Rechtsgüter AGG

    Um den Beweis einer Benachteiligung zu führen, muss der Arbeitnehmer/Bewerber Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in §1 AGG genannten Grundes vermuten lassen.

    Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass kein Verstoß gegen Diskriminierungsverbote vorgelegen hat.

    In dem oben genannten Urteil des Bundesarbeitsgerichts hatte sich dieses mit der Frage zu beschäftigen, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch dahingehend hatte, ob diese einen anderen Bewerber eingestellt hat und gegebenenfalls aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt war.

    Sachverhalt: Die 1961 in der Russischen SSR geborene Klägerin hatte sich im Jahre 2006 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines/einer Softwareentwicklers/-in beworben, war aber nicht genommen worden.

    Auf Nachfrage der Klägerin teilte die Beklagte ihr nicht mit, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und gegebenenfalls, welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich gewesen waren.

    In dem Verfahren behauptete die Klägerin, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und damit unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) diskriminiert worden.

    Dementsprechend verlangte die Klägerin von der Beklagten eine angemessene Entschädigung in Geld. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

    Bundesarbeitsgericht: Das Bundesarbeitsgericht folgte den Ansichten der Vorinstanzen und urteilte, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auskunft sowie auf Schadensersatz habe.

    Auf seine Vorlage an den EuGH habe dieser mit Urteil vom 19. April 2012 (- C-415/10 -) entschieden, dass sich ein solcher Auskunftsanspruch auch nicht aufgrund des Gemeinschaftsrechts ergebe, die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Arbeitgeber jedoch unter Umständen einen Gesichtspunkt darstellen könne, welcher beim Nachweis der Tatsachen heranzuziehen sei, die eine Diskriminierung vermuten ließen.

    Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des EuGH bliebe die Entschädigungsklage auch hier ohne Erfolg.

    Die Klägerin habe zwar auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Herkunft hingewiesen, jedoch keine ausreichenden Indizien dargelegt, welche eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten ließen und die nach § 22 AGG zu einer Beweislast der Beklagten dafür führen würden, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen habe.

    Auch die Verweigerung jeglicher Auskunft durch die Beklagte begründete im Streitfalle nicht die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung der Klägerin i. S. d. § 7 AGG.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Arbeitsrecht: Ein Chefarzt, der während der Operation Privatgespräche mit dem Handy führt, muss vor der fristlosen Kündigung abgemahnt werden

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    Bundesarbeitsgericht, 25.10.2012, Az.: 2 AZR 495/11

    Vor einer außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich zunächst ordnungsgemäß abmahnen (§ 314 Abs. 2 BGB).

    Die Abmahnung kann allerdings insbesondere bei besonders schweren Pflichtverletzungen bzw. bei Störungen im Vertrauensbereich entfallen, wenn der Arbeitnehmer davon ausgehen konnte, dass sein Verhalten nicht gebilligt wird.

    Die Abmahnung kann sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen. Aus Gründen der Beweissicherung ist eine schriftliche Abmahnung allerdings vorzuziehen.

    In der Abmahnung muss das missbilligte Verhalten genau beschrieben werden, der Arbeitnehmer muss aufgefordert werden, sich zukünftig vertragsgemäß zu verhalten und für den Fall der erneuten Vertragsverletzung muss die arbeitsrechtliche Konsequenz (Kündigung) angedroht werden.

    In dem oben genannten Fall des Bundesarbeitsgerichts hatte sich dieses mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Chefarzt, der während Operationen Privatgespräche mit seinem Handy führte, vor der fristlosen Kündigung abgemahnt werden musste.

    Sachverhalt: Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

    In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags zwischen dem Kläger und der Beklagten vom 18.04.2005 hieß es:

    „Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

    Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags konnte dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

    Der Kläger nahm bei Operationen stets neben dem dienstlichen Telefon auch sein privates Handy mit in den Operationssaal.

    Beide Telefone lagen auf dem Ablagetisch. Sowohl hinsichtlich von dienstlichen als auch von privaten Anrufen hatte der Chefarzt das OP-Personal angewiesen, jeden Anruf anzunehmen.

    Die Gespräche führte der Kläger nachfolgend teilweise, während er die OP fortführte, indem ihm das Telefon ans Ohr gehalten wurde; teilweise unterbrach er die Operationen.

    Zu den Anrufen zählten unter Anderem Privatgespräche mit seiner Ehefrau, bspw. über Handwerker. Die Unterbrechungen erfolgten sowohl vor als auch nach dem Schnitt und dauerten mitunter Minuten.

    Die Patienten bemerkten diese Telefonate infolge der Narkose nicht; das OP-Team hingegen bezeichnete die Anrufe als äußerst störend.

    Die Bitte einer Anästhestistin, ein Telefonat zu unterlassen, ignorierte der Chefarzt.

    Mit Schreiben vom 26.09.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“.

    Die Beklagte warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen.

    Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

     Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Mit der Revision zum Bundesarbeitsgericht verfolgte die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

    Bundesarbeitsgericht: Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Ansicht der Vorinstanzen und urteilte, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden sei.

    Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar sei, sei in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

    Es habe eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen.

    Dabei ließen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen.

    Zu berücksichtigen seien aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

    Eine außerordentliche Kündigung komme nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gebe, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar seien.

    Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kämen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht.

    Sie seien dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen.

    Beruhe die Vertragspflichtverletzung auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, sei grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden können.

    Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzten deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.

    Einer solchen bedürfe es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten stünde, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen sei.

    Zwar habe der Kläger seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt habe. Dies gelte auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt habe.

    Gleichwohl sei es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiter zu beschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

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  3. Arbeitsrecht: Einvernehmlich vereinbarte Arbeitszeitverringerung während der Elternzeit ist nicht auf den Anspruch der zweimaligen Verringerung anzurechnen

    Kommentare deaktiviert für Arbeitsrecht: Einvernehmlich vereinbarte Arbeitszeitverringerung während der Elternzeit ist nicht auf den Anspruch der zweimaligen Verringerung anzurechnen

    Bundesarbeitsgericht, 19.02.2013, Az.:  9 AZR 461/11

    Die Elternzeit ist im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt. Danach hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Elternzeit wenn die Voraussetzungen des BEEG vorliegen.

    Einen Anspruch auf Elternzeit können danach auch Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte oder Beschäftigte mit einem befristeten oder unbefristeten Vertrag haben.

    Die Inanspruchnahme der Elternzeit setzt gem. § 16 Abs. 1 BEEG voraus, dass der betreffende Arbeitnehmer die Elternzeit mindestens sieben Wochen vor Beginn beantragt und gleichzeitig mitteilt, für welche Zeiten sie innerhalb von zwei Jahren genommen wird.

    Die konkreten Daten für den Beginn und das Ende der Elternzeit sind ebenfalls anzugeben.

    Während der Elternzeit ruhen die beiderseitigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Nach der Elternzeit leben die Leistungspflichten mit dem bisherigen Inhalt wieder auf.

    Vor einer Kündigung ist der Arbeitnehmer während der Elternzeit gem. § 18 BEEG durch einen besonderen Kündigungsschutz geschützt.

    Um Eltern den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern, haben diese während der Elternzeit gem. § 15 Abs. 5 BEEG ebenfalls das Recht, ihre Arbeitszeit zu verringern und einen Antrag auf die entsprechende Ausgestaltung zu stellen.

    Gemäß § 15 Abs. 6 BEEG können Eltern diese Verringerung während der Elternzeit sogar zweimal beantragen und das sogar ohneeinvernehmliche Regelung mit dem Arbeitgeber.

    Sachverhalt: Die Klägerin war seit 2006 bei der Beklagten in Vollzeit beschäftigt.

    Am 05.06.2008 brachte sie ein Kind zur Welt und nahm zunächst für die Dauer von zwei Jahren bis zum 04.06.2010 Elternzeit in Anspruch.

    Am 03.12.2008 vereinbarten die Parteien einvernehmlich die Verringerung der Arbeitszeit für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.05.2009 auf wöchentlich 15 Stunden und für die Zeit vom 01.06.2009 bis zum Ende der Elternzeit am 04.06.2010 auf wöchentlich 20 Stunden.

    Mit Schreiben vom 07.04.2010 nahm die Klägerin ab dem 05.06.2010 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes erneut Elternzeit in Anspruch und beantragte gleichzeitig, wie bisher 20 Stunden wöchentlich zu arbeiten.

    Dies lehnte die Beklagte ab. Das nachfolgend durch die Klägerin angerufene Arbeitsgericht verurteilte die Beklagte, das Angebot der Klägerin auf entsprechende Vertragsänderung anzunehmen. Das Landesarbeitsgericht wiederum wies die Klage auf die Berufung der Beklagten ab.

    Hiergegen richtete sich die Revision der Klägerin zum Bundesarbeitsgericht.

    Bundesarbeitsgericht: Das Bundesarbeitsgericht folgte der Ansicht des Landesarbeitsgerichtes nicht und urteilte, dass dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Vereinbarung der Parteien vom 03.12.2008 nicht entgegen stünde.

    Einvernehmliche Elternteilzeitregelungen seien nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

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  4. Arbeitsrecht: Kündigung wegen Alkoholsucht ist nach den Grundsätzen für die krankheitsbedingte Kündigung zu beurteilen

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    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 06.09.2012, Az.: 11 Sa 167/12

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    Im Arbeitsrecht gibt es drei Arten von Kündigungsgründen: Betriebsbedingte Kündigung (z. B. wegen Umsatzrückgang, schlechter Auftragslage oder Betriebsrationalisierung) die verhaltensbedingte Kündigung (Trunkenheit des Arbeitnehmers, Tätlichkeiten im Betrieb, etc.) oder die personenbedingte Kündigung (Häufige Krankheiten des Arbeitnehmers, Schlechtleistung, etc.).

    1. Kündigung aus betrieblichen Gründen

    Grund für die betriebsbedingte Kündigung ist in den meisten Fällen ein Umsatzrückgang oder eine sonstige verschlechterte wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers.

    Der Arbeitnehmer ist aber auch in solchen Fällen nicht schutzlos, da der Arbeitgeber dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, eine Sozialauswahl hinsichtlich der Kündigung treffen muss. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber abzuwägen, wer unter den zu kündigenden Arbeitnehmern am wenigsten auf den Arbeitsplatz angewiesen ist.

    2. Verhaltensbedingte Kündigung

    Die verhaltensbedingte Kündigung betrifft Pflichtverletzungen die der Arbeitnehmer während der Arbeit begeht.

    Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann oftmals sofort eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ausgesprochen werden.

    In den meisten Fällen ist jedoch zunächst eine Abmahnung durch den Arbeitgeber erforderlich. Diese Abmahnung muss rechtzeitig, d.h. zeitnah erfolgen und darin muss die Pflichtverletzung konkret bezeichnet werden. Darüber hinaus muss in der Abmahnung angegeben werden, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht.

    Viele Kündigungen scheitern im Rahmen der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht an der fehlenden oder falschen Abmahnung.

    3.  Personenbedingte Kündigung

    Die personenbedingte Kündigung betrifft objektive Gründe die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Häufigster Fall der personenbedingten Kündigung ist die Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers.

    Insbesondere die Kündigung wegen häufiger Krankheiten des Arbeitnehmers unterliegt allerdings strengen Voraussetzungen. So muss der Arbeitgeber zunächst versuchen, durch andere Maßnahmen wie das Einstellen einer Aushilfskraft oder die vorübergehende Umorganisation des Betriebes die Zeit eines krankheitsbedingten Arbeitsausfalls zu überbrücken. Dies allerdings nur insoweit, als es dem Arbeitgeber zumutbar ist.

    In dem oben genannten Fall des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen einer Alkoholkrankheit des Arbeitnehmers und daraus resultierenden Fehlzeiten dessen.

    Sachverhalt: Der 1970 geborene, ledige Kläger war bei der Beklagten (Großbäckerei) seit dem 01.08.1991 zu einer Bruttomonatsvergütung von durchschnittlich 2.600,– EUR beschäftigt.

    Es bestand kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Bei der Beklagten waren mehr als 10 Arbeitnehmer tätig. Ein Betriebsrat existierte nicht.

    Im Jahre 2010 fehlte der Kläger krankheitsbedingt an 105 Arbeitstagen. Um den Jahreswechsel 2010/11 offenbarte der Kläger gegenüber dem Backstubenleiter ein Alkoholproblem. Ab dem 05.01.2012 befand sich der Kläger dann für eine Woche zur stationären Behandlung in einer Fachklinik. Im Anschluss daran war er arbeitsunfähig zu Hause, bevor er ab dem 01.02.2011 eine Rehabilitationsmaßnahme begann. Diese brach er nach 5 Tagen ab. Hieraus resultierten 26 Arbeitstage Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2011.

    Darauffolgend nahm der Kläger zwei Wochen Alturlaub und kehrte dann an den Arbeitsplatz in der Brotabteilung zurück.

    Am 11.03.2011 führte der unmittelbare Vorgesetzte mit dem Kläger ein Rückkehrgespräch.
    Mit Schreiben vom 15.03.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2011.
    Hiergegen erhob der Kläger am 04.04.2011 Klage vor dem Arbeitsgericht.

    Mitte Juli 2011 arbeitete der Kläger nach Anfrage durch den Backstubenleiter während drei Wochen 6 statt 5 Tage in der Woche.

    Vor dem zunächst angerufenen Arbeitsgericht hat der Kläger vorgetragen, dass er im Jahr 2010 wegen einer Lungenerkrankung gefehlt habe. Die Rehabilitationsmaßnahme im Februar 2011 habe er aus finanziellen Gründen abgebrochen, da er auf den Arbeitslohn der Beklagten angewiesen gewesen sei. Er sei noch nie aufgrund alkoholbedingter Probleme im Betrieb aufgefallen und arbeite nach wie vor unbeaufsichtigt.

    Die Beklagte hingegen hat vorgetragen, dass der Kläger im Rückkehrgespräch keine Erklärung für die Unterbrechung des Heilungsprozesses gegeben habe. Er sei weder therapiebereit noch –fähig gewesen, so dass mit zukünftigen Ausfällen wegen der Suchterkrankung gerechnet werden müsse. Es dürfe als gerichtsbekannt unterstellt werden, dass Alkoholiker unter einem erheblichen Kontrollverlust leiden und ein unbeaufsichtigtes Arbeiten im Produktionsbetrieb unmöglich sei. Hinzu käme, dass die erheblichen Fehlzeiten die Planungssicherheit im Betrieb beinträchtigen würden.

    Das zunächst angerufene Arbeitsgericht gab der Klage des Klägers statt. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Das LAG Rheinland Pfalz folgte der Ansicht des Arbeitsgerichts und wies die Berufung ab.

    Nach Ansicht des LAG RP sei eine Kündigung wegen Alkoholsucht nach den für die krankheitsbedingte Kündigung geltenden Grundsätzen zu beurteilen.

    Die krankheitsbedingte Kündigung sei im Rahmen einer dreistufigen Überprüfung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn aufgrund objektiver Umstände (insbesondere bisheriger Fehlzeiten) bei einer lang anhaltenden Erkrankung mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bzw. bei häufigeren Kurzerkrankungen auch weiterhin mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden müsse; die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führten und sich im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergäbe.

    Es sei insofern hier bereits fraglich, ob der kurze Zeitraum von Januar 2010 bis März 2011 ausreichend sei, um hierauf seitens des Arbeitgebers eine negative Gesundheitsprognose stützen zu können.

    In der Regel würden die zurückliegenden zwei bis drei Jahre als Prognosebasis herangezogen. Zwingend sei das allerdings nicht. Eine hinreichende Indizwirkung könne sich auch aus kürzeren Zeiträumen ergeben.

    Doch selbst wenn zugunsten der Beklagten eine negative Gesundheitsprognose aufgrund
    des Abbruchs der Rehabilitationsmaßnahme unterstellt würde, so hätte die Beklagte versäumt, ausreichend zu den erheblichen betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen durch die bisherigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers vorzutragen.

    Kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastungen in Form der zu zahlenden Entgeltfortzahlungskosten seien von der Beklagten gar nicht angeführt worden.

    Soweit sie sich auf betriebliche Beeinträchtigungen berufen hätte, verbliebe ihr Vortrag hierzu abstrakt und damit nicht ausreichend. Es würde kein einziger suchtbedingter Ausfall bzw. keine suchtbedingte Reaktion des Klägers dargestellt, aufgrund derer sie sich verpflichtet sehen musste, die Arbeit des Klägers ständig zu überwachen.

    Der Kläger sei noch nie aufgrund alkoholbedingter Probleme im Betrieb aufgefallen. Selbst wenn ein singulärer alkoholbedingter Vorfall angeführt worden wäre, hätte das noch nicht die Annahme des Arbeitgebers gerechtfertigt, dieser Vorfall führe – sozusagen zwangsläufig – zu erheblichen betrieblichen Störungen.

    Die angeblich erforderliche ständige Überwachung des Klägers sei nicht konkret dargestellt worden. Es sei mangels Vortrags der Beklagten nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger seit dem Bekenntnis zu seinem Alkoholproblem stärker überwacht werde als seine Arbeitskollegen.

    Jedenfalls könne hiermit kein schwerwiegender Eingriff in die Organisation der Beklagten verbunden sein, denn sie habe es für sich noch als zumutbar erachtet, ihn im Juli 2011 für die Dauer von drei Wochen an 6 statt 5 Wochentagen einzusetzen.

    Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass der Einsatz des Klägers nur noch eingeschränkt möglich sei. Gefährdungen für ihn selbst oder andere durch seine Tätigkeit als Bäcker seien nicht dargelegt worden.

    Ebenso fehle ein konkreter Vortrag zu den Zeiten, in denen der Kläger krankheitsbedingt im Betrieb gefehlt habe. Die Beklagte habe nicht dargelegt, weshalb es ihr nicht auch zukünftig zumutbar sei, mit den Fehlzeiten des Klägers umzugehen. Soweit sie auf Beeinträchtigungen in der Planungssicherheit des Betriebs verwiesen habe, stelle sie nicht dar, welche konkreten Schwierigkeiten in der Vergangenheit aufgetreten seien und wie sie hiermit umgegangen sei.

    Entgegen der Auffassung der Beklagten reiche es nicht aus, auf den gerichtsbekannten erheblichen Kontrollverlust von Alkoholikern zu verweisen. Auf abstrakte Kriterien allein könne es nicht ankommen, da anderenfalls die zweite Prüfungsstufe der krankheitsbedingten Kündigung bei der Alkoholkrankheit obsolet würde. Dies stände der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die oben zitiert worden ist, entgegen.

    Quelle: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

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